Patent- und Markenrecht

29 W (pat) 6/20

Aktenzeichen  29 W (pat) 6/20

Datum:
1.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:011021B29Wpat6.20.0
Spruchkörper:
29. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

(Löschungsverfahren S 32/16)
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2021 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und die Richterin Lachenmayr-Nikolaou
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Oktober 2017 aufgehoben. Der Löschungsantrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Das am 26. November 2009 angemeldete Zeichen
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2
ist am 2. Juni 2010 unter der Nummer 30 2009 069 917 für die Waren der Klasse 25 „Schuhwaren“ als sonstige Marke in das beim DPMA geführte Markenregister eingetragen worden mit der Beschreibung
3
„Positionsmarke, bestehend aus einem speziellen Zehenelement am vorderen Teil eines Schuhs. Dieses Element besteht aus einem Kappen-Element, das sechs Rippen entlang der Oberseite des Zehenbereichs und ein Muster aus X-en zwischen den Rippen beinhaltet. Die gestrichelten dunklen Linien sind nicht Bestandteil der Marke, sondern legen deren Position auf dem Produkt fest.“
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Im Rahmen des amtlichen Löschungsverfahrens hat die Inhaberin der angegriffenen Marke nach einem Zwischenbescheid der Markenabteilung 3.4 des DPMA vom 8. Dezember 2016 ihr Warenverzeichnis mit Wirkung vom 3. Februar 2017 beschränkt auf die Waren der
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Klasse 25: Schuhwaren, nämlich Schuhe (ausgenommen Sandalen).
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Die Beschwerdeführerin und Inhaberin der angegriffenen Marke hat zudem nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 17. Mai 2021 beantragt, das Warenverzeichnis der streitgegenständlichen Marke wie folgt einzuschränken:
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Klasse 25: Schuhwaren, nämlich Sportschuhe und Sneaker (ausgenommen Sandalen).
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Am 29. Februar 2016 hat die Beschwerdegegnerin die vollständige Löschung der Marke wegen Nichtigkeit gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 3 MarkenG sowie gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG beantragt.
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Zur Begründung ihres Löschungsantrags hat sie vorgetragen, die Marke sei entgegen dem in § 3 Abs. 1 MarkenG verankerten Bestimmtheitserfordernis eingetragen worden, da sie einige Teilmerkmale nicht genau erkennen lasse und daher unterschiedliche Varianten zum Gegenstand habe. Die angemeldete Marke sei zu unbestimmt, weil der genaue Verlauf der Krümmung des vorderen Abschlusses des Zehenelements, der Scheitellinie zwischen dem zunächst konkaven und sodann konvexen Bereich der Kappe sowie der Konturlinie als dem Ort der stärksten Krümmung im konvexen Abschnitt der Kappe jeweils nicht klar seien. Des Weiteren seien eine Krümmung der beiden mittleren Rippen, die Ausgestaltung der oberen Begrenzung auf der rechten Seite des Zehenelements, die genaue Positionierung der einzelnen „X-e“ auf der linken Seite und der Abschluss des Zehenelements auf dieser Seite nicht eindeutig erkennbar. Schließlich bleibe offen, ob der auf der rechten Seite erkennbare Abstand zwischen der äußersten Anordnung der „X-e“ und der äußeren Begrenzungslinie auch auf der linken Seite vorliege und ob das Zehenelement in Frontansicht und/oder in Draufsicht von oben symmetrisch ausgestaltet sei.
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Zudem sei das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gegeben. Bei der Marke, die für Schuhwaren eingetragen sei, handele es sich um die Gestaltung eines Zehenelements. Damit erschöpfe sich die Marke in der Wiedergabe eines Teils der Ware, für die Schutz begehrt werde. Der Verkehr sehe jedoch in der Form einer Ware keinen Herkunftshinweis, vielmehr könne nur eine Warenform, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweiche, Unterscheidungskraft haben. Vorliegend fehle es jedoch an einer (erheblichen) Abweichung von der Norm oder Branchenüblichkeit. Selbst wenn bis zum Anmeldezeitpunkt nur schmucklose Kappenelemente verbreitet gewesen wären, sei eine einfache Anordnung von Rippen und „X-en“ wie im vorliegenden Fall keine hinreichend deutliche Abweichung hiervon, zumal die Rippen aufgrund ihrer geringen Größe nicht sonderlich ins Auge fallen würden und die „X-e“ als solche kaum erkennbar seien und eher den Eindruck einer „bestimmten Oberflächenstruktur“ hervorrufen würden. Die Gestaltung sei daher bereits unabhängig vom Marktumfeld nicht unterscheidungskräftig. Schlichte Kappendesigns seien zudem bereits vor der Anmeldung im Jahr 2009 gängig gewesen und sogar Rippendesigns seien vorbekannt gewesen, wie sich aus den vorgelegten Verwendungsbeispielen ergebe, u. a. den bei Neckermann im Herbst/Winter 2008 angebotenen Schuhen der Beschwerdegegnerin, den im Otto-Katalog über Jahre beworbenen IX-CHEL-Modellen, den von Deichmann vertriebenen Graceland-Modellen sowie weiteren Schuhen der Marken Lico, PHAT-Farm, Kangaroos, Buffalo, Reject, Patrick, Camel Active Timberland (Anlage ASt 2 zum Löschungsantrag). Daher habe die Inhaberin der angegriffenen Marke ein branchenübliches Design zum Gegenstand einer eigenen Markenanmeldung gemacht. Des Weiteren sei die bereits vor dem Anmeldezeitpunkt auf dem Schuhmarkt vorhandene große Formenvielfalt bei der Gestaltung von Schuhkappen zu beachten. Diese unterstreiche, dass der Verkehr eine Form wie diejenige der verfahrensgegenständlichen Marke nur dem Bemühen zuschreibe, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen. Außerdem sehe der Verkehr in einer Zehenkappe ganz allgemein keinen Herkunftshinweis, sondern eine Verzierung oder ein technisches Element. Im Hinblick auf die Branchengewohnheiten bei Schuhwaren sei den angesprochenen Verkehrskreisen vielmehr bewusst, dass seitliche Gestaltungselemente beispielsweise in Form von drei Streifen einen Herkunftshinweis darstellen könnten, nicht aber die Gestaltung anderer Schuhelemente.Dementsprechend würden die unterschiedlichen Zehenkappendesigns jeweils von ganz verschiedenen Herstellern angeboten, so dass der Verkehr daran gewöhnt sei, dass er ein Zehenelement des Schuhs eines Herstellers häufig identisch oder ähnlich ebenso bei den Schuhen anderer Hersteller finde.
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Schließlich sei die Marke auch entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eingetragen worden, da es sich nur um die Wiedergabe eines Teils der beanspruchten Ware handele und die Gestaltung innerhalb der auf dem Warengebiet vorhandenen Formenvielfalt liege. Auch eine dreidimensionale Ware – ob Positionsmarke oder nicht – könne beschreibend i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sein.
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Dem ihr am 23. März 2016 zugestellten Löschungsantrag hat die Inhaberin der angegriffenen Marke und Beschwerdeführerin mit am 23. Mai 2016 beim DPMA eingegangenem Schriftsatz widersprochen.
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Mit Beschluss vom 11. Oktober 2017 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA die Eintragung der Marke 30 2009 069 917 gelöscht.
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Zur Begründung führt die Markenabteilung aus, der Marke fehle im Anmeldezeitpunkt sowie im Entscheidungszeitpunkt die erforderliche Unterscheidungskraft. Die Positionsmarke sei als „sonstige Markenform“ markenfähig i.S. des § 3 Abs. 1 MarkenG und sei zudem durch eine technische Zeichnung in Verbindung mit einer wörtlichen Markenbeschreibung ausreichend individualisiert, so dass die im Hinblick auf das sich aus § 3 Abs. 1 MarkenG ergebende Bestimmtheitserfordernis erhobenen Einwendungen nicht durchgreifen würden. Der Marke fehle allerdings die konkrete Unterscheidungskraft für die vorliegend beanspruchten „Schuhwaren“. Diese würden sich sowohl an ganz breite Bevölkerungs- und Konsumentenkreise als auch an den Fachverkehr, nämlich Schuhhändler, wenden. Auch wenn bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit dreidimensionaler Marken keine strengeren Anforderungen angelegt werden dürften als bei sonstigen Marken, so würden doch Marken, die aus der Form einer Ware oder deren Verpackung bestünden, nicht in gleicher Weise wie Wort- oder Bildmarken aufgefasst, weil der Durchschnittsverbraucher und gleichermaßen auch der Fachverkehr aus der Form der Ware oder deren Verpackung gewöhnlich nicht auf die betriebliche Herkunft dieser Waren schließen würden. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müsse diese spezielle Markenform von der Norm oder Branchenüblichkeit erheblich abweichen, um eine Herkunftsfunktion zu begründen. Da die vorliegende Positionsmarke ein Kappenelement bei Schuhen zeige, also die Abbildung eines Teils der beanspruchten Ware darstelle, seien diese für Bildmarken oder dreidimensionale Marken entwickelten Grundsätze zu berücksichtigen. Dementsprechend sei für die Schutzfähigkeitsprüfung maßgeblich, inwieweit dieser Teil der Ware von der Norm oder Branchenüblichkeit am Anmeldetag sowie dem Tag der Entscheidung über den Löschungsantrag erheblich abgewichen sei bzw. abweiche.Die von der Löschungsantragstellerin insbesondere in ihrer Anlage ASt 2 vorgelegten Beispiele würden belegen, dass es auf dem Markt für Sportschuhe oder Sneakers lange vor und auch während der Zeit der Markenanmeldung in Jahr 2009 zahlreiche Hersteller gegeben habe, die vergleichbare Schuhkappen bei ihren Modellen eingesetzt hätten und weiterhin einsetzen würden. Insoweit sei auf die Marken „IX-CHEL“, „Lico Style Komet“, „Deichmann Graceland“, „Kappa Style 240 775“, „Phat Farm“, „KangaROOS“, „Reject“ und „Patrick“ hinzuweisen, bei denen die wesentlichen Elemente der vorliegend angegriffenen Positionsmarke vorhanden seien, nämlich die Rippenstruktur, eine dazwischen befindliche Musterung und das von der Markeninhaberin für ihre Marke herausgestellte Merkmal, dass die Kappe bis zum Schnürbereich des Schuhs reiche.Dass das von der Markeninhaberin als „Shell toe“-Logo bezeichnete Element stets in Verbindung mit weiteren Adidas-Marken auftrete, sei kein Argument für die Unterscheidungskraft der Marke, die selbständig und für sich allein kennzeichnend sein müsse.Auch eine umfangreiche Verwendung und die von der Markeninhaberin als „durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft“ bezeichnete Bekanntheit der Marke ändere nichts an dieser Bewertung. Die bloße Bekanntheit der Gestaltung sei kein relevantes Kriterium. Sofern die Markeninhaberin sich auf die Überwindung des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft durch Verkehrsdurchsetzung gem. § 8 Abs. 3 MarkenG hätte berufen wollen, hätte sie dies durch eine Verbraucherbefragung belegen müssen. Ob zugleich ein Freihaltebedürfnis anzunehmen sei, könne offenbleiben. Für eine Kostenentscheidung bestünden keine Anhaltspunkte.
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Gegen den ihr am 19. Oktober 2017 zugestellten Beschluss wendet sich die Inhaberin der angegriffenen Marke mit ihrer am 17. November 2017 beim DPMA eingegangenen Beschwerde.
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Die Beschwerdeführerin führt zur Begründung aus, der angegriffene Beschluss betreffe eine „Welt-Ikone“ aus dem Bereich der Sneaker und richte sich gegen einen bahnbrechend neu gestalteten Schuh, der sich seit seiner Einführung in den Jahren 1969/1970 längst am Markt durchgesetzt habe. Die mit dem Löschungsantrag angegriffene Marke werde umfangreich benutzt und weise einen sehr hohen Bekanntheitsgrad auf. Die muschelartige „Shell toe”-Schuhkappe sei wesentliches Merkmal des bekannten Sneaker-Modells „SUPERSTAR” der Beschwerdeführerin, das eine hohe Medienpräsenz habe, was zu einer sehr hohen Bekanntheit sowohl des Sneaker-Modells als auch des „Shell toe“-Elements geführt habe. Die Beschwerdeführerin verkaufe auch aktuell durchgängig sehr hohe Stückzahlen von Sneakern mit der „Shell toe“-Zehenkappe, wie sich aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung von Frau L… vom 7. Juni 2018 ergebe (AnlageLSG 11 zum Schriftsatz vom 21. Juni 2018). Ein Löschungsgrund sei weder im Anmeldezeitpunkt noch aktuell gegeben. Die Darlegungslast für das Vorliegen eines Schutzhindernisses treffe die Beschwerdegegnerin.
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Ein Löschungsgrund nach § 3 MarkenG liege nicht vor. Die in ihrem Gesamteindruck zu betrachtende angegriffene Marke sei abstrakt unterscheidungsgeeignet und weise die erforderliche Bestimmtheit auf. § 3 MarkenG fasse den Kreis der als Marke schutzfähigen Zeichen weit. Dementsprechend seien viele weitere Marken, welche bekannte dreidimensionale Formgebungen zum Gegenstand hätten, im Markenregister eingetragen.
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Zudem sei die angegriffene Marke auch unterscheidungskräftig gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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Da es sich bei der angegriffenen Marke nicht um eine Warenformmarke handele, habe die Markenstelle, die bei ihrer Entscheidung auf die Branchenüblichkeit der Gestaltung abgestellt habe, bereits nicht die zutreffenden Maßstäbe angewandt. Es gehe bei der vorliegenden Marke weder um den Schutz der Form eines Schuhs noch um den Schutz der Form einer Schuhkappe. Vielmehr schütze die angegriffene Positionsmarke die Anbringung eines Bildzeichens, bestehend aus „Rippen“ und „X-en“, an einer bestimmten Position eines Schuhs, wie dies auch bei der Bild-Positionsmarke der seitlich am Schuh angebrachten drei Streifen der Fall sei. Daher sei zu prüfen, ob die angesprochenen Verkehrskreise in diesem Bild-/Positionszeichen eine bloße Dekoration sehen oder dieses als Herkunftszeichen verstehen, wohingegen nicht darauf abzustellen sei, ob die Marke von der Norm oder Branchenüblichkeit erheblich abweiche. Da es sich bei dem angegriffenen Bildzeichen in Form von „Rippen“ und „X-en“ keinesfalls um eine geläufige geometrische Form für die Verzierung von Schuhkappen handele, werde das Publikum dieses gerade nicht als bloße Dekoration eines Schuhs ansehen, sondern als Herkunftshinweis.
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Aber selbst wenn man das Kriterium der Abweichung vom branchenüblichen Formenschatz für maßgeblich erachte, sei die Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke zu bejahen, da diese über die typische Gestaltung der Ware hinausreichende charakteristische Merkmale aufweise, die aus dem verkehrsüblichen Rahmen der Gestaltungsvielfalt auf dem jeweiligen Warengebiet fallen würden. Die verfahrensgegenständliche mehrteilige Kombinationsmarke, die unter Berücksichtigung ihrer Beschreibung aus mehreren Elementen bestehe, nämlich dem X-Muster und den sechs Rippen, jeweils in bestimmter Anordnung/Aufmachung, und dies als Positionsmarke, d.h. in bestimmter Relation zur Ware, sei als Gesamtzeichen bereits deshalb schutzfähig, weil die Einzelelemente für sich betrachtet schutzfähig seien, so beispielsweise das „X-Muster“ bzw. ein einzelnes „X“. Zudem handele es sich um eine auf dem Schuhsektor einzigartige schutzfähige Gesamtkombination. Die angegriffene Positionsmarke stelle sich als eine besondere graphische Gestaltung einer Muschel bzw. eines muschelartigen Elements im Bereich der Schuhkappe dar, dies sei bei Schuhwaren ungewöhnlich. Besonders hervorzuheben sei neben der sich an die Erscheinungsform einer Muschel anlehnende besondere Gestaltung auch die Positionierung des Zeichens (Positionsmarke), sowie dass die Marke aus runden und eckigen Elementen bestehe, wobei die eigenartige Kombination von sehr runden, bogenartigen Linien (vorne) mit dann wieder eckigen „Etappen“ phantasievoll und ungewöhnlich sei und daher originäre Markenqualität habe. Ein erhebliches Abweichen von der Norm bzw. Branchenüblichkeit liege zudem darin, dass das im Vorderteil des Schuhs angesiedelte Kappenelement bis zur Schuhzunge und dem bereits im Mittelteil des Schuhs befindlichen Schnürbereich hochgezogen sei und nicht etwa – wie bei vielen anderen Schuhgestaltungen – nur einen kleinen Teil des Vorderbereichs des Schuhs bedecke. Der vordere Teil des Schuhs sei geradezu ein Eyecatcher und die Anbringung einer Marke gerade dort präge sich leicht ins visuelle Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise ein. Dies entspreche auch den Kennzeichnungsgewohnheiten im einschlägigen Warensektor der Schuhe, im Besonderen der Sneaker, in dem die Anbringung von Kennzeichen vorne am Schuh üblich sei. Da gerade im Produktbereich „Schuhe“ Marken eine eminent wichtige Rolle spielen würden, würde der Verkehr auch eine vorne am Schuh angebrachte Marke erkennen und in der Gestaltung einen Herkunftshinweis sehen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass Bekleidungsstücke und Schuhe oft mehrfach gelabelt seien.
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Die angegriffene Marke sei somit im Anmeldezeitpunkt erheblich von branchenüblichen Gestaltungen abgewichen. Etwas Anderes ergebe sich insbesondere nicht aus den als Anlage Ast 2 zum Löschungsantrag von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Beispielen und den im Beschluss der Markenabteilung genannten Schuhmodellen. Um einen angeblichen Löschungsgrund darzulegen, müsse der Vortrag der Beschwerdegegnerin die „Anforderungen des Schwächungseinwandes“, also des Einwands der Schwächung der Kennzeichnungskraft einer Widerspruchsmarke aufgrund von Drittmarken, erfüllen. Diesen Anforderungen genüge der Vortrag der Beschwerdegegnerin jedoch nicht. Der Vortrag sei bereits nicht ausreichend substantiiert und die Anlage ASt 2 zum Löschungsantrag stelle kein geeignetes Beweismittel dar, da sie „patchworkartig“ zusammengestellt sei, u. a. mit nachträglich zu Abbildungen hinzugefügten Textpassagen und ohne (Original-) Datumsangaben. Zudem würden die Abbildungen teilweise nur vier statt sechs Rippen zeigen und die Rippen teilweise in Kombination mit einer anderen Kennzeichnung verwendet, so dass diese Gestaltungen die Unterscheidungs- und Kennzeichnungskraft der angegriffenen Marke nicht schwächen könnten. Die Gestaltung der angegriffenen Marke, die aus einer Kombination mehrerer Elemente bestehe, hebe sich auch deutlich von Sneakern ab, deren Kappe nicht bis zu den Schnürsenkeln reiche oder bei denen die Kappe gar keine „Shell toe“-artigen Linien aufweise. Der gesamte Vortrag der Beschwerdegegnerin stelle das Marktumfeld unzutreffend dar. Der Löschungsantrag sei bereits „aus Gründen völliger Unsubstantiiertheit als unzulässig bzw. jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen“.
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Des Weiteren seien die zeitlich frühere Nutzung der Gestaltung durch die Beschwerdeführerin sowie die Bekanntheit der angegriffenen Marke zu berücksichtigen. Die angegriffene Marke, die mit dem „Shell toe“-Element das zentrale Erkennungsmerkmal des bekannten SUPERSTAR-Schuhmodells der Beschwerdeführerin schütze, habe das Branchenumfeld im Anmeldezeitpunkt ganz maßgeblich geprägt. Die immense Bekanntheit des SUPERSTAR-Schuhs mit dem „Shell toe“-Zeichen habe dazu geführt, dass vereinzelte Nachahmungen auf dem Markt angeboten worden seien. Diese könnten aber aus Rechtsgründen bei der Beurteilung des Branchenumfelds nicht berücksichtigt werden. Soweit die im angefochtenen Beschluss genannten Schuhmodelle nicht bereits deutlich anders gestaltet seien als die angegriffene Marke, handele es sich bei diesen um Nachahmungen der bekannten Stilikone der Beschwerdeführerin. Derartige Nachahmungen dürften jedoch nicht als Argument für die Löschung der angegriffenen Marke herangezogen werden, denn unrechtmäßig Nachgeahmtes dürfe nicht das markenrechtliche Kriterium der „Branchenüblichkeit“ verändern. Zudem sei die Beschwerdeführerin im Jahr 2009 und in den Jahren davor rechtlich gegen Nachahmungen vorgegangen, nämlich gegen ähnliche Schuhe, die auch gleiche oder ähnliche Kappenelemente enthielten. Nachahmungen, gegen die die Beschwerdeführerin vorgegangen sei, dürften bei der Prüfung einer angeblichen Branchenüblichkeit aber erst recht nicht herangezogen werden.
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Die angegriffene Marke verfüge somit über erheblich von der Branchenüblichkeit abweichende Einzelmerkmale sowie einen erheblich abweichenden Gesamteindruck und sei darüber hinaus durch umfangreiche Benutzung derart gestärkt, dass sie es über die Jahre hinweg aktuell bis in die Top-five-Spitzengruppe der Sneaker geschafft habe. Dabei stelle die langjährige und umfangreiche Benutzung der Gestaltung durch die Beschwerdeführerin selbst schon vor dem Anmeldezeitpunkt zusammen mit den sehr hohen Umsatzzahlen sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern in den Jahren 2000 – 2009 ein gewichtiges Indiz für ihre Unterscheidungskraft dar. Es handele sich auch um eine ausschließlich kennzeichnende Verwendung durch die Beschwerdeführerin, die in Zusammenhang mit den anderen, auf derselben Ware angebrachten Marken (Drei-Streifen-Kennzeichnung, adidas-drei-Blatt-Kennzeichnung; Wortzeichen „adidas“) erfolgt sei. Daher hätten die angesprochenen Verkehrskreise die Marke bereits im Anmeldezeitpunkt mit der Beschwerdeführerin in Verbindung gebracht und als Herkunftshinweis aufgefasst.
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Wenn man das – nicht einschlägige – Kriterium des erheblichen Abweichens einer Gestaltung von der Branchenübung anwenden wolle, so erfordere dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung Schokoladenstäbchen III (BGH GRUR 2017, 1262 Rn. 17) eine umfassende Würdigung aller Gesichtspunkte. Dies setze u. a. einen umfassenden Vortrag der Beschwerdegegnerin zum Branchenumfeld zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten voraus, und zwar zu Marktanteilen, erzielten Umsätzen, räumlicher und zeitlicher Ausdehnung des Vertriebs sowie sonstigen Vertriebsumständen. Dem sei die Beschwerdegegnerin, die auch insoweit die Feststellungslast treffe, jedoch nicht nachgekommen, insbesondere habe sie nicht zur Branchengröße vorgetragen. Ohne Bestimmung des quantitativen Umfangs einer Branche könne jedoch eine Branchenübung nicht bestimmt werden. Die Löschung einer Marke komme jedoch nur in Betracht, wenn das Branchenumfeld abschließend geklärt sei. Der Verweis der Beschwerdeführerin auf die Existenz vereinzelter Schuhmodelle, die angeblich zum Teil mit erheblichem zeitlichen Abstand zum Anmeldezeitpunkt in vergleichsweise geringen Mengen angeboten worden seien, genüge den Anforderungen zur Darlegung des Branchenumfelds nicht.
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Auch für den gegenwärtigen Zeitpunkt der Entscheidung liege kein Löschungsgrund vor. Die gewählte Gestaltung sei weiterhin eigenartig, phantasievoll und ungewöhnlich und weiche erheblich von der Branchenüblichkeit ab. Die Beschwerdegegnerin habe insbesondere auch für den aktuellen Zeitpunkt der Entscheidung nicht ausreichend zum Marktumfeld vorgetragen.
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Tatsächlich ergebe sich die Größe der relevanten Branche aus dem von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2021 übergebenen Branchenreport „Schuhe 2019“. Danach habe sich der Gesamtmarkt bei Sneakern und Sportschuhen in Deutschland im Jahr 2018 auf 2,1 Milliarden Euro belaufen. Der von der Beschwerdegegnerin behauptete Absatz von Schuhen mit aus ihrer Sicht vergleichbaren Kappengestaltungen im Umfang von maximal… Euro im Jahr sei daher mit einem Prozentsatz von 0,0014286 %verschwindend gering und somit nicht geeignet, die Branchenübung zu beeinflussen.
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Soweit die Beschwerdeführerin zunächst hilfsweise eine Verkehrsdurchsetzung gem. § 8 Abs. 3 MarkenG geltend gemacht hat, so hat sie dieses Vorbringen in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht weiter aufrechterhalten.
28
Die Inhaberin der angegriffenen Marke und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Oktober 2017 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.
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Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
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Die Löschungsantragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sollte es auf die Rechtsfrage der Vereinbarkeit von § 50 Abs. 2 S.1 MarkenG mit Unionsrecht ankommen, regt sie hilfsweise an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen oder die Rechtsfrage dem EuGH vorzulegen.
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Die Beschwerdegegnerin führt aus, die Markenabteilung habe die streitgegenständliche Marke zu Recht wegen fehlender Unterscheidungskraft gelöscht.
35
Im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdegegnerin noch weiter zum Umfang des Vertriebs der im Löschungsverfahren aufgezeigten Schuhmodelle mit ihrer Auffassung nach ähnlichen Kappen-Gestaltungen, zu den Auflagenzahlen der Kataloge, in denen diese Modelle angeboten wurden, sowie zu aktuell vertriebenen Schuhen vorgetragen und in diesem Zusammenhang mehrere eidesstattliche Versicherungen ihres Leiters der Produktentwicklung und des Einkaufs für Schuhwaren vorgelegt und darüber hinaus eine Vielzahl von Anlagen mit Abbildungen von Schuhen und zudem Original-Kataloge in das Verfahren eingeführt. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
36
Den Löschungsgrund des § 3 MarkenG verfolgt die Beschwerdegegnerin auch im Beschwerdeverfahren weiter. Im Hinblick auf den Löschungsgrund der fehlenden Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG führt sie aus, dass zum Anmeldetag identische oder ähnliche Kappendesigns unterschiedlicher Hersteller existiert hätten und die streitgegenständliche Gestaltung unabhängig davon auch von vollkommen schmucklosen Kappenelementen, wie sie längst vorbekannt gewesen seien, nicht hinreichend deutlich abweiche.Unter Zugrundelegung einer Schuhbreite von ca. 7 cm im Zehenbereich dürfte die Breite der einzelnen Rippen bei ca. 1 mm und deren Höhe bei deutlich unter 1 mm liegen. Noch dünner seien die Schenkel der „X-e“, so dass diese insgesamt nur wie eine Oberflächenstruktur wirken würden. Da die Rippen somit nicht besonders ins Auge fallen und die „X-e“ als solche kaum erkennbar seien, sei die Unterscheidungskraft sogar unabhängig von konkreten Feststellungen zum Marktumfeld zu verneinen. Zudem handele es sich bei Schuhen um Modeprodukte, bei denen der ästhetische Charakter im Vordergrund stehe, so dass der Verkehr in der Gestaltung der Schuhkappe ein bloßes Designelement und keinen Herkunftshinweis sehen werde. Hierfür spreche auch die Vielfalt der Gestaltungen in diesem Bereich (Anlage Ast 3 zur Begründung des Löschungsantrags). Schließlich sei der Verkehr nicht daran gewöhnt, im Kappendesign als solches einen Herkunftshinweis zu sehen, was sich auch daraus ergebe, dass es zahlreiche Fälle von identischen oder ähnlichen Kappendesigns bei Schuhen unterschiedlicher Hersteller gebe. Die Beschwerdeführerin habe selbst in der Gestaltung der Schuhkappe über lange Zeit keine Marke gesehen, weshalb sie die angegriffene Marke erst im Jahr 2009 angemeldet habe. Es sei „geradezu widersinnig“, wenn man eine allgemeine Designmode deshalb für unbeachtlich hielte, weil ein Unternehmen wie die Beschwerdeführerin nachträglich die entsprechende Designgestaltung für sich monopolisieren wolle. Auch aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlassungsverpflichtungserklärungen, in denen – mit einer Ausnahme – jeweils explizit speziell auf die Streifenkennzeichnung der Schuhe Bezug genommen werde, ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin selbst in dem Kappendesign kein Kennzeichnungsmittel gesehen habe. Aus den von der Beschwerdeführerin als Anlage LSG 7 zum Schriftsatz vom 21. Juni 2018 vorgelegten Unterlassungsverpflichtungserklärungen seien im Übrigen noch etliche weitere Schuhmodelle mit einem entsprechenden Kappendesign ersichtlich, die bereits vor der Anmeldung der angegriffenen Marke in Deutschland auf dem Markt gewesen seien und deren Vertrieb wegen der Streifenkennzeichnung, nicht aber wegen des Kappendesigns eingestellt worden sei.
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Unabhängig von einer möglicherweise bestehenden grundsätzlichen Beweislast der Antragstellerin im Löschungsverfahren sei zu beachten, dass die Beschwerdeführerin vorliegend Schutz für eine Warenform beanspruche. Die Beschwerdeführerin trage daher die Beweislast dafür, dass die Warenform ausnahmsweise so deutlich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweiche, dass sie als Herkunftshinweis verstanden werde. Dass die Marke, die einen Teil eines Schuhs schützen solle, zugleich als Positionsmarke eingetragen worden sei, ändere nichts an den Bewertungsmaßstäben, sondern führe nur dazu, dass andere Möglichkeiten der Anbringung eines Zeichens nicht relevant seien. Es gehe auch nicht um die Schwächung der Kennzeichnungskraft einer Marke durch Drittzeichen. Das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Umfragegutachten der GfK (Anlage LSG 13 zum Schriftsatz vom 21. Juni 2018) nenne einen Kennzeichnungsgrad von nur 23,3 %, so dass dieses nicht für, sondern gegen die originäre Unterscheidungskraft der streitgegenständlichen Marke spreche. Weder der Schuh „Superstar“ noch seine Zehenkappe seien in irgendeiner Weise Kult oder besonders bekannt.
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Auf das Vorliegen eines Schutzhindernisses zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag komme es nicht an. In rechtlicher Hinsicht sei eine Löschung wegen des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft bereits dann möglich, wenn dieses Schutzhindernis lediglich im Zeitpunkt der Anmeldung vorgelegen habe. Soweit die Beschwerdeführerin ihre gegenteilige Auffassung auf § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG stütze, so stehe diese Vorschrift im Widerspruch zu den Vorgaben der Markenrichtlinie und sei daher nichtig. Nach Art. 45 Abs. 3 a) Markenrichtlinie sei zwingend vorzusehen, dass die Marke für nichtig zu erklären sei, wenn sie nicht hätte eingetragen werden dürfen, weil sie den Erfordernissen des Art 4 nicht genüge, also beispielsweise dem Erfordernis der Unterscheidungskraft nach Art. 4 Abs. 2 b) der Richtlinie. Eine „Heilung“ des Schutzhindernisses sei nach der Richtlinie lediglich vorgesehen für den Fall, dass der Markeninhaber eine Verkehrsdurchsetzung nachweise, und zwar für einen Zeitpunkt vor Stellung des Antrags auf Nichtigerklärung. Da es sich um formelles Verfahrensrecht handele, sei vorliegend die neue Richtlinie anwendbar.
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Selbst wenn es neben dem Zeitpunkt der Anmeldung zusätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag ankommen sollte, so sei festzuhalten, dass die angegriffene Marke auch aktuell von den marktüblichen Designs jedenfalls nicht erheblich abweiche. Zwar seien momentan Schuhe mit Kappen exakt entsprechend der streitgegenständlichen Marke nicht in dem Umfang nachweisbar wie vor deren Anmeldung, was allein auf der Abschreckungswirkung der zu Unrecht eingetragenen streitgegenständlichen Marke beruhe. Nachweisbar seien aber zahlreiche Kappendesigns mit Linien, die nach vorne/außen verlaufen und/oder eine kleinteilige Strukturierung aufweisen würden und von denen die angegriffene Marke nicht erheblich abweiche (Anlage ASt 10). Die Beschwerdegegnerin selbst habe zwischen 2016 und 2021 unter den Bezeichnungen Olymp und Chardor über … Paar Sneaker mit einer Kappengestaltung verkauft, die derjenigen derangegriffenen Marke ähnlich sei (Anlage ASt 9, eidesstattliche Versicherung vom 22. März 2021). Der von der Beschwerdeführerin auszugsweise vorgelegte Branchenreport 2019 stehe der Annahme fehlender Unterscheidungskraft der streitgegenständlichen Marke nicht entgegen. Vielmehr sei auch unter Zugrundelegung einer sich aus diesem Branchenreport ergebenden jährlichen Verkaufszahl von rund 6,6 Millionen Paar Sneaker davon auszugehen, dass die von der Beschwerdegegnerin nachgewiesenen Stückzahlen von Schuhen mit entsprechenden oder ähnlichen Kappen einen beträchtlichen Marktanteil in Deutschland begründen würden; zudem werde durch die aufgezeigten Produkte auch die Verbraucherwahrnehmung geprägt, da jeder Schuh vor seinem Erwerb von zahlreichen Interessenten bemustert und nach seinem Erwerb von einer Vielzahl von Personen wahrgenommen werde.
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Bei der Beurteilung der Frage, ob die angegriffene Warenformmarke erheblich von branchenüblichen Gestaltungen abweiche, sei auch das Design sogenannter Duck Boots zu berücksichtigen, die sowohl zum Anmeldezeitpunkt als auch aktuell verbreitet (gewesen) seien. Derartige Duck Boots oder auch Bean Boots, eine Unterkategorie von Wandersport-/Jagdschuhen, seien bereits im Jahr 1911 von Leon Leonwood Bean entwickelt worden und würden fast immer eine Abgrenzung zwischen einem Fußteil (meist aus Gummi) und einem aus einem anderen Material gefertigten Schaft sowie eine Zehenkappe mit einer Vielzahl (meist fünf oder mehr) Rippen oder Linien aufweisen, deren Abstand sich nach vorne verbreitere. Diese Designelemente würden von unterschiedlichen Herstellern übereinstimmend verwendet (Anlagen ASt 12 ff. zu aktuellen Beispielen/Angeboten). Derartige Duck Boots mit Fußteilen aus Gummi und nach vorne laufenden Rippen seien bereits seit Ende der 1980er Jahre kontinuierlich auf dem deutschen Markt vertreten gewesen (eidesstattliche Versicherung von G… vom 7. Mai 2021; Verweis auf diebereits vorgelegten Kataloge) und ihre Kappengestaltung zähle sowohl zum Anmeldezeitpunkt, dem 26. November 2009, als auch heute zu den Üblichkeiten auf dem Schuhmarkt, für die Unterkategorie der Duck Boots sei sie sogar die Norm. Auch unabhängig von den Duck Boots seien Zehenkappendesigns mit nach vorne verlaufenden Rippen oder sonstigen Linien aktuell auf dem Schuhmarkt in Deutschland üblich (Anlage ASt 18). Schließlich seien Schuhkappen aus unterschiedlichen Materialien und mit unterschiedlichen Strukturen gängig (Anlage ASt 19).
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Da Schuhe mit Kappendesigns, die nach vorne laufende Rippen bzw. Linien aufweisen, von einer überwältigenden Vielzahl von unterschiedlichen Herstellern stammen würden, sei ein Vortrag zu Marktanteilen entbehrlich, dennoch würden Informationen zu einzelnen Herstellern und Händlern der Schuhe vorgelegt als Anlage ASt 20.
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Im Übrigen sprächen selbst die eigenen Vertriebshandlungen der Beschwerdeführerin gegen die Unterscheidungskraft der streitgegenständlichen Marke, da sie als Herkunftshinweise regelmäßig auf die Wortmarken adidas und Superstar, die Dreistreifen-Marke und das Dreiblattlogo abstelle und nicht auf das Design der Schuhkappe.
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Die Berechnungen der Beschwerdeführerin zum Marktanteil seien ersichtlich falsch, da in Bezug auf weitere Schuhe mit einer ähnlichen Kappengestaltung nicht ein Umsatz von … Euro, sondern ein Absatz in Paaren vorgetragen worden sei.
44
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angegriffenen Beschluss, die Schriftsätze der Beteiligten samt Anlagen, die Hinweise des Senats in den Ladungszusätzen zu den mündlichen Verhandlungen, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 24. März 2021 und 12. Mai 2021 und den weiteren Akteninhalt verwiesen.
II.
45
Die zulässige, insbesondere gem. § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 MarkenG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache Erfolg. Es kann nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, dass im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke sowie im Zeitpunkt der Entscheidung über den zulässigen Löschungsantrag Nichtigkeitsgründe gem. § 50 Abs.1 i. V. m. §§ 3, 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG vorlagen, so dass der Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 11. Oktober 2017 auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke aufzuheben und der Löschungsantrag zurückzuweisen waren.
46
Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für den Streitfall erhebliche Rechtsänderung ist hierdurch allerdings nicht eingetreten. Insbesondere sind die Änderungen in § 3 Abs. 1 MarkenG n. F. und § 8 MarkenG n. F. für die Entscheidung im Streitfall ohne Bedeutung. Die neue Fassung des § 50 Abs. 1 MarkenG ist seit ihrem Inkrafttreten am 14. Januar 2019 anwendbar, da insoweit keine Übergangsregelung existiert, während § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG gem. § 158 Abs. 8 S. 2 MarkenG in seiner bisherigen Fassung gilt, wenn der Antrag auf Löschung vor dem 14. Januar 2019 gestellt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27.05.2021, Az. I ZB 21/20 Rn. 10 f. – Black Friday; GRUR 2020, 1089 Rn. 24 – Quadratische Tafelschokoladenverpackung II). Dies ist hier der Fall.
47
Der vorliegenden Entscheidung liegt das Verzeichnis der angegriffenen Marke in der Fassung vom 3. Februar 2017 zugrunde („Waren der Klasse 25: Schuhwaren, nämlich Schuhe (ausgenommen Sandalen)“). Zwar ist die mit Schriftsatz vom 17. Mai 2021 unbedingt erklärte Einschränkung des Warenverzeichnisses ohne Weiteres als Teilverzicht gem. § 48 MarkenG zulässig. Allerdings ist die Beschränkung des Verzeichnisses, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit nicht nachgelassenem Schriftsatz erklärt wurde, bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen. Angriffs- und Verteidigungsmittel können nach Schluss der mündlichen Verhandlung grundsätzlich nicht mehr vorgebracht werden, sofern nicht gem. §§ 139 Abs. 5, 283 ZPO Stellungnahmefristen eingeräumt wurden. Selbst wenn in markenrechtlichen Verfahren die Erklärung eines Teilverzichts auf die angegriffene Marke nach Schluss der mündlichen Verhandlung in den Fällen zu berücksichtigen sein sollte, in denen sich der Teilverzicht auf die bloße Streichung eines im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen enthaltenen Begriffs beschränkt (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 79 Rn. 7; Kopacek in BeckOK Markenrecht, 26. Edition, Stand: 01.07.2021, § 48 Rn. 4; BPatG GRUR 2003, 530 – Waldschlößchen; offen gelassen in BGH GRUR 2011, 654 Rn. 15 – Yoghurt Gums), würde dies hier nicht zu einer im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigenden Einschränkung führen. Vorliegend liegt nämlich keine bloße Streichung, sondern eine Umformulierung des Verzeichnisses vor. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO erfolgt nicht, da die Beschwerde unabhängig von der zuletzt erklärten Einschränkung des Verzeichnisses erfolgreich ist.
48
A. Der Löschungsantrag ist zulässig.
49
Er wurde ordnungsgemäß gestellt, insbesondere wurden die geltend gemachten konkreten Schutzhindernisse nach §§ 3, 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG im Löschungsantrag ausdrücklich benannt (vgl. zum Erfordernis der Angabe des konkreten Schutzhindernisses BGH GRUR 2016, 500 Rn. 11 – Fünf-Streifen-Schuh). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist der Antrag nicht „aus Gründen völliger Unsubstantiiertheit“ als unzulässig zurückzuweisen. Der Löschungsantrag bezieht sich auf eine konkrete Marke und nennt die geltend gemachten Löschungsgründe. Ob er inhaltlich ausreichend substantiiert ist und schlüssig begründet wurde, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Löschungsantrags.
50
Die Inhaberin der angegriffenen Marke und Beschwerdeführerin hat dem ihr am 23. März 2016 zugestellten Löschungsantrag mit Schreiben am 23. Mai 2016 beim DPMA eingegangenem Schriftsatz und damit rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist der vor dem 1. Mai 2020 und damit zum damaligen Zeitpunkt gültigen Regelung in § 54 Abs. 2 S. 2 MarkenG a. F. widersprochen, so dass gem. § 54 Abs. 2 S. 3 MarkenG a. F. das Löschungsverfahren durchzuführen war.
51
B. Der Löschungsantrag ist nicht begründet, da das Vorliegen der geltend gemachten Schutzhindernisse zu beiden maßgeblichen Zeitpunkten nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann.
52
Wird geltend gemacht, die Eintragung habe gegen einen oder mehrere Tatbestände der §§ 3, 7, 8 MarkenG verstoßen, kann eine Nichtigerklärung und Löschung nur erfolgen, wenn das Eintragungshindernis sowohl im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH, Beschluss vom 27.05.2021, Az. I ZB 21/20 Rn. 11 – Black Friday; GRUR 2018, 301 Rn. 9 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 378 Rn. 14 – LIQUIDROM; GRUR 2015, 1012 Rn. 8 – Nivea-Blau; GRUR 2014, 565 Rn. 10 – smartbook; GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) als auch gem. § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG a.F. – mit Ausnahme der Feststellung der Bösgläubigkeit – im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde noch besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 27.05.2021, Az. I ZB 21/20 Rn. 11 – Black Friday; GRUR 2020, 1089 Rn. 24 – Quadratische Tafelschokoladenverpackung II; GRUR 2018, 301 Rn. 9 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
53
Die vorgenannte Regelung in § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG a.F., nach der eine eingetragene Marke nur dann für nichtig erklärt und gelöscht wird, wenn die in der Vorschrift genannten Schutzhindernisse auch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde vorliegen, ist gültig und demnach vorliegend anwendbar. Dies entspricht ständiger und auch aktueller Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 27.05.2021, Az. I ZB 21/20 Rn. 11 – Black Friday; GRUR 2020, 1089 Rn. 24 – Quadratische Tafelschokoladenverpackung II). Zudem hat der Senat auch keine Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der Vorschrift mit der Markenrichtlinie, insbesondere mit Art. 45, 4 RL EU 2015/2436. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass vorliegend gemäß der Übergangsregelung in § 158 Abs. 8 S. 2 MarkenG § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG in seiner alten Fassung zur Anwendung kommt, da der Löschungsantrag vor dem 14. Januar 2019 gestellt wurde. Die Regelung in § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG a.F. war bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie gültig und konnte damit nicht deren Umsetzung dienen. Daher könnte allenfalls die Übergangsvorschrift des § 158 Abs. 8 S. 2 MarkenG auf ihre Vereinbarkeit mit der Richtlinie EU 2015/2436 überprüft werden. Zudem ist eine Umsetzung von Art. 45 Markenrichtlinie gem. Art. 54 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie erst bis spätestens 14. Januar 2023 erforderlich. Aber auch unabhängig hiervon bestehen in materieller Hinsicht keine Zweifel an der Vereinbarkeit von § 158 Abs. 8 S. 2 MarkenG n.F. i. V. m. § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG a.F. bzw. von § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG n.F. mit Art 45, 4 RL EU 2015/2436. Die Tatsache, dass die Markenrichtlinie in Art. 4 Abs. 2 S. 1 eine Regelung dahingehend enthält, dass eine Marke dann nicht für nichtig erklärt wird, wenn sie sich vor dem Antrag auf Nichtigerklärung im Verkehr durchgesetzt („Unterscheidungskraft erworben“) hat, erlaubt nicht die Schlussfolgerung, dass in anderen Fällen ausschließlich auf den Zeitpunkt der Anmeldung der mit einem Nichtigkeitsantrag angegriffenen Marke abzustellen ist. Die Vereinbarkeit von § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG n.F. mit der RL EU 2015/2436 hat der deutsche Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zum Markenmodernisierungsgesetz (Bundestagsdrucksache 19/2898) sogar ausdrücklich erwähnt. Dort heißt es: „§ 50 Absatz 2 Satz 1 wird um die zusätzlichen Schutzhindernisse in § 8 Absatz 2 erweitert. Diese Vorschrift ist mit Artikel 4 Absatz 4 und 5 der Richtlinie vereinbar. Diese enthält nur Regelungen zur nachträglichen Verkehrsdurchsetzung, nicht aber zu anderen Sachverhalten, in denen das Eintragungshindernis nachträglich weggefallen ist. Die zeitliche Beschränkung, dass die Unterscheidungskraft bis zum Antrag auf Nichtigerklärung vorliegen muss, gilt folglich nur für die Fälle der nachträglichen Verkehrsdurchsetzung.“
54
Für die absoluten Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 MarkenG gilt, dass eine Löschung nur erfolgt, wenn das Vorliegen von Schutzhindernissen zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Eintragung fehlerhaft erfolgt ist, sondern ob das Schutzhindernis tatsächlich vorlag (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Rn. 48 – Rocher Kugel; GRUR 2009, 669 Rn. 31 – POST II). Ist eine solche Feststellung auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (vgl. BGH GRUR 2014, 565 Rn. 18 – smartbook; BPatG GRUR 2006, 155 – Salatfix).
55
Unter Beachtung dieser Grundsätze kann das Vorliegen eines Schutzhindernisses bereits für den Zeitpunkt der Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Marke nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, so dass schon aus diesem Grunde der angegriffene Beschluss aufzuheben und der Löschungsantrag zurückzuweisen waren. Entsprechendes gilt zudem für den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag.
56
I. Die angegriffene Positionsmarke ist nicht wegen fehlender Bestimmtheit gem. § 50 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 bzw. § 8 Abs. 1 MarkenG für nichtig zu erklären und zu löschen.
57
Positionsmarken sind als sonstige Aufmachung i. S. v. § 3 Abs. 1 MarkenG dem Markenschutz zugänglich (Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 3 Rn. 84). Die von der Beschwerdegegnerin gerügte fehlende Bestimmtheit der angegriffenen Marke ist demgegenüber im Rahmen von § 8 Abs. 1 MarkenG zu prüfen. Die Darstellung der streitgegenständlichen Positionsmarke ist jedoch ausreichend bestimmt gem. § 8 Abs. 1 MarkenG.
58
1. Gem. § 8 Abs. 1 MarkenG n. F. sind von der Eintragung als Marke schutzfähige Zeichen im Sinne des § 3 MarkenG ausgeschlossen, die nicht geeignet sind, im Register so dargestellt zu werden, dass die zuständigen Behörden und das Publikum den Gegenstand des Schutzes klar und eindeutig bestimmen können. Nach der zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden Regelung in § 8 Abs. 1 MarkenG a. F. war die graphische Darstellbarkeit des Zeichens erforderlich, die nicht nur die Eintragbarkeit der Marke im (Papier-)Register gewährleisten sollte, sondern zudem dazu diente, den Schutzgegenstand der Anmeldung zu bestimmen (vgl. BPatG, Beschluss vom 23.06.2010, 28 W (pat) 47/10 – Farbfläche auf Maschinengehäuse; Hacker, Markenrecht, 5. Aufl. 2020 S. 43f.). Dementsprechend muss die graphische Darstellung es ermöglichen, das Zeichen insbesondere mit Hilfe von Figuren, Linien oder Schriftzeichen sichtbar so wiederzugeben, dass es genau identifiziert werden kann; sie muss daher bereits nach der bisherigen Rechtsprechung klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv sein (sog. Sieckmann-Kriterien, vgl. EuGH GRUR 2003, 604 Rn. 29 – Libertel; GRUR 2003, 145 Rn. 47-55 – Sieckmann).
59
Für den Streitfall ist somit durch die Neufassung von § 8 Abs. 1 MarkenG keine erhebliche Rechtsänderung eingetreten, da in jedem Fall eine eindeutige Bestimmbarkeit des Schutzgegenstands einer Marke erforderlich ist bzw. war. Die Anmeldung eines Positionszeichens, dessen Gegenstand die besondere Art und Weise der Anbringung oder Anordnung eines Zeichens auf einem Positionsträger ist, bedurfte und bedarf zwar nicht zwingend, aber doch regelmäßig der Beifügung einer – ansonsten lediglich fakultativen – Beschreibung, in der u. a. die genaue Position, Form und Größe des Zeichens bzw. die konkrete Größenrelation sowie dessen Abgrenzung zum Positionsträger dargestellt sind, um den Schutzgegenstand klar zu bestimmen (vgl. BPatG, Beschluss vom 18.05.2016, 26 W (pat) 518/14 – Flasche auf Autodach; Beschluss vom 23.06.2010, 28 W (pat) 47/10 – Farbfläche auf Maschinengehäuse; Schmid in BeckOK Markenrecht, 21. Edition Stand: 01.05.2020, § 32 Rn. 55 sowie 22. Edition Stand 1.04.2021, § 32 Rn. 55; Miosga in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. 2018, § 3 Rn. 82, sowie in Ströbele/Hacker/Thiering, 13. Aufl. 2021, § 3 Rn. 85). Die Beschreibung ist insoweit Bestandteil der graphischen Darstellung i. S. v. § 8 Abs. 1 MarkenG (vgl. Miosga jeweils a. a. O.). Ein Zeichen genügt diesen Anforderungen nicht, wenn sich der Gegenstand der Anmeldung auf eine Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen erstrecken kann und deshalb nicht klar bestimmt ist (vgl. BGH GRUR 2013, 929 Rn. 14 – Schokoladenstäbchen II).
60
2. Der Schutzgegenstand der verfahrensgegenständlichen Marke ist vorliegend anhand der graphischen Darstellung sowie der Beschreibung klar und eindeutig bestimmbar.
61
Der Umstand, dass sich – offensichtlich wegen eines Fehlers des DPMA – im DPMA-Register entgegen § 25 Nr. 3 MarkenV keine Wiedergabe der Streitmarke (INID-Code 540) findet, ändert hieran im Übrigen nichts; denn sowohl in der Eintragungsverfügung als auch in dem in der Akte befindlichen Registerauszug vom 2. Juni 2010 ist neben der Beschreibung auch das oben dargestellte Markenbild wiedergegeben.
62
Soweit die Beschwerdegegnerin im Einzelnen rügt, dass beispielsweise der Krümmungsverlauf des vorderen Abschlusses des Zehenelements oder die Krümmung der beiden mittleren Rippen, der Verlauf der Scheitellinie sowie der Konturlinie als dem Ort der stärksten Krümmung und schließlich die Ausgestaltung der oberen Begrenzung auf der rechten Seite des Zehenelements nicht erkennbar seien, so überspannt sie die Anforderungen an eine den rechtlichen Anforderungen genügende Darstellung einer Positionsmarke. Das Charakteristische der Gestaltung lässt sich der graphischen Darstellung ausreichend deutlich entnehmen. Soweit die Beschwerdegegnerin des Weiteren darauf abstellt, dass die genaue Positionierung der einzelnen „X-e“ auf der (vom Betrachter aus) linken Seite und der Abschluss des Zehenelements auf dieser Seite nicht eindeutig erkennbar seien und dass offenbleibe, ob auf dieser Seite ein Abstand zwischen der äußersten Anordnung der „X-e“ und der äußeren Begrenzungslinie vorliege, so lässt die graphische Darstellung darauf schließen, dass es sich insgesamt um eine symmetrische Gestaltung handelt. Die Wiedergabe der angegriffenen Marke ist dergestalt, dass sie sich nicht auf eine Vielzahl von Erscheinungsformen erstrecken kann, sondern eine konkrete Gestaltung eines vorderen Schuhelements klar erkennen lässt.
63
Im Übrigen ergibt sich aus dem Bestimmtheitsgebot nicht, dass eine dreidimensionale Marke regelmäßig von allen Seiten abzubilden ist. Wird nur eine Ansicht einer dreidimensionalen Marke eingereicht, kann dies im Einzelfall zu einer Einschränkung des Schutzumfanges führen, weil dieser ausschließlich durch den in der Anmeldung und Eintragung sichtbaren Teil der Marke bestimmt wird (vgl. BGH GRUR 2013, 929 Rn. 23 – Schokoladenstäbchen II). Entsprechendes gilt auch für die vorliegende Positionsmarke, die einen Teil einer dreidimensionalen Ware, eines Schuhs, darstellt. Dies bedeutet, dass selbst wenn – entgegen der Auffassung des erkennenden Senats – nicht von einer symmetrischen Gestaltung ausgegangen würde und die genaue Gestaltung der (vom Betrachter aus) linken Seite der Zehenkappe daher offenbliebe, dies lediglich zu einem eingeschränkten Schutzumfang der angegriffenen Marke und nicht zu deren fehlender Bestimmtheit führen würde.
64
II. Die danach hinreichend bestimmte verfahrensgegenständliche Marke ist des Weiteren nicht gem. §§ 50 Abs. 1, Abs. 2, 8 Abs. 2 Nr.1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft für nichtig zu erklären und zu löschen, da das Vorliegen des Schutzhindernisses gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu den maßgeblichen Zeitpunkten nicht festgestellt werden kann. Dies gilt sowohl für den Zeitpunkt der Anmeldung der Marke am 26. November 2009 als auch für den Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung über den Löschungsantrag, also den Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde.
65
1. Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH MarkenR 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH GRUR 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? II; GRUR 2018, 932 Rn. 7 – #darferdas? I; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2008, 608 Rn. 66 – Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; GRUR 2006, 229 Rn. 27 – BioID AG/HABM [BioID]; BGH GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook).
66
Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel KGaA; BGH GRUR 2018, 301 Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 10 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops).
67
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2019, 1194 Rn. 20 – AS/DPMA [#darferdas?]; GRUR 2008, 608 Rn. 67 – Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord AG/Hukla Germany SA [MATRATZEN]; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).
68
In Bezug auf die Unterscheidungskraft von Positionsmarken gelten die allgemeinen Grundsätze. Wenn eine Positionsmarke die bildliche oder dreidimensionale Wiedergabe einer Ware betrifft, sind die für Bildmarken oder dreidimensionale Marken entwickelten Grundsätze zu berücksichtigen (vgl. EuG, Beschluss vom 02.06.2021, Az. T-365/20 Rn. 37 – Birkenstocksohle Positionsmarke; BPatG, Beschluss vom 18.05.2016, 26 W (pat) 518/14 – Flasche auf Autodach; Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, 13. Aufl. 2021, § 8 Rn. 395).
69
Wie bei jeder anderen Markenform ist auch bei der dreidimensionalen, die Ware selbst darstellenden Markenform allein zu prüfen, ob der Verkehr in dem angemeldeten Zeichen für die in Rede stehenden Waren einen Herkunftshinweis sieht. Eine dreidimensionale Marke, die allein aus der Form der Ware besteht, wird allerdings vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie eine herkömmliche Wort- oder Bildmarke, die ein gesondertes Zeichen darstellt und vom Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware unabhängig ist. Gewöhnlich schließen Verbraucher daher aus der Form der Ware oder ihrer Verpackung nicht auf die betriebliche Herkunft (vgl. EuGH GRUR Int 2019, 812 Rn. 32 – Birkenstock Sales/EUIPO [Birkenstock-Sohle – Oberflächenmuster]; GRUR Int 2005, 135 Rn. 30 – Maglite; EuG, Beschluss vom 02.06.2021, Az. T-365/20 Rn. 38 – Birkenstock-Sohle als Positionsmarke; BGH GRUR 2017, 1262 Rn. 18 – Schokoladenstäbchen III; GRUR 2010, 138 Rn. 24 f. – ROCHER-Kugel). Einer Marke, die in der Form einer Ware besteht, kommt daher nur Unterscheidungskraft zu, wenn sie erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweicht (vgl. EuGH GRUR 2006, Rn. 31 – Standbeutel; GRUR Int 2006, 842 Rn. 26 – Storck/HABM; BGH GRUR 2017, 1262 Rn. 19 – Schokoladenstäbchen III). Mit dem Merkmal der erheblichen Abweichung ist jedoch nur gemeint, dass die Besonderheiten, die die beanspruchte Form gegenüber üblichen Gestaltungen aufweist, geeignet sein müssen, vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden zu werden (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 33 – Birkenstock Sales/EUIPO [Birkenstock-Sohle – Oberflächenmuster]; BGH GRUR 2017, 1262 Rn. 19 – Schokoladenstäbchen III; GRUR 2006, 679 Rn. 17 – Porsche Boxter; GRUR 2004, 329 – Käse in Blütenform; GRUR 2008, 71 Rn. 24 – Fronthaube). Diese Rechtsprechung ist auch dann anwendbar, wenn eine Marke nur einen Teil der bezeichneten Waren darstellt (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 33 – Birkenstock Sales/EUIPO [Birkenstock-Sohle – Oberflächenmuster]). Für die Beurteilung der Frage, ob der Verkehr eine Produktgestaltung als branchenüblich ansieht, ist in erster Linie auf den betroffenen Warenbereich abzustellen, wobei allerdings auch Gestaltungsformen aus benachbarten Warengebieten berücksichtigt werden können, wenn aufgrund der konkreten Umstände mit einer Übertragung der Verkehrsanschauung auf den betroffenen Warenbereich zu rechnen ist (vgl. BGH GRUR 2017, 1262 Rn. 24 – Schokoladenstäbchen III; GRUR 2010, 138 Rn. 24, 26 f. – ROCHER-Kugel).
70
2. Die Maßstäbe zur Unterscheidungskraft von Warenformmarken sind im vorliegenden Fall anzuwenden.
71
Die Tatsache, dass die angegriffene Marke als Positionsmarke eingetragen ist, ändert nichts daran, dass sich sowohl aus der bildlichen Darstellung als auch aus der Beschreibung hinreichend deutlich ergibt, dass Gegenstand des Schutzes eine besondere Gestaltung der Zehenkappe eines Schuhs ist. Damit stimmt die Marke mit der Form eines Teils der Waren, für die sie Schutz beansprucht, nämlich mit dem dreidimensionalen „Zehenteil“ des Schuhs, überein und verschmilzt insoweit mit dem Erscheinungsbild der Ware (vgl. auch EuGH GRUR Int 2011, 720, Rn. 37 f. – X Technology Swiss./.HABM [Kappenartige Einfärbung einer Strumpfspitze in Orange II]; Töbelmann, Die Unterscheidungskraft nicht traditioneller Marken, MarkenR 2021, 1). Die Geltung der für dreidimensionale Warenformmarken entwickelten Grundsätze kann in solchen Fällen nicht dadurch umgangen werden, dass die Marke als Positionsmarke angemeldet und eingetragen wurde, da der entscheidende Gesichtspunkt für die Anwendbarkeit der Rechtsprechung zu dreidimensionalen Marken nicht die Einstufung des Zeichens als „Bildzeichen“, „dreidimensionales Zeichen“ oder sonstiges Zeichen ist, sondern allein die Tatsache, dass es mit dem Erscheinungsbild der Ware oder eines Teils der Ware verschmilzt (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 33 – Birkenstock Sales/EUIPO [Birkenstock-Sohle – Oberflächenmuster]; EuG a. a. O. Rn. 40 – Birkenstocksohle Positionsmarke; Ströbele in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 395).
72
Auch die Argumentation der Beschwerdeführerin, dass es sich um ein Bildzeichen, bestehend aus „Rippen“ und „X-en“, handele, das an einer bestimmten Position eines Schuhs angebracht werde, ändert nichts daran, dass die Marke mit einem Teil einer Warenform übereinstimmt. Auf besonders gestaltete Warenformmarken sind die vorgenannten Maßstäbe ebenfalls anzuwenden.
73
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei den vorliegend beanspruchten Waren um Modeprodukte handelt und dass der Verwendung von – auch wechselnden oder neuen – Designs bei diesen eine besondere Bedeutung zukommt. Dies ist zwar bei der Bestimmung des Branchenumfelds zu berücksichtigen, ändert aber nichts daran, dass die angesprochenen Verkehrskreise bei einem ausreichenden Abstand einer Gestaltung von branchenüblichen Gestaltungen in dieser einen Herkunftshinweis sehen.
74
3. Damit ist die Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke danach zu beurteilen, ob diese zu den maßgeblichen Zeitpunkten erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit von Zehenkappengestaltungen abwich bzw. abweicht, wobei die Feststellungslast für das Vorliegen des Schutzhindernisses die Beschwerdegegnerin trifft (s. o. Ziff. B am Anfang). Letzteres gilt auch für das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft einer Warenformmarke (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Rn. 48 – Rocher Kugel). Demgegenüber ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zu fordern, dass der Vortrag der Beschwerdegegnerin die „Anforderungen des Schwächungseinwandes“ erfüllen müsse, da es insoweit um zwei grundlegend verschiedene Fragestellungen geht – einmal im Rahmen eines absoluten Verfahrens um die Begründung von Unterscheidungskraft aufgrund eines erheblichen Abweichens einer Gestaltung von der Norm oder Branchenüblichkeit und einmal im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens um die Schwächung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke durch Drittmarken.
75
Die Feststellungen des Senats haben auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beschwerdegegnerin zum Branchenumfeld nicht ergeben, dass die Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke zu den relevanten Zeitpunkten nicht vorgelegen habe. Vielmehr ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zum branchenüblichen Formenschatz davon auszugehen, dass sich die angegriffene Gestaltung der Zehenkappe von diesem sowohl zum Anmeldezeitpunkt als auch zum aktuellen Zeitpunkt so deutlich abhebt, dass die angesprochenen Verkehrskreise in ihr einen Herkunftshinweis sehen.
76
a) Bereits für den maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke am 26. November 2009 konnte der Senat weder aufgrund seiner eigenen Feststellungen noch aufgrund der von der Beschwerdegegnerin eingeführten Abbildungen von unterschiedlichen Schuhen mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft, nämlich dass die verfahrensgegenständliche, durch die angegriffene Marke geschützte Zehenkappengestaltung in ihrem maßgeblichen Gesamteindruck nicht erheblich von der damaligen Norm und Branchenüblichkeit solcher Gestaltungen abwich, vorlag.
77
aa) Zunächst ist festzuhalten, dass alleine eine bereits im Anmeldezeitpunkt bestehende Formenvielfalt auf dem Schuhmarkt auch im Bereich der Zehenkappen nicht dazu führt, dass eine besondere Gestaltung einer Zehenkappe per se nicht als Herkunftshinweis angesehen werden kann.
78
Besteht – wie vorliegend – eine Vielzahl an üblichen Gestaltungen, so setzt die Annahme der herkunftshinweisenden Funktion eines Zeichens zwar eine erhebliche Abweichung von branchenüblichen Gestaltungen voraus (vgl. EuGH GRUR 2006, 233 Rn. 31 – Standbeutel; BGH GRUR 2017, 1262 Rn. 27 – Schokoladenstäbchen III m. w. N.). Hierfür kann es aber ausreichen, dass der Verkehr in der jeweiligen Gestaltung eine willkürliche Formgebung erkennt, die sich von anderen Gestaltungen durch wiederkehrende charakteristische, also identitätsstiftende Merkmale unterscheidet (vgl. BGH GRUR 2017, 1262 Rn. 27 – Schokoladenstäbchen III; GRUR 2004, 329 – Käse in Blütenform I; GRUR 1997, 527 – Autofelge). Lediglich bloße Varianten handelsüblicher Formen werden in der Regel nicht als Herkunftshinweis aufgefasst (vgl. EuGH GRUR Int 2006, 842 Rn. 29 f. – Storck/HABM; BGH GRUR 2010, 138 Rn. 27 – ROCHER-Kugel).
79
Vorliegend ist eine ausreichend deutliche Abweichung der angegriffenen Gestaltung von der Branchenüblichkeit anzunehmen, wie nachfolgend ausgeführt.
80
bb) Ebenso führt die bereits vor dem Anmeldezeitpunkt bestehende und dem Gericht bekannte Branchenübung, Herkunftshinweise bei Sportschuhen auf der Schuhseite anzubringen, nicht dazu, dass nicht auch die Gestaltung einer Zehenkappe unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze nach der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise herkunftshinweisend sein kann.
81
Die hier relevanten Waren der Klasse 25 „Schuhwaren, nämlich Schuhe (ausgenommen Sandalen)“ wenden sich an die allgemeinen Verkehrskreise, d. h. sowohl an den Durchschnittsverbraucher als auch an den Handel. Maßgeblich ist somit, ob die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise unter Berücksichtigung der ihnen bekannten Gestaltungen auf dem Markt die konkrete Gestaltung lediglich als bloßes Design ansehen, das sich im Rahmen handelsüblicher Formen bewegt, oder ob sich die Gestaltung derart von der Norm und der Branchenüblichkeit abhebt, dass die angesprochenen Verkehrskreise in dieser einen Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem Unternehmen erkennen.
82
Eine derartige sich von der Norm und Branchenüblichkeit erheblich abweichende Gestaltung ist jedoch nicht von vorneherein auf Produktbereiche beschränkt, auf denen in einem Warenbereich typischerweise Herkunftshinweise angebracht werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass gerade bei Sportschuhen Mehrfachkennzeichnungen an verschiedenen Stellen der Schuhe nicht unüblich sind.
83
cc) Die durch die Marke DE 30 2009 069 917 geschützte Gestaltung einer Zehenkappe zeichnet sich in ihrem Gesamteindruck dadurch aus, dass das Zehenkappenelement
84
– bis zum Schnürbereich hochgezogen ist und sich nach vorne verbreitert,
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– sechs deutlich sichtbare, vom Schnürbereich zur Schuhspitze nebeneinander verlaufende Rippen, die in ähnlichem Abstand zueinander liegen und sich nach unten verbreitern,
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– sowie ein Muster aus gleichmäßig verteilten kleinen „X-en“ zwischen den Rippen aufweist.
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87
Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin sind insbesondere die Rippen deutlich erkennbar. Ebenso lässt die Markendarstellung die zwischen den Rippen liegenden „X-e“ klar erkennen, unabhängig davon, dass diese bei einer Verwendung der Marke auf einem Schuh und bei einer Wahrnehmung des Schuhs aus einer gewissen Entfernung gegebenenfalls lediglich den Eindruck einer in irgendeiner Weise strukturierten Oberfläche erwecken.
88
dd) Der Senat konnte nicht mit der für eine Löschung ausreichenden Sicherheit feststellen, dass es zum Zeitpunkt der Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Marke in nennenswertem Umfang Zehenkappengestaltungen gab, von denen die angegriffene Gestaltung in ihrem Gesamteindruck nicht erheblich abweicht und die die Verkehrsauffassung im Hinblick auf den zu diesem Zeitpunkt branchenüblichen Formenschatz beeinflusst haben.
89
(1) Insbesondere die von der Markenabteilung in ihrem Beschluss genannten Schuhmodelle erlauben entgegen der dortigen Ausführungen nicht die Feststellung, dass es auf dem Markt für Sportschuhe oder Sneakers bereits vor und auch zu der Zeit der Markenanmeldung in Jahr 2009 zahlreiche Hersteller gegeben habe, die vergleichbare Schuhkappen bei ihren Modellen eingesetzt hätten und weiterhin einsetzen würden, mit der Folge, dass es sich insoweit um eine branchenübliche Gestaltung gehandelt habe.
90
Die Markenabteilung hat insoweit insbesondere auf die von der Beschwerdegegnerin in der Anlage ASt 2 zum Löschungsantrag vorgelegten Abbildungen mit Schuhen der Marken „IX-CHEL“, „Lico Style Komet“, „Deichmann Graceland“, „Kappa Style 240 775“, „Phat Farm“, „KangaROOS“, „Reject“ und „Patrick“ hingewiesen, bei denen die wesentlichen Elemente der vorliegend angegriffenen Positionsmarke vorhanden seien. Hierzu hat die Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren die Originalkataloge vorgelegt.
91
Auch wenn die im Beschluss der Markenabteilung genannten Schuhe teilweise Übereinstimmungen mit der von der angegriffenen Marke geschützten Gestaltung aufweisen, so rechtfertigen die insoweit in das Verfahren eingeführten Unterlagen nicht die Feststellung, dass die von der angegriffenen Marke geschützte Gestaltung sich nicht ausreichend von branchenüblichen Gestaltungen abgesetzt habe.
92
Zwar weisen die aus der Anlage ASt 2 zum Löschungsantrag sowie aus den dieser Anlage zugrundeliegenden und von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Katalogen ersichtlichen Schuhe gewisse Übereinstimmungen mit der verfahrensgegenständlichen „Shell toe“-Gestaltung auf. So finden sich bei den Schuhen der Marke „IX-CHEL“ die vorgenannten Elemente wieder (bis zum Schnürbereich hochgezogenes Zehenkappenelement, sechs Rippen, Muster aus „X-en“), ebenso bei den Schuhen „Graceland“ von Deichmann während die beiden „Kappa“-Modelle aus dem Neckermann-Katalog HW 2008 „Grande“ und „Shiny“ zwar jeweils eine Rippenstruktur im Zehenbereich aufweisen, allerdings keine Musterung, sondern eine glatte Oberfläche; zudem ist bei dem Modell „Grande“ die Zehenkappe durch eine weitere Rippe deutlich vom Schnürbereich abgetrennt (Katalog S. 481). Auch das Kappa-Modell „Grant“, dessen Skizze in dem vorgelegten Kappa-Katalog aus dem Jahr 2006 enthalten ist, weist keine durchgehende Oberflächenstruktur zwischen den Rippen, insbesondere keine „X-e“, auf. Die weiteren aus der Anlage ASt 2 zum Löschungsantrag ersichtlichen Schuhmodelle „Phat Farm“, „KangaROOS“, „Patrick“ und „Buffalo“ haben jeweils lediglich vier Rippen oder Ziernähte auf der Zehenkappe, wodurch die Flächen zwischen den Rippen, die zudem keine strukturierte Oberfläche aufweisen, deutlich breiter wirken als bei der angegriffenen Marke. Der Gesamteindruck der Zehenkappe des Schuhs „Buffalo“ ist neben den vom Schnürbereich zur Schuhspitze verlaufenden Rippen zudem durch weitere, quer zu diesen verlaufende Rippen geprägt, so dass eine Art „Karo-Muster“ entsteht. Die in der Anlage ASt 2 enthaltenen Abbildungen des Modells „Lico Style Komet“ lassen zum einen nicht erkennen, woher sie stammen, und zum anderen nicht, inwieweit die Zehenkappen zwischen den erkennbaren Rippen eine Oberflächenstruktur in Form von „X-en“ oder in anderer Form enthalten. Schließlich weist das Schuhmodell „Reject“ fünf – im Vergleich zu den Rippen der angegriffenen Marke deutlich breiter gestaltete – Ziernähte auf, jedoch keine Oberflächenstruktur, insbesondere nicht in Form von „X-en“.
93
Weitere Abbildungen von Schuhen in der Anlage ASt 2 zum Löschungsantrag lassen nicht erkennen, aus welchen Jahren sie stammen, so dass sie zur Beurteilung branchenüblicher Gestaltungen im Anmeldezeitpunkt nicht herangezogen werden können.
94
Auch wenn die angegriffene Marke mit den Schuhkappen der vorgenannten Modelle zumindest in Einzelelementen Übereinstimmungen aufweist, so unterscheidet sie sich doch in ihrem maßgeblichen Gesamteindruck wie dargelegt von fast allen diesen Schuhmodellen – mit Ausnahme der Schuhmodelle „IX-CHEL“ und „Graceland“ (bei dem im Übrigen auffällt, dass das Modell im vorgelegten Prospekt P6/2005 als „Retrosneaker im 80´s Look“ bezeichnet wird) – erheblich. Bei der Frage der Abweichung einer Gestaltung vom branchenüblichen Formenschatz darf nämlich nicht lediglich auf isolierte Merkmale des angegriffenen Zeichens abgestellt werden, ohne seinen Gesamteindruck zu berücksichtigen (vgl. BGH a. a. O. Rn. 30 – Schokoladenstäbchen III).
95
(2) Auch aus den im Rahmen des Beschwerdeverfahrens von der Beschwerdegegnerin noch eingereichten weiteren Abbildungen von bereits zum Anmeldezeitpunkt vertriebenen Schuhen und ihrem weiteren Vortrag dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Formenschatz ergibt sich nicht – und zwar auch nicht in Gesamtschau mit den vorgenannten Modellen – dass zum Anmeldezeitpunkt Gestaltungen branchenüblich waren, von denen die angegriffene Marke nicht erheblich abweicht. Stellt man auf den Gesamteindruck der verfahrensgegenständlichen Marke ab (vgl. oben Ziff. II. 3. a) cc), so bestehen vielmehr deutliche, für ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft sprechende Abweichungen zu den Gestaltungen dieser Vergleichsprodukte.
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Soweit die Beschwerdegegnerin Abbildungen zu Sicherheitsstiefeln der Marke Engelbert Strauss vorgelegt hat, so weist die Ausführung dieser Stiefel mit drei parallel verlaufenden Streifen in ihrem Gesamteindruck keinerlei Nähe zu der angegriffenen Positionsmarke auf (vgl. Abbildungen Anlage ASt 17).
97
Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdegegnerin des Weiteren auf sog. Duck Boots hingewiesen, eine Unterkategorie von Wandersport-/Jagdschuhen, deren Schuhkappen Linien aufweisen, deren Abstand sich nach vorne verbreitert, und hinsichtlich des Anmeldezeitpunkts auf die bereits vorgelegten Kataloge und Abbildungen sowie die Anlage ASt 17 und eine eidesstattliche Versicherung vom 7. Mai 2021 verwiesen.
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Die verfahrensgegenständliche Positionsmarke weicht jedoch in ihrem Gesamteindruck von der typischen Gestaltung der Duck Boots, wie sie sich für den Anmeldezeitpunkt beispielsweise aus den Anlagen ASt 2 und ASt 17 sowie den im Verfahren vorgelegten Katalogen ergibt, sehr deutlich ab.
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Insoweit ist zunächst festzustellen, dass Duck Boots in ihrem unteren Bereich, der oftmals aus Gummi besteht, in aller Regel zwar Rippen oder Rillen in unterschiedlicher Zahl aufweisen (oftmals lediglich vier oder fünf, teilweise aber auch sechs Rippen). Zwischen diesen Rippen oder Rillen haben sie allerdings regelmäßig eine glatte Oberfläche und keine sichtbar strukturierte Oberfläche.
100
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass strukturierte Oberflächen bei Schuhen insgesamt und insbesondere bei Schuhkappen eine gängige Gestaltung seien, so dass es insoweit auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf. Unabhängig davon, ob die „X-e“ der verfahrensgegenständlichen Positionsmarke als solche erkennbar sind oder lediglich als eine Art Oberflächenstruktur wirken, zeichnet sich der Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch die Kombination der nach vorne verlaufenden Rippen mit einer derartigen strukturierten Oberfläche aus. Von Schuhmodellen mit Linien oder Rippen und dazwischen glatter Oberfläche weicht diese in jedem Fall erheblich ab.
101
Zudem vermittelt die umlaufende, vom Schuhschaft deutlich abgesetzte Gestaltung des unteren Schuhbereichs bei den Duck Boots einen erheblich abweichenden Gesamteindruck. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die angegriffene Positionsmarke nur den vorderen Teil eines Schuhs betrifft und die weitere aus dem Register ersichtliche zeichnerische Darstellung mittels gestrichelter Linien lediglich die Position der Marke auf dem Schuh vermitteln soll, so dass eine Verwendung der Marke auch dann vorliegen kann, wenn die Beschwerdeführerin diese auf einem Sportschuh anbringt, der anders gestaltet ist als auf der eingereichten Skizze. So ist die Verwendung der angegriffenen Marke auch bei einem Schuh denkbar, dessen unterer Bereich „außerhalb“ der Schuhkappe vom oberen Schuhteil abgesetzt gestaltet und beispielsweise aus Gummi gefertigt ist. Teil der angegriffenen Marke ist jedoch sehr wohl ihre in den Schnürbereich hineinragende Form mit dort „zusammenlaufenden“ Rippen. Diese Gestaltung ist dabei deutlich verschieden von der aus den Anlagen ersichtlichen üblichen Gestaltung von Duck Boots, bei denen der untere Teil in einer waagerechten (umlaufenden) Linie deutlich vom oberen Schuhteil insgesamt und insbesondere auch vom Schnürbereich abgesetzt ist.
102
Vor diesem Hintergrund ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Beweisbehauptung der Beschwerdegegnerin, dass die Kappengestaltung der Duck Boots zum Anmeldezeitpunkt und auch aktuell zu den Üblichkeiten auf dem Schuhmarkt gehöre und für diese Unterkategorie sogar die Norm sei, entbehrlich.
103
(3) Die von der Beschwerdeführerin als Anlage LSG 7 zum Schriftsatz vom 21. Juni 2018 im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Unterlassungs-(Verpflichtungs-) Erklärungen lassen den Schluss zu, dass die in diesen Erklärungen abgebildeten Sportschuhmodelle, deren Schuhkappen in ihrem Gesamteindruck teilweise der von der angegriffenen Marke geschützten Gestaltung ähneln, vor Abgabe dieser Erklärungen von den jeweiligen Schuhgeschäften bzw. in einem Fall von der Fa. Woolworth am Markt angeboten worden sind. Allerdings fehlen jegliche Anhaltspunkte zu Umfang und Dauer der Angebote, so dass keine Feststellungen möglich sind, inwieweit diese Schuhmodelle von Einfluss waren auf die Verkehrsauffassung zu branchenüblichen Gestaltungen im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung. Dies gilt umso mehr, als die Erklärungen – mit Ausnahme einer Erklärung aus 2009 – sämtliche aus den Jahren 2001 und 2002 stammen und gerade Vertriebshandlungen mit einem gewissen zeitlichen Abstand zum maßgeblichen Zeitpunkt nur dann die Branchenauffassung zu diesem späteren Zeitpunkt noch beeinflussen können, wenn sie einen entsprechenden Umfang und eine entsprechende Verbreitung aufweisen.
104
(4) Von sonstigen zum Anmeldezeitpunkt üblichen Schuhkappengestaltungen, wie sie sich u.a. aus den Anlagen ASt 1 und ASt 3 zum Löschungsantrag ergeben, beispielsweise schlichten Kappendesigns, Kappendesigns mit kleinen „Luftlöchern“ etc., weicht die durch die Marke DE 30 2009 069 917 geschützte Gestaltung insbesondere durch die markanten, bis zum Schnürbereich hochgezogenen Rippen erheblich ab.
105
Somit weicht die angegriffene Positionsmarke in ihrem Gesamteindruck von einem Großteil der vorstehend unter Ziff. (1) bis (4) genannten, zum Anmeldezeitpunkt feststellbaren Schuhkappengestaltungen bereits erheblich ab.
106
ee) Darüber hinaus können jedenfalls ausreichende Feststellungen zum Vertrieb und zum Marktumfeld der vorstehend unter dd) genannten einzelnen Schuhmodelle, deren Zehenkappengestaltung relevante Übereinstimmungen mit der angegriffenen Marke zeigen, nicht getroffen werden, so dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass diese Modelle die Verkehrsauffassung zur Branchenüblichkeit von Zehenkappengestaltungen in ausreichendem Maße beeinflusst haben.
107
(1) Die Tatsache, dass vor dem Anmeldezeitpunkt allenfalls einzelne Schuhmodelle eine in ihrem Gesamteindruck ähnliche Gestaltung aufwiesen, beispielsweise die Schuhmodelle „IX-CHEL“ und „Graceland“ oder einzelne aus der Anlage LSG 7 zum Schriftsatz vom 21. Juni 2018 ersichtliche Modelle, stellt im Hinblick auf die Größe des Sportschuhmarkts und die Vielfalt der Sportschuhgestaltungen, die sich für den Anmeldezeitpunkt bzw. die Zeit davor ebenfalls aus den vorgelegten Unterlagen ergeben, bereits ein gewisses Indiz dafür dar, dass diese Modelle die Auffassung des Verkehrs in Bezug auf die Schuhbranche nicht maßgeblich mitbestimmt haben.
108
(2) Vor allem aber kann auf der Grundlage des Vortrags der insoweit die Feststellungslast treffenden Beschwerdegegnerin nicht davon ausgegangen werden, dass diese Schuhmodelle vom Umfang ihres Vertriebs und ihrer Vermarktung her die Branchenauffassung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung in relevantem Maße beeinflussen konnten.
109
Die Frage, ob der Vertrieb einer Ware Auswirkungen darauf hat, ob und in welcher Weise der Verkehr eine Warenform im Zeitpunkt der Markenanmeldung als branchenüblich ansieht, ist unter Berücksichtigung der gesamten Gegebenheiten des betroffenen Marktsegments – etwa der dort bestehenden Marktanteile, der erzielten Umsätze, der räumlichen und zeitlichen Ausdehnung des Vertriebs und sonstiger Vertriebsumstände – zu beurteilen (vgl. BGH a. a. O. Rn. 29 – Schokoladenstäbchen III).
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(3) Im Hinblick auf den Zeitablauf sind Feststellungen des Senats in Bezug auf den Vertrieb der einzelnen vor dem Anmeldezeitpunkt angebotenen Schuhmodelle kaum möglich. Die Beschwerdegegnerin, die insoweit die Feststellungslast trifft und die – wie sich auch aus dem Einreichen der Kataloge ergibt – aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Herstellerin nicht nur von Sportartikeln und –bekleidung, sondern auch von Sportschuhen – über gewisse Erkenntnismöglichkeiten zu in der Vergangenheit bestehenden Branchengewohnheiten auf dem Schuhmarkt verfügt, hat keine ausreichenden konkreten Ausführungen zum Vertrieb der Schuhe, auf die sie bei ihrem Vortrag zum Branchenumfeld Bezug nimmt, sowie zu den weiteren Gegebenheiten des betroffenen Marktsegments gemacht.
111
Die Beschwerdegegnerin hat im Beschwerdeverfahren zunächst eine eidesstattliche Versicherung ihres Leiters der Produktentwicklung und des Einkaufs für Schuhwaren vom 4. März 2021 vorgelegt. Unabhängig davon, inwieweit sich der Senat bei seinen Feststellungen zum Marktumfeld auf diese eidesstattliche Versicherung, bei der es sich nicht um ein Beweismittel gem. § 74 Abs. 1 MarkenG handelt, stützen kann, erlauben die Ausführungen in der eidesstattlichen Versicherung nicht den Schluss, dass die relevanten Schuhmodelle der Anlage ASt 2 zum Löschungsantrag vor Anmeldung der angegriffenen Marke in einem Umfang vertrieben wurden, der von Einfluss auf die Verkehrsauffassung zu branchenüblichen Gestaltungsformen war. Selbst wenn die in dieser eidesstattlichen Versicherung genannten Zahlen hinsichtlich der Bewerbung und des Vertriebs der maßgeblichen Schuhmodelle – beispielsweise der geschätzte Vertrieb von … bis … Schuhen des Modells „Graceland“ in den Jahren 2005 und 2006 über … Deichmann-Filialen oder der Verkauf von ca. … Paar  Schuhen des Modells „IX-Chel“ über die Otto-Kataloge FS 2001, HW 2001 und FS 2002 bei einer Auflagenstärke des Otto-Katalogs von … Millionen Exemplaren im Jahr 2001 etc. – zutreffen, so fehlt es dennoch an einem ausreichenden Vortrag zum Marktumfeld insgesamt. Die Angaben in dieser eidesstattlichen Versicherung stellen keinen Bezug zum (Sport-)Schuhmarkt in seiner Gesamtheit her.
112
Zudem ist zu berücksichtigen, dass der vorgetragene Vertrieb sowie die Bewerbung dieser Schuhe teilweise bereits in den Jahren 2001 und 2002 erfolgt ist, beispielsweise bei den Schuhen des Modells „IX-Chel“. Da bereits nicht festgestellt werden kann, dass diese Schuhe im Zeitpunkt ihres Vertriebs tatsächlich einen relevanten Marktanteil innehatten, kann erst recht nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sie noch im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke Ende des Jahres 2009 die Auffassung der Verkehrskreise zu den branchenüblichen Gestaltungen beeinflusst haben.
113
Ausreichende Feststellungen zur Branchenüblichkeit von nach dem Vortrag der Beschwerdegegnerin ähnlichen Gestaltungen sind auch dann zu verneinen, wenn man mit der Markenabteilung auf sämtliche in der Begründung des Beschlusses genannten Schuhmodelle der Marken „IX-CHEL“, „Lico Style Komet“, „Deichmann Graceland“, „Kappa Style 240 775“, „Phat Farm“, „KangaROOS“, „Reject“ und „Patrick“ abstellen wollte. Selbst wenn man nicht annehmen würde, dass die angegriffene Positionsmarke sich von einem Teil dieser Schuhe bzw. deren Zehenkappen erheblich unterscheidet, so fehlt es an ausreichenden Feststellungen zum Vertrieb dieser Schuhmodelle bzw. zum Verhältnis zum Markt. Die Angabe in der eidesstattlichen Versicherung vom 4. März 2021, dass die in der Anlage ASt 2 abgebildeten Lico-Schuhe in der Zeit vor dem 30.10.2002 einer der „Bestseller“ dieses Herstellers gewesen seien, ist nicht aussagekräftig, ganz unabhängig von der Frage, inwieweit der in der Anlage mit dem Zeitraum 2001 bis 2003 benannte Vertrieb noch von Einfluss auf die Verkehrsauffassung zur Branchenübung im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke war. Auch die in der eidesstattlichen Versicherung vom 4. März 2021 genannten Verkaufszahlen hinsichtlich der in der Anlage ASt 2 abgebildeten Kappa-Modelle (Modell Grant: 2006/2007 über … Paar auf den Markt gebracht; Lieferung von … bzw. … Paar der Modelle „Grande“ und „Shiny“ im Herbst/Winter 2008 an Neckermann) ist ohne Angaben zum Marktumfeld nicht ausreichend aussagekräftig.
114
Die Aussagekraft der Ausführungen der Beschwerdegegnerin zur Auflagenstärke des Otto-Katalogs von …Millionen Exemplaren im Jahr 2001 ist – unabhängig vom zeitlichen Abstand zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Marke im Jahr 2009 – im Hinblick darauf begrenzt, dass die Auflagenstärke nicht zwangsläufig auf die Zahl der „Leser“ schließen lässt und aufgrund des Umfangs dieser Kataloge nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Leser auch jedes einzelne Produkt wahrnimmt.
115
Auch die von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Informationen zu den Herstellern und Händlern der jeweiligen Schuhe (Anlage ASt 20 sowie Sachverständigenbeweis zur Richtigkeit der Angaben) lassen keinen Schluss auf den Marktanteil der konkreten, vorliegend relevanten Schuhmodelle zu.
116
(4) Unter Gesamtwürdigung sämtlicher in das Verfahren eingeführter Gestaltungen kann somit nicht festgestellt werden, dass im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke Gestaltungen insbesondere mit zum Schnürbereich hochgezogenen Rippen sowie einer – durch „X-e“ oder auch anderweitig – strukturierten Oberfläche oder auch in einzelnen Elementen mit der angegriffenen Positionsmarke übereinstimmende oder aber ansonsten vergleichbare Gestaltungen, von denen die verfahrensgegenständliche Marke in ihrem Gesamteindruck nicht erheblich abweicht, aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise branchenüblich waren.
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(5) Schließlich kann entgegen den Ausführungen der Beschwerdegegnerin von der Darlegung des Marktumfelds und insbesondere eines Marktanteils der relevanten Schuhmodelle nicht mit der Begründung abgesehen werden, dass eine Gestaltung von Zehenkappen, wie sie der angegriffenen Marke zugrunde liegt, zu diesem Zeitpunkt von vielen Herstellern verwendet worden sei, so dass es sich im Anmeldezeitpunkt um eine Mode auf dem Schuhmarkt gehandelt habe. Denn die Feststellungen des Senats und die in das Verfahren von den Beteiligten eingeführten Belege rechtfertigen gerade nicht die Annahme, dass es sich bei derartigen Gestaltungen um eine – womöglich verbreitete – Mode auf dem Schuhmarkt gehandelt habe; vielmehr gab es neben dem Produkt der Beschwerdeführerin, dem Sneaker „Superstar“, wie dargelegt nur vereinzelte Modelle weniger Hersteller, zu denen die angegriffene Marke in ihrem Gesamteindruck eine gewisse Nähe aufweist, während sie von dem Gesamteindruck der übrigen Zehenkappengestaltungen – einschließlich derjenigen der Duck Boots – sehr deutlich abweicht. Anhaltspunkte dafür, dass die vorgenannten ähnlichen Gestaltungen das Branchenumfeld und die Verkehrsauffassung maßgeblich beeinflusst haben, sind gerade nicht ausreichend gegeben.
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(6) Da es bereits an ausreichenden Feststellungen zum Marktumfeld fehlt und damit auch zu der Frage, inwieweit Gestaltungen von Zehenkappen, von denen die angegriffene Gestaltung möglicherweise nicht erheblich abweicht, von Einfluss auf die Branchenüblichkeit sind, kommt es auf die Frage, inwieweit es sich bei diesen Gestaltungen, beispielsweise bei den Schuhen der Modelle IX-CHEL und Graceland, um Nachahmungen eines bekannten Schuhs der Beschwerdeführerin handelt, sowie auf die weitere Frage, inwieweit derartige Nachahmungen bei der Bestimmung der Branchenüblichkeit berücksichtigt werden können, nicht mehr an.
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(7) Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin selbst die erst im Jahr 2009 als Marke angemeldete Zehenkappenform zu diesem Zeitpunkt ihren eigenen Angaben nach bereits seit ca. 30 Jahren für ihren bekannten „Superstar“-Schuh nutzte, führt nicht zu einer anderen Bewertung des Branchenumfelds.
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Zwar kann auch die Verwendung bestimmter Warenformen durch einen einzigen Anbieter die Branchenüblichkeit unter bestimmten Voraussetzungen mitbestimmen; dies insbesondere dann, wenn die entsprechende Verwendung über einen langen Zeitraum und in einem erheblichen Umfang erfolgt. Eine derartige Verwendung kann zu einer Gewöhnung des Verkehrs an entsprechende Waren- und Verpackungsformen und zum Verlust der ursprünglich (vor der Gewöhnung des Verkehrs) vorhandenen Unterscheidungskraft führen, so dass die Eintragung entsprechender Darstellungen bzw. Gestaltungen dann nur noch unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 MarkenG in Betracht kommt. Dabei muss die Gewöhnung des Verkehrs an entsprechende Waren- und Verpackungsformen durch einen einzigen Anbieter nicht zwingend mit der Verkehrsdurchsetzung dieser Waren- und Verpackungsformen für den entsprechenden (Allein-)Verwender einhergehen (vgl. BPatG, Beschluss vom 30.06.2016, Az. 25 W (pat) 33/13 – Bonbonform mit Fähnchen).
121
Allerdings hat die Beschwerdegegnerin, die insoweit die Feststellungslast für das erhebliche Abweichen der angegriffenen Marke von der Norm oder Branchenüblichkeit trifft, im Verfahren stets bestritten, dass der Schuh „Superstar“ bzw. seine Zehenkappe besonders bekannt gewesen seien, so dass unter Zugrundelegung des Vortrags der Beschwerdegegnerin die eigene Verwendung der „Shell toe“-Schuhkappe durch die Beschwerdeführerin nicht dazu geführt haben könnte, dass die angesprochenen Verkehrskreise hierin eine branchenübliche Gestaltung sehen. Die Beschwerdeführerin hat demgegenüber zwar zur Bekanntheit dieses Schuhs vorgetragen, sie hat aber zugleich stets betont, dass das „Shell toe“-Element das „zentrale Erkennungszeichen“ des bekannten „Superstar“-Schuhs darstelle. Auch wenn sie sich zuletzt nicht mehr auf eine Verkehrsdurchsetzung der verfahrensgegenständlichen Gestaltung berufen hat, so hat sie doch stets eine kennzeichnende Verwendung vorgetragen. Eine derartige kennzeichnende Verwendung führt jedoch nicht dazu, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der Zehenkappenform eine bloße Gestaltung sehen, die als branchenüblich anzusehen wäre (vgl. BPatG, Beschluss vom 30.06.2016, Az. 25 W (pat) 33/13 – Bonbonform mit Fähnchen).
122
ff) Da somit nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, dass zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke die in das Verfahren eingeführten Schuhmodelle mit einer Zehenkappengestaltung, von der die verfahrensgegenständliche Marke in ihrer Gestaltung nicht erheblich abweicht, in einem im Verhältnis zum Gesamtmarkt der Sportschuhe nennenswerten Maße vertrieben wurden, kann auch nicht angenommen werden, dass diese das Branchenumfeld maßgeblich beeinflusst haben.
123
b) Ebenso kann das Vorliegen des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft für den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag gem. § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, weder aufgrund eigener Feststellungen des Senats, noch auf der Grundlage des Vortrags der Beschwerdegegnerin.
124
aa) Einen aktuellen Vertrieb der aus der Anlage ASt 2 zum Löschungsantrag ersichtlichen Modelle, insbesondere von Sneakern der Modelle „IX-CHEL“ und „Graceland“, konnte der Senat nicht feststellen. Im Hinblick auf die verstrichene erhebliche Zeit kann ohne Vorliegen weiterer Anhaltspunkte des Weiteren nicht angenommen werden, dass der Vertrieb von Schuhen in den Jahren 2001 bis 2009 die Branchenauffassung im Jahr 2021 noch beeinflusst.
125
bb) Vor allem aber kann selbst unter Heranziehung der unter a) getroffenen Feststellungen zu den dort genannten Schuhmodellen – d. h. bei unterstelltem fortbestehendem Einfluss auf die aktuelle Verkehrsauffassung und Branchenübung – und bei Gesamtwürdigung sämtlicher vom Senat getroffener und von den Beteiligten in das Verfahren eingeführter weiterer Feststellungen zum Branchenumfeld nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass Gestaltungsformen die Verkehrsauffassung zur Branchenüblichkeit beeinflusst haben, von denen die verfahrensgegenständliche Marke nicht erheblich abweicht.
126
(1) Nach dem eigenen Vortrag der Beschwerdegegnerin seien Schuhe mit Kappen, die „exakt“ der angegriffen Marke „entsprächen“, nicht mehr in dem Umfang nachweisbar wie vor der Anmeldung.
127
Soweit die Beschwerdegegnerin zu weiteren Schuhmodellen vorgetragen hat und insoweit auch Abbildungen und weitere Belege eingereicht hat, so handelt es sich jeweils um Zehenkappenmodelle, von deren Gestaltung die angegriffene Positionsmarke bereits erheblich abweicht.
128
(a) Dies gilt zunächst für die in der Anlage ASt 9 aufgezeigten Modelle. Sämtliche aus dieser Anlage ersichtlichen Zehenkappengestaltungen stimmen allenfalls in einem Einzelelement mit der angegriffenen Positionsmarke überein, in ihrem Gesamteindruck weicht die verfahrensgegenständliche Marke jedoch ganz erheblich von diesen Gestaltungsformen ab. Im Gesamteindruck nicht ansatzweise vergleichbar sind beispielsweise Schuhe mit einer Vielzahl kleiner paralleler Rillen auf der Schuhkappe (z.B. brauner Sneaker Zalando) bzw. lediglich frontal am Sohlenabschluss (z.B. Gummistiefel Zalando). Auch Schuhkappengestaltungen mit Rillen auf der Oberseite, die jedoch bereits auf der vorderen Wölbung der Schuhspitze enden (abgebildetes Modell von Fila) weisen einen deutlich abweichenden Gesamteindruck auf. Weitere Modelle zeigen eine strukturierte Oberfläche ohne Rillen oder Rillen ohne eine strukturierte Oberfläche, teilweise ist der Bereich nicht bis zum Schnürbereich hochgezogen. Insbesondere die Zehenkappe des Modells Kappa Olymp bzw. Chardor – dem einzigen Modell, zu dem auch Verkaufszahlen genannt sind in der eidesstattlichen Versicherung von Clemens Giza vom 22. März 2021, und zwar für den Zeitraum 2016 bis 2021, – ist im Gesamteindruck nicht mit dem der angegriffenen Marke vergleichbar, da sie zwar eine bis zum Schnürbereich reichende Struktur aufweist, die bei näherem Hinsehen schmale Streifen erkennen lässt, jedoch keine ausgeprägten Rillen mit ähnlich breitem Abstand wie bei der verfahrensgegenständlichen Marke.
129
Die verfahrensgegenständliche Gestaltungsform weicht von allen in der Anlage ASt 9 aufgezeigten Schuhkappenmodellen in ihrem Gesamteindruck ganz erheblich ab, unabhängig von der Frage, ob diese Modelle aufgrund ihres Marktanteils etc. von Einfluss auf die Verkehrsauffassung zur Branchenübung sind.
130
(b) Ebenso sind aus den weiteren im Beschwerdeverfahren vorgelegten Anlagen im Wesentlichen Schuhkappengestaltungen ersichtlich, von denen die angegriffene Positionsmarke erheblich abweicht.
131
Dies gilt auch für die Anlagen ASt 12 ff. zum Schriftsatz der Beschwerdegegnerin vom 7. Mai 2021 (einschließlich der eidesstattlichen Versicherung vonG… vom 7. Mai 2021), die die Beschwerdegegnerin vorgelegt hat, um die aktuelle Verbreitung und das Aussehen von Duck Boots aufzuzeigen. Hinsichtlich des Abweichens des Gesamteindrucks der verfahrensgegenständlichen Positionsmarke von der typischen Gestaltung der Duck Boots wird auf die Ausführungen oben unter Ziff. B II. 3. a) dd) (2) (b) verwiesen.
132
Soweit aus der Anlage ASt 18 weitere Schuhe mit Rippendesigns im vorderen Bereich des Schuhs ersichtlich sind, so zeichnet sich der Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch die Kombination der nach vorne verlaufenden Rippen mit einer strukturierten Oberfläche aus, so dass dieser von aus der Anlage ASt 18 ersichtlichen Modellen, die zwar – jeweils unterschiedlich ausgestaltete – Rippen, aber keine „X-e“ zwischen den Rippen bzw. nicht zumindest irgendeine Art von Oberflächenstruktur erkennen lassen, erheblich abweicht. Auch insoweit wird auf die Ausführungen oben unter Ziff. B II. 3. a) dd) (2) (b) verwiesen.
133
(c) Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Beweisbehauptung der Beschwerdegegnerin, dass auch unabhängig von den Duck Boots Zehenkappendesigns mit nach vorne verlaufenden Rippen oder sonstigen Linien aktuell auf dem Schuhmarkt in Deutschland üblich seien, ist entbehrlich, weil allein die Tatsache, dass eine Zehenkappe über nach vorne verlaufende Rippen verfügt, nicht dazu führt, dass es sich um eine Gestaltung handelt, von der die angegriffene Marke in ihrem Gesamteindruck nicht erheblich abweichen würde. Auf die obenstehenden Ausführungen zum abweichenden Gesamteindruck der angegriffenen Marke von dem der Duck Boots wird verwiesen.
134
(2) Im Übrigen fehlt es auch im Hinblick auf die weiteren von der Beschwerdegegnerin aufgezeigten aktuell vertriebenen Modelle an den erforderlichen Feststellungen zum Marktumfeld.
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Ebenso wie in Bezug auf den Zeitpunkt der Anmeldung im Jahr 2009 kann für den aktuellen Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag nicht festgestellt werden, dass die in das Verfahren eingeführten oder bzw. aus den vorgelegten Abbildungen und Katalogen ersichtlichen Schuhe, von deren Schuhkappengestaltung die angegriffene Marke nach Ansicht der Beschwerdegegnerin nicht erheblich abweicht, auch in ihrer Gesamtheit einen nennenswerten Marktanteil haben könnten, der von Bedeutung für die Verkehrsauffassung hinsichtlich der branchenüblichen Gestaltung von Sportschuhen und Sneakern ist.
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Soweit die Beschwerdegegnerin konkrete Verkaufszahlen genannt hat, sind diese unter Zugrundelegung der aus dem von der Beschwerdeführerin auszugsweise vorgelegten Branchenreport 2019 ersichtlichen Umsatzzahlen vielmehr als sehr gering anzusehen.
137
Die von der Beschwerdeführerin insoweit vorgetragenen Zahlen zum deutschen Schuhmarkt, insbesondere die Angabe eines jährlichen Umsatzes mit Sneakern und Sportschuhen im Jahr 2019 i. H. v. 2,1 Milliarden Euro, wurden von der Beschwerdegegnerin nicht in Zweifel gezogen. Zwar ergibt sich aus den von den Beteiligten vorgetragenen Verkaufs- und Umsatzzahlen nicht der von der Beschwerdeführerin vorgetragene geringe Prozentsatz von 0,0014286 %, da die Beschwerdeführerin insoweit zu verschiedenen Modellen Verkaufszahlen von Schuhpaaren und keine Umsatzzahlen vorgetragen hatte. Allerdings ist auch bei Zugrundelegung der vorgetragenen Verkaufszahlen, wie beispielsweise des geschätzten Vertriebs von … bis … Paar Schuhen des Modells „Graceland“ in den Jahren 2005 und 2006, des Verkaufs von ca. … Paar Schuhen des Modells „IX-Chel“ in 2001/2002 oder von über … Paar Sneakern der Modelle Olymp und Chardor zwischen 2016 und 2021 unter Zugrundelegung des von der Beschwerdegegnerin angesetzten Verkaufspreises von … Euro pro Paar von Verkaufssummen in Höhe eines lediglich einstelligen Millionenbetrages auszugehen, und zwar verteilt über mehrere Jahre. Selbst wenn von den Modellen Olymp und Chardor, von denen die angegriffene Marke nach Einschätzung des Senats in ihrem Gesamteindruck bereits erheblich abweicht, alle … Paar im Jahr 2018 und nicht verteilt über die Jahre 2016 bis 2021 verkauft worden wären, läge der Marktanteil am Gesamtmarkt der Sneaker und Sportschuhe bei unter 0,02 %. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, dass jeder Schuh vor seinem Erwerb bemustert werde und nach seinem Erwerb von zahlreichen anderen Personen wahrgenommen werde, berücksichtigt nicht, dass dies auch für jeden anderen Schuh und jedes andere Schuhmodell gilt, so dass sich aus der Berücksichtigung der Wahrnehmung der Schuhe über die Verkaufssituation hinaus nicht ohne Weiteres ergibt, dass ein Schuhmodell bei vergleichsweise geringen Verkaufszahlen trotzdem von Einfluss auf die Verkehrsauffassung zur Branchenübung sein kann.
138
Da im Hinblick auf die Größe des (Sport-)Schuhmarkts nicht angenommen werden kann, dass die von der Beschwerdegegnerin aufgezeigten Verwendungsbeispiele die Verkehrsauffassung zu branchenüblichen Gestaltungen beeinflussen, kann auch das Vorliegen des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft für den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, da dieses voraussetzt, dass eine Marke, die – jedenfalls zum Teil – mit der äußeren Form einer Ware übereinstimmt, nicht erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht.
139
Weder die Feststellungen in Bezug auf den Anmeldezeitpunkt noch diejenigen in Bezug auf den Entscheidungszeitpunkt rechtfertigen es somit, der angegriffenen Marke die Unterscheidungskraft abzusprechen.
140
III. Schließlich ist die angegriffene Marke nicht gem. §§ 50 Abs. 1, Abs. 2, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG wegen Vorliegens eines Freihaltebedürfnisses für nichtig zu erklären und zu löschen, da das Vorliegen des Schutzhindernisses gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu den maßgeblichen Zeitpunkten nicht festgestellt werden kann.
141
1. Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Die Regelung verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass sämtliche Zeichen oder Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern, die solche Waren oder Dienstleistungen anbieten, frei verwendet werden können (EuGH GRUR 2011, 1035 Rn. 37 – Agencja Wydawnicza Technopol sp. z o.o./ HABM [1000]; GRUR 2004, 674 Rn. 56 – Koninklijke KPN Nederland NV/Benelux-Merkenbureau [Postkantoor]; GRUR 1999, 723 Rn. 25 – Windsurfing Chiemsee; BGH GRUR 2017, 186 Rn. 38 – Stadtwerke Bremen; GRUR 2012, 272 Rn. 9 – Rheinpark-Center Neuss). Diese Vorschrift gebietet die Versagung der Eintragung auch dann, wenn die fragliche Benutzung als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 56 – Koninklijke KPN Nederland NV/Benelux-Merkenbureau [Postkantoor]; BGH, Beschluss vom 27.05.2021, Az. I ZB 21/20 Rn. 19 – Black Friday; GRUR 2017, 186 Rn. 42 – Stadtwerke Bremen; GRUR 2014, 565 Rn. 28 – smartbook; GRUR 2012, 276 Rn. 8 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e. V.). Auch wenn somit grundsätzlich die Eignung eines Zeichens zur Beschreibung der jeweiligen Waren und Dienstleistungen ausreichend ist, bedarf es der Feststellung, dass eine derartige Verwendung des Zeichens vernünftigerweise in der Zukunft zu erwarten ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 31 u. 37 – Windsurfing Chiemsee; BGH, Beschluss vom 27.05.2021, Az. I ZB 21/20 Rn. 19 – Black Friday; GRUR 2017, 186 Rn. 43 – Stadtwerke Bremen; GRUR 2003, 343 – Buchstabe „Z“). Die damit verbundene Prognoseentscheidung darf nicht nur auf theoretischen Erwägungen beruhen, sondern muss anhand der voraussichtlichen wirtschaftlichen Entwicklung realitätsbezogen erfolgen (BGH GRUR 2017, 186 Rn. 43 – Stadtwerke Bremen).
142
Bei Warenformmarken ist das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG anzunehmen, wenn sich eine Marke darin erschöpft, die äußere Form der Ware wiederzugeben, da diese dann die Eigenschaften der beanspruchten Ware, und zwar deren äußere Gestaltung, beschreibt. Daran, dass derartige Gestaltungen frei verwendet werden können und nicht einem Unternehmen vorbehalten bleiben, besteht grundsätzlich ein besonderes Interesse der Allgemeinheit, denn die Freiheit der Gestaltung von Produkten darf nicht über Gebühr eingeschränkt werden (EuGH GRUR 2003, 514 Rn. 73 – Linde, Winward u. Rado; BGH GRUR 2008, 1000 Rn. 16 – Käse in Blütenform II; GRUR 2006, 679 Rn. 21 – Porsche Boxter). Handelt es sich bei einer dreidimensionalen Marke, die die äußere Form der Ware wiedergibt, demgegenüber nicht um eine Kombination üblicher Gestaltungsmerkmale und bestehen auf dem in Rede stehenden Warengebiet eine nahezu unübersehbar große Zahl von Gestaltungsmöglichkeiten und eine entsprechende Formenvielfalt, spricht dies gegen ein Interesse der Allgemeinheit, die als Marke beanspruchte Form freizuhalten (BGH GRUR 2007, 973 – Radio-Uhr III).
143
2. Nach diesen Maßstäben kann für beide maßgeblichen Zeitpunkte – den Zeitpunkt der Anmeldung sowie denjenigen der Entscheidung über den Löschungsantrag – das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht bejaht werden, da nicht festgestellt werden konnte, dass das durch die angegriffene Marke geschützte Zehenkappenelement in seinem Gesamteindruck innerhalb der auf dem Warengebiet üblichen Formenvielfalt lag bzw. liegt und sich lediglich in einer Kombination üblicher Gestaltungsmerkmale erschöpft.
144
Auf die Ausführungen oben unter Ziff. II. wird verwiesen.
145
IV. Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen auf eine der Beteiligten nach § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG liegen nicht vor.
146
V. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 83 Abs. 1, Abs. 2 MarkenG besteht keine Veranlassung, da weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.
147
1. Soweit die Beschwerdeführerin die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt hat zu der Frage, ob die Grundsätze zur Unterscheidungskraft von Warenformmarken auf Positionsmarken anwendbar sind, und – wenn ja – ob insoweit eine jahrzehntelange Alleinstellung bzw. eine Bekanntheit der angegriffenen Marke einerseits sowie Nachahmungen bekannter Gestaltungen andererseits bei der Beurteilung der Branchenüblichkeit zu berücksichtigen sind (Verweis auf BGH GRUR 1998, 830 – „Les-Paul“-Gitarren), so begründen diese Aspekte nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde, insbesondere nicht gem. § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Grundsätze über die Unterscheidungskraft von Warenformmarken auf eine Positionsmarke anzuwenden sind, wurde vom EuGH bereits entschieden (s. o. Ziff. II.1., vgl. EuGH a. a. O. – Birkenstock Sales/EUIPO [Birkenstock-Sohle – Oberflächenmuster]). In Bezug auf die weiteren von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Fragen fehlt es an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit (vgl. hierzu Knoll in: Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 83 Rn. 26). Insbesondere war die Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke selbst dann nicht zu verneinen, wenn man die Tatsache, dass es sich bei den von der Beschwerdegegnerin aufgezeigten Gestaltungen möglicherweise um Nachahmungen der Zehenkappengestaltung eines bekannten Schuhs der Beschwerdeführerin gehandelt hat, außer Acht lässt, da die angegriffene Positionsmarke von diesen Gestaltungen in ihrem Gesamteindruck entweder erheblich abweicht oder aber weil mangels ausreichenden Vortrags zum Marktumfeld nicht festgestellt werden konnte, dass diese Gestaltungen nach der Verkehrskauffassung von Einfluss auf die Norm bzw. Branchenüblichkeit von Schuhkappengestaltungen zu den maßgeblichen Zeitpunkten waren.
148
2. Ebenso wenig besteht Veranlassung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde, soweit die Beschwerdegegnerin sie angeregt hat im Hinblick auf die Frage, ob die Vorschrift des § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG a. F. gegen die Markenrichtlinie verstoße und daher nichtig sei. Entsprechendes gilt im Hinblick auf § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG n. F. Der Senat hat keine Zweifel an der Wirksamkeit der Regelung in § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Im Übrigen hat der Senat festgestellt, dass das Vorliegen von Schutzhindernissen weder für den Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke noch für den aktuellen Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann. Daher würde es auch an der Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfrage fehlen.
149
VI. Der Senat legt die Frage der Vereinbarkeit von § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG mit der Markenrechtslinie schließlich nicht dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vor.
150
Gem. Art. 267 Abs. 1 b), Abs. 2 AEUV kann ein Gericht eines Mitgliedstaats eine Vorabentscheidung des EuGHs über die Auslegung u. a. von Richtlinien (EU) herbeiführen, indem es ihm eine entsprechende Frage vorlegt, wenn das Gericht diese zum Erlass seiner Entscheidung für erforderlich hält. Das Gericht ist gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Anrufung des EuGHs verpflichtet, wenn seine Entscheidung nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann. Dies gilt jedoch nach der Rechtsprechung des EuGHs dann nicht, wenn an dem Auslegungsergebnis keine vernünftigen Zweifel bestehen (sog. „acte clair“, vgl. EuGH, NJW 1983, 1257; Kühling/Drechsler, Alles „acte clair“? – Die Vorlage an den EuGH als Chance, NJW 2017, 2950).
151
Vorliegend bestehen jedoch zum einen keine vernünftigen Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG mit der Markenrichtlinie (RL EU 2015/2436), zum anderen fehlt es an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit dieser Frage. Auf die Ausführungen oben unter Ziff. V. wird verwiesen.
152
Nur ergänzend sei zudem darauf hingewiesen, dass den Mitgliedstaaten zur Umsetzung von Art. 45 Markenrichtlinie (RL EU 2015/2436) gem. Art. 54 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie eine Frist bis zum 14. Januar 2023 eingeräumt wurde.


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