Patent- und Markenrecht

30 W (pat) 511/20

Aktenzeichen  30 W (pat) 511/20

Datum:
3.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2022:030222B30Wpat511.20.0
Spruchkörper:
30. Senat

Leitsatz

EM blond/EM
Wird eine Individualmarke mit einem Zusatz (hier: „QUALITY CERTIFIED“) verwendet, der unter Berücksichtigung der gesamten Produktaufmachung den Eindruck erweckt, es handle sich um eine Zweitkennzeichnung mit der Gewährleistungsmarke eines Zertifizierers des betreffenden Produkts, so stellt dies eine Veränderung des kennzeichnenden Charakters der Marke dar.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 080 014
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 3. Februar 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin Dr. Weitzel und des Richters Merzbach
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Gegen die am 19. Dezember 2008 angemeldete und seit dem 7. Mai 2009 für die Waren
2
„Klasse 01: Kulturen von Mikroorganismen außer für medizinische oder tierärztliche Zwecke; Düngemittel; biochemische Zusätze für die Bodenverbesserung, biochemische Zusätze für die Kompostierung, biochemische Zusätze für die Gärfutterbereitung, biochemische Zusätze für die Gülleaufbereitung, Mittel zur Regulierung des Pflanzenwachstums, Mittel zur Teich- und Abwasserbehandlung, Mittel zur Behandlung von Fischgewässer, biochemische Zusatzmittel für die Kunststoffherstellung; Kulturerde
3
Klasse 03: Reinigungsmittel; mit einem Reinigungsmittel imprägnierte Putztücher
4
Klasse 05: Kulturen von Mikroorganismen für medizinische oder tierärztliche Zwecke; Pestizide; Herbizide; Insektenvertilgungsmittel; Insektenvertreibungsmittel; Insektizide“
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eingetragene Wortmarke 30 2008 080 014
6
EM blond
7
ist aus vier Marken Widerspruch erhoben worden. Dabei handelt es sich neben Widersprüchen aus den eingetragenen Wort-Bildmarken UM 000 497 537 und UM 002 175 255 um Widersprüche aus:
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der am 11. April 1997 angemeldeten und seit dem 26. Januar 1999 für die Waren
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„Klasse 01: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, photographische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand; Düngemittel; Feuerlöschmittel; Mittel zum Härten und Löten von Metallen; chemische Substanzen zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln; Gerbmittel; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke; Bodenverbesserungsmittel und Wirkstoffe für die Pflanzenzucht
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Klasse 31: Land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Samenkörner, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; lebende Tiere; frisches Obst und Gemüse; Sämereien, lebende Pflanzen und natürliche Blumen; Futtermittel, Malz; Fischmehl, synthetisches Tierfutter, Reiskleie, gemischter Sojasoßenkuchen, gemahlener Ölkuchen aus Sojabohnen, Stärkebrei, Fleischmehl und Fertigfuttermittel“
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registrierten Wort-/Bildmarke UM 000 514 174
12
sowie der am 5. Februar 2004 angemeldeten und seit dem 16. Juni 2006 für die Waren
13
„Klasse 03: Seifen; Kosmetika; Zahnputzmittel
14
Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmuse; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und –fette
15
Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“
16
registrierten Wort-/Bildmarke UM 003 649 993
17
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 16. April 2010 die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke UM 000 514 174 und mit Schriftsatz vom 17. Juni 2011 die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke 003 649 993 bestritten.
18
Die Widersprechende hat vor der Markenstelle zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarken zahlreiche Unterlagen eingereicht, u.a.
19
– zum Schriftsatz vom 21. Februar 2011:
20
o die (die eidesstattliche Versicherung vom 28. Juli 2010 ergänzende) eidesstattliche Versicherung des Herrn A… vom 18. Februar 2011
21
o die Anlage I 1 bis 70 mit Abbildungen der Widerspruchmarken auf Produktverpackungen und in der Werbung;
22
– zum Schriftsatz vom 7. März 2018:
23
o die eidesstattliche Versicherung des Herrn B… vom 27. Februar 2018
24
o die Anlage LP1 für Produkte, die mit dem Zeichen gekennzeichnet sind.
25
Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 01 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Widersprüche mit Beschluss vom 17. September 2019 zurückgewiesen.
26
Auch wenn man die Benutzungslage unbeachtet lasse und von der Registerlage ausgehe, wonach sich die Marken auf identischen Warengebieten begegnen könnten, scheide eine Verwechslungsgefahr bei Annahme einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke mangels hinreichender Ähnlichkeit der Vergleichszeichen aus.
27
In ihrer Gesamtheit unterschieden sich die Vergleichsmarken durch den zusätzlichen Wortbestandteil „blond“ der angegriffenen Marke in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht deutlich voneinander. Auch eine Prägung der angegriffenen Marke durch den übereinstimmenden Wortbestandteil „EM“ komme nicht in Betracht, weil es sich bei „EM blond“ um eine gesamtbegriffliche Einheit handele. Der Markenbestandteil „blond“ habe bezüglich der geschützten Waren keinen beschreibenden Bezug. „Blond“ bezeichne lediglich eine Haarfarbe und werde umgangssprachlich für Bier benutzt. Es sei nicht feststellbar, dass „blond“ im einschlägigen Warenbereich als Synonym für „hell“, und damit als Farbangabe, benutzt werde.
28
Insofern scheide auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr aus, weil der gemeinsame Bestandteil „EM“ innerhalb des angegriffenen Zeichens nicht selbständig in Erscheinung trete, sondern sich mit dem weiteren Wortbestandteil „blond“ zu einer gesamtbegrifflichen Einheit verbinde. Aus diesem Grund fehle „EM“ innerhalb der jüngeren Marke auch jegliche selbständig kennzeichnende Stellung, so dass auch eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenusurpation ausscheide.
29
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde betreffend die Widerspruchsmarken UM 000 514 174 und UM 003 649 993.
30
Die Widerspruchsmarken, insbesondere deren Wortbestandteile „EM“, verfügten für die beanspruchten Waren über originär überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft. Dies habe die Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss festgestellt und das ergebe sich auch aus der mit Schriftsatz vom 10. Mai 2017 vorgelegten Verkehrsbefragung, wonach lediglich 3 % (betreffend Düngemittel für Pflanzen) bzw. 1 % (betreffend Gesichtscremes) der Befragten „EM“ als Hinweis auf „Effektive Mikroorganismen“ und damit als beschreibende Angabe auffassten.
31
Die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarken für die registrierten Waren sei nachgewiesen. Bei der benutzten Form handele es sich insbesondere nicht um eine Gewährleistungsmarke, die der Verkehr nicht als Hinweis auf die Herkunft der betreffenden Produkte verstehe. Dem stehe bereits entgegen, dass die Widerspruchsmarken in der benutzten Form vollständig enthalten seien, und ihnen der eindeutig auf eine Marke hinweisende Bestandteil „®“ hinzugefügt worden sei.
32
Im Hinblick auf die Warenähnlichkeit seien die von der angegriffenen Marke und die von der Widerspruchsmarke EM 000 514 174 im Bereich der Klasse 01 beanspruchten Waren identisch. Die Waren der Klasse 01 der Widerspruchsmarke UM 000 514 174 seien hochgradig ähnlich zu den von der angegriffenen Marke in Klasse 05 und in mittlerem Grad ähnlich zu den in der Klasse 03 beanspruchten Waren. Die „Seifen“ der Widerspruchsmarke UM 003 649 993 seien identisch zu den „Reinigungsmitteln“ und zumindest hochgradig ähnlich zu „imprägnierte Reinigungstücher“ in der Klasse 03 der angegriffenen Marke.
33
Entgegen der Auffassung der Markenstelle seien die Zeichen auch ähnlich. Die Beschwerdekammer des EUIPO habe dies in mehreren Entscheidungen in identischen oder gleichgelagerten Konstellationen festgestellt. Danach werde „blond“ als eine Farbangabe verstanden, die auf eine helle, eher gelbliche Farbe einer chemischen Zusammensetzung anspiele. Dem Bestandteil „blond“ der angegriffenen Marke komme insofern eine beschreibende Bedeutung zu. Auch auf der Website der Inhaberin der angegriffenen Marke werde die „helle Farbe“ der Flüssigkeit EM-blond beschrieben. Der Begriff „blond“ könne bei allen Produkten der angegriffenen Marke die Farbgebung im Sinne von „hell“ bezeichnen. Entgegen der Auffassung der Markenstelle bilde „EM“ mit dem Bestandteil „blond“ deshalb keine gesamtbegriffliche Einheit. Aufgrund der Silbentrennung und der Kennzeichnungsschwäche des Bestandteils „blond“ trete „EM“ innerhalb der angegriffenen Marke vielmehr selbständig in Erscheinung. Die Vergleichsmarken seien deshalb klanglich, schriftbildlich und begrifflich ähnlich. Verwechslungsgefahr sei daher gegeben.
34
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
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den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 01 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. September 2019 aufzuheben und die angegriffene Marke aufgrund der Widersprüche aus den Unionsmarken 000 514 174 und 003 649 993 zu löschen.
36
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
38
Die Markeninhaberin führt aus, die Entscheidung der Markenstelle sei zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen ergangen, da es für eine Verwechslungsgefahr jedenfalls an der hierfür erforderlichen Markenähnlichkeit fehle.
39
In diesem Zusammenhang verweist sie auf die am 25. September 2019 ergangene Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union …. Danach sei die Unions-Wortmarke „EM“ … der Beschwerdeführerin für die Waren der Klassen 01 und 31 wegen Schutzunfähigkeit zu Recht vom EUIPO gelöscht worden. Aus der Entscheidung, die auch auf deutschsprachige Verbraucher abstelle, ergebe sich, dass der Begriff „EM“ als Abkürzung für „Effektive Mikroorganismen“ für Waren, die diese Mikroorganismen enthielten oder die mit Hilfe dieser Mikroorganismen hergestellt würden, als beschreibende Angabe, d.h. als schutzunfähig zu beurteilen sei. Alle Waren der Unions-Widerspruchsmarken 000 514 174 und 003 649 993 könnten unter die vorgenannten Kriterien fallen, weshalb der Wortbestandteil „EM“ der Widerspruchsmarken für die geltend gemachten Waren beschreibend und nicht schutzfähig sei. Daraus folge, dass aus dem Wortbestandteil „EM“ keine Rechte geltend gemacht werden könnten. Vielmehr seien die Widerspruchsmarken in ihrer Gesamtheit, nämlich mit dem schutzbegründenden Bildbestandteil, dem Zeichenvergleich zugrunde zu legen. Sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheide deshalb aus, weil der angegriffenen Marke der Bildbestandteil fehle und sie zudem den Begriff „blond“ enthalte, der den Gesamteindruck zumindest mitpräge.
40
Zudem bestehe ein gewisser Warenabstand zwischen den Vergleichsmarken, so müssten beispielsweise die von der jüngeren Marke beanspruchten „Reinigungsmittel; mit einem Reinigungsmittel imprägnierte Putztücher“ nicht notwendigerweise unter die Waren der Klasse 03 „Seifen; Kosmetika; Zahnputzmittel“ fallen, weil Reinigungsmittel nicht für die Anwendung bei Menschen bestimmt seien.
41
Die Widerspruchsmarken seien unterdurchschnittlich kennzeichnungskräftig. Hieran ändere auch die von der Widersprechenden als Anlage LP 4 vorgelegte Verkehrsbefragung nichts, weil diese selbst zum Ergebnis habe, dass ein Teil der angesprochenen Verbraucher den Begriff „EM“ als beschreibende Angabe auffasse. Überdies sei die Markenstelle – entgegen der Behauptung der Widersprechenden – nicht von einer überdurchschnittlichen, sondern von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft ausgegangen.
42
Zudem werde die Benutzungseinrede gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 und S. 2 MarkenG (a.F.) aufrechterhalten. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumente und vorgelegten Unterlagen genügten nicht den Anforderungen für den Nachweis einer rechtserhaltenden Benutzung. Die Umsatzzahlen können nicht den einzelnen durch die Marken geschützten Waren zugeordnet werden. Auch sei nicht deutlich, welches Unternehmen jeweils welche Marke in welchem Umfang für welche Waren in welchem Gebiet genutzt habe. Überdies seien die Widerspruchsmarken in einer Art verwendet worden, die nicht der Benutzung in ihrer eingetragenen Form entspreche. Vielmehr wirke das benutzte Zeichen auf die Verbraucher wie eine Zertifizierungsmarke, was jedoch die rechtserhaltende Benutzung der vorliegenden Individualmarken nicht rechtfertigen könne.
43
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
44
Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 66 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht keine Gefahr von Verwechslungen (§§ 125b Nr. 1, 43 Abs. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG a.F.), so dass die Markenstelle den Widerspruch aus den Unionsmarken 000 514 174 und 003 649 993 zu Recht zurückgewiesen hat (§ 43 Abs. 2 S. 2 MarkenG).
45
A. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht (BGH GRUR 2019, 1058 Rn. 11 – KNEIPP). Da die Anmeldung der angegriffenen Marke vor dem 1. Oktober 2009 eingereicht worden ist, ist für den gegen diese Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 2 MarkenG in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung weiterhin die Vorschrift des § 42 Abs. 1 und 2 MarkenG in der bis zum 1. Oktober 2009 geltenden Fassung (MarkenG) anzuwenden.
46
B. Die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 41-43 – Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – Barbara Becker; BGH GRUR 2020, 870 Rn. 25 – Injekt/Injex; GRUR 2019, 1058 Rn. 17 – KNEIPP; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – OXFORD/Oxford Club; WRP 2017, 1104 ff. – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet; GRUR 2016, 283 Rn. 7 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, a. a. O. Rn. 48 – Hansson [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; BGH a. a. O. Rn. 25 – INJEKT/INJEX).
47
Nach diesen Grundsätzen ist keine markenrechtlich relevante unmittelbare Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken zu besorgen.
48
1. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt mit Schriftsatz vom 16. April 2010 die Benutzung der Unions-Widerspruchsmarke 000 514 174 und mit Schriftsatz vom 17. Juni 2011 die Benutzung der Unions-Widerspruchsmarke 003 649 993 bestritten. Auf die Einrede mangelnder Benutzung findet gemäß § 125b Nr. 4 MarkenG die Bestimmung des § 43 Abs. 1 MarkenG Anwendung mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Benutzung der Marke mit älterem Zeitrang gemäß § 26 MarkenG die Benutzung der Unionsmarke gemäß Art. 18 UMV tritt.
49
Maßgebend ist dabei vorliegend § 43 Abs. 1 MarkenG in seiner bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung mit den beiden nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG (a.F.) maßgeblichen Benutzungszeiträumen, weil der Widerspruch vor dem 14. Januar 2019 erhoben wurde (§ 158 Abs. 5 MarkenG).
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Die Nichtbenutzungseinreden sind wirksam erhoben worden, da die am 26. Januar 1999 (UM 000 514 174) bzw. am 16. Juni 2006 (UM 003 649 993) eingetragenen Widerspruchsmarken jeweils zum Zeitpunkt der Erhebung der Einrede bereits länger als fünf Jahre eingetragen waren. Auf Seiten der Widerspruchsmarken sind daher gemäß § 43 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 125b Nr. 4 MarkenG nur die Waren zu berücksichtigen, für die eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarken glaubhaft gemacht worden ist.
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a) Unions-Widerspruchsmarke 000 514 174Die undifferenziert und sich daher auf beide nach §§ 43 Abs. 1 Satz 1 und 2, 125 b Nr. 4 MarkenG i. V. m. Art. 18 GMV relevanten Benutzungszeiträume beziehende Einrede ist hinsichtlich beider Benutzungszeiträume statthaft, da die am 26. Januar 1999 eingetragene Unions-Widerspruchsmarke 000 514 174 zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 12. Juni 2009 bereits seit mehr als fünf Jahren eingetragen war.
52
Maßgeblich für die Frage der Benutzung in zeitlicher Hinsicht sind nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG der Fünfjahreszeitraum vor Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 12. Juni 2009 (Juni 2004 bis Juni 2009) und nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG der weitere Fünfjahreszeitraum vor der Entscheidung über den Widerspruch (3. Februar 2022) also dem Zeitraum von Februar 2017 bis Februar 2022.b) Unions-Widerspruchsmarke 003 649 993
53
Da die am 16. Juni 2006 eingetragene Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke am 12. Juni 2009 noch nicht fünf Jahre im Markenregister eingetragen war, erstreckt sich die Einrede der Nichtbenutzung nur auf den nach §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 125b Nr. 4 MarkenG maßgeblichen Zeitraum. Maßgeblich für die Frage der Benutzung in zeitlicher Hinsicht waren somit die letzten fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch, also der Zeitraum von Februar 2017 bis Februar 2022.
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c) Deshalb oblag es der Widersprechenden, die Benutzung der Widerspruchsmarken gemäß § 125 b Nr. 4 MarkenG i.V.m. Art. 18 UMV hinsichtlich aller maßgeblichen Umstände für die vorgenannten Zeiträume darzulegen und glaubhaft zu machen. Dem ist die Widersprechende jedoch nicht nachgekommen.aa) Zwar sprechen die in der eidesstattlichen Versicherung des Herrn A… vom 18. Februar 2011 genannten Umsatzzahlen dafür, dass die Widerspruchsmarke UM 000 514 174 in dem sie betreffenden ersten Benutzungszeitraum von Juni 2004 bis Juni 2009 in ausreichendem Umfang benutzt wurde. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Erörterung.
55
bb) Die Widersprechende hat die rechterhaltende Benutzung nämlich in dem für beide Widerspruchsmarken maßgeblichen zweiten Benutzungszeitraum (Februar 2017 bis Februar 2022) nicht glaubhaft gemacht.Nach der eidesstattlichen Versicherung des Herrn B… vom 27. Februar 2018 und ausweislich der dazu vorgelegten Anlage 1 sind die Widerspruchsmarken
 
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in folgender Form verwendet worden:
57
Gemäß der Anlage LP 1 zur eidesstattlichen Versicherung vom 27. Februar 2018 wurden die Widerspruchsmarken in den Jahren 2016 und 2017 ausschließlich in der vorgenannten Form verwendet, z.B. auf Produktpackungen wie folgt:
 
58
Dafür, dass die Widerspruchsmarken darüber hinaus in anderen Formen funktionsgerecht zur Kennzeichnung der relevanten Waren benutzt wurden, bestehen keine Anhaltspunkte.
59
(1) Die auf den Verpackungen verwendeten, von der eingetragenen Form i.S.v. § 125b Abs. 4 MarkenG, Art. 18 Abs. 1 UA a UMV abweichenden Benutzungsformen stellen nur dann eine Benutzung der Widerspruchsmarken dar, wenn die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarken nicht verändern (§ 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG). Dabei ist maßgeblich, ob der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, d. h. in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2013, 840, Rn. 20 – PROTI II; GRUR 2013, 68, Rn. 14 – Castell/VIN CASTEL; GRUR 2010, 729, Rn. 17 – MIXI; GRUR 2009, 766, Rn. 50 – Stofffähnchen I; GRUR 2005, 515 – FERROSIL).
60
(2) In Anwendung dieser Grundsätze ist der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarken  durch die benutzte Form    so verändert, dass der Verkehr die Zeichen dem Gesamteindruck nach nicht gleichstellt..
61
Die benutzte Form zeigt die eingetragene Marke ausnahmslos mit grün gestalteten Punkten mit einer grünen Umrandung. Zusätzlich sind ein ® und die Worte „QUALITY CERTIFIED“ enthalten. Durch letztere entsteht der Eindruck, es handele sich um eine Gewährleistungsmarke, bei der ein unabhängiges Zertifizierungsunternehmen die Qualität der Produkte Dritter zertifiziert. Entgegen dem Vortrag der Widersprechenden führt auch das ® nicht von diesem Eindruck weg. Anders als die Widersprechende meint, ist das ® in dem benutzten Zeichen nämlich nicht, jedenfalls nicht eindeutig, dem Wortelement „EM“ zugeordnet. Dafür spricht zum einen, dass das ® wie die nachfolgende Wortkombination „QUALITY CERTIFIED“ in schwarzer Farbe gehalten ist und deshalb vom Betrachter eher dieser zugerechnet wird als dem grünen Bildbestandteil mit dem Wortelement „EM“. Überdies ist die Positionierung unterhalb des Bildbestandteils ungewöhnlich, so dass sich das ® ohne weiteres auch auf die nachfolgenden Worte „QUALITY CERTIFIED“ beziehen und so auf eine vermeintlich eingetragene Gewährleistungsmarke hinweisen kann.
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Der Eindruck einer Gewährleistungsmarke wird dadurch verstärkt, dass bei den eingereichten Verwendungsbeispielen, wie die zuvor eingeblendeten Produktverpackungen zeigen, regelmäßig die Bezeichnung vorhanden ist, die wie die eigentliche Produktmarke wirkt.
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Eine Benutzung, des Zeichens in Art einer Gewährleistungsmarke ist aber keine rechtserhaltende Benutzung der als Individualmarken eingetragenen Widerspruchsmarken , weil die beiden Markenkategorien unterschiedliche Hauptfunktionen haben. Individualmarken dienen dazu, auf die Herkunft der Waren/Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Die Herkunftsfunktion ist damit die Hauptfunktion bzw. originäre Funktion der Individualmarke (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., Einl. Rn. 47). Der Hinweis auf die Qualität der Ware zählt hingegen zu den Nebenfunktionen einer Individual- bzw. Kollektivmarke (vgl. Hacker, aaO. Einl. Rn. 47).
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Bei Gewährleistungsmarken steht hingegen die Garantiefunktion im Vordergrund. Sie unterscheiden gemäß § 106a Abs. 1 Satz 2 MarkenG Produkte einer bestimmten vom Markeninhaber gewährleisteten Qualität von anderen Produkten ohne solche Gewährleistung. Zwar ist die Herkunftsfunktion nicht bedeutungslos. Allerdings weist die Gewährleistungsmarke nicht auf die betriebliche Herkunft der Waren und Dienstleistungen hin, auf denen die Marke angebracht ist. Sie verweist lediglich mittelbar auf das (Zertifizierungs-)Unternehmen, das die betreffende Gewähr bietet (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 106a Rn. 5).
65
Nach alldem weicht die benutzte Form von der eingetragenen Form in dem Maß ab, dass die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke verändert. Durch die Benutzung nach Art einer Gewährleistungsmarke werden die Widerspruchsmarken nicht entsprechend ihrer Hauptfunktion genutzt. Der Verkehr wird der Anbringung des Zeichens auf den Waren nur einen Hinweis auf deren zertifizierte Qualität entnehmen, nicht aber, wie bei den Widerspruchsmarken , einen Hinweis auf die Herkunft dieser Waren aus einem bestimmten Unternehmen (vgl. für Gütezeichen EuGH, Urteil vom 8. Juni 2017, C-689/15, Rn. 45 – Baumwollblüte).
66
Die Widersprechende hat die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarken daher nicht glaubhaft gemacht und der Widerspruch war bereits aus diesem Grund zurückzuweisen.
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2. Der Widerspruch war überdies wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückzuweisen, selbst wenn man zugunsten der Widersprechenden von teilweiser Warenidentität ausginge.
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a) Wie die Markenstelle zu Recht angenommen hat, verfügen die Widerspruchsmarken jedenfalls in ihrer Gesamtheit über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit einen normalen Schutzumfang.
69
Allerdings handelt es sich bei dem Wortbestandteil „EM“ um eine gängige Abkürzung für „Effektive Mikroorganismen“ (vgl. BPatG 25 W (pat) 10/08 – EM-Technologie), so dass er für alle Waren der Widerspruchsmarken eine eigenschaftsbeschreibende Angabe (Bestandteile, Inhaltsstoffe bzw. Zusammensetzung der Waren) darstellt. Dieser beschreibende Charakter lag, wie sich aus der vorgenannten Entscheidung des Bundespatentgerichts und aus der von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Entscheidung des EuGH vom 25. September 2019 … zur Schutzunfähigkeit der Wortmarke „EM“ … der Beschwerdeführerin ergibt, bereits zum Prioritätszeitpunkt der angegriffenen Marke (19. Dezember 2008) vor und besteht weiterhin fort (zu den maßgeblichen Zeitpunkten vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 9 Rn. 225).
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Keine Kennzeichnungsschwäche kann für den Bildbestandteil, bestehend aus einem schwarzen Punkt, in dem sich die weißen Buchstaben EM befinden und sechs bogenförmig angeordneten, von rechts nach links kleiner werdenden schwarzen Punkten, angenommen werden. Die Grafik verleiht dem bildlichen Gesamteindruck eine dreidimensionale Wirkung, bei dem der größte und mittlere Punkt mit den Buchstaben „EM“ in den Vordergrund zu rücken scheint. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass dieser Punkt den rechts folgenden Punkt etwas überlappt. Die Grafik besitzt durch ihre besondere Bildwirkung eine originär durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
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Dies führt zu einer normalen Kennzeichnungskraft des Gesamtzeichens. Denn die Kennzeichnungskraft zusammengesetzter Zeichen bestimmt sich nach deren Gesamteindruck. Dabei ist es in der Regel so, dass das kennzeichnungsstärkste Element zugleich die Kennzeichnungskraft der Gesamtmarke bestimmt (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 9 Rn. 137).
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b) Die Vergleichszeichen    und „EM blond“ weisen jedoch nur eine sehr geringe Zeichenähnlichkeit auf.
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aa) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z.B. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Nr. 25 – pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 15 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729, Nr. 23 – MIXI). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, Nr. 19 – ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, Nr. 28 – THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, Nr. 29 – MATRATZEN; BGH GRUR 2015, 1009 Nr. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2010, 235, Nr. 15 – AIDA/ AIDU ; GRUR 2009, 484, Nr. 32 – METROBUS; GRUR 2006, 60, Nr. 17 – coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 – Zwilling/Zweibrüder). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. BGH GRUR 2015, 1009, Nr. 24 – BMW-Emblem; GRUR 2015, 1114, Nr. 23 – Springender Pudel; GRUR 2010, 235, Nr. 18 – AIDA/  AIDU  m. w. N.; vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, aaO, § 9 Rdn. 270 m. w. N.). Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. BGH in GRUR 2016, 283 Rn. 37 –  BioGourmet  m. w. N.).bb) Ausgehend davon weisen die Vergleichsmarken sowohl in klanglicher wie auch in schriftbildlicher Hinsicht nur eine sehr geringe Ähnlichkeit auf.In der Gesamtheit besteht zwischen den Vergleichszeichen
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 und EM blond
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ein ausreichender Abstand, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Beide Zeichen unterscheiden sich durch den zusätzlichen Wortbestandteil „blond” der jüngeren Marke sowie die grafische Ausgestaltung der Widerspruchsmarken in klanglicher und bildlicher Hinsicht. Diese Unterschiede werden weder überhört noch überlesen.Eine Verwechslungsgefahr kann auch nicht aufgrund der Übereinstimmung der Vergleichsmarken in dem Wortbestandteil “EM” bejaht werden. Diesem kommt entgegen der Auffassung der Widersprechenden keine kollisionsbegründende Bedeutung zu. Es handelt sich – wie dargelegt – um eine Abkürzung für „Effektive Mikroorganismen“. Das Vorbringen der Widersprechenden, nach der Verkehrsbefragung von August 2016 (Anlage LP4) fassten in Zusammenhang mit Düngemitteln lediglich 3 % und in Zusammenhang mit Gesichtscremes lediglich 1 % der Befragten die Buchstaben „EM“ als Abkürzung für „Effektive Mikroorganismen“ auf, ist in diesem Zusammenhang irrelevant.
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Auf ein entsprechendes allgemeines Verkehrsverständnis kommt es nämlich vorliegend nicht an. Maßgeblich ist allein, dass „EM“ als entsprechende Abkürzung zur Beschreibung der Beschaffenheit der beanspruchten Waren dienen kann (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Das ist vorliegend zumindest im Hinblick auf den (auch) angesprochenen Fachverkehr der Fall. Alle ähnlichkeitsrelevanten Waren der beiden Widerspruchsmarken können „Effektive Mikroorganismen“ enthalten oder die Mikroorganismen können bei der Herstellung zur Anwendung kommen. Das Wortelement „EM“ ist deshalb zur Beschreibung der Beschaffenheit der beanspruchten Waren geeignet und somit schutzunfähig nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Entsprechend hat der EuGH in der von der Inhaberin der angegriffenen Marke zitierten Entscheidung die Abkürzung „EM“ als „beschreibend im Sinne des Art. 7 (1) (c) der Verordnung 207/2009“ und damit als schutzunfähig erachtet (EuGH C-728/18 P, Rn. 25).
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Der Wortbestandteil „EM“ der Widerspruchsmarken ist deshalb nicht geeignet, den Gesamteindruck dieser Marken zu prägen. Es gilt im Übrigen der Grundsatz, dass ein Bestandteil der älteren Marke, dessen Schutzunfähigkeit bei der nachträglichen Prüfung im Kollisionsverfahren festgestellt wird, eine Verwechslungsgefahr im Rechtssinne nicht begründen kann (BGH GRUR 2004, 778, 779 – URLAUB  DIREKT ; GRUR 2003, 1040, 1043 – Kinder; BPatG 30 W (pat) 551/10 – SPACE/ INTERSPACE ).
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Darüber hinaus hat die Markenstelle zu Recht ausgeführt, dass der in der angegriffenen Marke enthaltene weitere Wortbestandteil „blond“ nicht vernachlässigt wird. Entgegen dem Vorbringen der Widersprechenden besitzt „blond“ keine Eignung zur Farbbeschreibung der beanspruchten Waren. Der Begriff stellt in Bezug auf diese Waren kein Synonym für das Wort „hell“ dar. Zwar besitzt das Wort „blond“ neben der Beschreibung einer Haarfarbe umgangssprachlich auch die Bedeutung „helle, goldgelbe Farbe“ und kann insoweit auch außerhalb des Bereichs der Haare eine Farbangabe darstellen. Allerdings handelt es sich, wie Markenabteilung 3.4 in dem Beschluss vom 8. August 2012 zur Marke EM blond zu Recht festgestellt und belegt hat, nur um eine umgangssprachliche Bezeichnung, die lediglich für Biere und nicht für die hier relevanten Waren als Farbangabe gebräuchlich ist.Soweit die Widersprechende vorträgt, die Inhaberin der angegriffenen Marke beschreibe auf ihrer Website … selbst die helle Farbe der Flüssigkeit „EM-blond“, und zwar wie folgt:
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führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zwar mag der werbliche Hinweis auf die „besonders angenehm(e)“ „helle Farbe“ den Verkehr zu einem beschreibenden Verständnis des Markenbestandteils „blond“ verleiten. Auf derartige werbliche Begleitumstände kommt es jedoch im vorliegenden registerrechtlichen Widerspruchsverfahren nicht an. Maßgeblich ist lediglich, wie die angegriffene Marke in ihrer eingetragenen Form auf den Verkehr wirkt (vgl. BPatG 24 W (pat) 82/08 – pn printnet/PRINECT). Wie bereits festgestellt, hat der Verkehr im Hinblick auf die allgemeinen Verwendungsgewohnheiten des Begriffs „blond“ keinen Anlass, den Bestandteil „blond“ im Zusammenhang mit den hier relevanten Waren aus sich heraus als Farbangabe aufzufassen.
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cc) Eine begriffliche Ähnlichkeit scheidet aus, weil die Vergleichsmarken lediglich in der beschreibenden Angabe “EM” übereinstimmen (vgl. BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 43 – pjur/pure; BPatG 25 W (pat) 501/16 – moringa/MORINGA EUROPA).
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3. Es besteht auch keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn unter dem Gesichtspunkt einer selbständig kennzeichnenden Stellung des Wortbestandteils “EM” der Widerspruchsmarke in dem angegriffenen Zeichen.Bei der Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn erkennt der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Marken; er geht aber von organisatorischen oder wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den Markeninhabern aus (vgl. BGH GRUR 2004, 779, 783 – Zwilling/Zweibrüder; GRUR 2008, 903 Rn. 31 – SIERRA  ANTIGUO ; GRUR 2013, 1239 Rn. 45 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion). Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne liegt insbesondere dann vor, wenn eine ältere Marke oder das prägende Bestandteil einer älteren Marke identisch oder ähnlich als Bestandteil in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Es reicht aber nicht aus, dass allein aufgrund der Übernahme eines Zeichenbestandteils die angegriffene Marke geeignet sein könnte, Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen hervorzurufen (vgl. BGH GRUR 2009, 772, 777 – Augsburger Puppenkiste). Es müssen vielmehr besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, in einem zusammengesetzten Zeichen einzelne oder mehrere Bestandteile als selbständig kennzeichnend anzusehen (BGH GRUR 2018, 79 Rn. 43 – OXFORD/OXFORD CLUB). Daran fehlt es vorliegend.Da die Abkürzung „EM“ – wie ausgeführt – für die relevanten Waren schutzunfähig nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist, kann sie weder den Gesamteindruck der Widerspruchsmarken prägen noch in der angegriffenen Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung einnehmen.
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C. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.

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