Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “NIGHTS & MORE” – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis

Aktenzeichen  26 W (pat) 6/16

Datum:
11.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 007 837.3
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 11. August 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge, des Richters Reker und des Richters kraft Auftrags Schödel
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Mai 2014 wird aufgehoben.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Zeichenfolge
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NIGHTS & MORE
3
ist am 14. November 2013 unter der Nummer 30 2013 007 837.3 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 angemeldet worden.
4
Mit Beschluss vom 19. Mai 2014 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA die Anmeldung teilweise wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen, nämlich für die Dienstleistungen der
5
Klasse 35: Werbung; Organisation von Konferenzen, Produktpräsentationen und Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Geschäftsführung von Hotels im Auftrag Dritter;
6
Klasse 42: Betrieb von Hotels, Betrieb von Gaststätten, Restaurants, Selbstbedienungsrestaurants, Buffets, Café-Restaurants und Bars.
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Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Verkehr werde das Zeichen in seiner deutschen Übersetzung „Nächte und mehr“ dahingehend verstehen, dass die Dienstleistungen sich auf Übernachtungen und damit verbundene Angebote bezögen. Zwar weise das Zeichen eine gewisse Unschärfe, aber keine Mehrdeutigkeit auf, die ihm zur Schutzfähigkeit verhelfen könnte. Es sei unmaßgeblich, dass die korrekte Übersetzung von „Übernachtung“ „overnight stay“, „accommodation“ oder „guest-night“ laute, solange der Verkehr den angemeldeten Begriff verstehe. Folglich gebe das Anmeldezeichen keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, sondern weise in glatt beschreibender Form auf Art, Inhalt und Thema der in Frage stehenden Dienstleistungen hin. Vergleichbar gebildete Begriffe wie „Übernachten und mehr“, „WALK & more“ oder „Führungen und mehr“ würden bereits in verschiedenen Zusammenhängen verwendet, so dass das Anmeldezeichen nicht zwingend mit dem Anmelder in Verbindung gebracht werde. Ähnliche Voreintragungen könnten ebenso wenig zu einer Eintragung des Anmeldezeichens führen.
8
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er ist der Ansicht, das Wort „nights“ könne von den Verkehrskreisen in keiner Weise mit Werbedienstleistungen in Verbindung gebracht werden, weil diese nicht nachts erfolgten. Auch die Organisation von Konferenzen, Produktpräsentationen und Ausstellungen sowie die Geschäftsführung von Hotels im Auftrag Dritter könne zwar teilweise nachts erfolgen, finde aber in der Regel tagsüber statt. Die Beherbergung und Verpflegung von Gästen in Hotels, Gaststätten, Restaurants unterschieden sich deutlich vom „Betrieb eines Hotels“, weil diese Dienstleistung ohne Außenwirkung nicht zur Nachtzeit erbracht werde. Im Übrigen sei das Anmeldezeichen vom österreichischen Patentamt als Marke in das Register eingetragen worden.
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Auf entsprechenden Hinweis des erkennenden Senats mit Schreiben vom 5. Juli 2016, dem zahlreiche Recherchebelege beigefügt waren (Anlagenkonvolute 1 und 2, Bl. 31 – 56 GA), hat der Beschwerdeführer seine Anmeldung hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 42 sowie für die Dienstleistung „Geschäftsführung von Hotels im Auftrag Dritter“ in Klasse 35 zurückgenommen.
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Er beantragt sinngemäß,
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1. den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Mai 2014 aufzuheben;
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2. die anteilige Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
14
Die Beschwerde ist zulässig und, soweit darüber nach Beschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses durch den Anmelder noch zu entscheiden ist, auch begründet. Der Eintragung des Anmeldezeichens für die verbleibenden Dienstleistungen stehen keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere fehlt es dem Zeichen nicht an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198, 1201 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH, Beschl. v. 31. Mai 2016 – I ZB 39/15 Rdnr. 9 – OUI; GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – OUI; a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 10 – OUI; a. a. O. Rdnr. 16 – for you).
16
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143, 1144, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872, 874 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 – DüsseldorfCongress). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH a. a. O. Rdnr. 16 – DüsseldorfCongress).
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2. Diesen Anforderungen genügt die Wortfolge „NIGHTS & MORE“, weil sie weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt noch einen engen beschreibenden Bezug zu den noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35 aufweist.
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a) Bei den hier angesprochenen Verkehrskreisen handelt es sich um Unternehmensinhaber und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene.
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b) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden englischen Wörtern „nights“ und „more“ zusammen, die durch das kaufmännische &-Zeichen verbunden sind.
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aa) Das englische Substantiv in der Pluralform „nights“ bedeutet in seiner deutschen Übersetzung „Nächte“, das Wort „more“ lässt sich mit „mehr“ übersetzen (www.leo.org). Beide Wörter gehören zum englischen, dem Durchschnittsverbraucher geläufigen Grundwortschatz.
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bb) Die begriffliche Vagheit bzw. Unbestimmtheit des Wortelements „more“, das die konkrete Art der in Aussicht gestellten Mehrleistung offen lässt und deren Deutung dem individuellen Vorstellungshorizont des einzelnen Verbrauchers oder Fachhändlers überlässt, wird bewusst in Kauf genommen, um das Spektrum der Kundenerwartungen möglichst breit zu halten (BPatG 26 W (pat) 3/15 – dateformore).
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cc) Das kaufmännische Symbol „&“ ist eine in der Alltags- und Werbesprache gängige und häufig verwendete Abkürzung für „und“ bzw. im Englischen „and“ (BPatG 29 W (pat) 541/13 – Fast & Easy; 24 W (pat) 528/12 – Hütten & Paläste; 26 W (pat) 35/10 – Call & Surf; 30 W (pat) 541/10 – ROAD & SEA).
24
c) Für die im Entscheidungszeitpunkt noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 „Werbung; Organisation von Konferenzen, Produktpräsentationen und Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke“ enthält das Anmeldezeichen aber mit seiner Gesamtbedeutung „Nächte und mehr“ keine Sachaussage und es stellt auch keinen engen beschreibenden Bezug zu ihnen her.
25
aa) Da „Werbung“ sachunabhängig für jede Art von Gegenstand oder Dienstleistung erbracht werden kann, ist die Angabe des beworbenen Objektes keine Sachangabe für die Dienstleistung selbst. Werbedienstleistungen werden durch das Werbemedium, die Zielgruppe oder die Branche, an die sie sich richten, beschrieben (BGH GRUR 2009, 949Rdnr. 24 – My World). Es konnte nicht festgestellt werden, dass Werbeagenturen ihre Dienstleistungen speziell für Werbung in der Nacht bzw. für Waren und Dienstleistungen, die typischerweise zur Nachtzeit erbracht werden, anbieten.
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bb) Das Gleiche gilt für die ebenfalls als Werbedienstleistungen einzustufenden Dienstleistungen „Organisation von Konferenzen, Produktpräsentationen und Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke“, zumal der Senat nicht feststellen konnte, dass sich Unternehmen auf die Organisation nächtlicher Konferenzen, Produktpräsentationen und Ausstellungen spezialisiert haben.
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3. Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen kann bei der angemeldeten Wortfolge auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht bejaht werden.
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4. Die (anteilige) Erstattung der Beschwerdegebühr war nicht anzuordnen.
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a) Die beantragte anteilige Erstattung der Beschwerdegebühr ist gar nicht möglich. Bei der Beschwerdegebühr handelt es sich um eine pauschale Verfahrensgebühr (BPatGE 21, 20 ff.).
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b) Aber auch für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr insgesamt liegen die Voraussetzungen gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG nicht vor.
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Diese sind nur ausnahmsweise gegeben, wenn es aufgrund besonderer Umstände unbillig erschiene, die Beschwerdegebühr einzubehalten. Der Erfolg der Beschwerde als solcher ist kein Rückzahlungsgrund. Dieser Ausnahmetatbestand ist auch nicht schon bei jeder fehlerhaften Rechtsanwendung erfüllt. Besondere Umstände liegen erst vor, wenn der Beschwerdeführer durch eine gesetzwidrige oder unangemessene Sachbehandlung oder durch einen offensichtlichen Fehler des Amtes genötigt worden ist, Beschwerde einzulegen (BPatGE 26, 17, 22).
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Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Verfahrensfehler des DPMA sind nicht erkennbar. Auch hat die angegriffene Entscheidung weder eklatant den Prüfungsumfang verkannt noch ist sie zu einem schlechterdings unvertretbaren Ergebnis gelangt. Vielmehr ist sie sogar überwiegend rechtmäßig gewesen, weshalb die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erst nach erheblicher Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses erfolgen konnte.


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