Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – widersprüchliche, unverständliche Entscheidung – fehlende Differenzierung zwischen den einzelnen Waren und Dienstleistungen – wesentlicher Mangel – Zurückverweisung an das DPMA

Aktenzeichen  26 W (pat) 535/20

Datum:
12.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 70 Abs 3 Nr 2 MarkenG
§ 61 Abs 1 S 1 MarkenG
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 016 026.2
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 12. April 2021 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Dr. von Hartz und Schödel
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 11. Dezember 2019 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.
1
Die Wortfolge
2
Mate Mate
3
ist am 10. Juli 2019 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren und Dienstleistungen der
4
Klasse 25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen, insbesondere Hemden, Hosen, Hüte, Kappen, Jacken, Mützen, Pullover, Schals, Sweater, T-Shirts;
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Klasse 30: Kaffee; Tee; Kakao; Kaffee-Ersatzmittel; Teegetränke; Mate-Tee; Yerba-Mate-Tee; Dragees [nicht medizinisch] aus Glukose auf Koffeinbasis;
6
Klasse 32: Biere; Mineralwässer; kohlensäurehaltige Wässer; Fruchtgetränke; Fruchtsäfte; Sirupe für die Zubereitung von Getränken; Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholfreie Getränke; alkoholfreie Getränke, insbesondere auf Mate-Basis; nichtalkoholische koffeinhaltige Getränke; koffeinhaltige Getränke; koffeinhaltige Energiegetränke; Energiegetränke; Energiegetränke [nicht für medizinische Zwecke]; fermentierte alkoholfreie Getränke;
7
Klasse 33: Alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]; alkoholische Energiegetränke: fermentierte Spirituosen;
8
Klasse 35: Werbung; Werbung, Marketing und Verkaufsförderung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Auskünfte in Handelsangelegenheiten in Bezug auf alkoholfreie Getränke; Auskünfte in Handelsangelegenheiten in Bezug auf alkoholische Getränke; Präsentation von Waren und Dienstleistungen in Einzelhandelsgeschäften und Onlineshops; Betrieb von Einzelhandelsgeschäften und Onlineshops, nämlich Vermittlung und Abschluss von Verträgen über den An- und Verkauf von Waren sowie über die Inanspruchnahme von Dienstleistungen [für Dritte]; Betrieb eines Onlineshops und E-Mail-Dienste, nämlich Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung; Ausstellung und Vorführen von Waren; Zusammenstellung von Waren für Dritte zu Präsentationszwecken; Präsentation von Waren für Dritte zu Verkaufszwecken; Import- und Exportdienste; Bestelldienste; Beschaffungsdienste für Dritte sowie Einzelhandelsdienstleistungen, insbesondere über das Internet, mit folgenden Waren: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, insbesondere Hemden, Hosen, Hüte, Kappen, Jacken, Mützen, Pullover, Schals, Sweater, T-Shirts; Beschaffungsdienste für Dritte sowie Einzelhandelsdienstleistungen, insbesondere über das Internet, mit folgenden Waren. Kaffee, Tee, Kakao und Kaffee-Ersatzmittel; Beschaffungsdienste für Dritte sowie Einzelhandelsdienstleistungen, insbesondere über das Internet, mit folgenden Waren: Teegetränke, Mate-Tee, Yerba-Mate-Tee, Dragees [nicht medizinisch] aus Glukose auf Koffeinbasis; Beschaffungsdienste für Dritte sowie Einzelhandelsdienstleistungen, insbesondere über das Internet, mit folgenden Waren: Biere, Mineralwässer, kohlensäurehaltige Wässer; Beschaffungsdienste für Dritte sowie Einzelhandelsdienstleistungen, insbesondere über das Internet, mit folgenden Waren: Fruchtgetränke, Fruchtsäfte, Sirupe für die Zubereitung von Getränken, Präparate für die Zubereitung von Getränken; Beschaffungsdienste für Dritte sowie Einzelhandelsdienstleistungen, insbesondere über das Internet, mit folgenden Waren: alkoholfreie Getränke, alkoholfreie Getränke, insbesondere auf Mate-Basis; Beschaffungsdienste für Dritte sowie Einzelhandelsdienstleistungen, insbesondere über das Internet, mit folgenden Waren: nichtalkoholische koffeinhaltige Getränke, koffeinhaltige Getränke; Beschaffungsdienste für Dritte sowie Einzelhandelsdienstleistungen, insbesondere über das Internet, mit folgenden Waren: koffeinhaltige Energiegetränke, Energiegetränke, Energiegetränke [nicht für medizinische Zwecke], fermentierte alkoholfreie Getränke; Beschaffungsdienste für Dritte sowie Einzelhandelsdienstleistungen, insbesondere über das Internet, mit folgenden Waren: alkoholische Getränke [ausgenommen Biere], alkoholische Energiegetränke, fermentierte Spirituosen;
9
Klasse 39: Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Transport von alkoholischen Getränken; Dienstleistungen im Zusammen-hang mit dem Transport von alkoholfreien Getränken; Lagerung von alkoholischen Getränken: Lagerung von alkoholfreien Getränken; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten;
10
Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen; Dienstleistungen zur Beherbergung von Gästen.
11
Mit Beschluss vom 11. Dezember 2019 hat die Markenstelle für Klasse 32 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie zunächst auf den Beanstandungsbescheid vom 10. September 2019 Bezug genommen, in dem ausgeführt worden war, dass „Mate“ einen aus gerösteten, koffeinhaltigen Blättern der Matepflanze zubereiteten Tee und die Matepflanze selbst bezeichne, und daher darauf hinweise, dass die Waren der Klassen 30, 32 und 33 Mate enthielten und bei den Dienstleistungen der Klasse 43 Mate zum Einsatz komme. Weiter hat sie ausgeführt, die angemeldete Bezeichnung beschränke sich auf „eine Angabe ohne erkennbaren herkunftshinweisenden Gehalt“. Die Doppelverwendung führe zu keinem anderen Verkehrsverständnis. Die Verdopplung von Wörtern sei ein Stilmittel der modernen Werbepsychologie und werde nur verwendet, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen. Durch die wiederholte Wiedergabe entstehe kein neuer Begriffsinhalt. Die Wiederholung verstärke vielmehr den beschreibenden Charakter. Im Zusammenhang mit der Prüfung der markenrechtlichen Unterscheidungskraft sei nicht „auf jede einzelne Ware (= beschreibende Angabe) einzugehen“. „Diese Art der Rechtsprechung zu beschreibenden Angaben“ sei „veraltet und im Hinblick auf Unterscheidungskraft nicht anzuwenden. Vgl. hierzu allgemein Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, aaO., Rdn. 410.“ „Kein im Wörterbuch der deutschen Sprache (Duden)“ gelistetes Wort, „oder ein Wort der markenrechtlich beachtlichen Welthandelssprachen“ hätten „dieses Mindestmaß an markenrechtlicher Unterscheidungskraft.“ Im Anschluss daran folgen im Wesentlichen Ausführungen zu den Voraussetzungen der Freihaltebedürftigkeit und zur allgemeinen Bedeutung von Voreintragungen. Der Beschluss endet mit dem Satz „Da schon bei vorliegen eines Tatbestandes die Eintragung zu versagen ist, bedarf es keiner Feststellungen in wie weit die Anmeldung auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückzuweisen wäre.“
12
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, das Anmeldezeichen verfüge nach den Maßstäben der EuGH-Entscheidung „Baby-dry“ (Urt. v. 20. September 2001 – C-383/99 P) über das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft. Das Wort „Mate“ sei mehrdeutig und interpretationsbedürftig. Schon in der deutschen Sprache sei eine eindeutige Begriffsbestimmung nicht möglich, weil es für den Mate-Strauch, Mate-Tee oder MATE Desktop Environment stehen könne und als Nachname, z. B. des bekannten US-amerikanischen Fußballspielers Andy Mate, existiere. Im Englischen werde „mate“ mit „verpaaren“, „Kamerad“ oder „Sexualpartner“ übersetzt. In der französischen Sprache könne es „glanzlos“ oder „dumpf“ bedeuten und im Italienischen sei es die Abkürzung für „Mathematik“. Die konkret angemeldete Wortfolge finde sich in keiner europäischen Sprache. Daher sei kein unmittelbarer inhaltsbeschreibender Sachhinweis erkennbar. Aufgrund der Doppelung komme dem Anmeldezeichen in der Art eines Wortspiels eine gewisse Originalität zu, weil es sich entweder um die Wiederholung desselben Wortes handelt, also die Verwendung des rhetorischen Stilmittels der Repetitio, oder entsprechend dem Stilmittel der Diaphora um die Wiederholung eines Wortes mit unterschiedlicher Bedeutung, wie z. B. „Kumpel Mate“. Das Gesamtzeichen könne „glanzlose Mathematik“, „Kamerad Mathematik“ oder „Kamerad Mate“ bedeuten. Es fehle zudem ein hinreichend konkreter Zusammenhang mit den einzelnen beanspruchten Waren und Dienstleistungen, mit denen sich die Markenstelle nicht auseinandergesetzt habe. Der pauschalen Behauptung der Markenstelle, das Anmeldezeichen sei beschreibend, werde widersprochen. Mate existiere nicht als Aroma oder Bestandteil von Kaffee, Fruchtsaft oder Kakao. Es sei auch nicht ersichtlich, welche Bedeutung dem Anmeldezeichen in Verbindung mit Bekleidungsstücken, Schuhwaren oder Kopfbedeckungen der Klasse 25, mit Bier der Klasse 32, mit alkoholischen Getränken der Klasse 33, mit Werbung, Büroarbeiten oder Geschäftsführung der Klasse 35, mit Transportwesen der Klasse 39 oder mit Beherbergungsdienstleistungen der Klasse 43 zukommen solle. Die beanspruchte Wortfolge sei nicht geeignet, Informationen zu Art oder Beschaffenheit der in Rede stehenden Produkte und Dienste zu vermitteln. Assoziationen seien dafür nicht ausreichend. Wenn die Auffassung der Markenstelle zuträfe, dass kein Wort aus einem Nachschlagewerk Aufnahme ins Markenregister finden dürfe, wären nur Fantasiebegriffe eintragungsfähig, was nicht der Realität entspreche. Ferner seien zahlreiche Marken mit dem Bestandteil „Mate“ für die Warenklassen 30, 32 oder 33 in den Registern des DPMA und des EUIPO eingetragen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 4 zur Beschwerdebegründung verwiesen.
13
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
14
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des DPMA vom 11. Dezember 2019 aufzuheben.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
16
Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und führt gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das DPMA.
17
1. Das Verfahren vor dem DPMA leidet an einem wesentlichen Mangel, weil die Entscheidung ungenügend begründet worden ist.
18
a) Nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG kann das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Verfahren vor dem Patent- und Markenamt an einem wesentlichen Mangel leidet. Von einem wesentlichen Mangel des Verfahrens im Sinne des § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG ist auszugehen, wenn es nicht mehr als ordnungsgemäße Grundlage für die darauf beruhende Entscheidung des DPMA anzusehen ist (BGH GRUR 1962, 86, 87 – Fischereifahrzeug). Das gilt insbesondere für völlig ungenügende oder widersprüchliche Begründungen (BPatGE 7, 26, 31 ff.; 21, 75).
19
b) Im vorliegenden Fall ist die Begründung widersprüchlich, unverständlich und differenziert nicht zwischen den einzelnen Waren und Dienstleistungen.
20
aa) Widersprüche ergeben sich daraus, dass die Markenstelle, obwohl sie ihre Zurückweisung der Anmeldung auf die fehlende Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG stützt und am Ende ausdrücklich erklärt, das es deshalb keiner Feststellungen zu § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bedürfe, unmittelbar davor die Voraussetzungen des Schutzhindernisses der Freihaltebedürftigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellt.
21
bb) Ferner widerspricht sich die Markenstelle, wenn sie ausführt, im Zusammenhang mit der Prüfung der markenrechtlichen Unterscheidungskraft sei nicht „auf jede einzelne Ware (= beschreibende Angabe) einzugehen“, weil diese „Art der Rechtsprechung zu beschreibenden Angaben“ „veraltet und im Hinblick auf Unterscheidungskraft nicht anzuwenden“ sei, und dann als Beleg auf den Kommentar Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rdnr. 410 verweist, aus dem sich das Gegenteil ergibt. Denn zum einen bezieht sich die zitierte Kommentarstelle auf das Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) und nicht auf dasjenige der fehlenden Unterscheidungskraft, zum anderen heißt es dort schon zu Beginn: „Die Entscheidung über den beschreibenden Charakter einer angemeldeten Marke ist grundsätzlich für jede der beanspruchten Waren/DL zu begründen“. In der dazugehörigen Fußnote 1170 werden zahlreiche bestätigende EuGH- und BGH-Entscheidungen genannt.
22
cc) Die Befassung mit dem konkreten Anmeldezeichen beschränkt sich im angefochtenen Beschluss darauf, dass die Markenstelle auf den Beanstandungsbescheid Bezug nimmt, in dem der Begriff „Mate“ definiert und als Inhaltsstoff der Waren der Klassen 30, 32 und 33 sowie als Gegenstand der Dienstleistungen der Klasse 43 genannt worden war, und auf die Feststellung, dass die angemeldete Bezeichnung „eine Angabe ohne erkennbaren herkunftshinweisenden Gehalt“ sei.
23
aaa) Bei der Prüfung der absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 MarkenG sind aber grundsätzlich alle beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen zu würdigen (EuGH GRUR 2007, 425 Rdnr. 32, 36 – MT&C/BMB; BGH GRUR 2009, 952 Rdnr. 9 – DeutschlandCard), wobei eine globale Begründung ausreicht, soweit dieselben Erwägungen eine Kategorie oder Gruppe der angemeldeten Waren und/oder Dienstleistungen betreffen (EuGH a. a. O. Rdnr. 37 – MT&C/BMB; GRUR 2008, 339 Rdnr. 91 – Develey/HABM). Das bedeutet aber nur, dass dieselbe für verschiedene Waren und/oder Dienstleistungen maßgebliche Begründung nicht für jede einzelne Position des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses wiederholt werden muss, sondern dass Gruppen von Waren und/oder Dienstleistungen zusammengefasst beurteilt werden können. Gegen diese Begründungspflicht wird daher verstoßen, wenn verschiedene Waren und/oder Dienstleistungen ohne weitere Begründung gleich behandelt oder überhaupt nicht gewürdigt werden.
24
bbb) Die Markenstelle geht nicht darauf ein, weshalb dem Anmeldezeichen in Bezug auf die Waren „Kaffee; Kakao; Kaffee-Ersatzmittel“ der Klasse 30 und die Getränke „Biere; Mineralwässer; Fruchtsäfte“ der Klasse 32 die Unterscheidungskraft fehlen soll. Eine Begründung für die mangelnde Schutzfähigkeit hinsichtlich der Bekleidungswaren der Klasse 25, der Werbe-, Geschäftsführungs- und Handelsdienstleistungen der Klasse 35, insbesondere Einzelhandelsdienstleistungen mit teefremden Produkten und der Transportdienste der Klasse 39 fehlt völlig.
25
ccc) Als Begründung reicht es nicht aus zu behaupten, kein im Wörterbuch der deutschen Sprache aufgeführtes Wort oder kein Wort der markenrechtlich beachtlichen Welthandelssprachen verfügten über ein „Mindestmaß an markenrechtlicher Unterscheidungskraft“. Soweit die Markenstelle damit die Fallgruppe als einschlägig ansehen sollte, wonach das Anmeldezeichen aus einem gebräuchlichen Wort besteht, das – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, fehlen dazu jegliche tatsächlichen Feststellungen, insbesondere eine auf die Waren und Dienstleistungen bezogene Recherche über Bedeutung und Verwendung der angemeldeten Bezeichnung.
26
c) Die Markenstelle hat es damit vorliegend versäumt, den verfahrensge-genständlichen Zurückweisungsbeschluss zu begründen (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 MarkenG).
27
d) Aus diesem Grund sieht der Senat nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG von einer eigenen abschließenden Sachentscheidung ab und verweist die Sache an das DPMA zurück. Ungeachtet der Bedeutung, die dem Gesichtspunkt der Prozess-ökonomie im Rahmen der gebotenen Ermessensausübung zukommt, kann es nicht zu den Aufgaben des Patentgerichts gehören, in der Sache die dem DPMA obliegende Erstprüfung einer Anmeldung zu übernehmen (vgl. BPatG 24 W (pat) 524/15 – kerzenzauber; 26 W (pat) 518/17 – modulmaster). Dabei sind ferner sowohl der sonst eintretende Verlust einer Entscheidungsinstanz als auch die Belastung des Senats u. a. aufgrund der Schließung des 27. Marken-Beschwer-desenats Ende 2019 mit einem hohen Stand an vorrangigen Altverfahren sowie der durch die Corona-Pandemie bedingte Terminierungsstau zu berücksichtigen, die eine zeitnahe Behandlung des Verfahrens nicht zulassen.
28
e) Die Markenstelle wird daher erneut in die Prüfung einzutreten haben, ob ein Freihaltebedürfnis bzw. eine fehlende Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens festzustellen ist.
29
aa) Für das weitere Verfahren ist zunächst zu berücksichtigen, dass es im Markenrecht keinen Grundsatz gibt, wonach bekannten Wörtern der deutschen Sprache oder einer Welthandelssprache jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
30
bb) Ferner unterscheidet sich die Wortmarke „Baby-Dry“ durch die grammatikalisch unkorrekte Nachstellung des Adjektivs vom vorliegenden Anmeldezeichen, das dasselbe Wort nur wiederholt. Soweit in der Entscheidung des EuGH zu „Baby-Dry“ (GRUR 2001, 1145) „eine übliche Art und Weise“ einer Beschreibung der Waren und/oder Dienstleistungen als Voraussetzung für ein Eintragungsverbot verlangt worden ist, ist diese Rechtsprechung seit langem ausdrücklich aufgegeben worden (vgl. EuGH GRUR 2011, 1035 Rdnr. 40 – 1000; so auch BPatG 25 W (pat) 593/12 – MORGEN FRUCHT; 30 W (pat) 23/05 – KUNST-MAHL). Schon in den dem Baby-Dry-Urteil nachfolgenden Entscheidungen des EuGH sind deutlich höhere Anforderungen an die Eintragungsfähigkeit von Wortneubildungen gestellt worden, nämlich ein merklicher Unterschied zu der bloßen Zusammenfügung beschreibender Bestandteile (EuGH a. a. O. – CELLTECH; a. a. O. – Postkantoor; a. a. O. – BIOMILD).
31
cc) Die Annahme einer beschreibenden Bedeutung setzt nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Konturen erlangt und sich damit eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet hat. Von einem beschreibenden Begriff kann vielmehr auch dann auszugehen sein, wenn das Zeichenwort verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage und nicht klar umrissen ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; GRUR 2004, 680 Rdnr. 38 – 42 – BIOMILD; BGH GRUR 2014, 872 Rdnr. 25 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT; GRUR 2013, 522 Rdnr. 13 – Deutschlands schönste Seiten)
32
dd) Schließlich dürfte die Markenstelle die beschreibende Bedeutung des Wortes „Mate“ im Beanstandungsbescheid in Bezug auf Tee sowie Getränke, die einen entsprechenden Inhaltsstoff enthalten können, zutreffend erfasst haben. Die Wiederholung desselben Wortes dürfte insoweit auch keine Schutz begründende Verfremdung bewirken (vgl. BPatG 25 W (pat) 553/11 – Backe Backe). Ob dies allerdings für die weiteren beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Fall ist, bedarf einer dezidierten Prüfung.
33
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nach § 71 Abs. 3 MarkenG anzuordnen. Dies entspricht der Billigkeit, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beschwerde bei korrekter Sachbehandlung vermieden worden wäre.


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