Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – zur Zustellung eines Erinnerungsbeschlusses des DPMA nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Inhaberin der angegriffenen Marke – Erlöschen der Vollmacht des Vertreters der Markeninhaberin – unwirksame Zustellung an diesen – formelle Beschwer der Markeninhaberin – Einlegung der Beschwerde durch den nicht mehr bevollmächtigten Vertreter zur Abwendung einer Gefahr der Masse – schwebende Unwirksamkeit – Fehlen der Genehmigung des Insolvenzverwalters – Unzulässigkeit der Beschwerde – Beschluss erwächst nicht in Rechtskraft – erneute Zustellung durch das DPMA

Aktenzeichen  29 W (pat) 5/17

Datum:
19.6.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 66 Abs 1 MarkenG
§ 82 Abs 1 MarkenG
§ 240 ZPO
§ 117 Abs 1 InsO
§ 117 Abs 2 InsO
§ 115 Abs 2 InsO
§ 80 InsO
Spruchkörper:
29. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
 

betreffend die Marke…

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. Juni 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Akintche und die Richterin Seyfarth
beschlossen:
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.
1
Die Wortmarke

2
ist am 16. Februar 2012 angemeldet und am 11. Mai 2012 für zahlreiche Waren der Klassen 7, 11 und 21 in das Markenregister beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 15. Juni 2012.
3
Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Beschwerdegegnerin Widerspruch erhoben aus der Wortmarke

4
die am 8. Februar 2012 angemeldet und am 19. März 2012 unter der Nummer … für verschiedene Waren der Klassen 7, 20 und 21 eingetragen wurde.
5
Mit Beschlüssen vom 6. Februar 2013 und vom 24. September 2014, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 11 des DPMA bezüglich eines Teils der für die jüngere Marke eingetragenen Waren eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG angenommen und insoweit die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Der Erinnerungsbeschluss des DPMA vom 24. September 2014 ist der Widersprechenden per Übergabe-Einschreiben am 26. September 2014 übersandt worden. Der – auch im Entscheidungszeitpunkt noch im Register eingetragene – Vertreter der vormaligen Markeninhaberin, Rechtsanwalt E.. wurde am 5. Dezember 2014 telefonisch kontaktiert, hatte den Beschluss nach seinen Angaben jedoch nicht erhalten. Aus diesem Grund wurde ihm dieser mittels Zustellurkunde am 10. Dezember 2014 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2015, eingegangen beim DPMA am selben Tag, hat Rechtsanwalt E… für die vormalige Markeninhaberin, die noch im Register eingetragene M… GmbH, Beschwerde gegen den Beschluss des DPMA eingelegt.
6
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
7
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 11 des DPMA vom 6. Februar 2013 und vom 24. September 2014 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
8
Vor der Zustellung, nämlich bereits am 8. Dezember 2014, war durch Beschluss des Amtsgerichts Ludwigsburg (Az.: … IN …/14) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der M… GmbH eröffnet und als Insolvenzverwalter RA M… bestellt worden. Über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens befanden sich zu keinem Zeitpunkt Unterlagen in den Akten des Deutschen Patent- und Markenamts. Eine entsprechende Mitteilung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist weder durch die Fa. M… GmbH noch den Insolvenzverwalter erfolgt.
9
Mit Verfügung vom 21. Dezember 2018 hat der Senat den Insolvenzverwalter angeschrieben, um Vorlage des Eröffnungsbeschlusses und um Mitteilung gebeten, ob der Insolvenzverwalter die Beschwerdeeinlegung genehmige und das Verfahren nach § 86 Abs. 1 InsO aufnehme. Daraufhin hat der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 28. Dezember 2018 (Bl. 27 d. A.) den Insolvenzbeschluss des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 8. Dezember 2014 vorgelegt und mitgeteilt, dass die angegriffene Marke Nr. … bereits mit Kaufvertrag vom 18. Mai 2015 an Herrn F… U…, e. K. veräußert worden sei. Aus einem Auszug des Handelsregisters B des Amtsgerichts Stuttgart (HRB …) geht hervor, dass der Insolvenzverwalter am 23. Juni 2015 die Änderung der Fa. M… GmbH in M1 GmbH beschlossen hatte.
10
Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2019 (Bl. 32 d. A.) teilte die Kanzlei des Insolvenzverwalters unter Vorlage eines weiteren Beschlusses des Amtsgerichts Ludwigsburg mit, dass das Insolvenzverfahren am 10. Januar 2019 aufgehoben worden sei. Zur Frage der Genehmigung der Beschwerdeeinlegung bzw. Aufnahme des Verfahrens hat sich der Insolvenzverwalter nicht geäußert. Er hat lediglich vortragen lassen, dass seine Befugnisse als Insolvenzverwalter der M… GmbH, jetzt der M1 GmbH, erloschen seien.
11
Mit Hinweis vom 7. Februar 2019 hat der Senat der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin daraufhin seine vorläufige Rechtsauffassung dargelegt und mitgeteilt, dass er beabsichtige, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, da von einer unwirksamen Zustellung des DPMA-Beschlusses vom 24. September 2014 sowie von einer unzulässigen Beschwerdeeinlegung auszugehen sei. Die Verfügung wurde auch Rechtsanwalt E… übersandt.
12
Ein Umschreibungsantrag auf den neuen Markeninhaber, der die Marke bereits im Jahr 2015 erworben hat, ist bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht gestellt worden. Im Register des DPMA sind nach wie vor die Firma M GmbH als Markeninhaberin sowie Rechtsanwalt E… als Vertreter eingetragen.
13
Die Beschwerdegegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
15
Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, da sie von einem vollmachtlosen Vertreter eingelegt (§§ 66 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, 117 Abs. 1 InsO) und eine nachträgliche Genehmigung nicht erteilt worden ist.
16
1. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Inhaberin der angegriffenen Marke am 8. Dezember 2014 war das Widerspruchsverfahren entsprechend § 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 240 ZPO unterbrochen (vgl. Darstellung des Standes von Rechtsprechung und Literatur: BGH MDR 2019, 558 Rn. 25 f. – Kaffeekapsel m. w. N.; BPatG, Beschluss vom 03.05.2018, 30 W (pat) 28/15 m. w. N; Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 42 Rn. 71 m. w. N.). Der Beschluss der Markenstelle vom 24. September 2014 konnte dem Vertreter der Inhaberin der angegriffenen Marke daher am 10. Dezember 2014 nicht mehr wirksam zugestellt werden, da seine Vollmacht gem. § 117 Abs. 1 InsO erloschen war. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat durch die Zustellung aber den äußeren Anschein einer Entscheidung gesetzt, durch die die Inhaberin der angegriffenen Marke formell beschwert worden ist, weshalb die Möglichkeit eröffnet sein musste, die Entscheidung im Wege der Beschwerde anzugreifen.
17
Nach § 240 ZPO wird ein die Insolvenzmasse betreffendes Verfahren solange unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Sinn und Zweck der Verfahrenssperre durch Unterbrechung gemäß § 240 ZPO ist es, dem infolge der Insolvenzeröffnung eintretenden Wechsel der Prozessführungsbefugnis (vom Schuldner, d. h. hier der ursprünglichen Markeninhaberin, auf den Insolvenzverwalter, § 80 Abs. 1 InsO) Rechnung zu tragen und sowohl dem Insolvenzverwalter als auch den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich auf die durch die Insolvenz veränderte rechtliche und wirtschaftliche Lage einzustellen (vgl. BGH NJW-RR 2013, 1461 m. w. N.; BGH ZIP 1998, 659, 660; BGH WM 2012, 1200; WM 2012, 852; BPatG, Beschluss vom 03.05.2018, 30 W (pat) 28/15 m. w. N.).
18
Nachdem das Insolvenzverfahren mit Beschluss des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 10.01.2019 aufgehoben worden ist, ist die Verfahrensunterbrechung beendet, so dass über die Beschwerde entschieden werden kann.
19
2. Nach § 28 Abs. 1 MarkenG besteht die Vermutung der Rechtsinhaberschaft für den im Register als Inhaber Eingetragenen. Als Inhaberin der angegriffenen Marke war und ist im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes die Firma „M… GmbH“ auch im Zeitpunkt der Entscheidung (noch) eingetragen. Sie war daher grundsätzlich als durch die Entscheidung des DPMA Beschwerte zur Einlegung der Beschwerde berechtigt. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen ist die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gemäß § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Dies hatte zur Folge, dass die ursprüngliche Markeninhaberin nicht mehr verfügungsbefugt war und Verfahrenshandlungen nur mehr vom Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes vorgenommen werden konnten. Gleichzeitig war das Mandatsverhältnis zwischen der ursprünglichen Markeninhaberin und ihrem Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt E…, kraft Gesetzes erloschen. Vorinsolvenzlich erteilte Vollmachten erlöschen grundsätzlich mit Verfahrenseröffnung in vollem Umfang (§ 117 Abs. 1 InsO; vgl. Berberich in BeckOK InsO, Fridgen/Geiwitz/Göpfert, 13. Ed. 28.01.2019, InsO § 117 Rn. 9). Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte der Beschluss der Markenstelle vom 24. September 2014 daher dem Insolvenzverwalter oder einem von ihm bestellten Vertreter zugestellt werden müssen. Die am 10. Dezember 2014 vorgenommene Zustellung an den früheren Vertreter der Markeninhaberin war demnach nicht wirksam, unabhängig davon, ob das DPMA von der Insolvenz Kenntnis hatte.
20
Die Einlegung der Beschwerde durch den nicht mehr bevollmächtigten Vertreter war zwar zur Fristwahrung und gem. §§ 117 Abs. 2, 115 Abs. 2 InsO als eilbedürftiges Geschäft aufgrund seiner nachwirkenden Treuepflicht zur Abwendung einer Gefahr von der Masse erforderlich, aber schwebend unwirksam bis zur Genehmigung durch den Insolvenzverwalter. Die ohne Vollmacht eingelegte Beschwerde kann nämlich grundsätzlich auch nach Ablauf der Beschwerdefrist vom Berechtigten genehmigt werden (Knoll in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 66 Rn. 19; Thomas/Putzo ZPO, 37 Auflage, § 89 Rn. 13). Eine Genehmigung durch den Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens ist jedoch trotz einer ausdrücklichen Nachfrage durch den Senat vom 21. Dezember 2018 nicht erfolgt. Auf die entsprechende Anfrage hat die Kanzlei des Insolvenzverwalters lediglich mitgeteilt, dass die Marke bereits im Mai 2015 veräußert worden sei. Der Vertreter der ehemaligen Markeninhaberin, Rechtsanwalt E…, hat auf die Senatsverfügung vom 7. Februar 2019 mit Schriftsatz vom 20. Februar 2019 mitgeteilt, dass er auch den neuen Markeninhaber, Herrn F… U…, vertrete. Die Anregung des Senats, das Markenregister aktualisieren zu lassen, habe er aufgenommen. Im Übrigen bat er um eine Stellungnahmefrist zu den vom Senat aufgeworfenen Rechtsfragen. Trotz mehrmalig gewährter Fristverlängerung hat Rechtsanwalt E… keinerlei Erklärung für den neuen Markeninhaber abgegeben. Er hat weder eine Vollmacht des neuen Markeninhabers eingereicht, noch dessen Genehmigung für die Beschwerdeeinlegung eingeholt. Ein Umschreibungsantrag beim DPMA ist bisher ebenfalls nicht gestellt worden.
21
Die ohne Vollmacht eingelegte Beschwerde war daher unzulässig. Der – rechtlich existente – Beschluss des DPMA vom 24. September 2014 ist aufgrund der Zustellung an den vollmachtlosen Vertreter gegenüber der ursprünglichen Markeninhaberin nicht wirksam geworden (vgl. Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering a. a. O. § 61 Rn. 8, 10; Büscher Dittmer Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 3. Auflage, § 61 MarkenG Rn. 6) und erwächst insoweit nicht in Rechtkraft. Das Verfahren kann vom DPMA durch erneute Zustellung des Erinnerungsbeschlusses weitergeführt werden.
22
Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.


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