Sozialrecht

Aufhebung von Erwerbsminderungsrente wegen gesundheitlicher Besserung

Aktenzeichen  L 1 LW 15/15

Datum:
16.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X SGB X § 24 Abs. 1, § 45, § 48 Abs. 1 S. 1
SGB VI SGB VI § 43 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2, Abs. 3, § 102 Abs. 2 S. 1, S. 5
ALG ALG § 13 Abs. 1 S. 1, § 30 Abs. 1

 

Leitsatz

Bei Heilung einer Krebserkrankung ist die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse aufzuheben. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 8 LW 27/13 2015-08-21 Urt SGLANDSHUT SG Landshut

Tenor

I.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 21. August 2015 wird zurückgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die zulässige Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 28. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2013 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte durfte gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X den Rentenbescheid vom 2. März 2010 mit Wirkung ab 1. April 2013 aufgrund einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse aufheben. Dem Kläger steht ab 1. April 2013 kein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gemäß §§ 13 Abs. 1 S. 1 ALG i. V. m. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI zu, weil er nicht mehr erwerbsgemindert ist.
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig, insbesondere ist die notwendige Anhörung ordnungsgemäß erfolgt (vgl. § 24 Abs. 1 SGB X).
Sie sind aber auch materiell rechtmäßig.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft, hier damit ab 1. April 2013, aufzuheben.
In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheids vom 2. März 2010 vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung dadurch eingetreten, dass jedenfalls ab 31. Januar 2013 keine Erwerbsminderung mehr vorliegt. Wesentlich ist eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur dann, wenn sie rechtserheblich ist, d. h., wenn die Änderung dazu führt, dass der Bescheid über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach den nunmehr geänderten vorliegenden Verhältnissen nicht mehr erlassen werden dürfte. Im Bereich der Renten wegen gesetzlicher Erwerbsminderung sind damit alle Umstände wesentlich, die zur Herbeiführung oder Beseitigung der Erwerbsminderung führen (vgl. von Wulffen, SGB X, § 48 Rn. 12 m. w. N.). Für die Feststellung ob eine Änderung vorliegt, sind dabei die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses der bindend gewordenen bescheidmäßigen Feststellung der Leistung mit denen im Zeitpunkt der beabsichtigten veränderten Feststellung zu vergleichen, also mit dem Zeitpunkt der letzten Entscheidung der Beklagten über die Aufhebung der Rentenleistung mit Widerspruchsbescheid vom 13. November 2013 (vgl. KassKomm, SGB X, § 48 Rn. 14 ff.).
Gemäß § 13 Abs. 1 S. 1, 2 ALG haben Landwirte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert nach § 43 SGB VI sind 2. sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens 3 Jahre Pflichtbeiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse gezahlt haben, 3. sie vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben und 4. das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 bzw. Abs. 2 S. 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 bzw. 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat zu Recht als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Rentenbewilligung § 48 Abs. 1 SGB X herangezogen. § 45 SGB X ist nicht einschlägig, denn der ursprüngliche Rentenbewilligungsbescheid vom 2. März 2010 war rechtmäßig. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung durch Bescheid vom 2. März 2010 in diesem Sinne voll erwerbsgemindert war. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt erst unlängst eine schwere Tumorerkrankung überwunden, die durch einen besonders schweren postoperativen Verlauf gekennzeichnet war. Er befand sich noch in der Phase der Rekonvaleszenz, die weder körperlich noch psychisch abgeschlossen war. Nach den Feststellungen von Dr. W. im Gutachten vom 21. Dezember 2009 gestalteten sich der Kostaufbau und die Stuhlregulierung nach Rückverlagerung des künstlichen Ausgangs schwierig. Der Stuhlabgang konnte vom Kläger nicht adäquat kontrolliert werden. Der Kläger trug bei der Untersuchung durch Dr. W. Windeln. Es fanden sich Zeichen einer deutlichen Anpassungsstörung. Der Kläger war besorgt und befand sich damals in einer zunehmenden sozialen Isolation.
Die damalige Annahme eines auf 3 bis unter 6 Stunden abgesunkenen Leistungsvermögens des Klägers ist damit für den Senat nachvollziehbar. Da auch damals von einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes auszugehen war, stand dem Kläger damit nicht nur Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, sondern Rente wegen voller Erwerbsminderung zu. Zutreffend hat die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung auch auf Dauer gewährt. Eine Rechtsgrundlage für eine Befristung der Rente wegen voller Erwerbsminderung im Bereich der Alterssicherung der Landwirte ist nicht gegeben. Denn § 30 Abs. 1 ALG verweist nicht auf § 102 Abs. 2 SGB VI, in dem bestimmt ist, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet werden (§ 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) bzw. Renten unbefristet geleistet werden, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI). Aus diesem unterbliebenen Verweis folgt, dass auf der Grundlage von § 13 ALG zu leistende Renten wegen Erwerbsminderung unbefristet zu gewähren sind, wobei jedoch – wie geschehen – in regelmäßigen Abständen die Rentenbewilligung zu überprüfen ist (vgl. Alterssicherung der Landwirte, Kommentar, § 13 Anm. 1.6).
Nach den Feststellungen von Dr. W., dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, sowie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem SG und dem erkennenden Gericht steht für den Senat fest, dass der Kläger ab Januar 2013 (Untersuchung durch Dr. W.) und auch noch zu dem im Rahmen einer Anfechtungsklage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids, hier im November 2013, aber auch darüber hinaus, wieder in der Lage ist, mindestens 6 Stunden täglich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Damit hat sich eine wesentliche Veränderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ergeben.
Die erfahrene Sachverständige Dr. L. hat betont, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers sowohl in körperlicher als auch in psychischer Hinsicht gebessert hat. Ein Rezidiv der Tumorerkrankung ist nicht aufgetreten. Der Kläger hat an Gewicht zugenommen. Die vom Kläger in den Vordergrund gestellte allgemeine Schwäche und die rasche Erschöpfbarkeit sind aufgrund der objektivierbaren Befunde, der Ergospirometrie, des Belastungs-EKGs, der Echokardiographie und der Lungenfunktion organisch nicht nachvollziehbar. Lungenfunktionsanalytisch waren keine Einschränkungen nachweisbar. Es fanden sich weder eine obstruktive noch eine restriktive Ventilationsstörung. Auch die Diffusionskapazität war nicht eingeschränkt. Bei der Belastung des Klägers bis 50 Watt war keine Einschränkung der kardiopulmonalen Leistungsbreite festzustellen bei noch erheblicher kardialer und pulmonaler Reserve. Der vom Kläger vorgenommene Belastungsabbruch bei Angabe einer körperlichen Schwäche ließ sich nicht objektivieren. Ein überhöhter Herzfrequenzanstieg war nicht nachweisbar. Auch wurde die anaerobe Phase bei Belastungsabbruch nicht erreicht.
Der Kläger hat bei Dr. L. auch einen normalen Tagesablauf geschildert. Er hat Freude an seiner Hofstelle, auf der er lebt, kümmert sich um seinen Garten sowie seine Obstbäume und betreut 40 Nistkästen. Die Muskulatur des Klägers zeigte sich seitengleich gut ausgebildet sowohl an den oberen als auch an den unteren Extremitäten. Die Hände waren normal beschwielt. Ein sozialer Rückzug liegt mittlerweile nicht mehr vor. Der Kläger besucht Volksfeste und Ausstellungen. Hinweise auf eine seelische Störung ergaben sich bei der Untersuchung durch Dr. L. nicht. Die emotionale Schwingungsfähigkeit des Klägers war regelgerecht, Antrieb und psychomotorisches Tempo waren regelgerecht, nur etwas gesteigert. Die Stimmungslage war ausgeglichen.
Zwar liegen beim Kläger nach wie vor Restbeschwerden mit Stuhlregulationsstörungen vor. Der Kläger berichtete bei Dr. L. über 10-maligen Stuhlgang täglich. Auf Vorlagen war der Kläger jedoch zu dieser Zeit nicht mehr angewiesen, wie sich aus den ausdrücklichen diesbezüglichen Feststellungen von Dr. Dr. W. ergibt.
Die gutachterliche Einschätzung von Dr. L. wurde aus nervenärztlicher Sicht von Dr. Dr. W. bestätigt. Die Stimmungslage des Klägers war in keiner Weise gedrückt. Es fanden sich keine ängstlichen Hemmungszeichen, keine Anhedonie, keine affektive Instabilität und keine idiopathische Adynamie. Die Schwingungsfähigkeit war in jedem Fall erhalten, die Affektbreite unverkürzt. Ein tiefgreifendes depressives Erleben war nicht erkennbar. Die von Dr. W. in seinem ersten, zur Rentengewährung führenden Gutachten gesehenen deutlichen Zeichen einer erheblichen Anpassungsstörung fanden sich bei der Untersuchung durch Dr. Dr. W. nicht mehr. In Bezug auf die vom Kläger geklagte chronische Müdigkeit („chronic fatigue“) hat Dr. Dr. W. ausgeführt, dass insoweit organisch kaum reproduzierbare diagnostische Kriterien existieren. Gegen das Vorliegen einer chronischen Müdigkeit im Sinne einer Neurasthenie sprechen beim Kläger insbesondere das Fehlen einer mangelhaften Erholungswirkung des Schlafs, der Erhalt der Entspannungswirkung von Erholung, das Fehlen von Muskelschmerzen, psychovegetativer Begleitsymptome wie Freudlosigkeit, Depressivität, vermehrter Angstbereitschaft und Schlafstörungen und eines therapieerheblichen Leidensdrucks. Einer diesbezüglichen spezifischen Behandlung unterzieht sich der Kläger nämlich nicht. Schließlich hat auch Dr. Dr. W. auf ein erhebliches Tätigkeitsspektrum des Klägers hingewiesen, aus der sich keine gesteigerte Ermüdbarkeit erschließen lässt.
Auch Dr. C. hat sich dieser Leistungsbeurteilung durch die Vorgutachter angeschlossen. Er hat betont, dass beim Kläger eine gute Stabilisierung nach durchgemachter maligner Erkrankung eingetreten sei. Anhand der Beschwielung der Hände sei zu erkennen, dass der Kläger sicherlich einer gewissen regelmäßigen Betätigung nachgehe, so dass nicht mehr von einer Erwerbsminderung ausgegangen werden könne. Den Stuhlregulationsstörungen könne durch eine entsprechende qualitative Leistungseinschränkung im Form der Notwendigkeit einer jederzeitigen Erreichbarkeit einer Toilette hinreichend Rechnung getragen werden. Eine quantitative Leistungseinschränkung allein hieraus hat sich für Dr. C. ebenfalls nicht ergeben.
Die vom Kläger zuletzt gemachten Einwendungen konnten den Senat nicht überzeugen. Der Befundbericht des Krankenhauses V. vom 9. Februar 2016 lag Dr. C. vor und wurde von ihm berücksichtigt. Ein durchgreifend neuer medizinischer Sachverhalt wird hierin nicht geschildert. Worauf im Einzelnen die vom Kläger angegebenen Beschwerden, die sowohl von Dr. C. als auch von den Vorgutachten gewürdigt wurden, zurückzuführen sind oder sein könnten, ist für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung nicht von durchschlagender Bedeutung. Entscheidend ist, welche funktionellen Einschränkungen vorliegen und welche Auswirkungen sie auf das Leistungsvermögen in Bezug auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes haben. Insoweit lassen sich aus dem Befundbericht des Krankenhauses V. keine weitergehenden Einschränkungen ableiten. Abgesehen davon ist in dem Befundbericht des Krankenhauses V. vom 9. Februar 2016 ausgeführt, für den Kläger stünden jetzt die seit ca. zwei Monaten auftretenden Schmerzen im Unterbauch und dem Dammbereich nach der Defäkation im Vordergrund. Da im Rahmen der hier anhängigen reinen Anfechtungsklage jedoch der Gesundheitszustand des Klägers zum Zeitpunkt der letzten Entscheidung der Beklagten über die Aufhebung der Rentenleistung mit Widerspruchsbescheid vom 13. November 2013 relevant ist, können diese erst Ende 2015 aufgetretenen Gesundheitsstörungen nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen der Beklagten führen.
Der Senat geht auch weder davon aus, dass dem Kläger landwirtschaftliche Tätigkeiten, die in der Regel mittelschwer bis schwer sind, zugemutet werden können, noch davon, dass der Kläger tatsächlich solche Arbeiten verrichtet. Für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ist jedoch unerheblich, ob der Kläger noch Tätigkeiten im Rahmen der Landwirtschaft ausüben kann oder nicht. Denn entscheidend ist nicht das Leistungsvermögen des Klägers in der Landwirtschaft, sondern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die vorhandene Beschwielung der Hände deutet aber sehr deutlich darauf hin, dass der Kläger trotz seiner Beschwerden wieder körperlich tätig ist. Dies wurde ja auch zuletzt mit dem Hinweis auf Arbeiten wie Rasenmähen an der Hofstelle und Reinigungsarbeiten im Hof erneut bestätigt.
Zusammenfassend ist also davon auszugehen, dass in körperlicher und psychischer Hinsicht beim Kläger seit der Rentenbewilligung eine Verbesserung eingetreten ist, die sich bereits bei der Untersuchung durch Dr. W. am 31. Januar 2013 für sein zweites Gutachten über den Kläger objektivieren ließ. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass bei Krankheiten, die für gewisse Zeiten noch zu Rückfällen neigen, wie dies auch bei der vom Kläger durchlittenen Krebserkrankung der Fall ist, eine wesentliche Änderung sogar schon dann vorliegt, wenn nach Ablauf einer längeren Zeitspanne einer Heilungsbewährung feststeht, dass Rückfälle wahrscheinlich nicht mehr zu erwarten sind, mithin eine Konsolidierung im Krankheitsverlauf eingetreten ist (von Wulffen, SGB X, § 48 Rn. 8 m. w. N.). Eine derartige Konsolidierung im Krankheitsverlauf ist beim Kläger sehr deutlich eingetreten.
Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihm liegt keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde. Die von den Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, die oben in Sachverhalt wiedergegeben wurden und die der Senat bei seiner Beurteilung zugrunde legt, sind nicht ungewöhnlich und schränken die Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in erheblichem Umfang ein. Die Beweglichkeit seiner Arme und Hände ist in keiner Weise eingeschränkt, auch seine Wegefähigkeit ist vollumfänglich erhalten. Es kann daher auch keine Rede davon sein, Arbeitsstellen des allgemeinen Arbeitsmarkts außerhalb der Landwirtschaft seien für den Kläger nicht erreichbar.
Der Kläger benötigt nach den Feststellungen sämtlicher Sachverständiger auch keine zusätzlichen Pausen. Ein solcher unüblicher Pausenbedarf resultiert insbesondere nicht daraus, dass der Kläger öfters die Toilette aufsuchen muss.
Nach § 4 Arbeitszeitgesetz steht vollschichtig tätigen Arbeitnehmern eine Ruhepause von 30 Minuten zu. Die Ruhepause kann nach Satz 2 dieser Bestimmung in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Diese Pausen kann der Kläger somit für Toilettengänge nutzen. Über die nach dem Arbeitszeitgesetz vorgeschriebenen Pausen hinaus werden Arbeitnehmern in gewissem Umfang auch noch sogenannte Verteilzeiten zugestanden (Zeiten z. B. für den Weg vom Zeiterfassungsgerät zum Arbeitsplatz, das Vorbereiten bzw. Aufräumen des Arbeitsplatzes, den Gang zur Toilette, Unterbrechungen durch Störungen durch Dritte usw.; vgl. z. B. Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. April 2001, Az.: L 5 RJ 641/98, in juris). Der Kläger kann damit diese Verteilzeiten ebenfalls für Toilettengänge nutzen, so dass ein unüblicher Pausenbedarf nicht vorliegt.
Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen mit der Pflicht der Benennung einer konkreten Tätigkeit ist darüber hinaus dann zu verneinen, wenn sich bereits Arbeitsfelder bezeichnen lassen, die der Versicherte mit seinen Einschränkungen noch verrichten kann. Nach den ausdrücklichen Feststellungen von Dr. C. (Antwort zu Beweisfrage 4) erlaubt das Restleistungsvermögen des Klägers ihm noch mindestens 6 Stunden täglich die Ausübung einiger körperlicher Verrichtungen, die in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (z. B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren oder Reinigen). Dem Kläger stehen damit noch hinreichend Arbeitsfelder zur Verfügung (vgl. KassKomm, SGB VI, § 43 Rn. 47).
Die Beklagte hat damit den Rentenbewilligungsbescheid vom 2. März 2010 zu Recht mit Wirkung vom 1. April 2013 aufgehoben. Ab diesem Zeitpunkt steht dem Kläger keine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung mehr zu. Eine wesentliche Veränderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist damit eingetreten. An weitere Voraussetzungen ist die Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes für die Zukunft gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht gebunden, insbesondere war die Beklagte nicht verpflichtet, Ermessen auszuüben. Die Entscheidung gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X steht nicht in ihrem Ermessen. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine gebundene Entscheidung.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.


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