Sozialrecht

B 8 SO 9/19 R

Aktenzeichen  B 8 SO 9/19 R

Datum:
28.1.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2021:280121UB8SO919R0
Spruchkörper:
8. Senat

Verfahrensgang

vorgehend SG Konstanz, 5. Februar 2015, Az: S 8 SO 1114/13, Urteilvorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 8. November 2018, Az: L 7 SO 1419/15, Urteil

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. November 2018 aufgehoben und das Urteil des Sozialgerichts Konstanz geändert.
Der Bescheid des Beklagten vom 29. Januar 2013 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die im Bescheid vom 13. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. April 2013 sowie im Bescheid vom 31. Juli 2013 ausgesprochene Befristung des persönlichen Budgets rechtswidrig war.
Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget (PB) für die Zeit vom 1.12.2012 bis 31.1.2014 und die Rechtmäßigkeit der Befristung dieses PB.
2
Der 1942 geborene Kläger, der unter einer schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung mit rezidivierender depressiver Symptomatik leidet, erhielt neben einer Rente wegen Alters und Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) vom beklagten Sozialhilfeträger Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Form eines PB; zuletzt vor dem streitigen Zeitraum in Höhe von 600 Euro im Monat.
3
Im November 2012 beantragte der Kläger eine Verlängerung des PB “um mind. 2 Jahre” und legte dem Beklagten Nachweise über die bislang mit dem PB finanzierten Ausgaben vor. Nach einem Hilfeplangespräch am 14.1.2013 stellte der Beklagte die “wesentlichen Ergebnisse” dieses Gesprächs fest. Vor Bewilligung der vorgesehenen Leistungen als PB müsse eine unterschriebene Zielvereinbarung vorliegen (Bescheid vom 29.1.2013). Die vom Beklagten vorgeschlagene Zielvereinbarung für die Zeit vom 1.12.2012 bis 31.1.2014 unterzeichnete der Kläger ua mit dem Zusatz, dass er nur “aus Not unterschrieben” habe, “damit wieder Geld fließt”. Als Ziel des PB wird darin die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in den Bereichen “Gestaltung sozialer Beziehungen” (Hilfe für 1,5 Stunden pro Woche, maximal 13 Euro pro Stunde = maximal 84 Euro pro Monat) und “Freizeitgestaltung” (Begleitung für 2 Stunden pro Woche, maximal 13 Euro pro Stunde = maximal 112 Euro) aufgeführt; als Höhe des PB 196 Euro im Monat.
4
Nach Eingang der unterzeichneten Zielvereinbarung bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen der Eingliederungshilfe als PB für die Zeit vom 1.12.2012 bis 31.1.2014 in Höhe von 196 Euro monatlich unter dem Vorbehalt, dass die wesentliche Behinderung bestätigt werde. Die Zielvereinbarung sei Bestandteil des Bescheids (Bescheid vom 13.2.2013). Die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 29.1.2013 und 13.2.2013, mit denen er ein höheres und unbefristetes PB begehrte, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 17.4.2013).
5
Während des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) Konstanz und nach Eingang einer Stellungnahme des Gesundheitsamts, wonach eine wesentliche seelische Behinderung vorliege, haben die Beteiligten am 1.7.2013 einen “Zusatz zur Zielvereinbarung” abgeschlossen, die der Kläger unter dem Vorbehalt gerichtlicher Klärung unterzeichnet hat. Der Beklagte hat daraufhin ein PB in Höhe von 388 Euro pro Monat (erhöht um vier Fachleistungsstunden “psychische Hilfen” monatlich) vom 1.7.2013 bis 31.1.2014 bewilligt (Bescheid vom 31.7.2013). Seit Juli 2013 erhält der Kläger vom Beklagten zudem als Hilfe zur Pflege 300 Euro monatlich für die Erstattung von Aufwendungen einer Haushaltshilfe sowie 120 Euro monatlich für Mehraufwendungen der Verpflegung (Bescheid vom 18.7.2013), die nach Auffassung des Klägers vom PB abgedeckt werden sollten. Auf Grundlage neu abgeschlossener Zielvereinbarungen hat der Beklagte das PB jeweils befristet – auch über den 31.12.2019 hinaus – weiterbewilligt.
6
Die Klage hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des SG Konstanz vom 5.2.2015; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8.11.2018). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, für die Vergangenheit sei nur eine Kostenerstattung möglich, entsprechende Kosten seien aber nicht nachgewiesen. Die Höhe des PB sei ohnehin nicht zu beanstanden. Die Befristung sei gemäß § 32 Abs 1 Alt 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) zulässig; sie stelle den künftigen Fortbestand der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts sicher.
7
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 53 Abs 1, § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 1, Abs 2 Nr 7 und § 58 Nr 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) in der bis zum 31.12.2019 bzw 31.12.2017 geltenden Fassung (im Folgenden alte Fassung . Er habe einen Anspruch auf ein unbefristetes PB in Höhe von 600 Euro pro Monat. Die Voraussetzungen nach § 32 SGB X für eine Befristung lägen nicht vor. Das LSG habe zudem rechtsfehlerhaft für die zu berücksichtigenden Teilhabebedürfnisse einen nichtbehinderten Sozialhilfeempfänger als Maßstab herangezogen.
8
Der Kläger beantragt,die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. November 2018 und des Sozialgerichts Konstanz vom 5. Februar 2015 sowie den Bescheid vom 29. Januar 2013 aufzuheben und den Bescheid vom 13. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. April 2013 und des Bescheids vom 31. Juli 2013 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.12.2012 bis zum 31.1.2014 weitere 4340 Euro als persönliches Budget zu zahlen, sowie festzustellen, dass die im Bescheid vom 13. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. April 2013 und des Bescheids vom 31. Juli 2013 ausgesprochene Befristung rechtswidrig war.
9
Der Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
10
Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.


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