Sozialrecht

Endgültige Festsetzung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende

Aktenzeichen  S 15 AS 1151/15

Datum:
24.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 134839
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 11b Abs. 2, § 40 Abs. 2 Nr. 1
Alg II-V § 3 Abs. 3
SGB III § 328

 

Leitsatz

1 Wird im gerichtlichen Verfahren die Gewährung der vorläufig bewilligten Leistungen als endgültige Leistungen begehrt, ist statthafte Klageart die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Tilgungsleistungen für ein Darlehen, welche freiwillig erbracht werden, können bei selbständigen Hilfeempfängern nicht als Ausgaben anerkannt werden, da diese Ausgaben vermeidbar sind. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 15.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
2. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 15.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015, mit dem der Beklagte die Leistungen des Klägers nach dem SGB II im Zeitraum vom 01.08.2014 bis 31.01.2015 endgültig auf 0 € festsetzt und eine Erstattung in Höhe von 2.345 € fordert.
3. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, soweit die Gewährung der vorläufig bewilligten Leistungen als endgültig begehrt wird. Eine auf Leistung gerichtete Klage ist nicht statthaft und auch nicht gewollt, da der Kläger die begehrten Leistungen auf der Grundlage des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 25.02.2014 bereits erhalten hat. Soweit die Erstattungsforderung angegriffen wird, ist die isolierte Anfechtungsklage statthaft, § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz. Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
4. Die Klage ist unbegründet, soweit die endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs auf 0 € monatlich angegriffen wird. Der Bescheid vom 15.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der endgültige Leistungsanspruch des Klägers beträgt 0 € monatlich.
a. Der Bedarf in Höhe des Regelbedarfes von 391 € monatlich (August bis Dezember 2014) bzw. 399 € monatlich (Januar 2015) ist dabei unstreitig.
b. Das berücksichtigungsfähige Einkommen übersteigt diesen Bedarf.
Gemäß § 3 Abs. 2 Alg II-V sind zur Berechnung des Einkommens aus einer selbständigen Tätigkeit von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen.
aa. Der Beklagte hat richtigerweise Betriebseinnahmen in Höhe von 7.135,87 € angesetzt und damit sogar 43,39 € mehr als vom Kläger angegeben. Dies ist zwischenzeitlich auch unstreitig.
bb. Im Hinblick auf die Betriebsausgaben errechnet der Kläger einen Betrag von insgesamt 8.188,45 €. Nach Korrektur des Rechenfehlers in Zeile B5.1c) (die Summe beträgt 1.006,20 €, nicht 1.113,61 €) verbleiben 8.081,04 € Dieser Betrag ist zumindest um die vom Kläger angesetzten Ausgaben für die Tilgung des Darlehens in Höhe von insgesamt 4.100 € und die Ausgaben für das neu angeschaffte Notebook (813,95 €) und den Pilotenkoffer (89,97 €) zu mindern:
Dass die Tilgungsleistungen für das Darlehen in Höhe von 4.100 € nicht anzuerkennen sind (auch nicht in Höhe von 400 €, wie vom Beklagten zu Gunsten des Klägers angenommen), ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung. Gemäß § 3 Abs. 3 Alg II-V sollen tatsächliche Ausgaben unter anderem dann nicht abgesetzt werden, soweit sie ganz oder teilweise vermeidbar sind (Satz 1). Vorliegend handelt sich um insgesamt drei Darlehensverträge, die der Kläger mit seiner Mutter abgeschlossen hat. Einer stammt aus dem Jahr 2011, zwei weitere datieren aus dem Jahr 2014 (Vertrag vom 25.04.2014 über 2.000 € und Vertrag vom 09.07.2014 über 1.400 € zur Finanzierung eines neuen Kfz). In den Verträgen aus dem Jahr 2014 wurde vereinbart, dass der Kläger die jeweilige Summe „baldmöglichst in frei wählbaren Raten mit 5% Verzinsung“ zurückzubezahlen habe. Damit bestand keine rechtliche Verpflichtung, das Darlehen im hier streitigen Bewilligungszeitraum teilweise oder – wie vorliegend geschehen – sogar vollständig zurückzuzahlen. Es handelt sich somit um eine vermeidbare Ausgabe, welche nicht als Betriebsausgabe anerkannt werden kann. Selbes gilt für die weiteren 700 €. Auch diesbezüglich konnte der Kläger nicht nachweisen, dass diese Darlehensrate im Bewilligungszeitraum zu zahlen war. Aus der Niederschrift zur öffentlichen Sitzung vor dem Sozialgericht Augsburg am 18.03.2013 (Az. S 11 AS 1186/12) ergibt sich vielmehr, dass auch bezüglich dieses weiteren Darlehens keinerlei rechtliche Verpflichtung bestand, das Geld im hier streitigen Bewilligungszeitraum zurückzuzahlen. Damals hatten vielmehr der Kläger und die Mutter ausgesagt, dass ein konkreter Zeitpunkt, zu dem die Rückzahlung zu leisten sei, gerade nicht vereinbart wurde.
Der Beklagte hat zu Recht das Notebook (813,95 €) und den Pilotenkoffer (89,97 €) nicht als Betriebsausgabe anerkannt. Absetzbar sind nur notwendige Ausgaben (§ 3 Abs. 2 Alg II-V). Die Notwendigkeit eines weiteren Notebooks und eines Pilotenkoffers erschließt sich für das Gericht auch nach den Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht. Zwar ist es durchaus nachvollziehbar, dass beide Anschaffungen die Arbeit des Klägers in gewisser Weise erleichtern. Notwendig im Sinne des § 3 Alg II-V sind diese allerdings nicht. Der Kläger ist bereits im Besitz eines Notebooks, das vom Vorgänger des Beklagten bewilligt worden war. Zwar stammt dieses aus dem Jahr 2006 und ist sicherlich dementsprechend nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits ohne das hier streitige Notebook einen privaten und noch einen weiteren Laptop nutzt. Zudem hat er im vorangegangenen Bewilligungszeitraum ein Tablet angeschafft. Die Notwendigkeit eines weiteren Notebooks erschließt sich danach nicht. Auch der Pilotenkoffer ist nicht zwingend notwendig. Die erforderliche Ausstattung kann auch anderweitig transportiert werden.
cc. Ob die übrigen vom Kläger angesetzten Ausgaben anzuerkennen sind, kann offen bleiben. Denn selbst bei Anerkennung aller übrigen vom Kläger angesetzten Ausgaben in voller Höhe errechnet sich ein anrechenbares Einkommen, das den Bedarf des Klägers übersteigt:
Der Kläger hat als Summe aller Betriebsausgaben einen Betrag von 8.188,45 € errechnet. Dabei hat der Kläger bei den laufenden Betriebskosten (Ziffer B5.1 c) einen Rechenfehler begangen. Die Summe der dort genannten Beträge beträgt nicht 1.113,61 €, sondern lediglich 1.006,20 €. Unter Abzug dieser Differenz von 107,41 € ergibt sich aus den Angaben des Klägers als Summe aller Betriebsausgaben ein Betrag von 8.081,05 €.
Wie oben dargestellt, sind davon jedenfalls die 4.100 € (Darlehenstilgung) und Notebook (813,95 €) und der Pilotenkoffer (89,97 €) nicht berücksichtigungsfähig. Diese Beträge sind von den 8.081,05 € abzuziehen. Es verbleiben dann Ausgaben in Höhe von 3.077,13 €.
Der Gewinn (Differenz zwischen Einnahmen in Höhe von 7.135,87 € und Ausgaben in Höhe von 3.077,13 €) beträgt danach 4.058,74 €, also 676,46 € monatlich. Abzüglich der gesetzlichen Frei- und Absetzbeträge nach § 11b Abs. 2 SGB II (100 €) und Abs. 3 (115,29 €) verbleibt ein berücksichtigungsfähiges Einkommen in Höhe von 461,17 €. Dieses übersteigt den Bedarf des Klägers, sodass sich kein Leistungsanspruch errechnet.
Offen kann demnach für diesen Bewilligungszeitraum insbesondere die Frage bleiben, ob die tatsächlichen Kfz-Kosten anzuerkennen sind oder nicht. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass der Beklagte mit seiner Berechnungsweise, in der er ein privates Kfz annimmt, zu einem absetzbaren Betrag von 1.381 € kommt, wohingegen sich nach der vom Kläger gewünschten Berechnungsweise als betriebliches Kfz ein Betrag von lediglich 1.218,18 € errechnet. Der Beklagte erkennt somit sogar 61,89 € mehr an als vom Kläger angegeben. Am Ergebnis ändert sich dadurch nichts (vgl. dazu oben).
5. Die Klage ist auch insoweit unbegründet, als Erstattungsforderung angegriffen wird. Rechtsgrundlage ist § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III.
Die mit vorläufigem Bescheid gewährten Leistungen betragen 391 € monatlich. Der endgültige Anspruch des Klägers beträgt 0 € monatlich (s.o.). Damit errechnet sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 2.346 €.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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