Sozialrecht

Entgelt für Kinderbetreuung

Aktenzeichen  M 18 K 14.3472

Datum:
24.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VIII SGB VIII § 21, § 22, § 23 Abs.1, § 24, § 26
AGSG AGSG Art. 42 Abs. 1
BayKiBiG BayKiBiG Art. 20 Nr. 1, Art. 21
BGB BGB § 191
GG GG Art. 12 Abs. 1
VwGO VwGO § 43 Abs. 1, § 63 Nr. 2, § 67 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Anspruch der Klägerin auf laufende Geldleistung für die Betreuung des Kindes … … unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. Es wird festgestellt, dass die Klägerin neben den Förderleistungen nach §§ 22 ff. SGB VIII berechtigt ist, von den Eltern der von ihr betreuten Tagespflegekinder mittels privatrechtlicher Vereinbarung Essensgeld sowie weitere Zuzahlungen zu verlangen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage hat überwiegend Erfolg.
1. Ohne Erfolg bleibt die Klage allerdings, soweit die Klägerin die Aufhebung des Bescheids vom …. Oktober 2013 erreichen will. Der Klägerin fehlt insoweit die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis.
Bei dem Bescheid vom …. Oktober 2013 handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinn von § 31 Satz 1 SGB X. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X sind u. a. diejenigen Beteiligte des Verwaltungsverfahrens, an die die Behörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat. Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. Die Klägerin ist unter Berücksichtigung der vorgenannten Vorschriften nicht Adressatin des Bescheids vom …. Oktober 2013. Als solche kann sie nicht geltend machen, durch diesen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid hat die Beklagte nicht über den Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer laufenden Geldleistung nach § 23 Abs. 1 SGB VIII entschieden, sondern ausschließlich über den Anspruch des Kindes … … auf Förderung in Kindertagespflege, wofür § 23 Abs. 1 SGB VIII auf § 24 SGB VIII verweist.
Dies folgt zunächst schon aus dem Umstand, dass sich der Bewilligungsbescheid ausdrücklich auf den Antrag vom …. September 2013 auf Förderung des Kindes in Kindertagespflege bezieht. Folgerichtig sind auch die Erziehungsberechtigten des Kindes im Adressfeld des Bescheids genannt. Weiter hat die Beklagte mit dem im Bescheid enthaltenen Hinweis, die Pflegeperson erhalte einen Abdruck des Bescheides, deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht die Klägerin nicht Bescheidsadressatin sein soll. Bestätigt wird dies auch durch den Text des Anschreibens, mit dem der Bescheidsabdruck an die Klägerin übermittelt wurde, da dort ausgeführt ist, die Klägerin erhalte den Abdruck zu ihrer Kenntnisnahme. Die Beklagte hat auch in der Klageerwiderung ihres Bevollmächtigten vom …. November 2014 nochmals klargestellt, dass mit dem angefochtenen Bescheid lediglich der von den Eltern gestellte Förderantrag verbeschieden werden sollte.
Der streitgegenständliche Bescheid betrifft nach alledem lediglich den Anspruch des Kindes … … auf Förderung in Kindertagespflege und nicht den Anspruch der Klägerin aus § 23 Abs. 1 SGB VIII. Die Verbescheidung des letztgenannten Anspruchs hat die Klägerin mit ihrem Schreiben vom …. April 2014 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Eine Entscheidung der Beklagten über diesen Anspruch liegt noch nicht vor.
Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Widerspruch in offener Widerspruchsfrist erhoben wurde, kommt es damit nicht mehr an, da die Klägerin schon nicht Adressatin des angefochtenen Bescheids ist. Wäre sie dies, wäre die Frist wohl nicht gewahrt. Der streitgegenständliche Bescheid ist mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen. An einer den Fristverlauf auslösenden ordnungsgemäßen Bekanntgabe würde es insoweit nichts ändern, dass in dem Bescheid nicht die Klägerin als Adressatin angegeben ist, ebenso wenig die Tatsache, dass die Klägerin nur einen Abdruck des Bescheides erhalten hat, der keine Unterschrift trägt, sondern nur den Namen der Person erkennen lässt, die den Bescheid im Original unterschrieben hat (vgl. BayVGH vom 28.07.1999 Az. 9 B 94.2533 – juris Rn. 18).
2. Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
2.1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Verbescheidungsanspruch hinsichtlich ihres Antrags auf Festsetzung einer laufenden Geldleistung für die Betreuung des Kindes … … zu.
Der Bescheid vom …. Oktober 2013 steht einem solchen Anspruch nicht entgegen, da die Klägerin nicht Adressatin dieses Bescheids ist (vgl. oben 1.).
Nach § 23 Abs.1 SGB VIII umfasst die Förderung in Kindertagespflege nach Maßgabe von § 24 SGB VIII die Vermittlung des Kindes zu einer geeigneten Tagespflegeperson, soweit diese nicht von der erziehungsberechtigten Person nachgewiesen wird, deren fachliche Beratung, Begleitung und weitere Qualifizierung sowie die Gewährung einer laufenden Geldleistung an die Tagespflegeperson. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift steht der Anspruch auf Gewährung einer laufenden Geldleistung allein der Tagespflegeperson zu (vgl. OVG NRW vom 22.08.2014 Az. 12 A 591/14 – juris Rn. 46 f., m. w. N.)
Nach § 23 Abs. 2 SGB VIII umfasst die laufende Geldleistung nach Abs. 1
1. die Erstattung angemessener Kosten, die der Tagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen,
2. einen Betrag zur Anerkennung ihrer Förderungsleistung nach Maßgabe von Absatz 2a,
3. die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Tagespflegeperson und
4. die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Krankenversicherung und Pflegeversicherung.
Nach § 23 Abs. 2a Satz 2 SGB VIII ist der Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung der Tagespflegeperson leistungsgerecht auszugestalten, wobei nach Satz 3 der Vorschrift der zeitliche Umfang der Leistung und die Anzahl sowie der Förderbedarf der betreuten Kinder zu berücksichtigen sind.
Nach § 23 Abs. 2a Satz 1 SGB VIII in Verbindung mit Art. 42 Abs. 3 AGSG setzt das Jungendamt der Beklagten die Höhe der laufenden Geldleistung fest. Für den streitgegenständlichen Zeitraum ist die Beklagte dieser Verpflichtung durch den Erlass der ab dem 01. Januar 2009 bzw. der ab dem 01. Januar 2015 geltenden Richtlinien grundsätzlich nachgekommen. Die beiden Richtlinienfassungen werden indes den gesetzlichen Vorgaben nach § 23 Abs. 2, Abs. 2a SGB VIII nicht gerecht. Streitgegenständlich für das vorliegende Verfahren sind dabei allein die Höhe des Sachaufwands (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII) sowie die Höhe des Beitrags zur Anerkennung der Förderungsleistung (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII).
Da die laufende Geldleistung zwingend die in § 23 Abs. 2 Nr. 1 – 4 SGB VIII genannten Bestandteile enthält und diese Bestandteile nach zum Teil unterschiedlichen Kriterien zu bemessen sind, setzt eine den Vorgaben des § 23 SGB VIII genügende Festlegung der Höhe der laufenden Geldleistung voraus, dass zwischen den einzelnen Bestandteilen der laufenden Geldleistung differenziert wird und die jeweiligen Bestandteile der zu gewährenden Geldleistung ihrer Höhe nach bestimmt werden. Ansonsten lässt sich nicht konkret feststellen, ob der Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung der Tagespflegeperson, der nach § 23 Abs. 2a SGB VIII leistungsgerecht auszugestalten ist, diesen gesetzlichen Vorgaben entspricht oder ob die Erstattung der der Tagespflegeperson entstehenden Sachkosten im Sinn von § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII angemessen ist. (Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 23, Rn. 30a; vgl. auch OVG NRW vom 22.08.2014 a. a. O., Rn. 120 f., m. w. N.).
Die ab 01. Januar 2009 und bis zum 31. Dezember 2014 gültigen Richtlinien werden schon diesen Vorgaben nicht gerecht. Die Beklagte setzt hier vielmehr einen Pauschalbetrag, der sich aus einer Berechnung analog des BayKiBiG ergibt, fest, der einheitlich die Kostenerstattung für den Sachaufwand und den angemessenen Beitrag zur Anerkennung der Förderungsleistung abgelten soll. Die notwendige Differenzierung findet also gerade nicht statt. Der Bevollmächtige der Beklagten hat insoweit im Schriftsatz vom …. November 2014 auch bestätigt, dass sich der Pauschalbetrag rechnerisch in einen Betrag für Sachaufwand und einen weiteren Betrag für Förderleistung aufteilen lässt, dass es sich dabei aber um eine rein mathematische Berechnung handelt.
Die ab 01. Januar 2015 geltenden Richtlinien differenzieren zwar zwischen den Kosten für den Sachaufwand und der Höhe des Beitrages zur Anerkennung der Förderungsleistung. Hinsichtlich dieser beiden Bestandteile der laufenden Geldleistung werden aber auch die neuen Richtlinien den gesetzlichen Vorgaben des § 23 SGB VIII nicht gerecht.
Dies gilt zunächst hinsichtlich des Betrags zur Anerkennung der Förderungsleistung im Sinn von § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII. Die Beklagte knüpft als Berechnungsgrundlage an die vorläufige Höhe des Basiswerts der staatlichen Förderung gemäß Art. 21 Abs. 3 Satz 2 BayKiBiG an. Diese Regelung betrifft aber den Umfang des Förderanspruchs der Gemeinde gegenüber dem Staat. Die Beklagte orientiert sich also an dem, was sie selbst an staatlicher Förderung erlangen kann. Dieser Anknüpfungspunkt ist aber mit § 23 Abs. 2a Satz 2 SGB VIII nicht zu vereinbaren. Diese Regelung fordert vielmehr, dass der Anerkennungsbetrag leistungsgerecht auszugestalten ist. Richtiger Anknüpfungspunkt ist also die Leistung der Tagespflegeperson und nicht die von der Beklagten erlangbare staatliche Förderung, auch wenn diese nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayKiBiG kindbezogen erfolgt.
Dieser rechtlich fehlerhafte Grundansatz führt also dazu, dass die ab 01. Januar 2015 geltenden Richtlinien der Beklagten nicht den Vorgaben von § 23 Abs. 2a Satz 2 SGB VIII entsprechen. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass die Regelung mit der Berücksichtigung von Buchungszeitfaktoren (Art. 21 Abs. 4 BayKiBiG) und von Gewichtungsfaktoren (Art. 21 Abs. 5 BayKiBiG) sich im Übrigen an den Vorgaben von § 23 Abs. 2a Satz 3 SGB VIII orientiert.
Auch soweit die Richtlinien für den Sachaufwand eine monatliche Pauschale in Höhe von 300,00 € bei einer Betreuungszeit von 40 Stunden pro Woche vorsehen, begegnet dies rechtlichen Bedenken.
Tatsächlich anfallende Sachkosten bilden denjenigen Kostenanteil ab, der etwa für die den betreuten Kindern zugewandten Lebensmittel, Pflegeutensilien bzw. den Hygienebedarf, für Spiel-, Freizeit- und Fördermaterialien, Ausstattungsgegenstände (Möbel, Teppiche), für Miete und Verbrauchskosten (Strom, Wasser, Müllgebühren) sowie für Fahrtkosten und Wegezeitenentschädigungen der Tagespflegeperson entsteht (OVG NRW vom 22.08.2014 a. a. O., Rn. 129 f., m.w.N). Die Relativierung durch das Attribut „angemessen“ erlaubt aber eine nach Zeitrahmen und gegebenenfalls Aufwendungsbestandsteilen differenzierende Pauschalierung und Begrenzung (OVG NRW vom 22.08.2014 a. a. O., Rn. 131 f., m. w. N.). Ausgangspunkt für eine solche Pauschalierung kann dabei ein Betrag in Höhe von 300,00 € je vollumfänglich betreuten Kind und Monat unter Anknüpfung an die Betriebskostenpauschale in der Begründung des Gesetzentwurfes zum Kinderförderungsgesetz (BT-Drs. 16/9299 S. 22) sein (OVG NRW vom 22.08.2014 a. a. O., Rn. 134).
Zwar setzt die Beklagte in ihren nunmehr gültigen Richtlinien eine Pauschale in der vorgenannten Höhe (monatlich 300,00 € bei einer Betreuungszeit von 40 Stunden pro Woche) an. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Gesetzentwurf, der dieser Pauschale zugrunde liegt, bereits vom 27. Mai 2008 datiert und dass dieser Pauschalsatz auch nur Ausgangspunkt sein und nicht im Sinn einer Deckelung verstanden werden kann. Im Hinblick auf den seit dem Gesetzentwurf verstrichenen Zeitraum wäre es erforderlich, diese Pauschale zu dynamisieren. Dies ist in den ab dem 1. Januar 2015 geltenden Richtlinien der Beklagten aber nicht vorgesehen.
Nach alledem lagen für den gesamten Betreuungszeitraum des Kindes … … (…. Oktober 2013 bis …. August 2015) keine gesetzeskonformen Richtlinien zur Ausgestaltung der laufenden Geldleistung nach § 23 Abs. 2 SGB VIII vor. Die Beklagte wird daher eine erneute Festsetzung nach Art. 42 Abs. 3 AGSG über die maßgeblichen Leistungsparameter treffen müssen und auf dieser Grundlage über den Anspruch der Klägerin auf Gewährung der laufenden Geldleistung zu entscheiden haben. Der mit der Klage verfolgte Verbescheidungsanspruch steht der Klägerin damit zu.
Hinsichtlich des Ausfüllens des Begriffs der „angemessenen Kosten“ in § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII sowie des Begriffes „leistungsgerecht“ in § 23 Abs. 2a Satz 2 SGB VIII steht den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe ein Gestaltungsspielraum zur Seite. Es liegt also eine Verknüpfung unbestimmter Rechtsbegriffe mit einem Beurteilungsspielraum vor, so dass § 114 Satz 1 VwGO entsprechend gilt mit der Folge, dass das Gericht, wie bei einer Ermessensentscheidung, seine eigene Beurteilung nicht an die Stelle der Beurteilung der Behörde setzen kann (vgl. OVG NRW vom 15.10.2012 Az. 12 A 1443/12 – juris, Rn. 4 ff.). Dies bedeutet, dass das Gericht vorliegend nicht im Einzelnen bestimmen kann, wie die einzelnen Bestandteile der laufenden Geldleistung im Detail zu bestimmen sind. Die Klägerin hat folgerichtig lediglich die Verpflichtung der Beklagten zur Verbescheidung ihres Anspruchs beantragt, nicht aber die Verpflichtung der Beklagten zu einer konkreten laufenden Geldleistung.
Aufgrund des der Beklagten zustehenden Beurteilungsspielraums kann hinsichtlich des festzusetzenden Anerkennungsbetrags nur auf einzelne zwischen den Parteien strittigen Aspekte hingewiesen werden.
Der Anerkennungsbetrag muss nicht so ausgestaltet werden, dass mit der laufenden Geldleistung ein „auskömmliches Einkommen“ erreicht werden kann. § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII spricht lediglich von einem „Betrag zur Anerkennung“ der Förderungsleistung der Tagespflegeperson, nicht indes von der Gewährung eines Entgelts im Sinne einer vollständigen Vergütung der Leistung der Tagespflegeperson in Geld (vgl. OVG NRW vom 15.11.2013 Az. 12 S 352/12 – juris, Rn. 41 f., m. w. N.).
Im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums kann sich die Beklagte trotz der Unterschiede hinsichtlich der Qualifikationsanforderungen und des Aufgabenbereichs auch am tariflichen Einkommen vom im öffentlichen Dienst beschäftigten Erzieherinnern/Erziehern orientieren (OVG NRW vom 22.08.2014 a. a. O., Rn. 191 f., m. w. N.). Verpflichtet ist die Beklagte hierzu allerdings nicht, da unterschiedliche berufliche Qualifizierungen unterschiedliche Vergütungen rechtfertigen können.
Hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Leistung im Sinn von § 23 Abs. 2a Satz 3 SGB VIII ist im Ansatz davon auszugehen, dass nach § 191 BGB ein Jahr 365 Tage hat. Davon ausgehend ist ein Monat mit 4,35 Wochen anzusetzen (365 : 12 : 7, gerundet auf 2 Stellen nach dem Komma).
2.2. Auch die Klageanträge 3. und 4. haben Erfolg.
Statthafte Klageart ist insoweit die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
Nach der Formulierung der beiden Feststellungsanträge wird die Feststellung der Zulässigkeit von Vereinbarungen über Zuzahlungen abstrakt für die von der Klägerin betreuten Tagespflegekinder begehrt. Dies ist konsequent, da einem entsprechenden Feststellungsantrag konkret bezogen auf die Betreuung des Kindes … … das Rechtschutzbedürfnis fehlen würde, da sich die Klägerin insoweit durch den Betreuungsvertrag vom …. September 2013 gebunden hat.
Es liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor, auch wenn die Beklagte nicht Vertragspartei der Betreuungsverträge ist. Vertragspartei ist aber der Verein … … e.V., der nach den Angaben der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten bei der Vermittlung von Tagespflegepersonen beauftragt wird (vgl. a. Art. 42 Abs. 1 AGSG). Im Rahmen dieser Beauftragung wurde ein Vertragsmuster erstellt, wonach die Tagespflegeperson nicht berechtigt ist, von den Eltern der betreuten Kinder Zuzahlungen zu verlangen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung auch bekräftigt, nach ihrer Auffassung sei dieses Vertragsmuster auch verbindlich. Die Beklagte vertritt damit gegenüber der Klägerin den Standpunkt, letztere dürfe von den Eltern der von ihr betreuten Kinder keine Zuzahlungen verlangen. Damit liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen den Parteien vor.
Die Feststellungsanträge haben auch in der Sache Erfolg.
Mit einem Zuzahlungsverbot greift die Beklagte in die grundrechtlich geschützte Privatautonomie der Vertragspartner des Betreuungsvertrages zwischen Tagespflegeperson und Sorgeberechtigten ein. Hierfür wäre eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich (vgl. OVG NRW vom 22.08.2014 a. a. O., Rn. 60 f.). Eine solche ist jedoch nicht ersichtlich.
Zwar trifft es zu, dass das gesetzliche System der Förderung in Kindertagespflege nicht auf eine etwaige Zuzahlung der Sorgeberechtigten ausgerichtet ist, sondern davon ausgeht, dass die Tagespflegeperson vom Jugendamt einen Gesamtbetrag erhält; es entspricht also nicht der Konzeption der Kindertagespflege, wenn die Kindertagespflegeperson neben der leistungsgerechten „Vergütung“ auf Zuzahlungen angewiesen ist. Eine Kostenbeteiligung der Eltern soll sich nach der gesetzlichen Konstruktion allein nach § 90 SGB VIII richten, wobei dies aber kein ausdrückliches Verbot bedeutet, das die Rechtsgrundlage für einen Eingriff in die Vertragsfreiheit abgeben könnte (vgl. OVG NRW vom 22.08.2014 a. a. O., Rn. 69 ff., m. w. N.).
Die Klägerin kann also von der Beklagten die Feststellung verlangen, dass sie berechtigt ist, mit den Eltern der von ihr betreuten Kinder privatrechtliche Vereinbarungen über Zuzahlungen, die über die von der Beklagten als verbindlich angesehenen vertraglichen Vorgaben hinausgehen, zu schließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO.
Soweit die Klägerin unter Berufung auf § 155 Abs. 4 VwGO einen Ausspruch dahingehend erreichen will, dass die Beklagte die Kosten ihres eigenen Prozessvertreters zu tragen hat, kann dem nicht gefolgt werden. § 155 Abs. 4 VwGO knüpft an das Verschulden einer Partei an. Ein solches kann jedoch in der Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts durch die Beklagte nicht gesehen werden. Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO können sich die Beteiligten, also nach § 63 Nr. 2 VwGO auch die Beklagte, im Verwaltungsrechtsstreit durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Macht die Beklagte von dieser ihr durch das Gesetz ausdrücklich eingeräumten Befugnis Gebrauch, kann darin nicht zugleich ein Verschulden im Sinn von § 155 Abs. 4 VwGO gesehen werden.
Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.


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