Sozialrecht

Erfolgloser Nichtzulassungsantrag gegen Rückforderung von Ausbildungsförderungsleistungen

Aktenzeichen  12 ZB 19.1378

Datum:
2.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14578
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 44, § 45
BAföG § 28
BGB § 1610
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3

 

Leitsatz

1. Es stellt eine grob fahrlässig unrichtige Angabe dar, der zur Rückforderung von Ausbildungsförderungsleistungen berechtigt, wenn der Begünstigte trotz eines entsprechenden fettgedruckten Hinweises im Antragsformular eine Verfügung über 11.000,- Euro zugunsten der Mutter drei Wochen vor Antragstellung nicht angibt bzw. es jedenfalls unterlässt, diesen Umstand durch Rückfrage beim Studentenwerk abzuklären. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Überträgt ein Auszubildender (hier: Student) Vermögen auf seine Eltern als „Gegenleistung“ für Unterhaltsleistungen, auf die er einen gesetzlichen Anspruch besitzt, erfolgt die Vermögensverfügung im förderungsrechtlichen Sinne unentgeltlich; sie erweist sich im Zusammenhang mit dem Ausbildungsbeginn demnach als rechtsmissbräuchlich. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 K 16.2262 2019-05-21 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger verfolgt mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung die Verpflichtung des beklagten Studentenwerks weiter, einen Rückforderungsbescheid über im Zeitraum Oktober 2011 bis September 2014 geleistete Ausbildungsförderung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit streitgegenständlichem Urteil vom 21. Mai 2019 abgewiesen, da es die Rückforderung wegen rechtsmissbräuchlicher Vermögensverfügungen des Klägers in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Beantragung von Ausbildungsförderung für rechtmäßig erachtete. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, mit dem er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend machen lässt. Der Antrag hat indes keinen Erfolg, da die genannten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, nicht durchgreifen, sofern sie überhaupt den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt sind.
1. Die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils erweist sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht deshalb im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO als ernstlich zweifelhaft, weil das Verwaltungsgericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ausgegangen ist, wonach ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann, wenn der Begünstigte den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren.
Grob fahrlässig handelt nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts derjenige, der die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, weil er schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BVerwG, U.v. 14.3.2013 – 5 C 10.12 -BeckRS 2013, 51598 Rn. 24). Im Fall des Klägers befand sich ungeachtet der Aushändigung eines gesonderten Hinweisblatts auf dem von ihm am 22. September 2011 unterzeichneten Antragsformular oberhalb der Datums- und Unterschriftenzeile im Fettdruck der Hinweis darauf, dass er bestätige, dass ihm bekannt sei, dass „Vermögenswerte auch dann meinem Vermögen zuzurechnen sind, wenn ich diese rechtsmissbräuchlich übertragen habe. Dies ist der Fall, wenn ich in zeitlichem Zusammenhang mit der Aufnahme der förderungsfähigen Ausbildung bzw. der Stellung des Antrags auf Ausbildungsförderung oder während der förderungsfähigen Ausbildung Teile meines Vermögens unentgeltlich oder ohne gleichwertige Gegenleistung an Dritte, insbesondere an meine Eltern oder andere Verwandte, übertragen habe.“ Angesichts dessen musste sich ihm aufdrängen, dass der von ihm am 1. September 2011, mithin drei Wochen vor Antragstellung, auf das Konto seiner Mutter überwiesene Betrag von 11.000,- € seinem Vermögen im Zuge der Berechnung der Ausbildungsförderung zuzurechnen war und er den Betrag im Antragsformular hätte angeben müssen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat. Auch das Fehlen einer gleichwertigen Gegenleistung für die Vermögensübertragung musste sich dem Kläger aufdrängen. Jedenfalls lag grobe Fahrlässigkeit darin, dass der Kläger die Vermögensübertragung bzw. das nicht angegebene Vermögen weder im Vorfeld der Antragstellung – etwa durch Nachfrage, ob diese Umstände anzugeben seien – noch im Rahmen der Antragstellung thematisierte. Dadurch, dass im Antragsformular lediglich die Angabe des jeweiligen Vermögenswerts verlangt wurde, bestand auch keine Gefahr der Überforderung des Klägers wegen komplizierter Berechnungen oder maschineller Verschlüsselungen. Schließlich war die nicht angegebene Vermögensverfügung auch kausal für die rechtswidrige Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen, wovon das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgegangen ist.
Soweit der Kläger diesbezüglich nunmehr gelten machen lässt, er habe bei der Antragstellung nicht grob fahrlässig gehandelt, da zu diesem Zeitpunkt sämtliche Angaben zu seinen Konten richtig waren und er weder annehmen musste noch angenommen habe, dass die 11.000,- € als vorhandenes Vermögen zu deklarieren seien, geht seine Argumentation am Begründungsansatz des Verwaltungsgerichts vorbei. Denn das Verwaltungsgericht geht gerade davon aus, dass es sich angesichts des fettgedruckten Hinweises im Antragsformular dem Kläger hätte aufdrängen müssen, dass die Verfügung über die 11.000,- € zugunsten seiner Mutter – Eltern als Adressaten einer Vermögensverschiebung nennt der Hinweis ausdrücklich – möglicherweise als (fiktives) Vermögen anzugeben gewesen wären und der Kläger es angesichts dessen jedenfalls unterlassen hat, diesen Umstand durch Rückfrage beim Studentenwerk abzuklären. Diesem Fahrlässigkeitsvorwurf setzt die Zulassungsbegründung nichts entgegen.
Auch der weitere Ansatz, der Kläger habe „redlicher Weise“ annehmen dürfen, das übertragene Vermögen nicht angeben zu müssen, weil er sich in einem „Vertragsverhältnis“ mit seinen Eltern befunden habe, wonach er im Gegenzug zur Überweisung der 11.000,- € Kost und Logis im Haus der Eltern und ein Nutzungsrecht am Pkw der Mutter erhalten habe, sodass „begriffstechnisch“ kein „Vermögen“ im Sinne der Förderrichtlinie vorgelegen habe, greift nicht durch. So legt der Kläger schon das Vorliegen des behaupteten „Vertragsverhältnisses“ nicht näher dar. Im Übrigen verfehlt er mit seiner Darlegung den Begründungsansatz des Verwaltungsgerichts erneut, da dieses den Fahrlässigkeitsvorwurf auf die unterbliebene Erkundigung beim Beklagten über die erforderliche Angabe der 11.000,- € angesichts sich aufdrängender Zweifel aufgrund des deutlich hervorgehobenen Hinweises im Antragsformular stützt. Weshalb der Kläger angesichts dieses expliziten Hinweises „redlicher Weise“ habe davon ausgehen dürfen, die Vermögensverfügung nicht offenlegen zu müssen, erläutert er nicht. Er stellt damit die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert in Frage, sodass die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ausscheidet.
2. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu, die die Zulassung der Berufung gebietet.
Der Kläger hält insoweit die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob und in welchem Umfang Ersparnisse von förderungswürdigen Studenten, die zum Zwecke der Kosten und der Ermöglichung von Nutzungen von Kost und Logis im Wohnbereich der Eltern herangezogen werden, als unentgeltliche Verfügungen im förderungsrechtlichen Sinne anzusehen sind“, bzw. „ob die unstreitige Zurverfügungstellung von Kost und Logis durch die Eltern des Auszubildenden und die Zurverfügungstellung eines PKW zur Mitbenutzung eine werthaltige Gegenleistung darstellen“.
Die aufgeworfenen Fragestellungen sind indes in der Rechtsprechung, auch des Senats, geklärt und gebieten daher keine Berufungszulassung. Denn bei den Gegenleistungen, die die Eltern des Klägers für die auf die Mutter des Klägers übertragenen 11.000,- € erbringen, handelt es sich um die Gewährung von Unterhalt, auf den der Kläger, der als volljähriger Auszubildender noch keinen berufsqualifizierenden Abschluss erlangt hat, im Rahmen von § 1610 BGB einen gesetzlichen Anspruch besitzt. Von der Unterhaltspflicht erfasst sind dabei sowohl Kost und Logis wie auch die Zurverfügungstellung eines Kraftfahrzeugs für Fahrten zur Ausbildungsstätte (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2019 – 12 ZB 16.2645 – BeckRS 2019, 20325 Rn. 27; OVG Magdeburg, U.v. 17.2.2010 – 3 L 222/07 – juris Rn. 56 ff. sowie LS 5). Leistungen, die Eltern einem Auszubildenden im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung erbringen, bedürfen keiner Gegenleistung. Überträgt ein Auszubildender daher Vermögen auf seine Eltern gerade als „Gegenleistung“ für Unterhaltsleistungen, auf die er einen gesetzlichen Anspruch besitzt, erfolgt die Vermögensverfügung im förderungsrechtlichen Sinne unentgeltlich; sie erweist sich im Zusammenhang mit dem Ausbildungsbeginn demnach als rechtsmissbräuchlich (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2017 – 12 C 17.678 – BeckRS 2017, 114439 Rn. 56 f.; B.v. 2.3.2016 – 12 C 15.2512 – BeckRS 2016, 43541 Rn. 3; B.v. 22.1.2014 – 12 C 13.2468 – BeckRS 2014, 48110 Rn. 4).
Rechtsfragen, die nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO einer grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen, hat der Kläger mit seinem Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren damit nicht aufgeworfen. Die Zulassung der Berufung ist daher insgesamt abzulehnen.
3. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Ausbildungsförderungsrechts nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben. Mit der Ablehnung der Berufungszulassung wird das verwaltungsgerichtliche Urteil nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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