Sozialrecht

Erlöschen eines Nachzahlungsanspruches wegen eines Erstattungsanspruches nach Neuberechnung des Berufsschadensausgleiches

Aktenzeichen  L 15 VS 16/09

Datum:
26.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 67063
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SVG § 50
BVG § 27, § 27b
SGB X SGB X § 44, § 45 Abs. 2, § 48 Abs. 1 Nr. 3, § 102, § 104, § 107

 

Leitsatz

1. Auslegungsmaßstab eines Bescheides und von Prozesserklärungen. (amtlicher Leitsatz)
2. Der Streitgegenstand ist die Schnittmenge von bescheidmäßig getroffenen Regelungen einerseits und dem prozessualen Begehren eines Klägers andererseits. (amtlicher Leitsatz)
3. Zu den Voraussetzungen der Geltendmachung eines Erstattungsanspruches gem. § 102 ff. SGB X. (amtlicher Leitsatz)
4. Einer Aufhebung des zugrunde liegenden Bewilligungsbescheides bedarf es vor der Geltendmachung des Erstattungsanspruches nicht. Die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches ist gerade nicht davon abhängig, dass der zugrunde liegende, eine Leistung bewilligende Bescheid aufgehoben wird. Eine derartige Aufhebung wäre nur dann zu verlangen, wenn der Leistungsträger einen Rückforderungsanspruch gegenüber dem Leistungsempfänger selbst geltend machen würde. (amtlicher Leitsatz)
5. Für die Geltendmachung der Vertrauensschutzregelung des § 45 Abs. 2 SGB X durch den Leistungsempfänger ist im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Erstattungsanspruch von Leistungsträgern untereinander gemäß §§ 102 ff. SGB X kein Raum. (amtlicher Leitsatz)
6 Die Hauptfürsorgestelle ist grundsätzlich berechtigt, einen Erstattungsanspruch in Bezug auf nachträglich höher bewilligte Berufsschadensausgleichsleistungen geltend zu machen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 15 VS 8/08 2009-11-23 GeB SGLANDSHUT SG Landshut

Tenor

I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Höhe der dem Kläger infolge des Urteils des Senats vom 16.01.2007, Az.: L 15 VS 19/05, auszuzahlenden Nachzahlung, wie sie durch das ZBFS festgesetzt worden ist, ist nicht zu beanstanden.
1. Richtige Beklagte
Wegen des zum 01.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zur Übertragung der Zuständigkeiten der Länder im Bereich der Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung nach dem Dritten Teil des Soldatenversorgungsgesetzes auf den Bund vom 15.07.2013 (BGBl. I 2013 Nr. 38 S. 2416 ff.) ist ein Beklagtenwechsel kraft Gesetzes eingetreten. Dies bedeutet, dass der bisherige Beklagte (Freistaat Bayern als Träger der Versorgungsverwaltung) aus dem Verfahren ausgeschieden und an seine Stelle die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesministerin der Verteidigung, diese wiederum vertreten durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, ins Verfahren, das keine reine Anfechtungsklage beinhaltet, eingetreten ist.
2. Streitgegenstand
Streitgegenstand ist nach der mit Beschlüssen vom 14.01.2014 und 12.11.2015 erfolgten Trennung im Berufungsverfahren ausschließlich die Frage, ob und wenn ja inwiefern der dem Kläger zustehende Nachzahlungsanspruch, der sich aus der infolge des Urteils des Senats vom 16.01.2007, Az.: L 15 VS 19/05, erforderlich gewordenen Neuberechnung des Berufsschadensausgleichs ergibt, wegen eines Erstattungsanspruchs der Hauptfürsorgestelle erloschen ist.
Nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens sind die Höhe der sich allein aus der Neuberechnung des Berufsschadensausgleichs ergebenden Nachzahlung ohne Berücksichtigung eines Erstattungsanspruchs und das der Neuberechnung des Berufsschadensausgleichs zugrunde zu legende Vergleichseinkommen im Rahmen des Nachzahlungsanspruchs.
Bei der Bestimmung des Streitgegenstands sind folgende Grundsätze zu beachten:
Maßgebend für die Bestimmung des Streitgegenstands ist der geltend gemachte prozessuale Anspruch, d. h. Klageantrag und Klagegrund im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt (vgl. BSG, Urteil vom 28.3.2013, Az.: B 4 AS 12/12 R – m. w. N.). Hiervon ausgehend wird der Streitgegenstand durch den objektiven Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids und das im Prozess geltend gemachte Begehren bestimmt. Der Streitgegenstand ist also die Schnittmenge von bescheidmäßig getroffenen Regelungen einerseits und dem prozessualen Begehren eines Klägers andererseits.
Maßstab der Auslegung eines angefochtenen Bescheids ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2010, Az.: B 9 V 2/10 R).
Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen ist ebenfalls der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 29.11.1995, Az.: X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, Az.: B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30.04.2003, Az.: 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes:
2.1. Bescheidmäßig getroffene Regelungen
Im Zusammenhang mit der Nachzahlung hat das ZBFS folgende Regelungen getroffen:
2.1.1. Bescheid vom 28.02.2007
Dieser „Bescheid“ enthält keine über den Tenor des Urteils des Senats vom 16.01.2007, Az.: L 15 VS 19/05, hinausgehende Regelung; es werden lediglich zukünftige Bescheide angekündigt, so dass sich die Frage stellt, ob das Schreiben des ZBFS mangels eigenen Regelungsgehalts überhaupt als Bescheid zu klassifizieren ist.
2.1.2. Bescheid vom 02.03.2007
Dieser Bescheid enthält eine Regelung insofern, als die sich aus dem Urteil des Senats vom 16.01.2007, Az.: L 15 VS 19/05, und der dadurch erforderlich gewordenen Neuberechnung des Berufsschadensausgleichs ergebende abstrakte Nachzahlung für den Berufsschadensausgleich (84.501,- €) ermittelt worden ist. Weiter enthält dieser Bescheid eine Regelung zu den dem Kläger zustehenden Zinsen, die in diesem Bescheid mit 14.631,17 € beziffert worden sind. Eine endgültige Festsetzung des an den Kläger auszuzahlenden Betrags ist jedoch in diesem Bescheid noch nicht enthalten. Denn der konkrete Nachzahlungsbetrag hängt, aufgrund der Hinweise des ZBFS für den Kläger als Empfänger zweifelsfrei erkennbar, noch von dem möglichweise von der Hauptfürsorgestelle geltend zu machenden Erstattungsanspruch ab. Dies ergibt sich aus Blatt 4 des Bescheids, wenn dort auf Folgendes hingewiesen wird:
„Die Nachzahlung wird bis zur Klärung des Erstattungsanspruches der Hauptfürsorgestelle vorläufig einbehalten. Weitere Mitteilung folgt.“
2.1.3. Schreiben vom 10.04.2007
Der Senat lässt es dahingestellt, ob das Schreiben des ZBFS vom 10.04.2007, mit dem dem Kläger der auszuzahlende Betrag nach Abzug des Erstattungsanspruchs mitgeteilt worden ist, lediglich als informatorische Mitteilung über das Erlöschen eines Sozialleistungsanspruchs, hier des Nachzahlungsanspruchs wegen der Neuberechnung des Berufsschadensausgleichs, zu verstehen ist oder ob dieses Schreiben einen Regelungsgehalt dergestalt hat, dass damit die dem Kläger zustehende konkrete Nachzahlung in Form eines Bescheids festgeschrieben werden soll. Denn die Frage der Erfüllungsfiktion gemäß § 107 SGB X ist jedenfalls ein Gesichtspunkt, der vom Kläger thematisiert (vgl. unten Ziff. 2.2) und damit im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung zu klären sein wird. Für den Fall, dass von einem Verwaltungsakt auszugehen wäre, bestünde unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit jedenfalls kein Zweifel an einem konkreten Regelungsgehalt.
2.1.4. Bescheid vom 18.06.2007
Mit diesem Bescheid wurde der Bescheid vom 02.03.2007 insoweit gemäß § 45 SGB X zurückgenommen, als dort der gesamte Nachzahlungsbetrag verzinst worden war. Die dem Kläger zustehenden Zinsen wurden neu berechnet und auf 9.011,37 € festgesetzt.
2.1.5. Bescheid vom 25.06.2008
Mit diesem Teilabhilfebescheid wurde den Widersprüchen/Einwendungen des Klägers insofern stattgegeben, als der Erstattungsanspruch der Hauptfürsorgestelle auf 15.277,58 € (statt ursprünglich 19.590,20 €) reduziert und eine weitere Nachzahlung (inklusive Zinsen) in Höhe von 5.961,54 € festgesetzt worden ist.
2.1.6. Widerspruchsbescheid vom 20.07.2008
Neue Regelungen beinhaltet der Widerspruchsbescheid nicht; damit wird lediglich der Widerspruch zurückgewiesen, sofern ihm nicht zuvor abgeholfen worden ist.
2.2. Prozessuales Begehren des Klägers
Das klägerische Begehren wird einerseits aus dem Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 30.07.2007 und vom 17.08.2010 ersichtlich, zum anderen aus dem eigenen Vorbringen des Klägers im Verfahren.
– Ziel im vorliegenden Verfahren ist, wie sich aus den Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 30.07.2007 und vom 17.08.2010 ergibt, die Auszahlung der im Bescheid vom 02.03.2007 errechneten Nachzahlung in voller Höhe, d. h. ohne Abzug infolge eines Erstattungsanspruchs der Hauptfürsorgestelle, hilfsweise mit einem niedrigeren Abzug als bisher. Zudem ist sein Vorbringen dahingehend zu interpretieren, dass er auf der Auszahlung der im Bescheid vom 02.03.2007 genannten, aus dem abstrakten Nachzahlungsanspruch, d. h. ohne Abzug des Erstattungsbetrags, errechneten Zinsen für den Nachzahlungsanspruch besteht.
– Aus dem Schreiben des Klägers selbst vom 19.01.2010 wird deutlich, dass er sich auch gegen den Bescheid des ZBFS vom 02.03.2007 wendet, allerdings ohne dies näher zu begründen.
– Schließlich ist dem umfangreichen Vorbringen des Klägers im Verfahren, insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung, zu entnehmen, dass er eine rückwirkende Versorgung in Form der Schließung der Versorgungslücke nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr bis zum Beginn der Gewährung von Versorgung durch das ZBFS anstrebt.
2.3. Aus bescheidmäßigen Regelungsgegenständen und prozessualem Begehren des Klägers ermittelter Streitgegenstand
Streitgegenstand geworden sind als Schnittmenge von (bescheidmäßigen) Regelungsgegenständen und prozessualem Begehren die Frage des Ob und der Höhe des bei der Nachzahlung abzuziehenden Betrags des Erstattungsanspruchs der Hauptfürsorgestelle und die Frage, ob die Nachzahlung nur in der Höhe zu verzinsen ist, in der sie auch an den Kläger zur Auszahlung gekommen ist, oder in vollständiger Höhe, d. h. zusätzlich von Zinsen auch für den Betrag der Erstattung an die Hauptfürsorgestelle.
Nicht mehr Streitgegenstand ist der Bescheid vom 02.03.2007 insofern, als dort die abstrakte Nachzahlung wegen des Berufsschadensausgleichs, d. h. noch ohne einen Abzug infolge einer Erstattung, festgelegt worden ist. Dies ergibt sich daraus, dass die ehemalige und durch eine Vollmacht nachgewiesene Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 30.07.2010 nach der vom Kläger umfassend eingelegten Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 23.11.2009 die Klage zurückgenommen hat, soweit davon der Bescheid vom 02.03.2007 betroffen gewesen ist. Denn in diesem Schreiben hat sie formuliert:
„Es wird klargestellt, dass der Kläger seine Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 02.03.2007 und 06.06.2007 (jeweils in der Fassung der WB´e) nicht mehr aufrecht erhält.“
Sofern der Kläger im gerichtlichen Verfahren zu erkennen gegeben hat, dass er auch Versorgungsleistungen für die Zeit vom 02.11.1978 bis zum 31.12.1984 anstrebt, kann dies nicht zulässiger Streitgegenstand sein, weil dazu in den streitgegenständlichen Bescheiden keine Regelung getroffen worden ist.
3. Reduzierung des Nachzahlungsanspruchs durch einen Erstattungsanspruch der Hauptfürsorgestelle (Erfüllungswirkung)
Die Reduzierung der Höhe der dem Kläger infolge des Urteils des Senats vom 16.01.2007, Az.: L 15 VS 19/05, zustehenden Nachzahlung wegen eines von der Hauptfürsorgestelle geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist nicht zu beanstanden. Die mit Bescheid vom 02.03.2007 bestandskräftig festgestellte abstrakte Nachzahlung in Höhe von 84.501,- € ohne Zinsen (dazu siehe unten Ziff. 4) ist um einen Erstattungsanspruch in Höhe von 15.277,58 € zu reduzieren. Denn insofern ist der Nachzahlungsanspruch gemäß § 107 Abs. 1 SGB X in Höhe des Erstattungsanspruchs der Hauptfürsorgestelle erloschen.
Die Hauptfürsorgestelle, die Leistungen der Erziehungsbeihilfe gemäß § 27 BVG für die Kinder des Klägers und Erholungshilfe gemäß § 27 b BVG erbracht hat, hat einen Erstattungsanspruch gegen das ZBFS gehabt. Ob dieser Anspruch auf § 103 SGB X gestützt wird, weil die Leistungsverpflichtung der Hauptfürsorgestelle zur Erbringung von einkommensabhängigen Leistungen der Kriegsopferfürsorge nachträglich dadurch entfallen ist, dass der dem Kläger zustehende Berufsschadensausgleich mit dem Urteil des Senats vom 16.01.2007 rückwirkend ab dem Jahr 1998 erhöht worden und damit die Leistungsverpflichtung der Hauptfürsorgestelle insoweit entfallen ist, oder auf § 104 SGB X, weil Leistungen der Kriegsopferfürsorge im Sinn der §§ 25 ff. BVG gegenüber der Versorgungsrente samt Berufsschadensausgleich nachrangig, da gemäß § 25 a Abs. 1 BVG bedarfs- und einkommensabhängig, wobei zum Einkommen gemäß § 25 d Abs. 1 BVG grundsätzlich alle Einkünfte in Geld- oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen der Kriegsopferfürsorge, der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage zu zählen sind und damit auch der nachgezahlte Berufsschadensausgleich die Frage des Ob und der Höhe von Leistungen der Kriegsopferfürsorge bestimmt, sind, kann dabei dahingestellt bleiben. Denn in jedem Fall hat ein Erstattungsanspruch der Hauptfürsorgestelle gegenüber dem ZBFS bestanden.
Bezüglich der Höhe des Erstattungsanspruchs verweist der Senat auf die dem Kläger von der Hauptfürsorgestelle mit Schreiben vom 02.06.2008 übersandten umfangreichen Berechnungen; Zweifel an der Richtigkeit dieser Berechnungen hat der Senat nicht. Auch der Kläger hat keinerlei inhaltliche Einwendungen gegen die Berechnungen erhoben, so dass der Senat keinen Anlass für weitergehende Erläuterungen sieht.
Mit der Frage, warum der zunächst von der Hauptfürsorgestelle mit Schreiben vom 19.03.2007 geltend gemachte und später korrigierte Erstattungsanspruch fehlerhaft berechnet worden ist, muss sich der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit nicht näher auseinandersetzen. Er weist daher lediglich darauf hin, dass diese erste Berechnung deshalb falsch war, weil offensichtlich der vollständige Betrag des monatlich nachzuzahlenden Berufsschadensausgleich als einzusetzendes Einkommen angesetzt worden war, obwohl das einzusetzende Einkommen gemäß § 25 e BVG in Verbindung mit §§ 41 ff. Verordnung zur Kriegsopferfürsorge zu berechnen gewesen wäre. Dies ist erst im Rahmen der weiteren Berechnung erfolgt, wie sie dem Kläger in den Anlagen zum Schreiben vom 02.06.2008 übersandt worden ist.
Im Übrigen ist zu den Einwänden des Klägers gegen den Erstattungsanspruch, insbesondere im Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 30.07.2010, auf Folgendes hinzuweisen:
– Sofern von Klägerseite dem ZBFS vorgehalten wird, dieses habe vor Erlass seiner Bescheide nicht ausreichend geprüft, ob und inwieweit der Erstattungsanspruch der Hauptfürsorgestelle überhaupt entstanden sei, ist diesem Einwand jedenfalls insofern die Grundlage entzogen, als die Hauptfürsorgestelle mit Schreiben vom 02.06.2008 eine nachvollziehbare Berechnung des Erstattungsanspruchs vorgelegt hat. Mit der Frage, ob das ZBFS verpflichtet gewesen wäre, bereits vorher den Erstattungsanspruch der Hauptfürsorgestelle auf sachliche Richtigkeit überprüfen, muss sich der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit nicht befassen.
– Eine Aufhebung der Bewilligungsbescheide der Hauptfürsorgestelle (z. B. gemäß § 45 SGB X) bedurfte es vor der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nicht. Die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs ist gerade nicht davon abhängig, dass der zugrunde liegende, eine Leistung bewilligende Bescheid aufgehoben wird. Eine derartige Aufhebung wäre nur dann zu verlangen, wenn der Leistungsträger einen Rückforderungsanspruch gegenüber dem Leistungsempfänger selbst geltend machen würde. Um eine derartige Konstellation handelt es sich aber bei der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs von Leistungsträgern untereinander gemäß §§ 102 ff. SGB X nicht. Hätte also die Hauptfürsorgestelle ihre Bewilligungsbescheide aufgehoben, was der Kläger rechtsirrig für notwendig erachtet, würde damit der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs gerade die Grundlage entzogen; denn für die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X wäre dann kein Raum mehr. Die Hauptfürsorgestelle hat daher, um den Eintritt der Erfüllungsfiktion sicherzustellen, zutreffend ihre Leistungsbescheide nicht aufgehoben.
– Da die Bewilligungsbescheide der Hauptfürsorgestelle nicht aufzuheben waren, bedurfte es auch keiner entsprechenden Anhörung. Der diesbezügliche Einwand der Bevollmächtigten des Klägers geht ins Leere.
– Ein Fall des § 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X liegt ersichtlich nicht vor. Die Leistungen der Hauptfürsorgestelle sind, wie bereits erläutert, einkommensabhängig mit der Folge, dass – wie die Neuberechnung durch die Hauptfürsorgestelle ergeben hat – Leistungen der Hauptfürsorgestelle nicht erbracht werden hätten müssen, wenn bereits damals die Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers, des ZBFS als Träger der Versorgungsverwaltung, erfolgt wäre.
– Der klägerische Einwand, bei der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs sei das zeitliche Kongruenzgebot dadurch verletzt worden, dass nicht festgestellt worden sei, in welchen konkreten Monaten zwischen 01/1998 und 07/2002 die Bedürftigkeit durch Erhöhung der Versorgungsleistungen infolge der nachträglichen Feststellung eines höheren Berufsschadensausgleichs entfallen sei, entbehrt der Grundlage. Insofern wird wiederum auf die nachvollziehbaren Erläuterungen in den Anlagen zum Schreiben der Hauptfürsorgestelle vom 02.06.2008 verwiesen. Dort ist monatsweise der Erstattungsanspruch ermittelt worden. Der Senat kann sich den Einwand der Bevollmächtigten des Klägers nur insofern erklären, als dass dieser diese Berechnungen bei der Anfertigung der Berufungsbegründung nicht vorgelegen haben. Dem Kläger selbst stand die monatsweise Aufstellung der zu viel gezahlten Leistungen der Hauptfürsorgestelle in deren Schreiben vom 02.06.2008 jedenfalls zur Verfügung.
– Sofern von Klägerseite aus hilfsweise vorgebracht wird, dass jedenfalls Erstattungsansprüche für den Zeitraum vom 01.04.1998 bis zum 31.07.1998 wegen der Erziehungsbeihilfe für die Tochter P. nicht befriedigt werden hätten dürfen, weil die Hauptfürsorgestelle den Erstattungsanspruch dafür nicht in der erforderlichen konkreten Höhe angemeldet habe, ist dieser Einwand durch das Schreiben der Hauptfürsorgestelle vom 02.06.2008 widerlegt, in dem die genannten Zeiträume mit den jeweiligen Erstattungsbeträgen auch für die Tochter P. monatsweise aufgeführt sind.
– Ein Vertrauensschutz, auf den sich der Kläger berufen will, kann unter keinem Gesichtspunkt zum Tragen kommen. Die Vertrauensschutzregelung des § 45 Abs. 2 SGB X kommt schon deshalb nicht zur Anwendung, weil für die Vorschrift des § 45 SGB X im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs von Leistungsträgern untereinander gemäß §§ 102 ff. SGB X kein Raum ist. Die Vertrauensschutzregelung des § 45 Abs. 2 SGB X schützt den Leistungsempfänger vor der Rücknahme einer Leistungsbewilligung und der sich daran anschließenden Rückforderung. Im Fall der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs hingegen ist der Leistungsempfänger keiner Rückforderung ausgesetzt. Er bekommt wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X nur nicht mehr, als ihm bei richtiger Anwendung des Rechts zusteht. Im Übrigen könnte ein Vertrauensschutz nur dann geltend gemacht werden, wenn ein Vertrauen auf ein Behaltendürfen einer Leistung vorliegen würde, was beim Kläger nicht der Fall ist; statt mit einer Rückforderung konfrontiert zu sein, erhält er eine Nachzahlung. Schließlich resultiert auch aus dem Bescheid vom 02.03.2007, mit dem das Ergebnis der sich aus der Neuberechnung des Berufsschadensausgleichs ergebenden abstrakten Nachzahlung für den Berufsschadensausgleich und der sich daraus errechnenden Zinsen mitgeteilt worden ist, kein Vertrauen darauf, dass der Kläger den darin genannten Betrag von insgesamt 99.132,17 € tatsächlich auch so erhalten werde. Denn in diesem Bescheid ist ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass bis zur Klärung des Erstattungsanspruchs die Nachzahlung zurückbehalten werde. Dem Kläger muss also bewusst gewesen sein, dass er mit einer Auszahlung des ohne Erstattung ermittelten Nachzahlungsbetrags samt Zinsen so nicht rechnen durfte. Auf schutzwürdige, nach Angaben des Klägers Jahre zurückliegende Vermögensdispositionen beim Hauskauf kann er sich schließlich nicht berufen, da diesen Dispositionen kein Vertrauen auf zukünftige, damals noch nicht ansatzweise bekannte Leistungen der Versorgungsverwaltung zugrunde gelegen haben kann.
– Sofern der Kläger meint, der Erstattungsanspruch sei gemäß § 103 Abs. 3 SGB XII erloschen, verkennt er, dass die von ihm herangezogene Regelung einen anderen Regelungsbereich umfasst und im Bereich des Erstattungsanspruchs gemäß §§ 102 ff. SGB X überhaupt nicht zur Anwendung kommen kann. § 103 SGB XII betrifft den ganz anders gelagerten Fall einer Ersatzpflicht u. a. eines Sozialhilfeempfängers gegenüber dem Träger der Sozialhilfe.
– Wenn der Kläger meint, er könne der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs und der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X die Vorschrift des § 50 SVG entgegen halten, irrt er. § 50 SVG setzt der Geltendmachung eines Aufrechnungs- oder Zurückbehaltungsrechts Grenzen. Um eine Aufrechnung oder Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts geht es aber bei der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs gemäß §§ 102 ff. SGB X und der damit verbundenen Erfüllungsfiktion nicht.
4. Verzinsung
Die im Bescheid vom 02.03.2007 enthaltene Regelung zur Höhe der an den Kläger zu zahlenden Zinsen ist durch den Rücknahmebescheid vom 18.06.2007, dieser wiederum abgeändert durch den Teilabhilfebescheid vom 25.07.2008, in rechtlich zulässiger Weise dahingehend korrigiert worden, dass Zinsen lediglich aus dem Betrag, wie er dem Kläger auszuzahlen ist, zu gewähren sind, nicht aber aus dem Betrag, wie er sich aus dem nachzuzahlenden Berufsschadensausgleich ohne Abzug eines Erstattungsanspruchs der Hauptfürsorgestelle ergeben würde.
Den Bescheid vom 02.03.2007 hat das ZBFS insofern gemäß § 45 SGB X zurückgenommen.
Der Anspruch auf Verzinsung ergibt sich aus § 44 SGB I. Zu verzinsen sind Ansprüche auf Geldleistungen. Dies bedeutet, dass die Verzinsung einen bestehenden Anspruch voraussetzt. Sofern, wie im Falle des Klägers, gemäß § 107 Abs. 1 SGB X ein Anspruch durch die Leistung eines anderen Sozialleistungsträgers als erfüllt gilt, ist keine Rechtsgrundlage für eine Verzinsung gegeben, sofern dieser andere Sozialleistungsträger die ihm obliegende (Geld-)Leistung rechtzeitig erbracht hat. Denn es fehlt insofern an einem verzinsungsfähigen Anspruch des Klägers.
Die Voraussetzungen des § 45 SGB X liegen vor; insbesondere kann der Kläger mangels erfolgter Auszahlung keinen Vertrauenstatbestand gemäß § 45 Abs. 3 SGB X geltend machen (vgl. auch die Ausführungen zum Vertrauensschutz oben, Ziff. 3.)
Das ZBFS hat daher zutreffend dem Kläger nur eine Verzinsung für den Geldbetrag gewährt, der tatsächlich auszuzahlen war, also die abstrakt errechnete Nachzahlung des Berufsschadensausgleichs abzüglich des Erstattungsanspruchs der Hauptfürsorgestelle.
Irgendwelche Gesichtspunkte, dass die Berechnung der Zinsen aus anderen Gründen falsch sein könnte, sind weder ersichtlich noch hat der Kläger diesbezüglich etwas vorgetragen.
Diese Berufung kann daher unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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