Sozialrecht

Erstattungsansprüche von Sozialhilfeträgern untereinander bei betreutem Wohnen

Aktenzeichen  L 8 SO 221/14

Datum:
22.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB IX SGB IX § 14 Abs. 4 S. 1, S. 3
SGB X SGB X § 102 Abs. 1, § 107
SGB XII SGB XII § 98 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Der Begriff des betreuten Wohnens nach Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ist anders auszulegen, als der Begriff des betreuten Wohnens in § 98 Abs. 5 SGB XII. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Erstattungsanspruch eines Trägers nach § 102 SGB X ist nicht nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausgeschlossen, wenn sich dieser aufgrund gerichtlichen Eilrechtsschutzes sowie Rechtsschutzverfahrens auf Drängen des anderen Trägers verpflichtet, vorläufig Leistungen zu erbringen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 51 SO 617/11 2014-07-09 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Juli 2014, S 51 SO 617/11, wird zurückgewiesen.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
A. Gegen die Entscheidung des SG vom 9. Juli 2014 ist die Berufung zulässig, insbesondere ist der für die Statthaftigkeit bei Erstattungsstreitigkeiten erforderliche Beschwerdewert von 10.000 EUR überschritten, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG. Die Berufung ist zulässig und form- und fristgemäß eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG).
1. Es handelt sich um eine echte Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 SGG. Diese erfordert keine besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen.
2. Es bedurfte keiner Beiladung des Hilfebedürftigen nach § 75 Abs. 2 1. Alt SGG (sog echte notwendige Beiladung) oder des Leistungserbringers A … Der Lb selbst ist am 13.03.2011 verstorben. Es kann daher dahinstehen, ob die Rechtsprechung zur Erstattung von Leistungen nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX (keine Beiladung des Leitungsempfängers, weil die Anspruchsnorm des § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX nur die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen den Sozialhilfeträgern betrifft vgl. BSG vom 25.4.2013 – B 8 SO 6/12 R – Rn. 10 m. w. N., zuletzt BSG, Urteil vom 23.7.2015 – B 8 SO 7/14 R -, SozR 4-3500 § 98 Nr. 3 Rn. 9) auf Erstattungsansprüche nach § 102 SGB X zu übertragen ist, oder dies wegen der Wirkung der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X hier anders zu beurteilen ist.
Der Leistungserbringer war nicht beizuladen, weil dessen finanzielle Forderungen hinsichtlich der Kosten des Lebensunterhaltes und der Pflege des Lb in der Zeit vom 17.06.2010 bis 13.03.2011 durch den Kläger beglichen wurden und er somit kein berechtigtes Interesse i. S. § 75 SGG hat, das durch die Entscheidung berührt werden kann. Soweit der Leistungserbringer noch offene Forderungen hinsichtlich der Betreuung für betreutes Wohnen, Betreuung durch die und Wahlleistungen hat (vgl. Anlage zum Schreiben vom 22.03.2011, Bl. 375 Akte der Klägerin), liegt ebenfalls kein berechtigtes Interesse vor, weil es sich bei dem D. e.V. nicht um einen nach § 75 ff SGB XII zugelassenen Leistungserbringer handelt (siehe dazu unten), zu dessen zivilrechlicher Forderung der zuständige Sozialhilfeträger einen Schuldbeitritt erklären könnte. Eine Beiladung des Leistungserbringers ist nach der Rechtsprechung nur im Rechtsstreit zwischen dem Sozialhilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger erforderlich, nicht aber im Erstattungsstreit (Leitherer in Meyer/Ladewig, SGG Kommentar, 11. Auflage, § 75, Rn. 10 k).
B. Die Berufung ist unbegründet, weil der Kläger einen Erstattungsanspruch nach § 102 Abs. 1 SGB X gegen die Beklagte hat (siehe 1. – 5), dieser nicht nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausgeschlossen ist (siehe dazu 6., 7.) und sich zutreffend gegen die Beklagte richtet (siehe dazu 8 ff.).
1. Der Kläger kann seinen Erstattungsanspruch auf § 102 SGB X stützen. Er ist als vorläufig leistender Sozialhilfeträger Erstattungsberechtigter (siehe dazu 3) und damit aktivlegitimiert und richtet den Anspruch gegen die Beklagte als eigentlich sachlich und örtlich zuständigen Sozialhilfeträger (siehe dazu 8.). Nach § 102 SGB X ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein anderer Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (§ 102 Abs. 2 SGB X).
Der Kläger hat dem Lb mit Bescheid vom 07.02.2011 für die Zeit von 17.06.2010 bis zunächst 30.04.2011 die in der Einrichtung A. notwendigen Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII als Grundsicherung, Hilfe zur Pflege und Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge erbracht, soweit sie nicht durch Leistungen der Pflegeversicherung und Eigenbeteiligungen gedeckt waren. Der Kläger war für die Leistungserbringung nur vorläufig zuständig, seine sachliche und örtliche Zuständigkeit war nicht gegeben. Der Kläger änderte die Bewilligung der Leistungen gegenüber dem Lb mit Bescheid vom 14.03.2011, wobei er die zwischenzeitlich bewilligte Erwerbsminderungsrente als Einkommen anrechnete. (Der Lb war bereits am 13.03.2011 verstorben).
2. Der Kläger hat seinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte rechtzeitig am 07.02.2011 geltend gemacht, als er diesen dem Grunde nach angemeldet hat. Nach § 111 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Der Kläger hat hier letztmals für den Todestag des Lb (13.03.2011) Leistungen erbracht und dann zeitnah am 07.08.2011 den Erstattungsanspruch beziffert und bei der Beklagten und dem Beigeladenen erneut geltend gemacht. Damit kann sich die Beklagte auch nicht auf eine Verjährung nach § 113 SGB X berufen. Im Übrigen erfolgte die Klageerhebung zum SG bereits am 15.11.2011.
3. Der Kläger ist Erstattungsberechtigter nach § 102 Abs. 1 SGB X, weil er vorläufig Leistungen nach § 43 SGB I erbracht hat, ohne selbst zuständiger Sozialhilfeträger zu sein (siehe dazu unten). Er richtet den Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, die sachlich und örtlich zuständige Sozialhilfeträgerin ist. Der Kläger hat dem Lb mit den Bescheiden vom 07.02.2011 und 14.03.2011 vorläufig Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfen zur ambulanten Pflege und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gewährt. Bei der Leistungsbewilligung hat der Kläger hinreichend deutlich gemacht, dass er nur nach § 43 SGB I vorläufig leiste und nicht zuständiger Sozialhilfeträger sei. Die nach § 102 SGB X erforderliche Unsicherheit über die Zuständigkeit (Roos in von Wulffen, SGB X Kommentar, 7. Auflage, § 102 Rn. 6) bestand für alle beteiligten Sozialhilfeträger, die jeweils in Kenntnis der ablehnenden Entscheidungen der anderen Träger gleichwohl ihre Leistungspflicht gegenüber dem Lb ablehnten. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG (S 19 SO 538/10 ER), an dem auch der Beigeladene Beteiligter war, gab der Kläger am 25.11.2010 gegenüber dem SG die Erklärung ab, dass er nur vorläufige Leistungen der Hilfen zur Pflege und Grundsicherung erbringen werde, weil er weder sachlich noch örtlich für die Leistungserbringung zuständig sei.
4. Bei den dem Lb gewährten Leistungen handelte es sich nicht um Leistungen der Sozialhilfe, die in stationären oder teilstationären Einrichtungen i. S. § 13 Abs. 1 SGB XII erbracht wurden. Der Kläger war daher nicht nach § 97 Abs. Abs. 2 SGB XII i. V. m. Art 82 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 S. 2 BayAGSG als überörtlicher Träger sachlich zuständig, sondern erbrachte die Leistungen als unzuständiger Träger vorläufig nach § 43 SGB I. In Übereinstimmung mit dem SG handelte es sich bei der Versorgung des Lb durch den A. um eine ambulante, und nicht um eine stationäre (oder teilstationäre) Leistung nach § 13 Abs. 1 SGB XII. Bei der D. in A-Stadt handelt es um keine stationäre Einrichtung, so dass jedenfalls eine Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers nach Art 82 Abs. 1 Nr. 2 BayAGSG ausscheidet.
a. Von einer vollstationären Einrichtung im Sinne von § 13 SGB XII und damit auch im Sinne von Art 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayAGSG kann nur dann gesprochen werden, wenn der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs. 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt wird. Eine stationäre Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen – von dessen Aufnahme bis zur Entlassung – die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr. 58, 59 m. w. N.). Das BSG betont in ständiger Rechtsprechung, dass es bei der Abgrenzung von stationären zu ambulanten Angeboten für die rechtliche Qualifikation der Leistung ohne Belang ist, ob und wie sich eine Einrichtung bezeichnet und es ebenso wenig von Belang ist, wie die Leistungen in den zwischen Leistungserbringer und den Sozialhilfeträgern abgeschlossenen Vereinbarungen bezeichnet werden (BSG, Urteil vom 23. Juli 2015 – B 8 SO 7/14 R -, SozR 4-3500 § 98 Nr. 3, Rn. 19, 20). Wesentlich für den Einrichtungsbegriff ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist (ständige Rechtsprechung des BVerwGE zuletzt mit Urteil vom 24.2.1994 – 5 C 17/91 -, ZfSH/SGB 1995, 535 ff; sowie des BSG, BSGE 106, 264 ff Rn. 13 = SozR 4-3500 § 19 Nr. 2 und Urteil vom 23. Juli 2015 – B 8 SO 7/14 R -, SozR 4-3500 § 98 Nr. 3, Rn. 18) und der der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfen oder der Erziehung dient (vgl. § 13 Abs. 2 SGB XII; näher dazu BSG SozR 4-5910 § 97 Nr. 1 Rn. 15).
b. Hier übernahm kein Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Lb. Die D. in A-Stadt bietet betreutes Wohnen in familiärer Atmosphäre und ländlicher Umgebung im Rahmen eines Pilotprojektes an, bei dem es sich (nach der Vorbemerkung des Mietvertrages) nicht um ein Heim i. S. des Heimgesetzes handele. Unklar bleibt, ob mit dieser Formulierung auf die bundesrechtliche Regelung des WBVG vom 29.07.2009 oder auf die Bestimmungen des BayPflWoqG vom 8.07.2008 Bezug genommen wurde. Die Bewohner sind Mieter und haben das Hausrecht. Die Zimmer werden von Bewohnerseite selbst möbliert und die Bewohnergemeinschaft (Angehörige und gesetzliche Vertreter) regelt gemeinschaftlich die Nutzung und Gestaltung der Gemeinschaftsräume sowie von Garten- und Freiflächen.
Der Lb hatte mit dem Verein A. einen Mietvertrag i. S.v. § 535 BGB über ein seinen Bedürfnissen entsprechendes behindertengerechtes Zimmer im Anwesen A-Straße in A-Stadt geschlossen. Allerdings enthielt Ziffer 11 des Mietvertrages die Klausel, dass der Mietvertrag nur gültig im Zusammenhang mit dem Betreuungsvertrag sein sollte. Deswegen hat der LB einen Betreuungsvertrag mit dem Verein abgeschlossen, wobei der Vertrag aus den drei Bestandteilen Betreuungsvertrag für betreutes Wohnen (= Bestandteil des Mietvertrages, Pauschale 156,13 EUR), Betreuungsvertrag (330 EUR monatlich) und Wahlleistungen (bei Inanspruchnahme, z. B. Essen, Wäsche waschen etc.) bestand. Nach dem Betreuungsvertrag hat jeder Bewohner das Recht, seine Betreuung nach freier Wahl zu gestalten, es besteht keinerlei Verpflichtung des Bewohners, Dienstleistungen vom Betreuungsträger abzurufen. Allerdings fielen z. B. die Pauschalen für betreutes Wohnen und die hospizbedingten Grundleistungen auch dann an, wenn die Leistungen nicht in Anspruch genommen wurden. Nach der Konzeption des Vereins hatte jeder Bewohner das Recht, seine Betreuung nach freier Wahl zu gestalten. Die half im Rahmen des Betreuungsvertrages bei der Vermittlung an die notwendigen Stellen und Dienste. Es bestand keinerlei rechtliche oder anderweitige Verpflichtung seitens des Bewohners, Dienstleistungen vom Betreuungsträger abzurufen. Der Bewohner konnte und musste also seine notwendige Pflege und ggf. erforderliche Teilhabeleistungen neben dem Grundangebot des Vereins selbst organisieren. Hätte der Lb einen externen Pflegedienst beauftragt, hätte dieser unstreitig ambulante Leistungen der Hilfe zur Pflege erbracht. Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nichts anderes dann gilt, wenn der Lb auf die Vermittlung des Vereins zurückgreift und den von diesem vermittelten Pflegedienst beauftragt. Die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Bewohner sollte, entsprechend dem Konzept (kranke und sterbende Menschen sollten dort weitgehend selbstständig wohnen) bei den Lb selbst bzw. bei ihren Betreuern liegen. Damit lag keine stationäre Leistung vor.
c. Für das Vorliegen einer ambulanten Leistung spricht auch das Fehlen von Verträgen nach §§ 75 ff SGB XII über stationäre Leistungen und die Einschätzung des MDK in dem Pflegegutachten vom 28.09.2010, wonach keine vollstationäre Pflege erforderlich war, weil die häusliche Pflege sichergestellt war (Pflegestufe III mit eingeschränkter Alltagskompetenz). Gegen die Annahme einer stationären Leistungen spricht auch die Praxis mit der Pflegekasse, die für häusliche Pflege als Sachleistung im Sinne von § 36 SGB XI erfolgte und nicht als Pflege in voll stationären Einrichtungen (§ 43 SGB XI).
d. Es lag auch keine teilstationäre Leistung vor. Der Lb lebte am Ort der Hilfeerbringung und suchte das D. nicht nur für einen Teil des Tages auf. Im Übrigen hat das BSG erhebliche Zweifel daran geäußert, ob ein betreutes Wohnen überhaupt in teilstationärer Form erbracht werden kann (BSG Urteil vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R, Rn. 18 ff.).
e. § 1 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) enthält demgegenüber kein verlässliches Abgrenzungskriterium. Während früher der Anwendungsbereich des HeimG an eine institutionelle Form des Wohnens oder Betreut-Werdens anknüpfte und sich beschränkte auf die herkömmlichen Formen stationärer Pflege, stellt das WBVG dagegen auf eine Verbindung von Verträgen zur Überlassung von Wohnraum mit Pflege- und Betreuungsleistungen für ältere sowie pflegebedürftige oder behinderte volljährige Personen ab. Damit erstreckt sich sein Anwendungsbereich auch auf neue Betreuungs- und Wohnformen.
5. Der Kläger war nicht nach § 97 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 SGB XII i. V. m. Art 82 Abs. 2 BayAGSG i. V.m § 97 Abs. 4 SGB XII als überörtlicher Träger sachlich zuständig, weil er nicht Eingliederungshilfe an den Lb durch Betreuung in einer Wohngemeinschaft oder im betreuten Einzelwohnen erbracht hat.
a. Art. 82 Abs. 1 S. 1 BayAGSG (neu gef. m.W.v. 1.1.2008 durch G v. 20.12.2007 GVBl S. 979) bestimmt: „Die überörtlichen Träger der Sozialhilfe sind sachlich zuständig 1. für alle Leistungen der Sozialhilfe nach dem Sechsten Kapitel SGB XII, 2. alle übrigen Leistungen der Sozialhilfe, die in stationären oder teilstationären Einrichtungen gewährt werden, 3. die Leistungen der Blindenhilfe nach § 72 SGB XII“. Art. 82 Abs. 2 BayAGSG besagt: „§ 97 Abs. 4 SGB XII gilt entsprechend, wenn Eingliederungshilfe an Behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen im Sinn des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht wird.“
Der Senat hat bereits entschieden, dass der Begriff des betreuten Wohnens nach Art. 82 Abs. 2 BayAGSG anders auszulegen ist, als der Begriff des betreuten Wohnens in § 98 Abs. 5 SGB XII (Urteil des Senats vom 16. Januar 2016, L 8 SO 235/14, Rn.57). In Art. 82 Abs. 2 BayAGSG wird „Betreuung in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen“ gefordert und Ziel der Vorschrift ist, im Interesse des Leistungsempfängers entsprechend dem Gesamtfallgrundsatz die Leistung aus einer Hand zu erbringen. § 98 SGB XII hat keine Auswirkungen auf die Frage der sachlichen Zuständigkeit (BT-Drs. 16/2711, S. 11). Ist für die betreute Wohnmöglichkeit (etwa eines behinderten Menschen) der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig, geht eine für die vorherige Hilfeleistung bestehende Zuständigkeit des örtlichen Trägers daher auf ihn über (Adolph in: Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, 45. UPD 11/2015, § 98 Örtliche Zuständigkeit, Rn. 74).
Der Wille des Landesgesetzgebers zeigt sich hier insbesondere in der Entstehungsgeschichte, die den Schluss auf eine weit gezogene Auslegung im Sinne des Gesamtfallgrundsatzes erlaubt. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens (Änderungsantrag vom 8.12.2007, Drucksache 15/9458 des Bayer. Landtags) sind zuvor vorgesehene einschränkende Tatbestandsmerkmale gestrichen worden. Zuvor hieß es noch im Entwurf zu Art. 82 Abs. 2 AGSG: „wenn Eingliederungshilfe an Behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen im Sinn des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung in einer therapeutischen Wohngemeinschaft oder in vergleichbar intensiv betreutem Einzelwohnen erbracht wird.“ Dann wurden unter Nummer 4 b) der Gesetzesbegründung (Drucksache 15/8865, Gliederungspunkt 1.3, S. 10 vom 4.12.2007 des bayerischen Landtags betreffend Art. 82 Abs. 2 BayAGSG) die Zusätze „therapeutisches bzw. vergleichbar intensives“ bei „in einer betreuten Wohngemeinschaft oder in vergleichbar intensiv betreutem Einzelwohnen erbracht“ gestrichen. Dies bedeutete damals, dass die Bezirke, die zusätzlich zu ihrer Zuständigkeit für die teilstationäre und stationäre auch die Zuständigkeit für die gesamte ambulante Eingliederungshilfe erhalten haben, für die übrigen Leistungen (z. B. Pflege) auch zuständig werden sollten, wenn in der Form einer betreuten Wohngemeinschaft auch Eingliederungshilfe geleistet wurde. Der Rechtsprechung des 18. Senats des Bayer. LSG (Urteil vom 21.2.2013, Az.: L 18 SO 85/10) ist daher beizupflichten. Der 18. Senat sieht den Gesetzeszweck infrage gestellt, wenn es darauf ankäme, in welchem Umfang Leistungen der Eingliederungshilfe, der Hilfe zur Pflege, der sozialen Pflegeversicherung und gegebenenfalls der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, um zu bestimmen, welcher Sozialhilfeträger für die Erbringung von Leistungen nach dem SGB XII zuständig ist, zumal der anteilige Bedarf in Folge von Änderungen im Gesundheitszustand des Hilfebedürftigen zeitlich variieren könne. Diesem Gedanken hat sich der erkennende Senat angeschlossen. Auch auf die Auslegung durch den Verband der Bezirke kommt es nicht an, wonach der überörtliche Träger nur leisten solle, wenn der Anteil der Eingliederungshilfe in der gesamten Hilfe mehr als unerheblich ist und ein Ausmaß von 2 Stunden erreicht (Ergebnisprotokoll einer Sitzung des Fachausschusses für Soziales des Verbandes der bayerischen Bezirke in Füssen im April 2010). Dabei ist ausgeführt, dass es insbesondere notwendig sei, dass die Eingliederungshilfeleistungen regelmäßig und kontinuierlich erbracht würden, einen Betreuungsschlüssel von mindestens 1 zu 12 bzw. mindestens zwei Fachleistungsstunden direkte Klientenleistung pro Woche umfassten und diese Betreuungsleistungen dem Zweck dienten, die eigenbestimmte Lebensführung durch Unterstützung in der täglichen Lebenswirklichkeit zu verbessern und damit die Fähigkeit im häuslichen nicht stationären Leben zu sichern (Seite 4 des Protokolls).
b. Der Kläger hat hier mit Bescheid vom 07.02.2011 dem Lb Sozialhilfeleistungen in Form der Grundsicherung und ambulanten Hilfen zur Pflege erbracht. Eingliederungshilfen waren weder beim Kläger beantragt (s.u.), noch hat er solche tatsächlich an den Lb erbracht, so dass eine Anwendbarkeit des Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ausscheidet. Es braucht daher auch hier nicht entschieden zu werden, ob Art. 82 Abs. 2 BayAGSG „Eingliederungshilfe …erbracht „ neben der tatsächlichen Gewährung von Eingliederungshilfen auch voraussetzt, dass die vom Dienst erbrachte Hilfe ihrer Art nach als Eingliederungshilfe qualifiziert werden kann (vgl. Urteil des SG München 20.005.2016, S 22 SO 186/15, anhängig unter L 8 SO 155/16). Ohne dass es hier darauf ankäme, spricht gegen eine solche Auslegung der Wortlaut des Art. 82 Abs. 2 BayAGSG („Eingliederungshilfe an Behinderte … durch Betreuung in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht wird.“ Dieser Wortlaut unterscheidet sich von dem in der bundesgesetzlichen Regelung verwendeten Begriff in § 97 Abs. 4 SGB XII, dessen entsprechende Anwendung Art. 82 Abs. 2 BayAGSG anordnet. In § 97 Abs. 4 SGB XII heißt es: „Die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung umfasst auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, …“. Zutreffend hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er keinerlei Eingliederungshilfeleistungen nach dem 6. Kapitel des SGB XII an den Lb erbracht und mit Bescheid vom 07.02.2011 bewilligt hat, so dass eine Anwendung von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ausscheidet. Soweit man mit der Beklagten darauf abstellen will, dass es für die Anwendbarkeit des Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ausreiche, dass die von einem ambulanten Dienst erbrachte Hilfe ihrer Art nach Eingliederungshilfe sein könnte und der Lb einen Anspruch auf die Eingliederungshilfe gehabt hätte, führt auch das hier nicht zu einer All-Zuständigkeit des Klägers nach Art. 82 Abs. 2 BayAGSG: Denn unabhängig von der tatsächlichen Nicht- Bewilligung von Eingliederungshilfeleistungen durch den Kläger im Sozialrechtsverhältnis zum Lb (vgl. Bescheide vom 07.02.2011 und 14.03.20119, hätte der Kläger auch keine Leistungen der Eingliederungshilfe an den Lb durch den Dienst A. erbringen dürfen. Es fehlte nämlich an einer nach § 75 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 SGB XII erforderlichen Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung über die Leistungen, die in dem Betreuungsvertrag vom 15.06.2010 als „Betreuungsvertrag für betreutes Wohnen“ und „Betreuungsvertrag „ Gegenstand waren. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte sind nach § 75 Abs. 3 SGB XII zur Übernahme der Vergütung im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis nur verpflichtet, wenn entsprechende Vereinbarungen mit dem Leistungserbringer vorliegen. Daran fehlte es hier, weil das A. keinerlei Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII geschlossen und auch kein §§ 76, 75 Abs. 4 S. 2 SGB XII entsprechendes Leistungsangebot abgegeben hatte. Es bestand lediglich zwischen dem ambulanten Pflegedienst des D.s und dem Spitzenverband der Pflegekassen eine Vereinbarung nach dem 8. Kapitel des SGB XI für die Abrechnung der ambulanten Pflegeleistungen, die auch für die Sozialhilfeträger wirkte (§ 75 Abs. 5 SGB XII). Der Kläger hätte also gar nicht Eingliederungshilfe erbringen dürfen und hat dies, ausweislich der Abrechnungen, auch nicht getan.
Mangels einer Leistungsvereinbarung oder eines Leistungsangebotes über die Betreuungs- oder Hospizleistungen mit der D. war demnach ausgeschlossen, dass der Lb einen Anspruch auf Eingliederungshilfe für die konkrete Leistung durch den die D. hatte.
6. Der Erstattungsanspruch des Klägers ist nicht nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausgeschlossen. Der Kläger kann sich generell als „erstangegangener“ Träger nicht auf § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX berufen. Der Kläger kann seinen Anspruch gegen die Beklagte schon nicht auf § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX stützen, weil dieser nicht anwendbar ist.
a. Zum einen hat die damalige Betreuerin des LB am 17.06.2010 beim Kläger Leistungen der Grundsicherung und Hilfe zur Pflege und damit ausdrücklich keine Eingliederungshilfeleistungen beantragt. Das BSG hat zuletzt offengelassen, ob für Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII überhaupt der Anwendungsbereich des SGB IX eröffnet ist, weil es sich nicht um Teilhabeleistungen handelt (BSG Urteil vom 25.04.2013, B 8 SO 6/12 R, Rn. 12). Jedenfalls ist der Kläger als Träger der Sozialhilfe nur für Leistungen nach § 5 Nrn. 1, 2 und 4 SGB IX Rehabilitationsträger i. S. § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX. Bei den ausdrücklich von der Betreuerin am 17.06.2010 beantragten Leistungen zur Grundsicherung und Hilfe zur Pflege handelte es nach der vom Senat vorgenommenen Auslegung sich nicht um Leistungen der medizinischen Rehabilitation, Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben und Leistungen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Die Betreuerin hatte beim Kläger am 17.06.2010, anders als im späteren Antrag vom 13.08.2010 an die Beklagte (, wo auch ausdrücklich Leistungen nach dem 6. Kapitel beantragt wurden), ausdrücklich „Sozialhilfe, bzw. falls zutreffend Grundsicherung, bzw. falls zutreffend Hilfe zur Pflege“ beantragt. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine Betreuerin vom Betreuungsverein der inneren Mission e.V. eine genaue Vorstellung von der Art der zu erbringende und beantragten Leistungen hat und diese bewusst als Grundsicherung und Hilfe zur Pflege bezeichnet hat. Letztlich kann aber dahinstehen, ob mit der Formulierung „Sozialhilfe, bzw. falls zutreffend Grundsicherung, bzw. falls zutreffend Hilfe zur Pflege“ auch Eingliederungsleistungen mit beantragt waren, denn die Anwendung des § 14 Abs. 1 SGB IX scheitert ohnehin.
b. Sofern man nämlich auf die generelle Zuständigkeit des Klägers für Teilhabeleistungen am Leben in der Gemeinschaft abstellt (§ 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII, Art. 82 Abs. 1 Nr. 1 AGSG Bayern, § 98 Abs. 1 SGB XII), ist der Kläger Reha-Träger nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX. Er war damit für die am 17.06.2010 beantragten Leistungen, die möglicherweise auch Eingliederungshilfemaßnahmen erfasst haben (siehe oben 6 a), „erstangegangener“ Träger i. S. § 14 Abs. 1 SGB IX. Entgegen seiner Verpflichtung aus § 14 Abs. 1 SGB IX hat der Kläger den Antrag nicht innerhalb von zwei Wochen an die nach seiner Auffassung zuständige Beklagte weitergeleitet, sondern hat den Antrag mit Schreiben vom 24.06.2010 gegenüber der Betreuerin aus sachlichen Gründen abgelehnt, weil keine Pflegesatzvereinbarung bestand. Bei dem Antrag der Betreuerin an die Beklagte vom 25.06.2010 und dem weiteren Antrag vom 13.08.2010 handelte es sich somit um den Antrag an den „zweitangegangenen“ Träger nach § 14 Abs. 2 SGB IX, den diese am 26.08.2010 nach § 16 Abs. 2 SGB I an die Beigeladene (drittangegangener Träger) weiterleitete. Dieser wiederum lehnte gegenüber der Betreuerin den Antrag am 16.09.2010 ab und sandte sämtliche Unterlagen an die Betreuerin zurück.
Unabhängig davon, dass sich sämtliche Träger nicht an das in § 14 SGB IX vorgesehene Verfahren gehalten haben, scheidet ein Erstattungsanspruch des Klägers nach § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX aus, weil es sich dabei um den Anspruch des Trägers, an den weitergeleitet worden ist (§ 14 Abs. 1 S. 2 bis 4 SGB IX, „zweit-“ angegangenen Träger) handelt und der Kläger aber der erstangegangene Träger war. Der Kläger hat den Erstantrag des Lb vom 17.06.2010 entgegen § 14 Abs. 1 SGB IX ohne Weiterleitung an die Beklagte am 24.06.2010 abgelehnt, so dass der Kläger aus § 14 Abs. 1 SGB IX zuständig geworden ist. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in der Entscheidung vom 20.04.2016, B 8 SO 8/14 R unter Rn. 9 zu einer vergleichbaren Konstellation Folgendes ausgeführt:
„Nach Aktenlage jedenfalls hat das LSG seiner Entscheidung zu Unrecht § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX zugrunde gelegt, der nur eingreift, wenn der (Erst-) Rehabilitationsantrag vom sog erstangegangenen Rehabilitationsträger fristgerecht (zwei Wochen nach Antragseingang) an einen anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet worden ist. Aus der Leistungsakte ergibt sich jedoch, dass der Beklagte bereits am 15.2.2006 einen Antrag auf Leistungen in der Wohngemeinschaft der „h gGmbH“ nach Entlassung aus dem Maßregelvollzug abgelehnt hatte, mithin über denselben Leistungsanspruch bereits entschieden hat, ohne den Antrag weitergeleitet zu haben (vgl. zur Anwendung des § 14 SGB IX bei einem Antrag auf „künftige“ Leistungen BSG, Urteil vom 24.2.2016 – B 8 SO 18/14 R – Rn. 16 f). Unter diesen Voraussetzungen wäre der Beklagte selbst nach § 14 Abs. 1 SGB IX auch bei eigentlicher Unzuständigkeit bereits vor der auf einen erneuten Antrag des D ergangenen Bewilligungsentscheidung der Klägerin (vom 26.10.2006) zuständig geworden; an dieser Zuständigkeit hätte sich nichts durch den erneuten Rehabilitationsantrag, der an die Klägerin weitergeleitet worden war, geändert.“
Der Kläger kann seinen Erstattungsanspruch daher nicht auf § 14 Abs. 4 SGB IX stützen, weil er dazu nicht aktivlegitimiert ist.
7. Der Erstattungsanspruch des Klägers aus § 102 SGB X ist nicht nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausgeschlossen. Aus der Tatsache, dass der Kläger als erstangegangener Träger wegen der Missachtung des § 14 Abs. 1 SGB IX ggfs. zuständig geworden ist (vgl. BSG Urteil vom 20.04.2016, B 8 SO 8/14 R, Rn. 10), kann hier nicht geschlossen werden, dass sein Erstattungsanspruch ausgeschlossen ist. Denn der Kläger war wegen des Kompetenzkonflikts und des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz vor dem SG (S 19 SO 538/10 ER) einem Leistungszwang ausgesetzt, der dem eines zweitangegangenen Trägers vergleichbar war, bei dem keine Weiterleitung mehr nach § 14 Abs. 1 SGB IX erlaubt ist (BSG Urteil vom 20.10.2009, B 5 R 44/08 R, vgl. auch Luik in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 14 SGB IX, Rn. 132). Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 21.01.2016 (L 8 SO 235/14, Rn. 35) einen Ausnahmefall angenommen, der in dem dort zu entscheidenden Fall auf einer abweichenden Vereinbarung der dortigen Träger nach § 14 Abs. 4 S. 3, 2. HS SGB IX beruhte. Hier hat der Kläger als erstangegangener Träger seine Zuständigkeit ausdrücklich verneint, sich aber aufgrund des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem SG und dem Drängen der Beklagten (Schriftsätze vom 29.09.2010 und 28.10.2010) am 25.11.2010 in einer Erklärung gegenüber dem SG verpflichtet, vorläufig nach § 43 SGB I Leistungen der Grundsicherung und der Hilfe zur Pflege zu erbringen (Bescheid vom 07.02.2011). Damit hat der Kläger zugunsten der Beklagten und aufgrund des Antrages des Lb nach § 43 Abs. 2 SGB I zwingend nur vorläufig als unzuständiger Träger Leistungen erbracht.
8. Der Erstattungsanspruch nach § 102 Abs. 1 SGB X des Klägers (= des vorläufig leistenden überörtlichen Trägers der Sozialhilfe) richtet sich gegen die Beklagte als zuständige örtliche Trägerin der Sozialhilfe, die sachlich nach § 97 Abs. 1 SGB XII, Art. 81 BayAGSG und nach § 98 Abs. 5 SGB XII örtlich zuständige Trägerin der Sozialhilfe für die ambulante Leistung in Form der ambulant betreuten Wohnmöglichkeit ist.
9. Es handelt sich um eine ambulante Leistung der Sozialhilfe (s.o.), für die sachlich der örtliche Träger der Sozialhilfe zuständig ist (§ 97 Abs. 1 SGB XII), weil der überörtliche Träger (Kläger) nicht sachlich zuständig ist (s.o.).
10. Die Beklagte war nach § 98 Abs. 5 SGB XII örtlich zuständiger (örtlicher) Sozialhilfeträger, weil der Lb vor der Aufnahme in das Hospiz zuletzt im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten wohnte und Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel in Formen ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten erhielt.
Bei den Leistungen des A. handelt es sich um ein betreutes Wohnen im Sinne von § 98 Abs. 5 SGB XII. Dem Wortlaut nach wird die Erbringung von Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel „in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten“ vorausgesetzt (§ 98 SGB XII in der Fassung vom 20.12.2012).
Nach der Gesetzesbegründung (Deutscher Bundestag, Drucksache 15/1514, Seite 67 zum § 93, später § 98 SGB XII) stellt der „neue“ Absatz 5 die Zuständigkeit desjenigen Trägers der Sozialhilfe sicher, der vor Eintritt der Person in Formen betreuter ambulanter Wohnmöglichkeiten zuletzt zuständig war. Der Begriff „betreute Wohnmöglichkeiten“ orientiere sich an dem des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX. § 98 SGB XII hat keine Auswirkungen auf die Frage der sachlichen Zuständigkeit (BT-Drs. 16/2711, S. 11). Ist für die betreute Wohnmöglichkeit (etwa eines behinderten Menschen) der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig, geht eine für die vorherige Hilfeleistung bestehende Zuständigkeit des örtlichen Trägers daher auf ihn über (Adolph in: Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, 45. UPD 11/2015, § 98 Örtliche Zuständigkeit, Rn. 74). § 98 Abs. 5 SGB XII zielt auf den Schutz des Einrichtungsortes ab und verlangt eine Maßnahme des betreuten Wohnens. So führt auch das BSG mit Urteil vom 25.08.2011 (B 8 SO 7/10 R Rn. 15) an: „Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten wird im Gesetz nicht näher definiert, hat sich allerdings über den Verweis in § 54 Abs. 1 SGB XII an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX zu orientieren (BT-Drucks 15/1514, S. 67 zu § 93). Die Eingrenzung der von dieser Leistungsform umfassten Hilfen hat deshalb in erster Linie anhand des Zwecks der Hilfen zu erfolgen. Sinn der Betreuungsleistungen beim betreuten Wohnen ist aber nicht die gegenständliche Zurverfügungstellung der Wohnung, sondern (nur) die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich in Form einer kontinuierlichen Betreuung. Der Art nach darf es sich bei der Betreuung aber nicht um eine vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung handeln, sondern Hauptzielrichtung der Leistungen muss die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein“
In der D. liegt eine Form des ambulant betreuten Wohnens i. S. § 98 Abs. 5 SGB XII vor und damit eine örtliche Zuständigkeit der Beklagten. Der Lb lebte vor dem stationären Krankenhausaufenthalt im I.-Klinikum, der nach § 109 SGB XII keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründete, im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten und wurde unmittelbar aus dem Krankenhaus in die D. nach A-Stadt verlegt.
Bei den vom D. angebotenen Leistungen handelt es sich um solche des ambulant betreuten Wohnens i. S. einer wohnbezogenen Betreuung. Der Lb sollte nach dem Konzept der weitgehend befähigt werden, die Alltagsverrichtungen in seinem Wohnbereich selbstständig durchzuführen und sich in seinem Wohnumfeld zu orientieren. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 98 Abs. 5 SGB XII setzt eine ambulant betreute Wohnform nicht ambulante Teilhabeleistungen nach §§ 54 SGB XII, § 55 SGB IX voraus, sondern kann auch vorliegen, wenn einem Lb ausschließlich Leistungen der Hilfen zur Pflege erbracht werden. Ein „Orientieren“ an dem Begriff des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (BT Ds 15/1514, S 67) ist nicht gleichzusetzen mit dem Erbringen behinderungsbedingter Teilhabeleistungen nach § 54 ff SGB XII.
Soweit auch das BSG in seiner oben zitierten Entscheidung vom 25.08.2011, B 8 SO 7/10 R) auf das Erbringen von Teilhabeleistungen abstellte, ergab sich dies daraus, dass diese in dem vom BSG entschiedenen Fall tatsächlich auch erbracht wurden und insoweit keine Aussage darüber zu treffen war, ob ein ambulant betreutes Wohnen auch dann vorliegt, wenn, wie hier, nur Pflegeleistungen erbracht werden. Dies hat das BSG in seiner jüngsten Entscheidung zum ambulant betreuten Wohnen vom 30.06.2016, B 8 SO 6/15 R, Rn.12, 13 auch klargestellt. Das BSG hat dort Folgendes ausgeführt: „Nach § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII (hier in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 – BGBl I 2670 – erhalten hat) ist für Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel in Formen ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten wird zwar im Gesetz nicht näher definiert; nach der Gesetzesbegründung zur ursprünglichen Normfassung orientiert er sich jedoch an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (BT-Drucks 15/1514, S 67 zu § 93). Soweit der Senat im Hinblick hierauf ausgeführt hat, der Art nach dürfe es sich bei der erforderlichen Betreuung ua nicht um eine solche pflegerischer Art handeln, sondern Hauptzielrichtung der Leistung (für die Annahme einer Eingliederungsleistung) müsse die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein (BSGE 109, 56 ff RdNr. 15 m. w. N. = SozR 4-3500 § 98 Nr. 1), modifiziert er diese Aussage, die in der zitierten Entscheidung für die Anwendung des § 98 Abs. 5 SGB XII ohnedies nicht tragend war, sondern nur der Unterscheidung der Leistungsarten diente.
13 Mit der zum 7.12.2006 vorgenommenen Änderung im Wortlaut der Vorschrift (zuvor nur: „Leistungen an Personen, die Leistungen in Form ambulant betreuter Wohnmöglichkeit erhalten haben“), macht das Gesetz deutlich, dass sämtliche Leistungen der ambulanten Betreuung nach dem Sechsten bis Achten Kapitel – aber auch nur solche, also nicht etwa Leistungen der Altenhilfe – mit der Zielrichtung der Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich (zur Zielrichtung bereits BSG, a. a. O.) gleichgestellt sind. Neben den Leistungen zur Teilhabe kann nach dem ausdrücklichen und unzweideutigen Willen des Gesetzgebers auch die Gewährung von ambulanten Leistungen der Hilfe zur Pflege einen Leistungsfall des „Betreuten-Wohnens“ im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII darstellen, weil die Sicherung der Selbstbestimmung im eigenen Wohn- und Lebensbereich damit einhergeht. Unter Berücksichtigung dieses Wortlauts ist es systematisch ausgeschlossen, die Norm nur für Eingliederungshilfeleistungen des betreuten Wohnens anzuwenden. Der Gesetzgeber versteht vielmehr im Rahmen einer funktionsdifferenten Auslegung auch Leistungen der Hilfe zur Pflege normativ als ambulante Betreuung iS des § 98 Abs. 5 SGB XII, hat dabei also ein weites Begriffsverständnis zugrunde gelegt; auf die für die Leistungsansprüche erforderliche Unterscheidung zwischen Eingliederungshilfe und Pflegehilfe kann es deshalb nicht ankommen, weil ansonsten § 98 Abs. 5 SGB XII für Leistungen der Hilfe zur Pflege (7. Kap des SGB XII) bedeutungslos wäre: Ihr Ziel ist immer die pflegerische Unterstützung, nicht die Eingliederung bzw. Teilhabe (vgl. näher nur Meßling in juris PraxisKommentar (jurisPK) SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 61 SGB XII RdNr. 16 ff m. w. N. zur Rspr). Ob ausnahmsweise für die Anwendung des § 98 Abs. 5 SGB XII etwas anderes gilt, wenn die Hilfe zur Pflege qualitativ eine Intensitätsstufe unterschreitet (etwa sog Pflegestufe Null; s dazu Meßling, a. a. O., RdNr. 82 ff m. w. N.) oder keine kontinuierliche, sondern nur punktuelle pflegerische Betreuung gewährt wird (s zu diesem Gedanken für die Abgrenzung zwischen Hilfe und Pflege und Eingliederungshilfe BSGE 109, 56 ff RdNr. 15 = SozR 4-3500 § 98 Nr. 1), bedarf keiner Entscheidung; keine dieser denkbaren Ausnahmen liegt hier vor.
14 Die Zuständigkeitsregelung beruht auf dem gesetzgeberischen Ziel, Einrichtungsorte nur in bestimmten Fällen zu schützen (vgl. dazu BSGE 109, 56 ff RdNr. 17 = SozR 4-3500 § 98 Nr. 1), und ist insoweit einer Prüfung auf Sinnhaftigkeit nicht zugänglich. Diesem normativen Bestreben, die Verbreitung aller ambulanten Betreuungsformen, die der Verwirklichung eines selbstbestimmten Lebens in Würde dienen, zu unterstützen, liefe es jedenfalls zuwider, wollte man entgegen dem Gesetzeswortlaut eine Abgrenzung nur nach der Art der Leistung vornehmen.“
Das BSG hält an anderer Stelle die Vorschrift des § 98 Abs. 5 SGB XII für wenig durchdacht und inkonsistent und regt eine gesetzliche Neuregelung an (BSG Urteil vom 20.04.2016, B 8 SO 8/14 R, Rn. 11). Gleichwohl ist die Vorschrift geltendes Recht und anzuwenden, wobei entscheidend auf das Ziel der Hilfe abzustellen ist, wie das BSG im Urteil vom Urteil vom 30. Juni 2016 – B 8 SO 7/15 R -, Rn. 19, juris erneut betont hat: „Entscheidend ist das Ziel der Hilfe (vgl: BSGE 109, 56 ff RdNr. 15 f = SozR 4-3500 § 98 Nr. 1; BSGE 103, 171 ff RdNr. 17 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 5; für die Abgrenzung von Leistungen im Bereich der Jugendhilfe ebenso BVerwGE 144, 364 ff RdNr. 17), das beim Ambulant-betreuten-Wohnen umfassend in der Verselbstständigung der Lebensführung des behinderten Menschen in seinem eigenen Wohn- und Lebensumfeld zu sehen ist. Dieses (weite) Verständnis betonen ausdrücklich der ursprünglich vorgesehene Normtext des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX im Entwurf des SGB IX (vgl. BT-Drucks 14/5074, S 22: „Hilfen zur Verselbstständigung in betreuten Wohnmöglichkeiten“) und die dazu gegebene Begründung: Die bisher für solche Hilfen herangezogene Rechtsgrundlage des § 40 Abs. 1 Nr. 8 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) („Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“) i. V. m. § 19 Eingliederungshilfe-Verordnung sollte nur konkretisiert und verallgemeinert werden (BT-Drucks 14/5074, S 111). Die letztlich Gesetz gewordene Formulierung geht auf eine Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zurück, die der Klarstellung dienen sollte (vgl. BT-Drucks 14/5786, S 48 und BT-Drucks 14/5800, S 29). Leistungen des Ambulant-betreuten-Wohnens können somit nicht auf unmittelbar wohnungsbezogene Hilfen, z. B. die Hilfe zum Sauberhalten der Wohnung, beschränkt werden. Der behinderte Mensch soll vielmehr dazu befähigt werden, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohn- und Lebensbereich möglichst selbstständig vorzunehmen (Luthe in juris PraxisKommentar SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 55 RdNr. 44; im Ergebnis Scheider in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 54 SGB XII RdNr. 69). Es genügt mithin, ist aber auch erforderlich, dass durch die geleistete Hilfe das selbstständige Leben und Wohnen ermöglicht werden soll, indem z. B. einer Isolation bzw. Verwahrlosung, einer relevanten psychischen Beeinträchtigung oder einer stationären Unterbringung entgegengewirkt wird, die mit einer Übernahme der Gesamtverantwortung für die gesamte Lebensführung des behinderten Menschen durch die Einrichtung (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BSG SozR 4-3500 § 98 Nr. 3 RdNr. 18) einhergeht, damit der behinderte Mensch durch den Verbleib in der eigenen Wohnung einen Freiraum für die individuelle Gestaltung seiner Lebensführung erhält.“
Nach dem Konzept des Hospizvereins war hier die Begleitung kranker und sterbender Menschen in familiärer Atmosphäre auf ihrem Weg Ziel der Hilfe. Es ging um die Unterstützung der selbstständigen Lebensführung bis zum Schluss. Kranke und sterbende Menschen sollten bis zum Lebensende weitgehend selbstständig wohnen, auf Wunsch sollte ihnen aber durch niedergelassene Ärzte und ambulante Pflegedienste die individuell notwendige Betreuung zur Verfügung stehen. Die geschuldeten Leistungen zum betreuten Wohnen bestanden in den Grundleistungen (24- Notruf, Bereitstellung täglich erreichbarer Kontaktpersonen, Vermittlung von Kontakten und Hilfen im hauswirtschaftlichen Bereich, Vermittlung qualifizierter Fachberatung, Vermittlung von ambulanten Diensten usw.). Für diese Grundleistungen des Betreuten Wohnens wurde die Grundpauschale von 156, 13 EUR monatlich erhoben.
Daneben gab es Betreuungsleistungen der Hospizgemeinschaft, die mit monatlich 330 EUR vergütet wurden. Diese umfassten u. a. den spirituellen, seelischen und psychologischen Beistand für den Lb und deren Angehörigen (der Lb hatte solche aber nicht), im Fall des Todes zusätzlich anfallende Aufgaben.
Unerheblich ist, dass gerade die hier ausschlaggebenden Betreuungsleistungen nach den Ziffern 1 und 2 des Betreuungsvertrages vom 15.06.2010 nicht als Eingliederungshilfeleistungen vergütet werden konnten, weil es an einer Leistungsvereinbarung oder einem Leistungsangebot fehlte (vgl. oben unter 9 b.). Diese Betreuungsleistungen wurden vom Kläger ausdrücklich auch nicht bezahlt, so dass diese Leistungen im Umfang von 13.092,57 EUR offen blieben (vgl. Anlage zu Schreiben D. an den Kläger vom 22.03.2011, Schreiben des Beigeladenen an den Senat vom 18.11.2016). Gleichwohl begründen diese Leistungen die Zielrichtung der Hilfe für den Lb.
Nach dem Ziel der Hilfe war hier sehr wohl die Verselbstständigung bzw. der Erhalt der Selbstständigkeit der Lebensführung des sterbenden Menschen in seinem eigenen Wohn- und Lebensumfeld Ziel der Maßnahme. Der Argumentation der Beklagten, wonach es in einem Hospiz gerade nicht um die Eingliederung in Gemeinschaft, sondern um eine Form der Ausgliederung aus dieser geht, kann nicht gefolgt werden, weil auch einem sterbenden Menschen nicht das Recht auf selbstbestimmte Lebensführung im Rahmen der ihm verbliebenen Restmöglichkeiten abgesprochen werden kann.
11. Der Umstand, dass es sich bei den dem Lb gewährten Hilfen zwar um Leistungen des ambulant betreuten Wohnens handelt, aber tatsächlich Pflegeleistungen im Vordergrund standen (vgl. auch Bayer LSG Urteil vom 21.Januar 2016, L 8 SO 235/14) führt hier nicht zu einem anderen Ergebnis: Anders als in dem vom Senat bereits entschiedenen Fall lag beim Lb neben dem allgemeinen Pflegebedarf nach dem SGB XI auch eine eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45 a ff SGB XI vor (MDK Gutachten vom 28.09.2010). Daneben lagen auch die Voraussetzungen für ambulante Leistungen der Krankenversicherung nach § 37 b SGB V vor (spezialisierte ambulante Palliativversorgung, §§ 132 d, 132 f SGB V). Leistungen nach § 38 a SGB XI (Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen) wurden nicht gewährt, weil diese Vorschrift zum streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht in Kraft war.) Bei beiden Leistungen kann man aber nicht unterstellen, dass die Pflege und die Palliativbetreuung den mit den Grundleistungen zum betreuten Wohnen umfassten Bedarf des Lb mitabdecken, weil es sich zum einen um den Ausgleich der Bedarfe bei den eingeschränkten Alltagskompetenzen und zum anderen um die besonderen Bedarfe der ambulanten Palliativbehandlung handelt. Nachdem hier auch keine Eingliederungshilfeleistungen an den Lb „erbracht“ wurden (s.o.), sind die für das ambulant betreute Wohnen von der D. erbrachten Betreuungsleistungen nach dem weiten Begriff des § 98 Abs. 5 SGB XII zu würdigen. Die Leistungen, die als Grundleistungen betreutes Wohnen im Betreuungsvertrag vom 15.06.2010 beschrieben wurden, decken sich nicht mit den Leistungen, die im Rahmen der Pflege und der ambulanten Palliativversorgung zu erbringen waren.
Damit ist der Anwendungsbereich des § 98 Abs. 5 SGB XII eröffnet, von dessen Wortlaut ein ambulant betreutes Wohnen auch dann vorliegt, wenn ausschließlich Leistungen nach dem 7. Kapitel (Pflege) erbracht werden.
12. Der Erstattungsanspruch ist auch in der geltend gemachten Höhe von 32.750,18 EUR begründet. Der Kläger hat entsprechend der Bewilligung der vorläufigen Leistungen in dem Bescheid vom 07.02.2011 an den Lb Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung, Hilfe zur Pflege und Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge erbracht, wobei er die Ewerbsminderungsrente als Einkommen angerechnet und die Leistungen der Pflegeversicherung in Abzug gebracht hat. In der Anlage zur Klageschrift zum SG vom 11.11.2011 hat der Kläger die für den Lb bewilligten und gezahlten Leistungen aufgelistet und nach Regelleistungen, Kosten der Unterkunft und Heizung, Pflegeleistungen und Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen jeweils für den Zeitraum vom 17.06.2009 bis 13.03.2010 aufgelistet. Anhaltspunkte dafür, die Höhe der Erstattungsforderung in Zweifel zu ziehen, liegen nicht vor.
Das Urteil des SG erging zu Recht. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
13. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG, § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Die Beklagte hat die gesamten Kosten zu tragen. Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 3 VwGO.
14. Die Revision wird nicht zugelassen. Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

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