Sozialrecht

Erwerbsminderung, Rente, Bescheid, Berufskrankheit, Wartezeit, Arbeitsunfall, Versicherungspflicht, Arbeitsentgelt, Widerspruchsbescheid, Krankenhaus, Widerspruch, Anspruch, Ehezeit, Beitragszeiten, Rente wegen Erwerbsminderung, allgemeine Wartezeit, Rente wegen voller Erwerbsminderung

Aktenzeichen  S 12 R 307/20

Datum:
8.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 53065
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 17.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2020 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die form- und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht Landshut erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig, sachlich aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 17.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger/die Klägerin nicht in seinen Rechten.
Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden hierzu gehört.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) oder Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 SGB VI kommt von vornherein nicht in Betracht, da der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 2 S. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1.teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2.in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung besteht nicht, weil der Kläger die allgemeine Wartezeit (§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI bzw. § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB VI) nicht erfüllt.
Nach § 50 Abs. 1 SGB VI beträgt die allgemeine Wartezeit fünf Jahre. Auf diese Wartezeit werden angerechnet:
– Kalendermonate mit Beitragszeiten (§ 51 Abs. 1 SGB VI),
– Ersatzzeiten (§ 51 Abs. 4 SGB VI),
– Zeiten, die sich aufgrund eines zugunsten des Versicherten durchgeführten Versorgungsausgleichs ergeben, soweit die in die Ehezeit fallenden Kalendermonate nicht bereits für die Wartezeit berücksichtigt sind (§ 52 Abs. 1 SGB VI),
– Zeiten, die sich aufgrund eines Splittingzuwachses bei einem Rentensplitting unter Ehegatten ergeben, soweit die in die Splittingzeit fallenden Kalendermonate nicht bereits für die Wartezeit berücksichtigt sind (§ 52 Abs. 1a SGB VI),
– Zeiten, die sich durch Zuschläge an Entgeltpunkten für Arbeitsentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung ergeben, wobei Zuschläge an Entgeltpunkten aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung, die in Kalendermonaten ausgeübt wurde, die bereits auf die Wartezeit anzurechnen sind, unberücksichtigt bleiben (§ 52 Abs. 2 SGB VI).
Die allgemeine Wartezeit ist nach § 53 Abs. 1 SGB VI vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte
– wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit,
– wegen einer Wehrdienstbeschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz als Wehrdienstleistende oder Soldaten auf Zeit,
– wegen einer Zivildienstbeschädigung nach dem Zivildienstgesetz als Zivildienstleistende oder
– wegen eines Gewahrsams (§ 1 Häftlingshilfegesetz) vermindert erwerbsfähig geworden sind.
Bei einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit ist die allgemeine Wartezeit allerdings nur dann vorzeitig erfüllt, wenn bei Eintritt des Arbeitsunfalls oder Berufskrankheit Versicherungspflicht bestand oder in den letzten zwei Jahren davor mindestens ein Jahr mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit liegt.
Nach § 53 Abs. 2 SGB VI ist die allgemeine Wartezeit auch vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Der Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung verlängert sich um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren.
Im Versicherungsverlauf des Klägers sind insgesamt 39 Pflichtbeitragszeiten in Deutschland sowie in Kroatien nachgewiesen. Weitere Beitragszeiten sind weder in Deutschland noch in Kroatien vorhanden. Aufgrund der geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung, die der Kläger in der Zeit vom 01.02.2001 bis 31.03.2001 ausübte, ist nach § 52 Abs. 2 i.V.m. § 76b SGB VI ein zusätzlicher Monat auf die Wartezeit anzurechnen. Weitere rentenrechtliche Zeiten, die auf die allgemeine Wartezeit anrechenbar sind, liegen nicht vor. Damit ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass 40 Kalendermonate vorliegen, die auf die allgemeine Wartezeit anzurechnen sind. Auch der Kläger selbst trägt vor, dass er „40 Monate“ habe. Die allgemeine Wartezeit beträgt aber fünf Jahre, d.h. 60 Monate.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Fall der vorzeitigen Wartezeiterfüllung nach § 53 SGB VI vorliegt. Insbesondere ist kein Fall des § 53 Abs. 2 SGB VI gegeben. Danach ist die Wartezeit vorzeitig erfüllt, wenn der Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden ist und in den letzten zwei Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat. Besteht während der Ausbildung Versicherungspflicht, greift die Fiktion der Wartezeiterfüllung des § 53 Abs. 2 SGB VI nicht (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 2000 – B 4 RA 14/99 R -, SozR 3-2600 § 53 Nr. 1).
Der Kläger hatte bereits im früheren Verfahren mitgeteilt, dass er keine Ausbildung absolviert hat, er sei als Koch nur angelernt worden. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es sich dabei um eine versicherungsfreie Ausbildung im Sinne von § 53 Abs. 2 SGB VI gehandelt hat.
Soweit der Kläger davon ausgeht, dass „40 Monate“ für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ausreichen, ist davon auszugehen, dass der Kläger die Voraussetzung der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren (60 Monate) (vgl. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI bzw. § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB VI) mit der weiteren versicherungsrechtlichen Voraussetzung der Leistung von drei Jahren (36 Monate) Pflichtbeiträge innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung verwechselt (vgl. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI bzw. § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI). Die Voraussetzungen müssen jedoch kumulativ vorliegen, nicht alternativ.
Da die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt ist, besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Der streitgegenständliche Bescheid ist daher rechtmäßig und die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


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