Aktenzeichen S 20 SO 80/14
SGB IX § 2, § 15 Abs. 1 S. 4
SGB XII § 9 Abs. 2 S. 3, § 53, § 54, § 92 Abs. 2 Nr. 1
Eingl-HV § 22
Leitsatz
1 Ob eine Eingliederungshilfemaßnahme vorliegt richtet sich nach dem individuellen Förderverständnis nicht nach der Einrichtung, sondern nach der im Einzelfall erforderlichen, personenbezogenen Maßnahme. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)
2 Fahrtkosten mit einem Fahrdienst zu einer die Eingliederungshilfemaßnahme durchführenden Einrichtung sind sogenannte „Annexkosten“ zur Eingliederungshilfemaßnahme. (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 21.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2014 verurteilt, an die Klägerin für die Fahrtkosten von zu Hause zur Einrichtung ” G.” A-Stadt im Zeitraum vom 01.09.2013 bis 31.08.2015 einen Aufwendungsersatz in Höhe von 2.310,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4% p.a. seit dem 01.09.2015 zu bezahlen.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.
Gründe
Die zulässige Klage erweist sich in vollem Umfang als begründet.
I.
Die form- und fristgerechte, kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Nürnberg erhoben worden.
II.
Der Bescheid vom 21.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil der Beklagte darin zu Unrecht die Fahrtkostenübernahme für eine anwesenheitstägliche Beförderung der Klägerin durch einen Fahrdienst von Zu Hause zur integrativen Kindertagesstätte „G.“ und wieder zurück abgelehnt hat (1.). Für die durch die Eltern selbst durchgeführten Fahrten hat der Beklagte daher eine Kostenerstattung bzw. einen Aufwendungsersatz in der von der Klägerin geltend gemachten Höhe zu leisten (2.).
1. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil er zu Unrecht die von der Klägerin begehrte Übernahme der Fahrtkosten abgelehnt hat.
Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhalten Personen, die durch Behinderung im Sinne des § Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Leistungen der Eingliederungshilfe sind nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII u.a. Leistungen nach § 55 SGB IX. Diese Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werde erbracht, um behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 55 Abs. 1 SGB IX). Leistungen in diesem Sinne sind insbesondere auch heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind (§§ 55 Abs. 2 Nr. 2, 56 SGB IX).
Die Klägerin gehört unstreitig zum Personenkreis der nach den §§ 53ff SGB XII i.V.m. § 2 SGB IX Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe. Das bedeutet, dass die Klägerin einen Eingliederungshilfeanspruch dem Grunde nach hat. Art und Maß der Eingliederungshilfe sind nach § 17 Abs. 2 SGB XII nach pflichtgemäßem Ermessen zu erbringen.
Infolgedessen hat der Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 08.07.2013 der Klägerin nach pflichtgemäßem Ermessen auch Eingliederungshilfe wegen Behinderung in Form der Übernahme der Kosten für die teilstationäre Betreuung in der integrativen Kindertageseinrichtung „G.“ ab dem 01.09.2013 bis zu Einschulung bewilligt.
Nach Auffassung der Kammer handelt es sich entgegen den Ausführungen des Beklagten hierbei selbstverständlich um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe, andernfalls der Beklagte einen rechtswidrigen Bescheid ohne Rechtsgrundlage bzw. nicht auf der Grundlage der §§ 53ff SGB XII erlassen hätte.
Ohne jeden Zweifel hat der Beklagte mit dem o.g. Bescheid vom 08.07.2013 eine teilstationäre Eingliederungshilfemaßnahme nach § 53ff SGB XII i.V.m. §§ 55 Abs. 2 Nr. 2, 56 SGB IX bewilligt.
Die Ausführungen des Beklagten, die dies u.a. unter Hinweis auf die Teil-Finanzierung der Maßnahme oder auf die Trägerschaft der Einrichtung in Zweifel ziehen, sind für die Kammer nicht nachvollziehbar und konterkarieren den o.g. Bewilligungsbescheid: Am Charakter der Maßnahme als Eingliederungshilfe ändert weder der Umstand etwas, dass die Maßnahme dadurch sichergestellt wird, dass der Beklagte der Einrichtung einen erhöhten Gewichtungsfaktor bezahlt, noch, dass für die Einrichtung ansonsten (d.h. für nichtbehinderte Kinder) der Jugendhilfeträger zuständig sein soll.
Abzustellen ist nach dem individuellen Förderverständnis nicht auf die Einrichtung, sondern auf die im Einzelfall erforderliche, personenbezogene Maßnahme. Benötigt und bewilligt worden ist eine heilpädagogische Leistung für Kinder, die noch nicht eingeschult worden sind. Es handelt sich hierbei eindeutig um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe für ein behindertes, noch nicht eingeschultes Kind, und somit nicht um eine Maßnahme der Jugendhilfe; dies gilt selbst dann, wenn diese Hilfe konkret in einer Einrichtung erbracht wird, die für andere Maßnahmen von der Jugendhilfe ebenfalls benutzt wird. Dass der Einrichtung für die konkrete behinderungsbedingte, heilpädagogische Förderung der Klägerin und somit im Rahmen der Eingliederungshilfe durch den Beklagten ein höherer Gewichtungsfaktor zur Sicherstellung der konkreten und personenbezogenen Eingliederungshilfe bezahlt wird, ändert nichts am personenbezogenen Maßnahmecharakter, sondern bestätigt diesen gerade. Entscheidend für den Maßnahmecharakter sind ausgehend von der leistungsberechtigten Person der Bedarf und das Förderziel und nicht in erster Linie die Mittel und Wege der Förderung. Es ist vielmehr ein offenes Begriffsverständnis zugrunde zu legen, so dass auch andere Disziplinen mit der Aufgabenerfüllung betraut werden können (vgl. Luthe in Schlegel/Voelzke, juris-PK IX, 2. Auflage, § 56 RdNr. 18). Heilpädagogische Maßnahmen umfassen daher alle Maßnahmen, die die Entwicklung des Kindes und die Entfaltung seiner Persönlichkeit mit heilpädagogischen Mitteln anregen (vgl. § 6 Frühförderungsverordnung), wie etwa die integrative Förderung in einer Kindertageseinrichtung.
Danach handelt es sich vorliegend eindeutig um eine Leistung der Eingliederungshilfe.
Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei den zunächst beantragten Fahrtkosten mit einem Fahrdienst auch um ebenfalls zu übernehmende sogenannte „Annexkosten“ zu der vorbeschriebenen Eingliederungshilfemaßnahme:
Bereits nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, 14.10.1994, Az.: 5 B 114/93 m.w.N.) zur Vorgängervorschrift des § 40 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) waren Fahrtkosten, die entstehen, weil anders eine Eingliederungshilfemaßnahme nicht durchgeführt werden kann, notwendiger Bestandteil dieser Maßnahme und deshalb dem Grunde nach wie diese vom Sozialhilfeträger tragen und nicht etwa Hilfe zum Lebensunterhalt.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass das BVerwG nicht fordert, diese Maßnahme müsse „vollumfänglich“ sein, wie der Beklagte fordert, was auch immer er sich darunter vorstellen mag, z.B. vollständige Bedarfsdeckung oder alleinige Maßnahmefinanzierung durch den Träger der Eingliederungshilfe.
Das Bundessozialgericht führt diese Rechtsprechung fort (vgl. etwa BSG, 20.09.2012, Az.: B 8 SO 15/11 R), betont in diesem Zusammenhang aber, dass es für solche Annexkosten erforderlich sei, dass die Maßnahme an der Person des behinderten Menschen ansetzen müsse, was vorliegend unzweifelhaft bei der teilstationären heilpädagogischen Förderung der Klägerin der Fall ist, und dass geltend gemachte Fahrtkosten unmittelbar mit der Maßnahme verknüpft sind und allein dieser behinderungsspezifischen Fördermaßnahme dienten.
Dies ist vorliegend zur Überzeugung der Kammer gegeben: eine teilstationäre heilpädagogische Förderung der Klägerin kann nicht zu Hause erbracht werden, sondern logischerweise nur in einer Einrichtung. Dem kann der Beklagte nicht entgegenhalten, der Weg zur Einrichtung sei von der Klägerin auch ohne deren Behinderung zurückzulegen gewesen, wenn sie diese als Nichtbehinderte im Rahmen eines Kindergartenbesuchs aufgesucht hätte: Diese Sichtweise verkennt nach Auffassung der Kammer, dass die Klägerin die konkrete Einrichtung nicht deswegen aufsucht, um dort in den Kindergarten zu gehen, sondern um dort behinderungsbedingte Eingliederungshilfe in Form teilstationärer heilpädagogischer Leistungen zu erhalten. Gerade deswegen konnte die Klägerin auch bei der Wahl der Einrichtung nicht auf jedwede Kindertagesstätte zurückgreifen, sondern musste sich auf den Kreis der integrativen Kindertagesstätten beschränken, in denen eine solche behinderungsspezifische Förderung möglich ist und in denen ein Platz frei ist.
Entscheidend ist aus Sicht der Kammer, dass die zuletzt mit Bescheid vom 08.07.2013 bewilligte konkrete Eingliederungshilfemaßnahme nicht hätte durchgeführt werden können, wenn die Klägerin die Einrichtung nicht aufgesucht hätte. Der Weg zur Einrichtung diente damit aber der konkret im Rahmen der Eingliederungshilfe bewilligten, teilstationären heilpädagogischen Maßnahme und war damit maßnahmespezifisch.
Die Voraussetzungen für eine Qualifizierung der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Einrichtung als sogenannte Annexleistung im Sinne des BVerwG und des BSG sind damit aus Sicht der Kammer erfüllt.
Dem steht auch nicht der sog. Mehrkostenvorbehalt des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII entgegen, wonach Wünschen der Leistungsberechtigten nicht entsprochen werden soll, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre. Die Behauptung der Klägerin, es habe bei Erstaufnahme in die Einrichtung nur in dieser für sie ein integrativer Kindertagesstättenplatz zur Verfügung gestanden, ist vom insofern beweisbelasteten Beklagten durch nichts wiederlegt worden. Insbesondere hätte dieser nachweisen müssen, in welcher gleichermaßen geeigneten, wohnortnäheren Einrichtung, zu welchem konkreten Zeitpunkt konkret für Klägerin ein geeigneter integrativer Platz zur Verfügung gestanden hätte (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII Kommentar, 4. Auflage, § 9, RdNr. 33). Der Beklagte hätte sich einer Kostenübernahme im Hinblick auf den Mehrkostenvorbehalt mithin nur dann entziehen können, wenn er der Klägerin eine konkrete, zur Deckung ihres Eingliederungshilfebedarfs ebenfalls geeignete anderweitige Betreuungsmöglichkeit nachgewiesen hätte und der Klägerin die Wahrnehmung dieser Möglichkeit zuzumuten gewesen wäre (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, 24.05.2007, Az.: L 8 SO 136/06). Ein derartiges konkretes Angebot hat der Beklagte der Klägerin jedoch nie unterbreitet. Die Einwendungen des Beklagten hinsichtlich des Mehrkostenvorbehalts laufen daher ins Leere.
Der Beklagte hätte demnach ursprünglich die Übernahme der beantragten Fahrtkosten bewilligen müssen. Insofern besteht kein Ermessen nach § 17 Abs. 2 SGB XII, da diese Annexkosten das Schicksal der notwendigen, konkreten (Haupt-) Maßnahme teilen und sich ein etwaiges Ermessen insofern auf Null reduziert.
Die dementsprechende Ablehnung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die angefochtenen Bescheide sind daher aus diesem Grunde aufzuheben.
2. Aufgrund dessen hat der Beklagte der Klägerin die Fahrtkosten im geltend gemachten Umfang zu erstatten.
Die infolge der zwischenzeitlich durch die Eltern bewerkstelligten Fahrten erfolgte Klageänderung nach § 99 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Kostenerstattung / Aufwendungsersatz ist zulässig, weil sich der Beklagte auf die abgeänderte Klage, ohne der Änderung zu widersprechen, eingelassen hat und das Gericht unabhängig davon diese für sachdienlich hält.
Der Anspruch auf Kostenerstattung ergibt sich unmittelbar aus der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, wonach die Kosten für die selbstbeschaffte Leistung zu erstatten sind, wenn der Rehabilitationsträger (hier Träger der Eingliederungshilfe) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
Der Beklagte hat die Fahrtkostenübernahme zu Unrecht abgelehnt (s.o. I.1.) und ist somit grundsätzlich zur Erstattung der selbstbeschafften Leistung verpflichtet.
§ 2 Abs. 1 SGB XII, wonach Sozialhilfe nicht erhält, wer sich selbst helfen kann oder die erforderliche Hilfe von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält, kann dem nicht entgegengehalten werden.
Zwar setzen Sozialhilfeleistungen vom Grundgedanken einen aktuellen Bedarf voraus; dies gilt allerdings aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz, GG) nicht bei einer rechtswidrigen Ablehnung der Hilfegewährung und zwischenzeitlicher Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe Dritter, wenn der Hilfesuchende innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf eingelegt hat und im Rechtsbehelfsverfahren die Hilfegewährung erst erstreiten muss (vgl. BSG, 22.03.2012, Az.: B 8 SO 30/10 R). § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ist insofern Ausdruck des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs rechtswidrigen Handelns, der letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip herrührt. Andernfalls könnten sich Sozialhilfeträger ihren gesetzlichen Leistungsverpflichtungen im Ergebnis durch rechtswidrige Leistungsablehnungen entziehen.
Der Kostenerstattung steht nicht entgegen, dass die Eltern die Beförderung selbst vorgenommen haben.
Nach § 19 Abs. 3 SGB XII wird u.a. Eingliederungshilfe geleistet, soweit den Leistungsberechtigten und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels SGB XII nicht zuzumuten sind.
Nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII ist dem vorstehend genannten Personenkreis die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten für den Lebensunterhalt zuzumuten bei der Hilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen soll.
Das bedeutet, dass die teilstationäre Eingliederungshilfemaßnahme für die Klägerin und deren Eltern kostenprivilegiert ist, d.h. außer Einsatz von Einkommen für ersparte Aufwendungen im Lebensunterhalt keine Eigenbeteiligung gefordert werden kann.
Annexkosten wie die vorliegenden Fahrtkosten teilen dieses Schicksal der Hauptmaßnahme und sind nicht Hilfe zum Lebensunterhalt (vgl. bereits zitierte Rechtsprechung des BVerwG und des BSG).
Etwas anderes würde auch dem Gedanken der Annexkosten zuwiderlaufen: Diese sind gerade deswegen zu übernehmen, weil sie notwendig sind für die Realisierung der Hauptmaßnahme. Würden nunmehr die Annexkosten, anders als die Hauptmaßnahme, von weiterreichendem Mitteleinsatz als bei der Hauptmaßnahme abhängig gemacht, so könnte dies im Ergebnis die Hauptmaßnahme an sich verhindern.
Das vorstehende Kostenprivileg trifft sowohl die Klägerin als auch deren Eltern. Beide sollen vor Inanspruchnahme geschützt werden.
Nach Auffassung der Kammer kann es aber aufgrund dieses Kostenprivilegs letztlich keinen wesentlichen Unterschied machen, ob die Klägerin sich die Leistung von einem Dritten selbst beschafft hat oder ihre Eltern diese Leistung von einem Dritten selbst beschafft haben und diesbezüglich in Vorleistung gegangen sind (so BSG 22.03.2012, Az.: B 8 SO 30/10 R) oder die Eltern selbst die zu Unrecht vom Beklagten verweigerte Leistung erbracht haben – wie vorliegend.
Denn selbst wenn die Eltern möglicherweise hierzu im Normalfall im Rahmen von Unterhaltleistungen gegenüber der Klägerin verpflichtet gewesen wären, so wäre es der Klägerin unzumutbar, gegebenenfalls im Rahmen eines Zivilprozesses sich entsprechenden Erstattungsansprüchen der Eltern erwehren zu müssen, oder andernfalls sich einem zivilrechtlichen Verfahren gegen ihre Eltern ausgesetzt zu sehen, zum Beispiel im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag (vom BSG nur im sozialhilferechtlichen Leistungsdreieck ausgeschlossen, vgl. BSG 25.09.2014, Az.: B 8 SO 8/13 R) bei möglicherweise fehlender Unterhaltsverpflichtung.
Jedenfalls reicht nach Auffassung der Kammer der Folgenbeseitigungsanspruch und damit § 15 SGB IX auch in personeller Hinsicht so weit, wie die Kostenprivilegierung des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII reicht. Das bedeutet, dass selbst dann, wenn man einen unmittelbaren Schaden der Klägerin infolge der Vorleistung der Eltern verneinen würde, diese gleichwohl einen Anspruch hätte, wohingegen die vorleistenden Eltern nur den Schaden, aber keinen Anspruch hätten.
Dies ist die klassische Konstellation der aus dem Zivilrecht bekannten sog. Drittschadensliquidation, wonach der Anspruchsinhaber einen zufälligerweise nicht bei sich, sondern einem Dritten eingetretenen Schaden geltend machen kann.
Zumindest in analoger Anwendung dieses Rechtsgedankens steht der Klägerin daher auch vorliegend Kostenerstattung zu.
Ein Rückgriff auf § 22 Eingliederungshilfeverordnung ist jedoch entgegen der klägerischen Auffassung nicht möglich, weil die Begleitperson nicht zur Hauptmaßnahme, also der teilstationären Eingliederungshilfe selbst hat anwesend sein müssen.
Hinsichtlich der Höhe der Kostenerstattung ist anzumerken, dass diese schwer bezifferbar ist, da keine Fremdleistung gegen Rechnung selbst beschafft worden ist, zumindest bislang auch keine Rechnung der Eltern gestellt worden ist.
Wegen der vergleichbaren Problemgestaltung bietet sich jedoch die von der Klägerin vorgenommene Anlehnung an § 22 Eingliederungshilfeverordnung an, so dass der Kammer ein Ansatz von 0,25 € je Fahrkilometer angemessen erscheint.
Im übrigen wird auf die zutreffende Berechnung der Klägerin verwiesen. Der Beklagte hat der Klägerin daher Kosten in Höhe von 2.310,00 € zu erstatten.
Der Zinsanspruch beruht auf § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).
Damit ist die Klage in vollem Umfang begründet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.