Sozialrecht

Festsetzung von Säumniszuschlägen zur Gewerbesteuer

Aktenzeichen  4 ZB 19.487

Datum:
29.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2020, 2495
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 1 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 5, Abs. 3, § 222, § 227, § 240 Abs. 1, § 258

 

Leitsatz

1. Ein Säumniszuschlag entsteht kraft Gesetzes bei Verwirklichung des Tatbestands der Säumnis. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Vollstreckungsaufschub – sei es nach § 258 AO oder nach Art. 26 Abs. 7 S. 1 VwZVG iVm § 802b Abs. 2 ZPO – berührt die Fälligkeit der Steuerforderung und damit das Entstehen von Säumniszuschlägen nicht. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Unmöglichkeit rechtzeitiger Zahlung wegen Überschuldung und Zahlungsfähigkeit, gebietet regelmäßig zumindest den teilweisen Erlass der Säumniszuschläge. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Erlass von Säumniszuschlägen unterhalb der Schwelle von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit (im insolvenzrechtlichen Sinn) kann in Betracht kommen, wenn im Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungspflicht hinsichtlich der Hauptforderung eine wirtschaftliche Gesamtlage bestanden hat, in der ein Hinausschieben der Fälligkeit insbesondere durch Stundung nach § 222 AO möglich und geboten gewesen wäre. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 10 K 17.5931 2018-10-25 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. Oktober 2018 wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.286 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen zur Gewerbesteuer und begehrt hilfsweise deren Erlass.
Der Kläger unterhält im Gemeindegebiet der Beklagten einen Gewerbebetrieb. Aufgrund entsprechender Mitteilungen des Finanzamts Rosenheim über Gewerbesteuermessbeträge zog die Beklagte den Kläger für die Jahre 2009 bis 2013 zu Gewerbesteuerforderungen bzw. Vorauszahlungen heran, die dieser nicht bzw. nicht vollständig beglich. Nach erfolglosen Mahnungen erteilte die Beklagte am 14. Oktober 2013 beim Amtsgericht Rosenheim – Gerichtsvollzieher – einen Vollstreckungsauftrag über ausstehende Gewerbesteuerforderungen in Höhe von 27.324 Euro. Hierauf wurden teilweise Zahlungen in unterschiedlicher Höhe geleistet. Mit fünf Bescheiden jeweils vom 8. Dezember 2015 setzte die Beklagte Säumniszuschläge auf die Gewerbesteuerrückstände für die Jahre 2009 bis 2013 in Höhe von insgesamt 5.286 Euro fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt mit Bescheid vom 26. April 2016 zurück. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2017 beantragte der nunmehr bestellte Verfahrensbevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten, die Bescheide vom 8. Dezember 2015 zurückzunehmen, hilfsweise, die Säumniszuschläge zu erlassen und bereits geleistete Zahlungen zurückzuerstatten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. November 2017 ab.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25. Oktober 2018 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe weder einen Anspruch auf Rücknahme der die Säumniszuschläge festsetzenden Bescheide noch auf Erlass der festgesetzten Beträge; auch sei die Beklagte nicht zur erneuten Entscheidung über den Erlassantrag des Klägers verpflichtet. Eine Rücknahme nach § 130 Abs. 1 AO komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Bescheide vom 8. Dezember 2015 nicht rechtswidrig gewesen seien. Die Säumniszuschläge seien mit Eintritt der Säumnis entstanden; die Fälligkeit der Forderungen für die Jahre 2009 bis 2013 sei im Ergebnis auch nicht nachweislich durch eine Stundung nach § 222 AO hinausgeschoben worden. Eine Stundung fälliger Gewerbesteuerschulden in Schriftform liege unstreitig nicht vor. Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Beklagte anlässlich einer Vorsprache des Klägers (wohl) am 14. November 2013 mündlich eine Stundung verfügt habe, sei durch das Gericht trotz Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Erkenntnismittel nicht abschließend aufklärbar. Trotz der fehlenden Dokumentation bei der Beklagten sprächen die Umstände insgesamt dafür, dass die Beteiligten im zeitlichen Zusammenhang mit der Beauftragung des Gerichtsvollziehers tatsächlich mündlich über Zahlungserleichterungen diskutiert hätten. Die Beklagte bestreite allerdings, dass eine rechtsverbindliche Stundung ausgesprochen worden sei; nach Auffassung des Gerichts habe der Kläger mit dem Gerichtsvollzieher allenfalls einen – nur prozedural wirkenden – Vollstreckungsaufschub nach Art. 26 VwZVG i.V.m. § 802b ZPO unter Einverständnis der Beklagten vereinbart. Gegen eine Stundung bzw. die behauptete Vereinbarung über eine Ratenzahlung von 2.000 Euro monatlich spreche schließlich auch, dass eine regelmäßige Zahlung seitens des Klägers in dieser Höhe nicht erfolgt sei; vielmehr habe die Beklagte die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher weiterbetrieben. Nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast gehe die Nichterweislichkeit der für den Kläger günstigen Stundung zu seinen Ungunsten, zumal der Kläger bei der Beklagten nach § 119 Abs. 2 AO jederzeit eine schriftliche Bestätigung der behaupteten mündlichen Stundung hätte verlangen können.
Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erlass der Säumniszuschläge nach § 227 AO, weil sich deren Einziehung nicht als unbillig erweise. Hierbei sei der Charakter der Säumniszuschläge als Druckmittel zur Durchsetzung von titulierten Zahlungsansprüchen mit Zinsersatzcharakter zu berücksichtigen. Zwar sei die Erhebung von vollen Säumniszuschlägen sachlich unbillig, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit unmöglich sei und deshalb die Ausübung von Druck ihren Sinn verliere; in diesem Fall komme nach ständiger Rechtsprechung aber grundsätzlich nur ein hälftiger Teilerlass in Betracht. Darüber hinaus komme ein vollständiger Erlass nur bei (zusätzlicher) persönlicher oder möglicherweise aus anderen Gründen als Zahlungsunfähigkeit gegebener sachlicher Unbilligkeit nach den besonderen Umständen des Einzelfalls in Betracht. Hier stehe eine Unbilligkeit der Einziehung zur Überzeugung des Gerichts nicht fest. Der Kläger habe nicht hinreichend konkret und nachprüfbar dargelegt, dass er in dem Zeitraum von der Fälligstellung der Forderungen bis zur Entscheidung über den Erlassantrag überschuldet oder zahlungsunfähig gewesen sei. Eine Überschuldung habe er nicht geltend gemacht; eine Zahlungsunfähigkeit habe er zwar behauptet, nicht aber durch entsprechende Nachweise wie etwa einen Liquiditätsstatus untermauert. Aus dem vom Kläger vorgetragenen behördlichen Verfahrensfehler in Gestalt unvollständiger Aktenführung folge ebenfalls keine sachliche Unbilligkeit der Einziehung. Vielmehr habe der Kläger, wie von der Beklagten bei der Ermessensausübung berücksichtigt, letztlich seine Leistungsfähigkeit durch seine – wenn auch unregelmäßigen – Zahlungen auf die Gewerbesteuerrückstände dokumentiert.
Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt. Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich nicht zum Verfahren geäußert. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 4 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Soweit die geltend gemachten Zulassungsgründe den Darlegungsanforderungen genügen, greifen sie nicht durch (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 VwGO).
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.). Er trägt vor, das Verwaltungsgericht habe nicht erkannt, dass eine Stundungssituation vorgelegen habe, die ebenso wie eine erfolgte Stundung die Erhebung von Säumniszuschlägen ausschließe. Zudem habe das Gericht verkannt, dass die Beklagte bei Gewährung eines Vollstreckungsaufschubs auf die weitere Berechnung von Säumniszuschlägen hätte hinweisen müssen. Eine bestandskräftige Ablehnung eines Stundungsantrags des Klägers gebe es jedenfalls nicht; vielmehr könne man aus dem Schriftverkehr zwischen den Beteiligten durchaus eine Stundungsvereinbarung herleiten. Gegen eine reine Zahlungsvereinbarung nach § 802b ZPO über den Gerichtsvollzieher spreche, dass dieser gerade keine Tilgung in Teilleistungen gestattet oder einen Zahlungsplan festgesetzt habe.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen. Das Verwaltungsgericht ist nach umfangreicher Würdigung der Sach- und Rechtslage zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass weder ein Anspruch auf Rücknahme der die Säumniszuschläge festsetzenden Bescheide (dazu aa) noch auf Erlass der festgesetzten Beträge bzw. auf diesbezügliche erneute Ermessensentscheidung (dazu bb) besteht.
aa) Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 130 Abs. 1 AO kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Unabhängig von der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Norm überhaupt ein subjektives Recht auf Aufhebung eines Bescheids begründen kann (dazu Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 130 Rn. 26 ff.), setzt eine Rücknahme jedenfalls die Rechtswidrigkeit des zugrundeliegenden Verwaltungsakts – hier der fünf Säumniszuschlagsbescheide vom 8. Dezember 2015 – voraus. Bereits an diesem Tatbestandsmerkmal fehlt es. Die Säumniszuschläge sind kraft Gesetzes in der streitgegenständlichen Höhe von 5.286 Euro entstanden, weil das nach § 218 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, § 240 Abs. 1 Satz 1 AO allein maßgebliche Tatbestandsmerkmal – die Säumnis des Klägers – infolge der Nichtzahlung der ausstehenden Steuerforderungen für die Jahre 2009 bis 2013 bis zum Ablauf des jeweiligen Fälligkeitstages nach § 220 AO unstreitig erfüllt war (vgl. BayVGH, B.v. 26.10.2007 – 4 ZB 06.2301 – juris Rn. 10 m.w.N.).
Entgegen der Ansicht des Klägers wurde die somit eingetretene Fälligkeit nicht durch eine von der Beklagten gewährte Stundung der Steuerrückstände nach § 222 AO hinausgeschoben (vgl. Rüsken in Klein, a.a.O., § 222 Rn. 1). Nach Ausschöpfung aller Erkenntnismittel stand zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts nicht fest, dass es zwischen den Beteiligten zu einer Stundung gekommen war. Der nachvollziehbaren tatrichterlichen Würdigung aller Umstände, insbesondere des gewechselten Schriftverkehrs und des Geschehens anlässlich einer wohl am 14. November 2013 erfolgten mündlichen Vorsprache, ist der Kläger im Zulassungsverfahren nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat weder eine Sachaufklärungsrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhoben noch neue Beweismittel zu dem in seine persönliche Sphäre (vgl. BayVGH, U.v. 26.4.2006 – 4 B 04.64 – juris Rn. 32) fallenden Geschehen vorgelegt. Von der Gelegenheit, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht persönlich seine Sicht der Dinge darzulegen, hat er ebenfalls keinen Gebrauch gemacht. Auf die – im Zulassungsverfahren erneut thematisierte, vom Verwaltungsgericht letztlich offengelassene – Frage, ob dem Kläger zeitweise ein Vollstreckungsaufschub mittels Ratenzahlung über den Gerichtsvollzieher gewährt wurde, kommt es nicht entscheidungserheblich an. Denn ein Vollstreckungsaufschub – sei es nach § 258 AO oder nach Art. 26 Abs. 7 Satz 1 VwZVG i.V.m. § 802b Abs. 2 ZPO – berührt die Fälligkeit der Steuerforderung und damit das Entstehen von Säumniszuschlägen nicht (vgl. nur BFH, U.v. 14.5.1987 – X R 26/81 – BFH/NV 1988, 411; Rüsken in Klein, a.a.O., § 240 Rn. 62 m.w.N.).
bb) Das Verwaltungsgericht hat weiterhin zutreffend entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf Erlass der Säumniszuschläge – und auch nicht auf erneute diesbezügliche Entscheidung der Beklagten – zusteht. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 227 AO können die Gemeinden Ansprüche aus einem Gewerbesteuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre. Hierzu zählen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1, § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 i.V.m. § 240 AO auch Ansprüche auf Säumniszuschläge. Die Entscheidung der Gemeinde über einen Erlassantrag aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung, wobei Inhalt und Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens durch den Maßstab der Billigkeit bestimmt werden (GmSOGB, B.v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3.70 – BVerwGE 39, 355/366 f.). Eine sachliche Unbilligkeit der Einziehung kann entgegen dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht aus seiner wirtschaftlichen Lage bei Fälligkeit der Hauptforderungen hergeleitet werden. Eine Unmöglichkeit rechtzeitiger Zahlung wegen Überschuldung und Zahlungsfähigkeit, die regelmäßig zumindest den teilweisen Erlass der Säumniszuschläge gebietet (vgl. nur BFH, U.v. 7.7.1999 – X R 87/96 – ZKF 2000, 187 = juris Rn. 21), hat das Verwaltungsgericht mit zutreffenden Erwägungen verneint; dies zieht der Zulassungsantrag letztlich nicht in Zweifel.
Zwar weist der Kläger – schwerpunktmäßig im Rahmen der Divergenzrüge – zutreffend darauf hin, dass Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit (im insolvenzrechtlichen Sinn) nicht die einzigen Gründe für die Rechtfertigung eines sachlichen Billigkeitserlasses von Säumniszuschlägen wegen Zahlungsschwierigkeiten sind. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Erlass bereits unterhalb dieser Schwelle in Betracht kommen, wenn im Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungspflicht hinsichtlich der Hauptforderung eine wirtschaftliche Gesamtlage bestanden hat, in der ein Hinausschieben der Fälligkeit insbesondere durch Stundung nach § 222 AO möglich und geboten gewesen wäre (BFH, U.v. 23.5.1985 – V R 124/79 – BFHE 143, 512; BVerwG, U.v. 23.8.1990 – 8 C 42.88 – DVBl 1990, 1405/1408; BayVGH, U.v. 26.4.2006 – 4 B 04.64 – juris Rn. 30). Aber auch auf eine solche Stundungssituation kann sich der Kläger nicht berufen, weil er es trotz wiederholter Hinweise im Verwaltungsverfahren versäumt hat, die (unterstellte) erhebliche Härte rechtzeitig hinreichend geltend zu machen und zu belegen. Seiner nach § 90 Abs. 1 AO bestehenden Mitwirkungspflicht für die in seinem Verantwortungsbereich angesiedelten Stundungsvoraussetzungen (BayVGH, a.a.O., Rn. 32) ist der Kläger zu keinem Zeitpunkt ausreichend nachgekommen. Insoweit wäre er gehalten gewesen, seine wirtschaftliche Situation unter Berücksichtigung etwaiger finanzieller Spielräume zeitnah gegenüber der Beklagten darzulegen und durch geeignetes Zahlenmaterial bzw. sonstige Unterlagen glaubhaft zu machen. Die bloße unsubstantiierte – im Zulassungsverfahren wiederholte – Behauptung des Klägers, er habe sich „an den Grenzen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit“ befunden, genügt hierfür jedenfalls nicht.
b) Vor diesem Hintergrund ist die Berufung auch nicht wegen der geltend gemachten Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen. Der Kläger rügt eine Divergenz zu dem bereits zitierten Urteil, wonach die Einziehung von Säumniszuschlägen bereits unterhalb der Schwelle von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unangemessen sein kann, wenn eine Stundung an sich möglich und geboten war (BVerwG, U.v. 23.8.1990 – 8 C 42.88 – DVBl 1990, 1405/1408). Dieses Vorbringen vermag aber schon deshalb keine Divergenz zu begründen, weil der Kläger – wie oben dargelegt – gerade keine Stundungssituation nachgewiesen hat, so dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer etwaigen Abweichung von dem genannten Urteil nicht beruhen konnte. Im Übrigen hat sich das Verwaltungsgericht – wenn auch ohne Verwendung des Begriffs der Stundungs- oder Erlasssituation – durchaus mit der Frage befasst, ob beim Kläger zusätzlich besondere Gründe persönlicher oder sachlicher Billigkeit für einen Erlass vorlagen, und dies im Anschluss an die Ermessenserwägungen der Beklagten im Ablehnungsbescheid vom 30. November 2017 verneint.
c) Die vom Kläger geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind ebenfalls nicht dargelegt. Weder die Bewertung des Schriftverkehrs zwischen den Beteiligten noch die gerügte Unvollständigkeit der Behördenakten vermögen eine solche Schwierigkeit zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat die tatsächlichen Umstände mit allen zur Verfügung stehenden Beweismitteln aufgeklärt; neue Erkenntnisse hierzu haben sich nicht ergeben. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen lassen sich ohne Weiteres anhand der anzuwendenden Rechtsvorschriften und der einschlägigen Judikatur beantworten.
d) Schließlich ist die Berufung nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Schon die Formulierung der gestellten Fragen („ob in den Absprachen der Beteiligten eine Stundungsvereinbarung oder grundsätzlich nur ein Vollstreckungsaufschub liegt“ und „ob der gewährte und benötigte Vollstreckungsaufschub nicht eine Stundungssituation indiziert“) macht deutlich, dass es dem Kläger der Sache nach nicht um die Klärung einer Fragestellung von grundsätzlicher Relevanz, sondern um die Bewertung des ihn betreffenden Einzelfalls geht. Eine Erläuterung der Entscheidungserheblichkeit, Klärungsbedürftigkeit und generellen Reichweite der Fragestellungen enthält das Zulassungsvorbringen nicht.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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