Sozialrecht

Fußballturnier von Behindertenverbänden ohne Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung

Aktenzeichen  L 17 U 331/20

Datum:
11.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 28988
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 4
SGB VII § 8 Abs. 1 S. 1
SGG § 153 Abs. 5
SGG § 177
SGG § 178a

 

Leitsatz

1. Ein Fußballturnier, das von Landes-Behindertenverbänden organisiert wird und an dem 18 Mannschaften der Bayerischen Werkstätten für Behinderte teilnehmen, steht jedenfalls dann nicht unter dem Gesichtspunkt der Aktivitäten eines Betriebssportes unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung, wenn es Wettkampf- und nicht Ausgleichscharakter hat.
2. Nimmt an einem solchen Fußballturnier ein nicht unwesentlicher Teil von Betriebsfremden teil (bei einer Teilnehmerzahl von 35 Betriebsangehörigen bei 450 Mitarbeitern auch 250 Betriebsfremde), steht es auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung. Der Zweck einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, die Zusammenkunft der Verbundenheit zwischen den Beschäftigten zu fördern, kann dann nämlich nicht erreicht werden.

Verfahrensgang

S 12 U 128/17 2020-10-12 GeB SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 12. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Gemäß § 153 Abs. 5 SGG konnte die Entscheidung durch die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern ergehen, weil der Senat durch Beschluss vom 17.03.2021 die Berufung der Berichterstatterin übertragen hat.
Nach dieser Vorschrift kann der Senat in den Fällen des § 105 Abs. 2 S. 1 SGG durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
Die am 26.04.2021 erhobene Beschwerde (Schreiben vom 20.04.2021) gegen den Beschluss vom 17.03.2021 war – ohne dass es eines gesonderten Beschlusses bedurft hätte – wegen offensichtlicher Unzulässigkeit vom Senat zu verwerfen. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Senats vom 17.03.2021 stellt gemäß § 177 SGG ein unzulässiges Rechtsmittel dar. Nach dieser Vorschrift können Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 SGG und des § 17a Abs. 4 S. 2 Gerichtsverfassungsgesetz nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden. Auch eine außerordentliche Beschwerde zum höheren Gericht ist seit Einführung der Anhörungsrüge nicht mehr möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 178a Rn. 13 und vor § 143 Rn. 15e).
Die Beschwerde ist auch nicht in einen anderen zulässigen Rechtsbehelf oder in ein anderes zulässiges Rechtsmittel umzudeuten, denn ein solcher bzw. ein solches ist nicht ersichtlich. Die Beschwerde kann vorliegend weder in eine Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG, die weder ein Rechtsmittel noch einen Rechtsbehelf darstellt (vgl. Leitherer, a.a.O., § 178a Rn. 2), noch in eine Gegenvorstellung umgedeutet werden. Die Anhörungsrüge ist nämlich nur statthaft bei einer die Instanz abschließenden Endentscheidung, nicht aber – wie vorliegend – bei einer der Endentscheidung vorausgehenden Entscheidung (§ 178a Abs. 1 S. 2 SGG; Leitherer, a.a.O., § 178a Rn. 3b ff.). Eine Gegenvorstellung setzt voraus, dass dem Betroffenen grobes prozessuales Unrecht zugefügt worden ist, das im Wege der richterlichen Selbstkontrolle beseitigt werden muss (vgl. BSG, Beschluss vom 21.08.2009 – B 11 AL 12/09 C; Leitherer, a.a.O., § 178a Rn. 12). Vom Kläger und Beschwerdeführer wird jedoch ein solches grobes prozessuales Unrecht mit seinem Schreiben vom 20.04.2021 in keiner Weise vorgetragen. Er legt keine schwerwiegende Rechtsverletzung vor, vielmehr begehrt er die Rückübertragung der Berufung auf die „vorherige Besetzung des Senats“ lediglich mit Hinweis auf § 33 Abs. 1 SGG (Besetzung der Senate) und mit der grundsätzlichen Nichtanwendbarkeit des § 177 SGG. Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung der Berufung auf die Berichterstatterin vorliegend ermessensfehlerhaft im Sinne des § 153 Abs. 5 SGG sei, sind hingegen vom Kläger weder vorgetragen worden noch nach Aktenlage ersichtlich. Letztlich wendet sich der Kläger gegen die gesetzliche Regelung des § 177 SGG, ohne darzutun, inwiefern die Übertragung der Berufung auf die Berichterstatterin ermessensfehlerhaft sein solle.
Der Senat war auch nicht gehalten, den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.05.2021 zu verlegen, und konnte einseitig mündlich verhandeln und entscheiden.
Grundsätzlich stellt allein der Umstand, dass ein Beteiligter außer Stande ist, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen, und dies vorher mitteilt, noch keinen zwingenden Grund für eine Vertagung dar (Beschluss des 13. Senats des BSG vom 24.09.2002 – B 13 RJ 55/02 B -). Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie hier, auf die Möglichkeit hingewiesen worden ist, dass bei Fernbleiben eines Beteiligten Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann. Wenn ein Beteiligter jedoch beantragt oder wenigstens seinen entsprechenden Willen zum Ausdruck bringt, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, kann der Grundsatz des rechtlichen Gehörs es erforderlich machen, die anberaumte mündliche Verhandlung auf einen anderen Termin zu verlegen (§ 202 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO; vgl. BSG, Beschluss vom Urteil vom 20.01.2021 – B 1 KR 15/20 R, juris Rn. 121; BSG, Beschluss vom 12.02.2003 – B 9 SB 5/02 R -, juris Rn. 11).
Im vorliegenden Fall sah sich der Senat schon deshalb nicht veranlasst, den Termin vom 11.05.2021 zu verlegen, weil der Bevollmächtigte des Klägers nicht beantragt bzw. geltend gemacht hat, dass der Kläger bzw. er als Bevollmächtigter an einer erneut anzuberaumenden mündlichen Verhandlung teilnehmen möchten. Vielmehr wurde beantragt, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Darüber hinaus hat der Bevollmächtigte des Klägers keinen erheblichen Grund für eine Terminsverlegung im Sinne des § 202 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht. Denn er hat seine Nichtteilnahme im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.05.2021 nicht durch Vorlage der ärztlichen Verordnung vom 30.11.2020 (Dr. R) entschuldigt: Daraus geht nämlich nicht hervor, dass er am 11.05.2021 aus gesundheitlichen Gründen gehindert war, am Termin teilzunehmen. Daher kommt eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG) wegen Ablehnung des Terminverlegungsantrags nicht in Betracht.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Aufhebung des Bescheides vom 17.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2017 und Anerkennung des Ereignisses vom 04.07.2009 als Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII unter Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 25.08.2009 nach § 44 Abs. 1 SGB X. Denn das Ereignis vom 04.07.2009 ist nicht als Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII anzuerkennen. Der angefochtene bestandskräftige Bescheid 25.08.2009 ist nicht rechtswidrig (§ 44 Abs. 1 SGB X).
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheits(erst) schaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität: StRspr. des BSG, vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 17.12.2015 – B 2 U 8/14 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 55 Rn. 9; BSG, Urteil vom 26.06.2014 – B 2 U 7/13 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 53 Rn. 11; BSG, Urteile vom 04.07.2013 – B 2 U 3/13 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 50 Rn. 10 und B 2 U 12/12 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 49 Rn. 14; BSG, Urteil vom 18.06.2013 – B 2 U 10/12 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 47 Rn. 12; BSG, Urteil vom 13.11.2012 – B 2 U 19/11 R = BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 46 Rn. 20; BSG, Urteil vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 44 Rn. 26 f.).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar war der Kläger nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII versichert. Seine Verrichtung zur Zeit des geltend gemachten Unfallereignisses – das Fußballspielen – stand aber nicht in einem sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit. Der Kläger ging während des Fußballspiels nicht seiner Beschäftigung bei der WfbM nach. Das Fußballspielen des Klägers kann ausnahmsweise auch weder als arbeitsbegleitende Maßnahme noch als Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung und auch nicht als eine Verrichtung im Sinne des Betriebssportes gesehen werden. Daher ist der innere Zusammenhang zwischen dem Fußballspielen des Klägers und seiner nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII versicherten Tätigkeit in einer anerkannten WfbM zu verneinen.
Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zurück und nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf diese Gründe, die auch der Überzeugung des Senats nach eigener Überprüfung entsprechen.
Lediglich ergänzend ist unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung des Klägers Folgendes festzustellen:
Das Fußballspielen des Klägers kann auch nicht ausnahmsweise als Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung der versicherten Tätigkeit zugerechnet werden. Beispielhaft führt das BSG in seiner Entscheidung vom 15.11.2016 (B 2 U 12/15 R) zu den Voraussetzungen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung überzeugend aus:
„Eine Verrichtung, die nicht der Erfüllung einer Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis dient oder dienen soll, kann nur dann im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, wenn der Beschäftigte sie wegen des Beschäftigungsverhältnisses vornimmt, um durch sie zumindest auch dem Unternehmen in nicht offensichtlich untauglicher Weise zu dienen. Diese Zurechnung kann bei der freiwilligen, d. h. rechtlich nicht geschuldeten und vom Unternehmen nicht abverlangten Teilnahme an einer sog. betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung in Betracht kommen, weil der Beschäftigte wegen seiner Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV) durch seine freiwillige, aber vom Unternehmer erbetene Teilnahme das erklärte Unternehmensinteresse unterstützt, durch die Gemeinschaftsveranstaltung den Zusammenhalt in der Belegschaft zu fördern (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009 – B 2 U 4/08 R – Juris RdNr. 11). Dieses unternehmensdienliche Verhalten rechtfertigt es, die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung als Bestandteil der aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses geschuldeten versicherten Tätigkeit i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zu betrachten (stRspr, vgl. zuletzt BSG vom 05.07.2016 – B 2 U 19/14 – Juris RdNr. 13 m.w.N.). Eine Teilnahme an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen kann der versicherten Beschäftigung aber nur unter bestimmten Voraussetzungen zugerechnet werden. Der Senat verlangt in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 05.07.2016 – B 2 U 19/14 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), dass der Arbeitgeber die Veranstaltung als eigene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung durchführt oder durchführen lässt. Er hat zu ihr alle Betriebsangehörigen oder bei Gemeinschaftsveranstaltungen für organisatorisch abgegrenzte Abteilungen des Betriebs alle Angehörigen dieser Abteilung eingeladen oder einladen lassen…Es reicht nicht aus, dass nur den Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme angeboten wird oder zugänglich ist… Die von der Unternehmensleitung getragene, im Einvernehmen mit ihr durchgeführte Veranstaltung muss darauf abzielen, die Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander zu fördern. An diesem betrieblichen Zusammenhang fehlt es, wenn stattdessen Freizeit, Unterhaltung, Erholung oder die Befriedigung sportlicher oder kultureller Interessen im Vordergrund stehen. Für die Beurteilung, ob eine Veranstaltung die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist eine Gesamtbetrachtung aller tatsächlichen Umstände erforderlich (BSG vom 05.07.2016 – B 2 U 19/14 R – Juris RdNr. 14; BSG vom 22.09.2009 – B 2 U 4/08 R – Juris RdNr. 12 m.w.N.; BSG vom 12.04.2005 – B 2 U 5/04 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 4 RdNr. 23; BSG vom 07.12.2004 – B 2 U 47/03 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 11 RdNr. 13; BSG vom 26.10.2004 – B 2 U 16/04 – SozR 4-1500 § 163 Nr. 1 RdNr. 14; BSG vom 09.12.2003 – B 2 U 52/02 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 2 RdNr. 14).“
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat es sich bei dem Fußballturnier nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt.
Gegen die rechtliche Qualifizierung des Fußballturniers als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung spricht bereits, dass zwar im Unfallfragebogen vom 31.07.2009 unter der Frage 14 angegeben wurde, dass die Veranstaltung allen Betriebsangehörigen offen gestanden habe, gleichzeitig jedoch, dass sie auf einen bestimmten Teilnehmerkreis beschränkt gewesen sei, nämlich auf aktive Fußballer und Helfer. Die Veranstaltung hatte zudem eindeutig Wettkampfcharakter, so dass in der Gesamtbetrachtung der Schluss naheliegt, dass es sich um eine rein sportliche Veranstaltung gehandelt hat, die von vornherein so geplant war, dass aufgrund ihrer Eigenart ein nennenswerter Teil der Belegschaft nicht teilnehmen wird.
Im Wege der gebotenen Gesamtbetrachtung scheidet zur Überzeugung des Senats jedenfalls vorliegend die Bewertung des Fußballturniers als eine in den Schutzbereich der Gesetzlichen Unfallversicherung fallende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung deshalb aus, weil die Veranstaltung von vornherein nicht nur unwesentlich auch nicht dem Unternehmen angehörenden Personen, nämlich Betriebsfremden, offenstand. Der Senat stellt fest, dass bei einer Teilnehmerzahl von 35 Betriebsangehörigen bei ca. 450 Mitarbeitern auch 250 Betriebsfremde an dem Fußballturnier teilgenommen haben, so dass der Zweck einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, nämlich die Zusammenkunft der Verbundenheit zwischen den Beschäftigten untereinander zu fördern, nicht erreicht werden konnte. Um diese den Unfallversicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen begründende wesentliche betriebliche Zielsetzung zu erreichen, genügt es nicht (BSG, Urteil vom 15.11.2016 – B 2 U 12/15 R -, juris Rn. 25), dass die Veranstaltung grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens offenstand, was hier – wie dargestellt – bereits wegen ihres Charakters als sportliche Wettkampfveranstaltung nicht gegeben war. Erforderlich ist vielmehr darüber hinaus, dass die Veranstaltung im Wesentlichen allein für die Beschäftigten angeboten wird. An dem betrieblichen Zweck der Förderung des Gemeinschaftsgedankens und des „Wir-Gefühls“ fehlt es nämlich bei Veranstaltungen, die nahezu jedermann offenstehen (BSG, a.a.O., juris Rn. 26). Vorliegend hat am Fußballturnier ein nicht unwesentlicher Teil von Betriebsfremden teilgenommen, sodass das Fußballturnier nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung im Sinne der Gesetzlichen Unfallversicherung zu qualifizieren ist.
Für die vom Kläger in der Berufungsbegründung geltend gemachten Verstöße gegen den Gesetzmäßigkeits-, Verhältnismäßigkeits- und Gleichheitsgrundsatz und die Behauptung rechtswidriger Erniedrigung eines geistig Behinderten wegen Ablehnung der Anerkennung des Ereignisses vom 04.07.2009 als Arbeitsunfall sind keinerlei Anhaltspunkte vorhanden; insbesondere ist ein Verstoß gegen das Verbot, Behinderte zu benachteiligen (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG), nicht ersichtlich. Die rechtliche Beurteilung der streitentscheidenden Fragen würde sich bei einem nichtbehinderten Kläger von der rechtlichen Beurteilung im vorliegenden Fall nicht unterscheiden. Der vom Kläger vorgetragene Umstand, dass er als Basketballer für den Torwart eingesprungen sei, hat keine rechtliche Relevanz.
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers war er vor der Ablehnung der Anerkennung des Ereignisses vom 04.07.2009 als Arbeitsunfall auch nicht gemäß § 24 SGB X anzuhören. Bei der Ablehnung der Anerkennung des Ereignisses vom 04.07.2009 als Arbeitsunfall handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X, der in die Rechte des Klägers eingegriffen hätte. Denn die Verwaltungsentscheidung hat nicht den bereits bestehenden Rechtskreis des Klägers beeinträchtigt (Siefert in Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 24 Rn. 11), sodass eine vorherige Anhörung nicht erforderlich war.
Die vom Kläger geltend gemachten Verstöße gegen §§ 14, 15 SGB I sind von ihm weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst nach der Aktenlage ersichtlich.
Soweit der Kläger eine Verletzung der §§ 133, 226, 242, 276, 839 BGB geltend macht, ist festzustellen, dass der Kläger nicht dartut, inwieweit eine Verletzung dieser BGB-Vorschriften im sozialgerichtlichen Verfahren – ggf. in analoger Anwendung – vorliegen solle.
Da der Kläger mit seinem Antrag vom 19.01.2021 (Schreiben vom 11.01.2021) nicht Schadensersatz begehrt, sondern die Anerkennung des Ereignisses vom 04.07.2009 als Arbeitsunfall und Gewährung der zustehenden Sozialleistungen, kam eine Abtrennung einer – hier nicht vorliegenden – Schadensersatzklage aus Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) und Erfassung als erstinstanzliche Klage in der Berufungsinstanz von vornherein nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).


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