Sozialrecht

Keine Befreiung einkommensschwacher Personen von der Rundfunkbeitragspflicht ohne Nachweis der Bedürftigkeit durch Bescheid

Aktenzeichen  M 6 K 14.4810

Datum:
2.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV RBStV § 4 Abs. 1, Abs. 6

 

Leitsatz

1 Die Befreiung einkommensschwacher Personen von der Rundfunkbeitragspflicht ist “bescheidgebunden” und setzt den Nachweis der Bedürftigkeit durch Vorlage einer Bestätigung oder eines Bescheids der hierfür zuständigen Behörde oder des Leistungsträgers voraus. Die nicht in dieser Weise nachgewiesene Bedürftigkeit ist auch nicht als besonderer Härtefall anzusehen (BayVGH BeckRS 2013, 59320). (redaktioneller Leitsatz)
2 Einem Rundfunkteilnehmer, dem Hilfe zum Lebensunterhalt zustünde, der einen entsprechenden Antrag aber nicht stellen will, wird keine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gewährt (BVerwG BeckRS 2008, 37091). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für den Zeitraum Januar 2013 bis März 2014 (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Die Bescheide vom … Februar 2013, … Juli 2013 und … Februar 2014 sowie der Widerspruchsbescheid vom 24. September 2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass in seiner Person eine der Voraussetzungen zur Befreiung vom Rundfunkbeitrag vorliegt, die in § 4 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) genannt sind. Danach kommt eine Befreiung allein wegen geringen Einkommens nicht in Betracht. Vielmehr muss nachgewiesen werden, dass eine der dort abschließend aufgeführten Sozialleistungen bezogen wird. Einen entsprechenden Nachweis hat der Kläger nicht geführt und auch nicht vorgetragen, eine dieser Sozialleistungen für den fraglichen Zeitraum erhalten oder beantragt zu haben.
Auch eine analoge Anwendung des § 4 Abs. 1 RBStV auf Empfänger niedriger Einkommen ist ausgeschlossen. Ausweislich des unmissverständlichen Wortlauts der Norm ist keine planwidrige, dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers entgegenstehende Regelungslücke feststellbar. Die Aufzählung der zu befreienden Leistungsempfänger in § 4 Abs. 1 RBStV ist nach dem gesetzgeberischen Ziel der Verfahrensvereinfachung und Begrenzung des begünstigten Personenkreises abschließend. Die Befreiung ist „bescheidgebunden“ und setzt den Nachweis der Bedürftigkeit durch Vorlage einer Bestätigung oder eines Bescheids der hierfür zuständigen Behörde oder des Leistungsträgers voraus (§ 4 Abs. 7 RBStV; BayVGH, B. v. 3.12.2013 – 7 ZB 13.2013 – juris). Es ist nicht Aufgabe des Beklagten und auch nicht des erkennenden Gerichts, insoweit Ermittlungen anzustellen und aufzuklären, ob eine finanzielle Bedürftigkeit in solchem Umfang gegeben ist, dass der Kläger Sozialleistungen, wie sie in § 4 Abs. 1 RBStV abschließend aufgeführt sind, beanspruchen könnte. Diese Entscheidung kann nur die zuständige soziale Fachbehörde treffen, die über die erforderlichen Sachaufklärungsmittel verfügt.
Davon abgesehen, dass der Kläger ab Januar 2013 wohl kein Wohngeld mehr bezogen hat, sei klargestellt, dass die Gewährung von Wohngeld nicht den gesetzlichen Anforderungen für eine Befreiung von den Rundfunkbeiträgen gemäß § 4 Abs. 1 RBStV entspricht. Ein Bezieher von Wohngeld kann – anders als beim Bezug anderer Sozialleistungen, die nur bei nahezu vollständiger Vermögenslosigkeit und Nichtvorhandensein leistungspflichtiger Dritter gewährt werden – durchaus über Vermögen verfügen oder in Einsatzgemeinschaft mit einem berufstätigen (Ehe)Partner leben.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht im Rahmen der Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 RBStV zusteht.
Unbeschadet der Beitragsbefreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV hat die Landesrundfunkanstalt in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien (Satz 1). Ein Härtefall liegt insbesondere dann vor, wenn eine Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 RBStV in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten (Satz 2). Dem Kläger wurde keine Sozialleistung mit der Begründung versagt, dass seine Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten. Er ist darauf zu verweisen, entsprechende Sozialleistungen zu beantragen und unter Vorlage des Bescheides die Befreiung zu beantragen. Eine nicht in dieser Weise nachgewiesene Bedürftigkeit kann nicht als besonderer Härtefall angesehen werden (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 3.12.2013 – 7 ZB 13.1817 – juris; BVerwG, B. v. 18.6.2008 – 6 B 1/08 – juris; OVG Berlin-Brandenburg B. v. 9.1.2014 – OVG 11 N 23.13 – juris).
Eine Beantragung von Sozialleistungen war dem Kläger auch zumutbar. Allein der Hinweis darauf, dass er bei Beantragung von Hartz IV die genehmigten Kosten für seine Umschulung nicht mehr erstattet bekommen hätte, genügt für eine unterlassene Beantragung nicht. Hierbei kann dahinstehen, ob der Kläger bei Beantragung einer nach § 4 Abs. 1 RBStV relevanten Sozialleistung tatsächlich die Umschulungskosten nicht ersetzt bekommen hätte. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hatte der Kläger die Wahlmöglichkeit der Beantragung verschiedener Sozialleistungen gehabt. Er konnte entweder den Ersatz seiner Umschulungskosten oder Arbeitslosengeld II beantragen. Nur bei Beantragung von Arbeitslosengeld II und dessen Gewährung durch die zuständige Behörde hätte eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht erfolgen können. Entscheidet sich der Kläger jedoch für den Erhalt einer anderen Sozialleistung, die nicht im Rahmen des § 4 Abs. 1 RBStV relevant ist, ist ihm auch nicht über die Vorschrift des § 4 Abs. 6 RBStV eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zu erteilen. Der Grundsatz der „bescheidabhängigen“ Befreiung, der vom Normgeber zur Vereinheitlichung des Befreiungsrechts und zur Vereinfachung des Verfahrens eingeführt wurde (vgl. BayVGH, B. v. 3.12.2013, a.a.O), würde sonst ausgehebelt. So konnte zum Beispiel auch einem Rundfunkteilnehmer, dem aufgrund seines geringen Einkommens und Vermögens auf Antrag Hilfe zum Lebensunterhalt zustünde, der aber einen solchen Antrag nicht stellen will, keine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gewährt werden (BVerwG, B. v. 18.6.2008, a. a. O.).
Da der Kläger keine der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 RBStV nachgewiesen hat und auch kein Härtefall vorliegt, war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Abwendungsbefugnis haben ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Das Verfahren ist in analoger Anwendung des § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

BAföG – das Bundesausbildungsförderungsgesetz einfach erklärt

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, sorgt seit über 50 Jahren für finanzielle Entlastung bei Studium und Ausbildung. Der folgende Artikel erläutert, wer Anspruch auf diese wichtige Förderung hat, wovon ihre Höhe abhängt und welche Besonderheiten es bei Studium und Ausbildung gibt.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen