Sozialrecht

Keine Wie-Beschäftigung bei unternehmerähnlicher Tätigkeit

Aktenzeichen  L 17 U 311/18

Datum:
24.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27855
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 631, § 662
SGB VII § 124
SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Nicht als versicherter “Wie-Beschäftigter”, sondern unternehmerähnlich handelt derjenige, dem vom Nachbarn aufgrund seiner Fachkenntnisse und praktischen Fertigkeiten als gelernter Maurer eine Aufgabe (Maurerarbeiten von zweieinhalb Reihen Steine) übertragen wird, der das Handwerkszeug selbst mitbringt und der eine andernfalls nötige Firma ersetzt.
1. Für eine Unternehmerähnlichkeit und damit gegen eine Wie-Beschäftigung spricht es, wenn der Verletzte Tätigkeiten erbringt, die z.B. mit einem Werkvertrag nach § 631 BGB oder bei Fehlen einer Vergütungsvereinbarung mit einem Auftrag mit Werkvertragscharakter (§ 662 BGB) vergleichbar sind. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Führt der Verunfallte eine Tätigkeit für ein Unternehmen aus, die nicht durch Beschäftigte des Unternehmens durchgeführt werden kann, weil hierfür ausschließlich unternehmensfremde Dritte die erforderlichen Kenntnisse haben, spricht dies dafür, dass er nicht “wie ein Beschäftigter” des Unternehmens tätig ist, sondern wie ein eigenständiger Unternehmer, der eine Werkleistung erbringt. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 2 U 5020/17 2018-08-14 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.08.2018 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2017 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Über die Berufung konnte der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Das erstinstanzliche Urteil vom 14.08.2018 war daher aufzuheben und die auf Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Feststellungklage (§§ 54 Abs. 1 S. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) abzuweisen. Der Kläger hat schon deshalb keinen Anspruch auf die Feststellung, dass er am 24.06.2010 einen versicherten Arbeitsunfall erlitten hat, weil er zum Unfallzeitpunkt nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, S. 2.
Als versicherte Tätigkeit kommen vorliegend nur die Tätigkeit als Beschäftigter (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) oder als sogenannter „Wie-Beschäftigter“ (§ 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII) in Betracht.
Der Kläger erlitt den Unfall am 24.06.2010 nicht als Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Nach § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist (BSG, Urteil vom 04.06.2019 – B 12 R 11/18 R, Juris Rn. 14). Bei einer Beschäftigung in einem fremden Unternehmen ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit ist hingegen nicht Bestandteil der für die Annahme einer Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV allein maßgeblichen persönlichen Abhängigkeit, sondern kann allenfalls als Indiz für eine persönliche Abhängigkeit gewertet werden und zu weiteren Ermittlungen Anlass geben (BSG, Urteil vom 23.09.1982 – 10 RAr 10/81 = SozR 2100 § 7 Nr. 7 und vom 26.06.1980 – 8a RU 48/79 = SozR 2200 § 539 Nr. 68; Hauck/Noftz, SGB II/16, § 7 SGB IV, Rn. 21).
Demgegenüber ist die selbstständige Tätigkeit vornehmlich gekennzeichnet durch das eigene Unternehmerrisiko, also das Tätigwerden auf eigene Rechnung, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte und eigener Betriebsmittel, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr.; vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 16.08.2017 – B 12 KR 14/16 R, Juris Rn. 17 = BSGE 124, 37 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 31 und BSG, Urteil vom 31.03.2017 – B 12 R 7/15 R, Juris Rn. 21 = BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 30 ).
Hinweise auf ein Beschäftigungsverhältnis, d. h. auf eine persönliche Abhängigkeit des Klägers von T und auf eine Eingliederung des Klägers in das Unternehmen des T, ergeben sich bereits aus den eigenen Angaben des Klägers unzweifelhaft nicht.
Der Kläger stand auch nicht als sogenannter „Wie-Beschäftigter“ gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Voraussetzung einer „Wie-Beschäftigung“ nach dieser Vorschrift ist, dass es sich um eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert handelt (Handlungstendenz), die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, und zwar unter solchen Umständen, die denen einer Tätigkeit auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich sind und nicht auf einer Sonderbeziehung, z. B. als Familienangehöriger oder Vereinsmitglied, beruhen (BSGE 5, 168; BSG, Urteil vom 27.10.2009 – B 2 U 26/08 R, Juris Rn. 25; BSG, Urteil vom 13.09.2005 – B 2 U 6/05 Rn.14 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 7 Rn. 7 m. w. N.; Bayer. LSG, Urteil vom 28.05.2008 – L 2 U 28/08 und Urteil des Senats vom 29.07.2009 – L 17 U 350/06).
Bei der Abgrenzung zwischen einer Tätigkeit als „Wie-Beschäftigter“ und einer unternehmerähnlichen Tätigkeit ist von der Abgrenzung zwischen Beschäftigtem und Unternehmer auszugehen, wobei jedoch gewisse Abstriche zu machen sind, weil nur eine arbeitnehmerähnliche und eine unternehmerähnliche Tätigkeit gegenüberzustellen sind. Entscheidend ist, ob nach dem Gesamtbild die Tätigkeit wie von einem Beschäftigten oder einem Unternehmer ausgeübt wurde (BSG, Urteil vom 31.05.2005 – B 2 U 35/04 R = SozR 4-2700 § 2 Nr. 5, zitiert nach Juris, m. w. N; BSG Urteil vom 11.03.2009 – B 12 KR 21/07 R, zitiert nach Juris).
Die Arbeitnehmerähnlichkeit im Sinne einer „Wie-Beschäftigung“ verlangt nicht, dass alle Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses erfüllt sein müssen. Insbesondere braucht keine persönliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen vorzuliegen (s. BSG, Urteil vom 17.03.1992 – 2 RU 22/91 = SozR 3-2200 § 539 Nr. 16, Juris Rn. 15). Ebenso wenig ist eine Eingliederung des Verletzten in das unterstützte Unternehmen zwingend erforderlich. Für eine Unternehmerähnlichkeit spricht hingegen u.a., wenn der Verletzte Tätigkeiten erbringt, die mit einem anderen Vertragstyp vergleichbar sind, z. B. mit einem Werkvertrag nach § 631 BGB oder bei Fehlen einer Vergütungsvereinbarung mit einem Auftrag mit Werkvertragscharakter (§ 662 BGB). Hier wird dann dem Auftraggeber nicht die eigene Arbeitskraft zur Verfügung gestellt, sondern ein Werk eigenverantwortlich hergestellt bzw. ein konkreter Auftrag erledigt (s. BSG, Urteil vom 27.10.1987 – 2 RU 9/87 = HVBG-Info 03/1988, 213). Dasselbe gilt, wenn der Verletzte die Ausführung der Tätigkeit im Wesentlichen frei planerisch gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen konnte.
Nach dem Gesamtergebnis der Würdigung des Akteninhalts, insbesondere der Angaben des Klägers und des T im Verwaltungs-, Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren einschließlich Darstellung des Unfallgeschehens durch den Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung vom 06.07.2020, steht fest, dass der Kläger in seiner Tätigkeit (Mauern) zum Zeitpunkt des Unfalls am 24.06.2010 nicht arbeitnehmerähnlich, sondern unternehmerähnlich tätig geworden ist.
Vorauszuschicken ist, dass an der Richtigkeit der Angaben des Klägers selbst und der hiermit übereinstimmenden Angaben des T zum wesentlichen Unfallhergang keine Zweifel bestehen.
Danach hat T eine Maschinen- bzw. Lagerhalle für Holz bauen lassen. Kleinigkeiten wollte T in Eigenleistung noch fertig stellen. An einem kleinen Raum in der Halle des T mussten dringend noch ca. zweieinhalb Reihen Steine gemauert werden. T hat seinen Nachbarn, den Kläger, gebeten, ob er ihm hier sehr kurzfristig helfen könne, weil er wusste, dass der Kläger Maurer ist, er selbst Schlosser ist und ihm diese Arbeit fremd ist. Ansonsten hätte T versuchen müssen, eine Maurerfirma für diese Arbeiten zu finden. Da dies aber in der Bauhochsaison und auch noch so kurzfristig sehr schwierig war, hat der Kläger sich ausnahmsweise dazu bereit erklärt, T zu helfen. Der Kläger hat T gesagt, dass er nach Feierabend kommen und helfen werde. Es hat sich um eine einmalige, unentgeltliche Tätigkeit gehandelt. Der Kläger hat um ca. 16 Uhr angefangen, zu arbeiten. Um ca. 17.30/17.45 Uhr ist auf dem Gerüst plötzlich eine Diele gekippt und der Kläger ist von ca. 1,30 Meter herabgestürzt. Dabei hat er sich eine Kniegelenksluxation rechts zugezogen.
Zur Überzeugung des Senats steht aufgrund einer Würdigung des gesamten Akteninhalts, insbesondere aufgrund der im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben der Beteiligten fest, dass das Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers für T am Unfalltag gegen eine sogenannte „Wie-Beschäftigung“ und für eine unternehmerähnliche Tätigkeit spricht. Zwar hatte die Tätigkeit, bei der der Kläger den Unfall erlitt, einen wirtschaftlichen Wert (s. BSG, Urteile vom 23.04.2015 – B 2 U 5/14 R = SozR 4-2700, § 2 Nr. 33 und vom 14.11.2013 – B 2 U 15/12 R = SozR 4-2700 § 2 Nr. 27). Auch diente die unfallbringende Verrichtung des Klägers einem fremden Unternehmen – dem Unternehmen des T – und entsprach zugleich dessen Willen (BSG, Urteil vom 26.01.1988 – 2 RU 23/87, Juris Rn. 16; Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 2 SGB VII, Rn. 391).
Der Kläger erbrachte die unfallbringende Verrichtung jedoch nicht arbeitnehmerähnlich und damit nicht „wie ein Beschäftigter“ nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, sondern unternehmerähnlich. Gegen die Einordnung der Tätigkeit des Klägers als arbeitnehmerähnlich spricht bereits, dass T keine beschäftigtenähnliche Weisungsbefugnis im Sinne einer Einzelweisungsbefugnis gegenüber dem Kläger ausgeübt hat (bzw. ausüben konnte), weil er selbst Schlosser und der Kläger gelernter Maurer ist. Zudem war der Leistungsinhalt entsprechend der Vereinbarung zwischen T und dem Kläger vom Vortag des Unfallgeschehens hinreichend bestimmt und nicht nur grob umrissen, sodass der Kläger seine Tätigkeit nicht aufgrund von Einzelweisungen des T ausgeführt hat (vgl. BSG, Urteil vom 25.04.2012 – B 12 KR 24/10 R, Juris Rn. 80, wonach für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis eine arbeitsrechtliche Direktionsbefugnis spricht, den nur grob umrissenen Inhalt einer Tätigkeit durch Einzelweisungen auszufüllen).
Soweit der Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung vom 06.07.2020 die Auffassung vertritt, er habe nur auf Anweisung seines Nachbarn gearbeitet, weil er den Raum nicht eingemessen und nur noch die Steine aufeinander gemauert habe, der Nachbar habe den Mörtel gemacht, die Steine zugereicht und die Höhe bestimmt, er habe die Arbeiten nicht geplant, dazu müsse erst einmal der Raum eingemessen werden, rechtfertigt dieser Vortrag – ihn als wahr unterstellt – nicht die Annahme einer beschäftigtenähnlichen Weisungsgebundenheit des Klägers hinsichtlich der Art der vom Kläger durchzuführenden Maurerarbeiten. Denn die Vorgaben des T beziehen sich nicht auf diese Maurertätigkeit – hierzu wäre T aufgrund seiner fehlenden Fachkenntnisse auch nicht in der Lage gewesen -, sondern auf die Gesamtplanung und auf den Umfang der vom Kläger durchzuführenden Maurerarbeiten. Solche grundlegenden Verabredungen sind auch bei der Erbringung von Werkleistungen (hier Teilleistung) üblich und notwendig und ergeben sich aus der Natur der Sache. Im Rahmen der Erbringung von Werkleistungen muss der Besteller mit dem Unternehmer nämlich vereinbaren, welche Leistung dieser wann und wo erbringen muss.
Vielmehr hat der Kläger die Maurerarbeiten im vereinbarten Umfang selbstständig ausgeführt und die Arbeitszeit selbst bestimmt, was für eine unternehmerähnliche Tätigkeit spricht (vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2018 – B 2 U 16/16 R, Juris Rn. 26). Nach seinen Angaben in der nichtöffentlichen Sitzung vom 06.07.2020 hat der Kläger T nämlich am Vortag des Unfallgeschehens, d. h. am 23.06.2010, mitgeteilt, dass er „am nächsten Tag vom Feierabend“ kommen werde. Die von T dem Kläger mitgeteilte Dringlichkeit der noch auszuführenden Maurerarbeiten begründet keine beschäftigtenähnliche zeitliche Weisungsgebundenheit des Klägers im Sinne eines „Zur-Verfügung-Stellens“ seiner Arbeitskraft in einem verbindlich festgelegten zeitlichen Rahmen – wie es bei Beschäftigten üblich ist -, sondern ergab sich hier aus der zeitlichen Dringlichkeit der beim Bau noch zu verrichtenden Arbeiten.
Zur Überzeugung des Senats spricht schließlich maßgeblich gegen eine als arbeitnehmerähnlich und für eine als unternehmerähnlich einzuordnende Tätigkeit vor allem, dass T den Kläger gerade wegen seines Fachwissens und seiner praktischen Fertigkeiten als gelernter Maurer um Hilfe gebeten hat (vgl. BSG, Urteil vom 31.05.2005 – B 2 U 35/04 R, Juris Rn. 18; Urteil des Senats vom 07.05.2014 – L 17 U 5/13, Juris Rn. 22; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.02.2012 – L 2 U 223/09, Juris Rn. 25), dieser nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Krankenkasse die notwendigen Gerüstböcke, Dielen sowie das Maurerhandwerkszeug selbst mitgebracht hat und der Kläger eine ansonsten für die Maurerarbeiten nötige Firma, deren Beauftragung lediglich aus Zeitgründen nicht möglich war, ersetzt hat.
Dass der Kläger sämtliches Werkzeug selbst mitgebracht hat, ist typischerweise bei einem Unternehmer der Fall, während einem Arbeitnehmer in abhängiger Beschäftigung Werkzeug regelmäßig gestellt wird (BSG, Urteil vom 31.05.2005, a. a. O., Rn. 18; Thüringer LSG, Urteil vom 05.09.2019 – L 1 U 165/18, Juris Rn. 25; Hessisches LSG, Urteil vom 18.06.2013 – L 3 U 26/11, Juris Rn. 31; Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 2 SGB VII, Rn. 404).
Weiterhin brachte der Kläger seine theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten als gelernter Maurer bei den Maurerarbeiten ein. Auch wenn für sich genommen ein besonderes Fachwissen durchaus auch bei Arbeitnehmern erwartet werden kann und bei der Durchführung einer solchen Tätigkeit auch vorhanden sein muss, stellt sich die „Beauftragung“ des Klägers durch T wegen des beim Kläger vorhandenen Fachwissens und der Notwendigkeit, ansonsten eine Fachfirma zu beauftragen, so dar, dass der Kläger nicht in untergeordneter weisungsabhängiger Position arbeitnehmerähnlich tätig wurde, sondern als ein für das Werk „Maurerarbeiten zwei Reihen“ verantwortlicher Unternehmer. Insoweit ging es auch nicht um ein „Zur-Verfügung-Stellen“ der Arbeitskraft des Klägers in einem vorgegebenen zeitlichen Rahmen, sondern der Kläger „versprach“ durch seine Bereitschaft, zu helfen, dem T einen Erfolg, nämlich das Mauern von zweieinhalb Reihen Steine in der Halle.
Zudem hätte T ohne die Hilfe des Klägers eine Firma mit der Fertigstellung der Maurerarbeiten gesondert beauftragen müssen, gerade dieser Umstand spricht für eine unternehmerähnliche Tätigkeit.
Wenn aber die fragliche Tätigkeit nicht durch Beschäftigte im Unternehmen durchgeführt werden kann und hierfür ausschließlich nur unternehmensfremde Dritte die erforderlichen Kenntnisse haben, dann spricht dies maßgeblich dafür, dass ein solcher Dritter, der diese Tätigkeit ausführt, eben gerade nicht „wie ein Beschäftigter“ dieses konkreten Unternehmens tätig ist, sondern wie ein eigenständiger Unternehmer, der eine Werkleistung erbringt.
Schließlich spricht die fehlende Entgeltlichkeit der Maurerarbeiten nicht gegen eine Unternehmerähnlichkeit, sondern gibt der Tätigkeit den Charakter eines Auftrags mit Werkvertragscharakter anstatt eines (entgeltlichen) Werkvertrags (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 SGB VII, Rn. 34.13 m. w. N.).
Auf die Frage, ob die Beklagte oder aber die Beigeladene zu 1) oder die Beigeladene zu 2) vorliegend zuständiger Unfallversicherungsträger wäre, kommt es demnach nicht mehr an. Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass die Beklagte gemäß §§ 123, 124 Nr. 2 SGB VII zuständiger Unfallversicherungsträger wäre. Gemäß §§ 123, 124 SGB VII ist die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig für Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft, zu denen auch Bauarbeiten für den Wirtschaftsbetrieb gehören (§ 124 Abs. 2 SGB VII). Entscheidend ist insofern, ob die jeweiligen Bauarbeiten dem landwirtschaftlichen Unternehmen wesentlich dienten. Unter „wesentlich“ ist nicht „überwiegend“ oder gar „ausschließlich“ zu verstehen (vgl. Koch/KassKomm, SGB VII, § 124 Rn. 15; Feddern in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., Stand 12.06.2017, § 124 SGB VII).
Vorliegend handelte es sich beim Hallenneubau um Bauarbeiten, die dem Wirtschaftsbetrieb des T wesentlich dienten, weil die Halle in der Errichtungsphase zum Zeitpunkt des Unfalls bereits als Unterstellplatz für Maschinen und Geräte fungierte. Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass die Photovoltaik-Anlage, die auf dem Hallendach montiert wurde, keinen Bezug zum versicherten Unternehmen des T hatte. Anzeichen dafür, dass die Halle ganz überwiegend zum Zwecke der Stromgewinnung errichtet wurde und die Möglichkeit, Maschinen und Werkzeug unterzubringen, nur als Nebeneffekt genutzt wurde, sind nicht erkennbar. Das Vorhandensein mehrerer unterschiedlicher Zweckrichtungen ist jedenfalls – wie hier – dann unschädlich, wenn keine von diesen ganz überragend ist und mindestens durch einen Zweck die Voraussetzungen des § 124 Nr. 2 SGB VII erfüllt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 193, 183 S. 3 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG), sind nicht ersichtlich.


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