Sozialrecht

Kostenrecht: Keine Mitursächlichkeit unzutreffender Erwägungen im angegriffenen Bescheid

Aktenzeichen  L 6 R 531/19

Datum:
4.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 21667
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BRAO § 46a
SGB VI § 6, § 231
SGG § 193

 

Leitsatz

Die Rechtsprechung, nach der es als mitursächlich für die Klageerhebung angesehen und als Abwägungskriterium im Rahmen der Kostenentscheidung berücksichtigt wurde, dass ein angegriffener Bescheid auf unzutreffende Erwägungen gestützt wurde, wird angesichts der entgegenstehenden Auffassung des BSG ausdrücklich aufgegeben. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 31 R 2091/17 2019-09-24 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Zwischen den Beteiligten war streitig, ob der Kläger für seine seit 01.06.2011 bei der A AG ausgeübte Tätigkeit von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien war. Der 1979 geborene Kläger ist seit dem 14.07.2009 als Rechtsanwalt zugelassen und Mitglied der Rechtsanwaltskammer D sowie des beigeladenen Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen. Die Beklagte befreite ihn auf seinen Antrag vom 23.08.2011 mit Bescheid vom 26.10.2011 für die sechsmonatige Probezeit i.S. einer zeitlich begrenzten berufsfremden Beschäftigung gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Gleichzeitig wurde eine unbefristete Befreiung über den 30.11.2011 hinaus abgelehnt, da es sich um keine anwaltliche, sondern eine sachbearbeitende Tätigkeit handele. Der Kläger werde insbesondere nicht rechtsgestaltend und rechtsentscheidend tätig. Diese Entscheidung wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.04.2012 bestätigt.
Während des hiergegen zum Sozialgericht München angestrengten und vorübergehend ruhenden Klageverfahrens stellte das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteilen vom 03.04.2014 (u.a. B RE 13/14 R) klar, dass Beschäftigungen bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber grundsätzlich keinen Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht begründen. Auf den Inhalt der Tätigkeit (rechtsberatend, rechtsvermittelnd, rechtsentscheidend und rechtsgestaltend) komme es bei solchen Beschäftigungsverhältnissen nicht an. Nach Fortsetzung des Verfahrens wies das Sozialgericht mit Urteil vom 24.09.2019 die anhängige Klage als unbegründet ab. Streitig sei der Befreiungsantrag von 23.08.2011. Dieser sei nach der bis 31.12.2015 geltenden Rechtslage zu beurteilen. Insoweit seien die Urteile des Bundessozialgerichts vom 03.04.2014 anzuwenden. Da der Kläger bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber angestellt sei, komme eine Befreiung nach altem Recht nicht in Betracht. Die hiergegen eingelegte Berufung erklärte der Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 06.04.2021 für erledigt und stellte gleichzeitig Kostenantrag nach § 193 SGG mit dem Ziel, der Beklagten ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.
II.
Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Nach Satz 3 entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders beendet wird. Ein solcher Fall liegt hier vor, da das Verfahren in der Hauptsache wie auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durch die Erledigungserklärung des Klägers beendet wurde und dieser Antrag auf gerichtliche Kostenentscheidung gestellt hat. Die Entscheidung ergeht aufgrund der unstreitigen Erledigung der Hauptsache gem. § 155 Abs. 2 Nr. 5 SGG durch den Vorsitzenden als BeRichterstatter. Die Entscheidung hat nach billigem Ermessen zu erfolgen und den bisherigen Sach- und Streitstand zu berücksichtigen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2020, Rn. 13ff. zu § 193). Dabei sind zum einen die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels, zum anderen die Gründe für dessen Einlegung und Erledigung zu betrachten. Hierbei hat eine summarische Prüfung zu erfolgen (Meyer-Ladewig, Rn. 13d zu § 193; Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 193 SGG, Rn. 35).
Unter Berücksichtigung dieser Prämissen erscheint eine auch nur anteilige Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers durch die Beklagte nicht billig. Die Berufung des Klägers war im Hinblick auf die Urteile des BSG 03.04.2014 (Az.: B 5 RE 3/14 R u.a.), mit welchen eine Befreiung für eine anwaltliche Tätigkeit bei nichtanwaltlichen Arbeitgeber gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI generell ausgeschlossen wird, offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg. Auch das BSG misst in Konstellationen wie der vorliegenden den Erfolgsaussichten der Hauptsache alleine maßgebliche Bedeutung zu (BSG, u.a. Beschluss vom 23.04.2021, Az.: B 5 RE 14/20 B).
Soweit der erkennende Senat in vorangegangenen Kostenentscheidungen (Beschlüsse des Senats vom 28.12.2017, Az.: L 6 R 724/16, vom 22.08.2018, Az.: L 6 R 47/17 und vom 07.01.2019, Az.: L 6 R 87/16) den Umstand, dass die Beklagte die angegriffenen Bescheide auf unzutreffende Erwägungen gestützt hat, als mitursächlich für die Klageerhebung angesehen und als Abwägungskriterium im Rahmen der Kostenentscheidung berücksichtigt hat, wird diese Rechtsprechung angesichts der entgegenstehenden Auffassung des BSG (Beschluss vom 23.04.2021, a.a.O.) hiermit ausdrücklich aufgegeben.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar, § § 177, 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG.


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