Sozialrecht

Leistung von Ausbildungsförderung für den Besuch eines privaten Gymnasiums

Aktenzeichen  M 15 K 16.5963

Datum:
12.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG
BAföG § 9 BAföG

 

Leitsatz

1 Eine der tatsächlich besuchten Ausbildungsstätte entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte iSv § 2 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BAföG liegt grundsätzlich dann vor, wenn sie nach Lehrstoff und Bildungsgang zu dem erstrebten Ausbildungs- und erziehungsziel führt. Hierfür reicht jedoch die Möglichkeit des Erwerbs des gleichen Bildungsabschlusses an beiden Ausbildungsstätten allein nicht aus; abzustellen ist vielmehr darauf, ob bei der wohnortnahen Bildungsstätte nach Lehrstoff, Schulstruktur und Bildungsgang relevante Unterschiede gegenüber der gewählten auswärtigen Schule bestehen, die einem Verweis des Auszubildenden auf den Besuch der wohnortnahen Bildungsstätte entgegenstehen (vgl. BayVGH BeckRS 2013, 52241). (Rn. 23) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Die spezielle Ausrichtung einer Ausbildungsstätte am Förderbedarf von Schülern mit Migrationshintergrund kann einen relevanten, ausbildungsbezogenen Unterscheid zwischen zwei Ausbildungsstätten ausmachen (wie BayVGH BeckRS 2013, 52241). Bietet eine wohnortnahe Schule, die den gleichen Schulabschluss vermittelt wie die gewählte Ausbildungsstätte eine spezielle Betreuung zum Ausgleich migrationstypischer Defizite nicht an, kann je nach Ausgestaltung der migrationstypischen Förderung die Annahme einer entsprechenden, zumutbaren Ausbildungsstätte im Einzelfall abgelehnt werden (wie BayVGH BeckRS 2013, 52241). (Rn. 25) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Von einem wesentlichen Unterscheid zwischen gewählter und wohnortnaher Ausbildungsstätte kann nur dann ausgegangen werden, wenn das prägende Profil der gewählten Bildungseinrichtung dem individuellen Förderbedarf des Auszubildenden – im Gegensatz zur wohnortnahen Ausbildungsstätte – im konkreten Fall entspricht. Decken sich Förderbedarf auf der einen und spezielle Schulstruktur der auswärtigen Bildungsstätte auf der anderen Seite, so kann der Auszubildenden auf die wohnortnahe Ausbildungsstätte nach § 2 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BAföG nicht verwiesen werden (wie BayVGH BeckRS 2013, 52241). (Rn. 26) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Nach § 1 BAföG besteht ein Rechtsanspruch auf individuelle Förderung nur für eine der Neigung, Eignung und Leistung des Antragstellers entsprechende Ausbildung. Dieses Erfordernis ist nach § 9 Abs. 1 BAföG nur dann erfüllt, wenn die Leistungen des Auszubildenden erwarten lassen, dass er das angestrebte Ausbildungsziel erreichen wird, was im Rahmen einer tatsachengestützten Prognose auf der Grundlage vorgelegter Zeugnisse bezogen auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung zu beurteilen ist (vgl. BayVGH BeckRS 2014, 55200). (Rn. 36) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Die Regelvermutung des § 9 Abs. 2 BAföG kann bei einem Übertritt von einer privaten, staatlich genehmigten Realschule an ein privates, staatlich genehmigtes Gymnasium jedenfalls im Jahr der Aufnahme des Auszubildenden nicht zum Tragen kommen, da staatlich genehmigte Privatschulen nicht an die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufnahme eines Schülers gebunden sind. (Rn. 38) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung für den Besuch der Einführungsklasse des privaten Gymnasiums (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Niederbayern vom 28. November 2016 erweist sich daher als rechtmäßig.
Nach § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da es in M., dem Wohnort der Eltern der Klägerin, insgesamt 7 öffentliche Gymnasien gibt, die im streitgegenständlichen Schuljahr 2015/16 eine Einführungsklasse für Absolventen der Realschule anboten (vgl. Beiblatt zum Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Nr. 6, ausgegeben am 13.5.2015, S. 115) und von der Wohnung der Eltern aus in zumutbarem Zeitaufwand erreichbar sind.
Eine der tatsächlich besuchten Ausbildungsstätte entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG liegt grundsätzlich dann vor, wenn sie nach Lehrstoff und Bildungsgang zu dem erstrebten Ausbildungs- und Erziehungsziel führt. Hierfür reicht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch die Möglichkeit des Erwerbs des gleichen Bildungsabschlusses an beiden Ausbildungsstätten allein nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1976 – V C 43.75 – BVerwGE 51, 354; B.v. 20.9.1996 – 5 B 177/95 – juris Rn. 4). Abzustellen ist vielmehr darauf, ob bei der wohnortnahen Bildungsstätte nach Lehrstoff, Schulstruktur und Bildungsgang relevante Unterschiede gegenüber der gewählten auswärtigen Schule bestehen, die einem Verweis des Auszubildenden auf den Besuch der wohn-ortnahen Bildungsstätte entgegenstehen (BayVGH, z.B. B.v. 18.6.2013 – 12 B 13.593 – juris Rn. 18 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 16.12.1976 – V C 43.75 – BVerwGE 51, 354; U.v. 31.3.1980 – V C 41.78 – FamRZ 1980, 837; U.v. 12.2.1981 – V C 43.79 – FamRZ 1981, 610; U.v. 21.6.1990 – V C 3/88 – NVwZ-RR 1990, 611; OVG NRW, B.v. 28.10.2011 – 12 A 1955/11 – juris Rn. 3; B.v. 28.2.2012 – 12 A 1456/11 – juris Rn. 3; B.v. 16.10.2012 – 12 A 1628/12 – juris Rn. 7).
Für den danach anzustellenden Vergleich der in Betracht zu ziehenden Ausbildungsstätten besitzen indes nur ausbildungsbezogene Gesichtspunkte Relevanz. Außer Betracht zu bleiben haben ferner unwesentliche Unterschiede bezogen auf Schulstruktur und Bildungsgang. Demgegenüber liegen wesentliche, beachtliche Unterschiede zwischen zwei Ausbildungsstätten dann vor, wenn die Ausrichtung des Auszubildenden an einem bestimmten, nur an der von ihm gewählten und nicht auch an der wohnortnahen Ausbildungsstätte verwirklichten ausbildungsbezogenen Umstand sinnvoll ist (BayVGH, z.B. B.v. 18.6.2013 – 12 B 13.593 – juris Rn. 19 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 21.6.1990 – 5 C 3/88 – NVwZ-RR 1990, 611; OVG NRW, B.v. 28.10.2011 – 12 A 1955/11 – juris Rn. 3; B.v. 28.2.2012 – 12 A 1456/11 – juris Rn. 3; B.v. 16.10.2012 – 12 A 1628/12 – juris Rn. 7).
Derartige wesentliche Unterschiede zwischen zwei Bildungsstätten bejaht die Rechtsprechung etwa dann, wenn die besuchte Ausbildungsstätte eine konfessionelle oder weltanschauliche Prägung besitzt und der Auszubildende seine Ausbildung hieran orientiert (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.1978 – V C 49.77 – BVerwGE 57, 198). Den maßgeblichen Bezugspunkt bildet dabei jedoch allein die Ausbildungsstätte selbst, nicht hingegen lediglich mit ihr verbundene Einrichtungen, wie beispielsweise externe Wohnheime (vgl. BVerwG, U.v. 31.3.1980 – 5 C 41/78 – FamRZ 1980, 837). Darüber hinaus kann auch die spezielle Ausrichtung einer Ausbildungsstätte am Förderbedarf von Schülern mit Migrationshintergrund einen relevanten, ausbildungsbezogenen Unterschied zwischen zwei Ausbildungsstätten ausmachen (BayVGH, z.B. B.v. 18.6.2013 – 12 B 13.593 – juris Rn. 20 unter Verweis auf OVG NRW, B.v. 28.2.2012 – 12 A 1456/11 – juris Rn. 3; B.v. 16.10.2012 – 12 A 1628/12 – juris Rn. 7 und 12; VG Trier, U.v. 20.12.2007 – 6 K 439/07.TR – juris Rn. 17 und 19). Bietet die wohnortnahe Schule, die den gleichen Schulabschluss vermittelt wie die gewählte Ausbildungsstätte, eine spezielle Betreuung für Migranten, beispielsweise eine Sprachförderung oder eine Hilfestellung bei den Hausaufgaben, die migrationstypische Defizite ausgleicht, nicht an, so kann je nach Ausgestaltung der migrationstypischen Förderung im Einzelfall die Annahme einer entsprechenden, zumutbaren Ausbildungsstätte abgelehnt werden (BayVGH, z.B. B.v. 18.6.2013 – 12 B 13.593 – juris Rn. 20; B.v. 5.12.2012 – 12 BV 11.1377 – juris Rn. 14; VG Trier, U.v. 20.12.2007 – 6 K 439/07.TR – juris Rn. 17 und 19).
Von einem wesentlichen Unterschied zwischen der gewählten und der wohnortnahen Ausbildungsstätte kann insbesondere dann ausgegangen werden, wenn das prägende Profil der gewählten Bildungseinrichtung dem individuellen Förderbedarf des Auszubildenden – im Gegensatz zur wohnortnahen Ausbildungsstätte – im konkreten Fall entspricht. Decken sich Förderbedarf auf der einen und spezielle Schulstruktur und Bildungsgang der auswärtigen Bildungsstätte auf der anderen Seite und trifft dies auf die wohnortnahe Ausbildungsstätte nicht zu, so kann der Auszubildende auf die wohnortnahe Ausbildungsstätte als entsprechende zumutbare im Sinne von § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG nicht verwiesen werden (BayVGH, z.B. B.v. 18.6.2013 – 12 B 13.593 – juris Rn. 21 unter Verweis auf OVG NRW, B.v. 16.10.2012 – 12 A 1628/12 – juris Rn. 12; VG Trier, U.v. 20.12.2007 – 6 K 439/07.TR – juris Rn. 19). Anders verhält es sich hingegen dann, wenn eine auswärtige Schule eine spezielle Sprach- und Studienförderung für Schüler mit Migrationshintergrund zwar anbietet, beim Auszubildenden jedoch ein entsprechendes Defizit nicht besteht (BayVGH, z.B. B.v. 18.6.2013 – 12 B 13.593 – juris Rn. 22; B.v. 5.12.2012 – 12 BV 11.1377 – juris Rn. 15).
Ob bei der Klägerin zum Ende des Schuljahres 2014/2015 (10. Jahrgangsstufe der Realschule) ein besonderer migrationstypischer Förderbedarf vorlag, kann offenbleiben. Denn die gewählte Privatschule lässt schon keine spezielle Ausrichtung am Förderbedarf von Schülern mit Migrationshintergrund erkennen, die wesentlich über diejenigen Förderangebote hinausginge, die die in Betracht gezogenen öffentlichen M. Gymnasien bereithalten (vgl. VG München, U.v. 2.10.2014 – M 15 K 13.5380 – juris; bestätigt von BayVGH, B.v. 2.2.2015 – 12 ZB 15.2 – nicht veröffentlicht; BayVGH, B.v. 7.7.2014 – 12 C 14.1294 – juris Rn. 23; VG München, U.v. 29.1.2015 – M 15 K 14.1523 – juris).
Die von der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum besuchte Privatschule bietet in dem allein maßgeblichen schulischen Bereich keine nennenswerte spezielle Förderung für Schülerinnen mit ausbildungsbezogenen migrationsbedingten Defiziten an.
Das Gymnasium der … Privatschulen ist eine gebundene Ganztagschule für Mädchen mit angeschlossenem Internat. Nach Erkenntnissen des Gerichts aus einer Vielzahl vergleichbarer Verfahren werden den Schülerinnen dort am Nachmittag von Lehrern der Schule Intensivierungsstunden, Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe angeboten. Es gibt Lesestunden (deutscher Bücher) und die Klassen werden geteilt. Außerdem wird zusätzlich Unterricht in der Sprache Türkisch angeboten.
Mit diesem Angebot unterscheidet sich die streitgegenständliche Privatschule insgesamt nicht wesentlich von anderen Privatschulen, die mit kleinen Klassen und damit bedingter intensiverer Betreuung werben und deren Angebote sich generell an „schwächere“ Schüler richten. Die von den türkischstämmigen Erzieherinnen am Abend angebotenen Lernzeiten, die auch in anderen Internaten üblich sind, werden nicht durch die Schule, sondern neben der Schule im angegliederten Internat angeboten und gehören ohnehin nicht zum Ausbildungsinhalt des privaten Gymnasiums. Dem am Gymnasium der … Privatschulen als Wahlfach angebotenen Türkischunterricht kommt angesichts des gesamten Ausbildungsinhalts, der sich mit dem an öffentlichen Gymnasien derselben Ausbildungsrichtung deckt, kein solches Gewicht zu, dass er dem von der Klägerin besuchten privaten Gymnasium eine besondere Prägung/Ausrichtung verleihen könnte.
Das Angebot der von der Klägerin gewählten Privatschule geht auch nicht wesentlich über die Förderangebote hinaus, die an den öffentlichen Gymnasien in Bayern im Rahmen des G 8, insbesondere an den Ganztagesschulen, regelmäßig angeboten werden (vgl. VG München, U.v. 2.10.2014 – M 15 K 13.5380 – juris; bestätigt von BayVGH, B.v. 2.2.2015 – 12 ZB 15.2 – nicht veröffentlicht; BayVGH, B.v. 7.7.2014 – 12 C 14.1294 – juris Rn. 23; VG München, U.v. 29.1.2015 – M 15 K 14.1523 – juris). Dazu gehören insbesondere die wöchentlichen Intensivierungsstunden in mehreren Kernfächern sowie eine intensivere Betreuung der Schüler durch Teilung der Klassen in bestimmten Fächern, v.a. im Fach Deutsch, bzw. durch Team-Teaching, d.h. zwei Lehrer betreuen gleichzeitig eine Klasse. Auch Hausaufgabenbetreuung am Nachmittag bzw. Förderunterricht oder Nachhilfe in bestimmten Fächern werden regelmäßig an M. Schulen angeboten. Daher lassen auch diese Angebote keinen Rückschluss auf eine spezielle Ausrichtung der … Privatschulen am migrationsbedingten Förderbedarf ihrer Schülerinnen zu. Generell lässt sich das Angebot von Hausaufgabenbetreuung bzw. Nachhilfe in bestimmten Fächern nicht einem speziellen Profil zur migrationsbedingten Förderung zuordnen. Vielmehr besteht der Bedarf an Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfestunden bei einer Vielzahl von Schülern mit und ohne Migrationshintergrund, deren Eltern ihren Kindern nicht selbst bei den Hausaufgaben helfen (können), sondern externe Betreuungsprogramme bzw. Nachhilfe in Anspruch nehmen (müssen). Aufgrund der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse aus einer Vielzahl ähnlich gelagerter Verfahren ist davon auszugehen, dass – zumindest im städtischen Umgriff – auch die öffentlichen Gymnasien mittlerweile über einen erheblichen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Familien verfügen und einen entsprechenden Förderbedarf durch (kostenfreien) Förderunterricht und/oder andere Angebote abdecken (vgl hierzu im Einzelnen: Urteil der Kammer v. 2.10.2014 – M 15 K 13.5380 – juris). Schließlich spricht gegen eine spezielle Ausrichtung der betreffenden Privatschule am Förderbedarf von Schülern mit Migrationshintergrund, dass die Klägerin von der 5. bis zur 10. Klasse, also 6 Jahre lang, die Realschule der … Privatschulen und anschließend noch die 10. und 11. Klasse des dortigen Gymnasiums besucht hat, ohne ihre schriftlichen Leistungen im Fach Deutsch auf ein befriedigendes Niveau zu verbessern, wie das Zeugnis über die Abschlussprüfung für die Realschule vom 24. Juli 2015 sowie die Notenbögen für die 10. und 11. Klasse des Gymnasiums zeigen.
Bezogen auf die Intention der öffentlichen Ausbildungsförderung, den Auszubildenden das Erreichen des angestrebten Ausbildungszieles zu ermöglichen, würde es – auch unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf Bildung – ausreichen, wenn die Klägerin an einer der in Bezug genommenen öffentlichen Schulen eine ihren Bedürfnissen entsprechende Förderung erhielte. Leistungen von Privatschulen mit angeschlossenem Internat, die generell eine intensivere individuelle Rundum-Betreuung von Schülern anbieten, müssen – auch, wenn sie für sich gesehen nützlich und sinnvoll sein mögen – nicht mit Mitteln der Ausbildungsförderung finanziert werden (vgl. OVG NRW, U.v. 28.5.2013 – 12 A 1277/12 – juris Rn. 45).
Schließlich stand der Aufnahme der Klägerin an einem öffentlichen M. Gymnasium und damit der Annahme einer entsprechenden zumutbaren Ausbildungsstätte auch kein unüberwindliches rechtliches oder tatsächliches Hindernis entgegen (vgl. BVerwG, U.v. 21.6.1990 – 5 C 3/88 – NVwZ-RR 1990, 611 m.w.N.; BayVGH, B.v. 7.7.2014 – 12 C 14.1294 – juris Rn. 26), weil die Klägerin an ein öffentliches Gymnasium hätte wechseln können, wenn sie entweder in eine Einführungsklasse eines der 7 wohnortnahen öffentlichen Gymnasien aufgenommen worden wäre oder eine Aufnahmeprüfung und anschließende Probezeit bestanden hätte.
Die Aufnahme der Klägerin in die Einführungsklasse eines der genannten öffentlichen Gymnasien wäre gemäß § 31 Abs. 2 der für den Beginn des Schuljahres 2015/16 maßgeblichen Fassung der GSO (a.F.) grundsätzlich möglich gewesen. Über die Eignung der Schüler entscheidet grundsätzlich der aufnehmende Schulleiter. Voraussetzung für die Aufnahme in eine Einführungsklasse ist ein pädagogisches Gutachten der in der Jahrgangsstufe 10 besuchten Schule, in dem die Eignung für den Bildungs Weg des Gymnasiums uneingeschränkt bestätigt wird (§ 31 Abs. 2 Satz 5 GSO a.F.). Die Klägerin hat nur den Nachweis erbracht, dass sie sich zum maßgeblichen Schuljahr 2015/16 bei einem der 7 Gymnasien, die Einführungsklassen anboten, beworben hat. Das Städtische …Gymnasium hat die Aufnahme der Klägerin in die Übergangsklasse aufgrund schlechter Leistungen, insbesondere im Fach Deutsch, ausweislich der vorgelegten Bestätigung abgelehnt. Ob die Klägerin sich tatsächlich darüber hinaus auch am Städtischen A. W. Gymnasium beworben hat, wie im Verwaltungsverfahren vorgetragen wurde, wurde nicht nachgewiesen. Unabhängig davon hätte die Klägerin sich um eine Aufnahme an allen 7 Gymnasien, die im maßgeblichen Schuljahr Einführungsklassen angeboten, bewerben müssen, um dar tun zu können, dass ihrer Aufnahme an einer öffentlichen Schule ein unüberwindliches Hindernis entgegenstand.
Darüber hinaus können Schüler mit dem Abschlusszeugnis der Realschule in die Einführungsphase der Oberstufe (10. Klasse) eintreten. Hierzu haben sie sich grundsätzlich einer Aufnahmeprüfung und einer Probezeit zu unterziehen, § 31 Abs. 1 GSO a.F. Auch um diese Möglichkeit hätte sich die Klägerin rechtzeitig und ernsthaft bemühen müssen. Die Kontaktaufnahme zum Ministerialbeauftragten mit der Bitte um Vermittlung an ein geeignetes Gymnasium wenige Tage vor Schulbeginn erfolgte viel zu spät, um ein ernsthaftes Bemühen der Eltern der Klägerin erkennen zu lassen. Ein solches wäre jedoch im Hinblick auf die in § 2 Abs. 1a BAföG zum Ausdruck kommende Nachrangigkeit der staatlichen Schülerförderung notwendig gewesen, um ein unüberwindbares Zugangshindernis geltend machen zu können.
Ungeachtet dessen besteht nach dem Grundsatz des § 1 BAföG ein Rechtsanspruch auf individuelle Förderung nur für eine der Neigung, Eignung und Leistung des Antragstellers entsprechende Ausbildung. Dieses Erfordernis ist nach § 9 Abs. 1 BAföG nur dann erfüllt, wenn die Leistungen des Auszubildenden erwarten lassen, dass er das angestrebte Ausbildungsziel erreichen wird. Die bisherigen Leistungen müssen die Annahme rechtfertigen, dass der Auszubildende die vom angestrebten Ausbildungsziel geforderten Leistungen erbringen bzw. die Ausbildung erfolgreich durchlaufen und zum Abschluss bringen wird. Letzteres ist im Rahmen einer tatsachengestützten Prognose auf der Grundlage der vom Auszubildenden vorgelegten Zeugnisse bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde über den Förderantrag zu beurteilen (vgl. hierzu näher Rothe/Blanke, BAföG, Stand: September 2016, § 9 Rn. 6; BayVGH, B.v. 15.8.2014 – 12 BV 13.108 – juris; BayVGH, B.v. 27.3.2013 – 12 BV 13.85 – nicht veröffentlicht). Nach dem Ende des Bewilligungszeitraums eintretende Entwicklungen müssen aufgrund des Prognosecharakters außer Betracht bleiben (vgl. BVerwG, B.v. 21.4.1993 – 11 B 60.92 – NVwZ-RR 1994, 28). Bei der Beurteilung ist jeweils auf den klassenweisen Fortschritt der Ausbildung abzustellen (vgl. Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 5. Aufl. 2014, § 9 Rn. 3).
Hiervon ausgehend waren die Voraussetzungen für die Förderung der Klägerin nach § 9 Abs. 1 BAföG nicht gegeben, weil die Klägerin nach dem Abschlusszeugnis der Realschule lediglich einen Notendurchschnitt von 3,6 und insbesondere im Fach Deutsch nur die Note (5) mangelhaft erreicht hat. Unter diesen Voraussetzungen war ein erfolgreicher Abschluss des Bildungswegs des Gymnasiums nicht zu erwarten. Hierzu haben sowohl der Schulleiter des …Gymnasiums als auch die Beklagte nachvollziehbar erklärt, dass eine Eignung für das Gymnasium mit einem Notenschnitt, der unter dem für den Übertritt an eine Fachoberschule liegt, sowie mit der Note 5 im Fach Deutsch in der Regel nicht angenommen werden könne. Dafür dass bei der Klägerin besondere Umstände vorlägen, die eine Eignung dennoch annehmen ließen, gibt es keine Anhaltspunkte. Insbesondere lassen sich solche Anhaltspunkte nicht dem von der Realschule der … Privatschulen ausgestellten pädagogischen Gutachten vom 12. Februar 2015 entnehmen, das die uneingeschränkte Eignung für den Bildungs Weg des Gymnasiums bestätigt. Dieses Gutachten ist schon deshalb nicht aussagekräftig, weil es auf die deutlich bessere Bewertung der Leistungen der Klägerin an der Privatschule abstellt. Insbesondere im Fach Deutsch erhielt die Klägerin im Jahreszeugnis der 9. Klasse die Note (3) befriedigend, in Mathematik die Note (2) gut. Demgegenüber erzielte sie im Abschlusszeugnis der Realschule, das auf eine externe Prüfung an einer öffentlichen Schule zurückgeht, in Deutsch nur die Note (5) mangelhaft, in Mathematik die Note (3) befriedigend. Die Neigung der betreffenden Privatschule, die schriftlichen Noten der Schüler durch mündliche Noten deutlich anzuheben, lässt sich auch den Notenbögen für die 10. und 11. Klasse des Gymnasiums entnehmen. Eine besondere Aussagekraft hinsichtlich der Eignung der Klägerin für die Schulart des Gymnasiums kann dem pädagogischen Gutachten der Privatschule daher nicht beigemessen werden. Andernfalls würde die Privatschule durch die wohlwollendere Benotung der Schüler und Ausstellung der pädagogischen Gutachten, die auch einem Übertritt an das Gymnasium desselben privaten Trägers dienlich sind, im Ergebnis über die Gewährung staatlicher Ausbildungsförderung entscheiden. Die nicht datierte Bestätigung der M.-Schulen, dass die Klägerin gute Chancen habe, die Abiturprüfung erfolgreich zu absolvieren, muss schon deshalb außer Betracht bleiben, da sie nach der Namensänderung zum 1. Februar 2017 ausgestellt worden sein muss und aufgrund des Prognosecharakters der Entscheidung über die Eignung nicht mehr in Betracht gezogen werden darf (vgl. BVerwG, B.v. 21.4.1993 – 11 B 60.92 – NVwZ-RR 1994,28). Aufgrund der mangelnden Eignung der Klägerin für die Schulart des Gymnasiums hat schließlich das …Gymnasium ihre Aufnahme in die Einführungsklasse des Schuljahres 2015/16 abgelehnt.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus § 9 Abs. 2 BAföG, wonach die Eignung des Auszubildenden vermutet wird, solange dieser die Ausbildungsstätte tatsächlich besucht. Diese Regelvermutung kann bei einem Übertritt von einer privaten, staatlich genehmigten Realschule an ein privates, staatlich genehmigtes Gymnasium jedenfalls im Jahr der Aufnahme des Auszubildenden nicht zum Tragen kommen, da staatlich genehmigte Privatschulen nicht an die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufnahme eines Schülers gebunden sind. Aufgrund des maßgeblichen Prognosezeitpunkts verbietet sich auch der Rückgriff allein auf die Eignungsbeurteilung durch die aufnehmende Ausbildungsstätte. Denn andernfalls würde ausschließlich die aufnehmende Privatschule durch eine von der staatlichen Regelung abweichende großzügigere Handhabung der Übertrittspraxis im Ergebnis über die Gewährung staatlicher Ausbildungsförderung entscheiden. Gleichzeitig würde die durch § 1 BAföG vorgegebene Prognoseentscheidung auf der Grundlage des vom Auszubildenden vorzulegenden Abschlusszeugnisses und eines objektiven pädagogischen Gutachtens der (öffentlichen) Realschule obsolet. Dies wäre mit der gesetzlichen Systematik eines an die Eignung anknüpfenden Übertritts an weiterführende Schulen, die auch die Gewährung von Ausbildungsförderung zu beachten hat, nicht vereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 15.8.2014 – 12 BV 13.108 – juris; BayVGH, B.v. 27.3.2013 – 12 BV 13.85 – nicht veröffentlicht).
Nach alledem liegen die Fördervoraussetzungen für das hier streitgegenständliche Schuljahr 2015/16 aus verschiedenen Gründen nicht vor.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.


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