Sozialrecht

Leistungen, Rentenversicherung, Krankenversicherung, Bescheid, Einkommen, Beitragspflicht, Grundsicherung, Rente, Wohnung, Altersrente, Befreiung, Verpflichtungsklage, Zuschuss, Krankengeld, Inhaber einer Wohnung, Aussicht auf Erfolg, keine Aussicht auf Erfolg

Aktenzeichen  B 3 K 21.429

Datum:
7.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25765
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
1. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 01.04.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, sodass eine Aufhobung des Bescheids nicht in Betracht kommt, sondern die erhobene Anfechtungsklage abzuweisen war (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a. Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV -. Die Voraussetzungen für eine Beitragspflicht des Klägers nach § 2 Abs. 1 RBStV lagen im streitgegenständlichen Zeitraum hinsichtlich der Wohnung „Zum Eisweiher 5, 9… M.“ vor, da der Kläger Inhaber dieser Wohnung war. Gemäß § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV ist jede volljährige Person, die eine Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist (Kr. 1) oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (Nr. 2). Die Beitragspflicht entsteht also gemäß § 2 RBStV für jede Wohnung im Sinne von § 3 RBStV von Gesetzes wegen. Der Kläger wohnte im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig unter der genannten Adresse. Er war damit Inhaber der Wohnung. Soweit er vorträgt, er sei nicht Eigentümer der Wohnung, er habe nur ein Wohnrecht, kann er hiermit nicht durchdringen. Es kommt nämlich nicht auf dio Eigentumsverhältrisse betreffend die Wohnung an. Maßgeblich ist, dass die Wohnung „bewohnt“ wird. Das heißt, dass sie tatsächlich zum Wohnen genutzt wird. Dies ist hier unstreitig der Fall. Soweit der Kläger im Rahmern des Verwaltungsverfahrens auf einen Auszug aus einer Notarkunde Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass sich zwar aus diesem nicht ergibt, welche Immobilie Gegenstand des Vertragsschlusses war, sollte es sich um das Anwesen … gehandelt haben, ergibt sich daraus, dass dem Kläger ein Wohnrecht für die abgeschlossene Wohnung im Erdgeschoss des Wohnhauses eingeräumt wurde. Die Ehefrau des Klägers hat diesem das Wohnrecht als beschränkt persönliche Dienstbarkeit bestellt. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger eben nicht widerlegt, dass er Inhaber der streitigen Wohnung war bzw. ist. Vielmehr wird gerade bestätigt, dass der Kläger die Wohnung bewohnen darf und offensichtlich auch bewohnt.
b. Der Kläger war im streitigen Zeitraum auch nicht von der Rundfunkbeitragspflicht befreit. Zwar hat der Kläger einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gestellt. Diesen hat der Beklagte mit Bescheid vom 08.09.2020 abgelehnt. Widerspruch oder Klage hat der Kläger ausweislich des Verwaltungsvorgangs nicht erhoben, weshalb mittlerweile von der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides auszugehen ist. Zudem ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. U.v. 30.10.2019 – 6 C 10.18 – juris Rn 12 f) für die Frage, ob ein angefochtener Festsetzungsbescheid rechtmäßig ergangen ist unerheblich, ob dem Kläger ein Anspruch auf Befreiung von der Beitragspflicht zuerkannt werden wird, er also grundsätzlich einen Anspruch auf (rückwirkende) Befreiung hätte. Entscheidend ist demnach allein, ob der Kläger aufgrund eines vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens erlassenen Bescheides von der Beitragspflicht befreit wurde. Der Kläger war hier jedoch im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, das ist hier der Erlass des Beitragsbescheides vom 01.04.2021 nicht für den streitigen Zeitraum 11.2020 – 01.2021 von dar Rundfunkbeitragspflicht befreit.
c. Der Rundfunkbeitrag wurde für den streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig auch nicht mit befreiender Wirkung durch den Kläger oder einen anderen beitragspflichtigen Inhaber der Wohnung entrichtet. Die demnach rückständigen Rundfunkbeiträge waren gemäß § 10 Abs. 5 RBStV durch Bescheid festzusetzen.
d. Die Erhebung eines Säumniszuschlages in Höhe von 8,00 EUR unterliegt keinen Bedenken. Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Säumniszuschlages ist § 11 Abs. 1 der Rundfunkbeitragssatzung, die auf § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV beruht. Die Rundfunkbeitragspflicht entsteht kraft Gesetzes. Diese beginnt mit dem 1. des Monats, in dem der Beitragsschuldner erstmals die Wohnung innehat. Der Rundfunkbeitrg ist monatlich geschuldet und in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils 3 Monate zu leisten (§ 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 RBStV). Ferner wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von 4 Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig (§ 11 Abs. 1 der Rundfunkbeitregssatzung).
2. Soweit der Kläger die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihn von der Beitragspflicht zu befreien, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg.
a. Die Klage ist bereits unzulässig, da der Beklagte mit Bescheid vom 08.09.2020 den vom Kläger gestellten Antrag auf Befreiung von der Beitragspflicht vom 29.12.2019 abgelehnt hat. Widerspruch hat der Kläger ausweislich des Verwaltungsvorgangs nicht eingelegt. Eine Klage gegen diesen Bescheid hat der Kläger ebenfalls nicht nach Erlass des Bescheides erhoben.
Dass der Kläger den Ablehnungsbescheid vom 08.09.2020 nicht erhalten hat, macht er selbst nicht geltend. Es ist mithin davon auszugehen, dass die Widerspruchsfrist von einem Monat (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bzw. die Klagefrist von einer Monat (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) abgelaufen ist, da der Bescheid des Beklagten auf den 08.09.2020 datiert. Insoweit ist davon auszugehen, dass der ablehnende Bescheid des Beklagten in Bestandskraft erwachsen ist und damit die Verpflichtungsklage unzulässig ist.
b. Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der Beklagte den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Beitragspflicht zu Recht abgelehnt hat und der Kläger im Hinblick auf seine eingereichten Unterlagen keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht geltend machen kann.
Auf der Grundlage des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages erfüllt der Kläger zunächst nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 RBStV, was im Übrigen auch unstreitig erscheint. Danach ist eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht grundsätzlich an den Bezug bestimmter staatlicher Sozialleistungen bzw. an eine Befreiungsberechtigung nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV gebunden. Diese Voraussetzungen liegen hier ersichtllich nicht vor. Namentlich stehen die vom Kläger bezogenen Renten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg und der Schweizerischen Ausgleichskasse den in § 4 Abs. 1 RBStV speziell normierten staatlichen Sozialleislungen nicht gleich. Für eine analoge Anwendung des Katalogs des § 4 Abs. 1 RBStV auf Bezieher niedriger Einkommen besteht ebenfalls kein Raum.
Es liegt auch kein besonderer Härtefall im Sinne des § 4 Abs. 6 RBStV vor. Nach Satz 1 der Vorschrift hat die Landesrundfunkanstalt unbeschadet der Beitragsbefreiung nach Absatz 1 in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien. Ein Härtefall liegt nach Satz 2 insbesondere vor, wenn eine Sozialleistung nach Abs. 1 Nr. 1 bis 10 in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfünkbeitrags überschreiten. Der Kläger hat indes auch auf Aufforderung des Beklagten keinen durch die – für eine der genannten Sozialleistungen – zuständige (Sozial-)Behörde erlassenen Bescheid im Sinne des Satzes 2 vorgelegt. Vielmehr hat er lediglich ein Schreiben des Landratsamtes Bayreuth vom 01.07.2020 vorgelegt, in welchem bestätigt wird, dass er keine Leistungen der Gründsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhält. Ob und ggf. in welcher Höhe er die Bedarfsgrenze überschreitet und in welchem Zeitraum dies ggf. der Fall ist, ist damit nicht belegt. Der Kläger hat sich aber der Prüfung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse durch die hierfür personell und sachlich ausgestatteten Sozialleistungsbehörden zu unterziehen, statt den Beklagten auf eine umfassende Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu verweisen, die diesem nach dem das Recht der Rundfunkbeitragsbefreiung prägenden Grundsatz der bescheidgebundenen Befreiung gerade nicht zukommt. Die Berechnung eines etwaigen Anspruchs auf (ergänzende) Sozialleistungen obliegt weder dem Beklagten noch dem Verwaltungsgericht.
Es sind auch nicht die Voraussetzungen des Satzes 1 des § 4 Abs. 6 RBStV gegeben, wonach die Landesrundfunkanstalt unbeschadet der Beitragsbefreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien hat. Zwar stellt Satz 2 der Vorschrift nur einen – nicht abschließenden – Anwendungsfall dieser Härteregelung dar, wie sich bereits aus dem Wort „insbesondere“ ergibt. Allein der Hinweis des Klägers, er habe weniger Einkünfte als ein Hartz IV-Empfänger vermag indes einen derartigen Befreiungsanspruch nicht zu begründen. Eine vom gesetzlich geregelten Normalfall abweichende Sondersituation ist nämlich im Fall des Klägers trotz des Bezuges zweier niedriger Renten nicht gegeben. Der Normgeber des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages hat vielmehr die hier gegebene Fallkonstellation der „bloßen Einkommensschwäche“ nicht ungeregelt gelassen, sondern ganz bewusst aus dem Katalog der Befreiungsgründe des § 4 Abs. 1 RBStV und auch aus dem Fall des § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV ausgeklammert. Allein die Tatsache, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitraum möglicherweise lediglich ein Einkommen erzielt haben mag, das dem in § 4 Abs. 1 RBStV benannton Personenkreis der Hohe nach üblicherweise zur Verfügung steht, begründet mithin im vorstehenden Zusammenhang regelmäßig ebenso wenig eine atypische Fallkonstellation im Sinne der Härtefallregelung, wie es bei anderweitigen Empfängern niedriger Einkommen (z.B. Empfängern niedriger ALG I-Leistungen oder von Krankengeld) der Fall ist. Durch § 4 Abs. 1 RBStV sollte für einkommensschwache Personen eine bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit eröffnet werden, wobei die Befreiungstalbestände abschließend und die Rundfunkanstalten bei ihrer Entscheidung an die entsprechenden Sozialleistungsbescheide gebunden sein sollten. Angesichts dieses Normzwecks, dor in § 4 Abs. 1 RBStV klar zum Ausdruck kommt, kann die gewollte Beschränkung der Befreiungstalbestände auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle der Bedürftigkeit regelmäßig nicht dadurch umgangen werden, dass einkommensschwache Personen, die keine der in § 4 Abs. 1 RBStV benannten Sozialleistungen erhalten, weil sie deren Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllen oder diese Leistungen nicht in Anspruch nehmen (wollen), dem Härtefalltatbestand des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV zugeordnet werden. Denn andernfalls würde der klar zutage getretene Wille der Staatsvertragsschließenden bzw. des Landesgesetzgebers missachtet, nicht durch konkret benannte Bescheide belegte allgemeine Fälle des Bezuges geringer Einkommen nicht mehr zu berücksichtigen.
Es bleibt auch nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2019 (- 6 C 10.18 -) grundsätzlich beim System der „bescheidgebundenen“ Befreiung. Dieses beruht auf dem Grundprinzip, nur demjenigen einen Anspruch auf Befreiung zuzugestehen, dessen Bedürftigkeit am Maßstab der bundesgesetzlichen Regelungen durch eine staatliche Sozialbehörde geprüft und in deren Bescheid bestätigt wird. An einer solchen Prüfung und Bestätigung durch Bescheid fehlt es im Fall des Klägers bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum.
Die Klage war nach alledem insgesamt anzuweisen.
3. Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch der Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.


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