Sozialrecht

Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung der Einkommensverhältnisse

Aktenzeichen  AN 6 K 15.01641

Datum:
29.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WoGG WoGG § 15, § 20 Abs. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1
SGB I § 66 Abs. 1
VwGO VwGO § 86, § 88, § 113 Abs. 1, Abs. 5
SGB X § 20

 

Leitsatz

Ablehnung des Wohngeldanspruchs, da Gesamteinkünfte nicht plausibel dargelegt wurden

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen; das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage, die „aufgrund des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2015“ der Regierung … erhoben wurde und sich nach Auslegung des Klagebegehrens nach §§ 88, 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung … vom 2. September 2015 richtet, ist zulässig, aber unbegründet.
Die Bescheide haben nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast den Antrag des Klägers vom 6. Dezember 2013 abgelehnt, erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO). .
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Wohngeld ab Dezember 2013 Gemäß § 15 WoGG ist bei der Ermittlung des Jahreseinkommens das Einkommen zu Grunde zu legen, das im Zeitpunkt der Antragstellung im Bewilligungszeitraum zu erwarten ist. Dabei hat die Wohngeldstelle den relevanten Sachverhalt zwar von Amts wegen zu ermitteln, diese Ermittlungspflicht endet jedoch, wenn nach Ausschöpfen der erreichbaren Erkenntnisquellen erkennbar ist, dass sich bestehende Zweifel nicht beheben lassen. Die Pflicht zur Sachaufklärung setzt einen schlüssigen Vortrag voraus, der insbesondere beinhaltet, dass Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Klägers von diesem hinreichend substantiiert darzulegen sind. Kann dessen Angaben trotz der jeweils gebotenen Ermittlungsbemühungen nicht nachvollziehbar entnommen werden, mit welchen Mitteln er seinen Lebensunterhalt finanziert, fehlt es an einer hinreichenden Grundlage für die zum Antragszeitpunkt zu treffende verlässliche Aussage über das im Bewilligungszeitraum zu erwartende Einkommen. Die Höhe des wohngel-drechtlich anzusetzenden Einkommens gehört zu den Anspruchsvoraussetzungen für den Wohngeldanspruch. Lässt sich das Einkommen wegen unzureichender Angaben des Antrag stellers nicht ermitteln, dann kann nach den allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast dem Wohngeldantrag grundsätzlich nicht entsprochen werden (BVerwG vom 16.1.1974, BVerwGE 44, 265; BayVGH vom 4.10.2005 -9 ZB 05.1654-; vom 2.8.2011 -12 ZB 11.1179-).
Insbesondere wenn die nachgewiesenen Einnahmen unter dem sozialhilferechtlichen Bedarf liegen, sind die Angaben des Antragstellers besonders sorgfältig zu überprüfen und der Wohngeldantrag bei verbleibenden Zweifeln an der Bestreitung des Lebensunterhalts abzulehnen („Plausibilitätskontrolle“). Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist es unbedenklich, bei der Schätzung die Regelsätze der Sozialhilfe zuzüglich der Aufwendungen für die Miete der Wohnung oder den tatsächlichen Mindestbedarf zu Grunde zu legen (BayVGH vom 18.5.2005, Az.: 9 C 05.281).
Dem Kläger ist es nicht gelungen, im Wohngeldverfahren seine Einkommensverhältnisse plausibel darzulegen, da die von ihm belegten Einkünfte weit unter dem Existenzminimum eines SGB II- bzw. SGB XII-Empfängers blieben und damit nicht plausibel waren.
Wohngeld dient im Unterschied zur Sozialhilfe oder Grundsicherungsleistungen nicht der Sicherstellung des Lebensunterhalts des Wohngeldberechtigten sondern gemäß § 1 Abs. 1 Wohngeldgesetz der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens. Der Wohngeldanspruch steht in einem Spannungsverhältnis zu Transferleistungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 9 Wohngeldgesetz (z.B. Arbeitslosengeld II, Grundsicherung im Alter, Hilfe zum Lebensunterhalt usw.), da bei der Berechnung dieser Transferleistungen Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden mit der Folge, dass in diesen Fällen Wohngeld ausgeschlossen ist.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Höhe des Wohngeldes einkommensabhängig gewährt wird (§ 4 Nr. 3 i.V.m. §§ 13 bis 18 Wohngeldgesetz), hat die Wohngeldbehörde die angegebenen Einkommensverhältnisse auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Diese Überprüfung bezieht sich auf die faktisch dem Haushalt für die Bestreitung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehenden Mittel. Unterschreiten diese den Regelsatz nach dem SGB XII, bestünde einerseits für den Wohngeldantragsteller die Möglichkeit, Transferleistungen zu beanspruchen, und können seine Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen unglaubwürdig werden, falls er dies nicht in Betracht zieht, sondern stattdessen Wohngeld beantragt.
Der Kläger hat über seine bevollmächtigte Mutter im Verfahren vortragen lassen, sie überlasse ihm das Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR monatlich, die Benennung einer weiteren be stimmten monatlichen Unterhaltssumme sei nicht ohne weiteres möglich, da sie sich die von ihr bezogenen Hartz-IV-Leistungen mit ihrem Sohn teile. Er erhalte jedoch monatlich eine Überweisung in Höhe von 200 bis 250 EUR, zudem erfolge alle 14 Tage eine Barzahlung in Höhe von 60 EUR zum Leben. Die Bevollmächtigte des Klägers gab an, sie selbst und ihr Sohn hätten von Oktober 2013 bis Juli 2014 Monat für Monat von 130 EUR pro Person gelebt, da der Rest des Geldes für Festkosten verwendet worden sei. Um abzuklären, ob der Kläger auf Rücklagen zurückgreifen kann oder ob weitere Eingänge auf seinem Konto zu verzeichnen sind, wurden Kontoauszüge für den Zeitraum von August 2013 bis Dezember 2013 angefordert, die (auch in Kopie) nicht vollständig vorgelegt wurden (vorgelegt wurden lediglich Kopien ab 27. September bis 20. Dezember 2013).
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. April 2014 das beantragte Wohngeld zunächst mangels Mitwirkung (§ 66 Abs. 1 SGB I) ab und wies darauf hin, dass die Versagung bis zur Nachholung der Mitwirkung gelte. Über den Anspruch auf Wohngeld könne nur entschieden werden, wenn die Verhältnisse der Familie sowie deren Einkommen und Miete/Belastung vollständig und ausreichend dargelegt und nachgewiesen sind.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde ein Bescheid vom 25. Juni 2014 über Ausbildungsförderung auf Grund des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) vorgelegt, wonach der Kläger im Zeitraum von Oktober 2013 bis April 2014 kein BAföG bezogen hat, ab Mai 2014 bis März 2015 jedoch BAföG in Höhe von insgesamt 597 EUR monatlich. Damit verkürzte sich der Wohngeldbewilligungszeitraum auf 1. Dezember 2013 bis 30. April 2014, da gemäß § 20 Abs. 2 Wohngeldgesetz kein Anspruch auf Wohngeld besteht, wenn allen Haushaltsmitgliedern Leistungen zur Förderung der Ausbildung nach dem Bundesausbildungs-förderungsgesetz dem Grunde nach zustehen. Dies ist beim Kläger – als einzigem Haushaltsmitglied – ab 1. Mai 2014 der Fall.
Nachdem trotz nochmaliger Aufforderung mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 die Gesamteinkünfte des Antragstellers nicht plausibel gemacht werden konnten und die angeforderten Kontoauszüge auch in Ablichtung nicht vollständig vorgelegt wurden, hat die Beklagte mit Bescheid vom 26. Mai 2015 den Wohngeldantrag nach den Grundsätzen über die materielle Beweislast abgelehnt.
Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden, da unter Berücksichtigung der Angaben des Antragstellers selbst unter Zugrundelegung einer sparsamen Lebensführung (80% des sozialhilfe-rechtlichen Regelbedarfs in Höhe von 305,60 EUR) und einem zu erwartenden Wohngeld in Höhe von 97 EUR, das den Einkünften zuzurechnen wäre, ein Fehlbetrag in Höhe von 181,34 EUR entsteht.
Auch das im gerichtlichen Verfahren bekannt gewordene Guthaben des Klägers auf einem S-Cash-Konto und seinem Girokonto in Höhe von 5050 Euro kann die fehlende Plausibilität nicht beseitigen, da davon auszugehen ist, dass das Girokonto des Klägers noch am 27.Dezember 2013 (Bl.16 der Wohngeldakte) einen Kontostand von lediglich 371,96 Euro aufwies und nach Aktenlage daher davon ausgegangen werden muss, dass das Guthaben auf dem Girokonto des Klägers in Höhe von 3050 Euro im Wesentlichen von einer BAföG-Nachzahlung, die im Juli 2014 überwiesen wurde, bzw. von BAföG-Zahlungen ab Mai 2014 und damit von Zahlungen nach dem Bewilligungszeitraum stammt. Da das Guthaben auf dem S-Cash-Konto seit 2. Dezember 2013 (2261,67 Euro) im Wesentlichen gleich geblieben ist (Stand 20.Oktober 2015: 2000 Euro) kann auch dieses Guthaben die maßgebliche Frage, wovon der Kläger ab 1.Dezember 2013 bis 30. April 2014 (Bewilligungszeitraum) gelebt hat, nicht weiter aufklären. Obwohl die Beklagte ihrer Amtsermittlungspflicht nachgekommen ist, konnte im Verfahren auf Grund unzureichender Angaben des Klägers nicht geklärt werden, wovon er tatsächlich lebt. Da der Kläger insoweit auskunfts- und beweispflichtig ist (§ 23 Abs. 1 Ziffer 1 WoGG) und die Einkommensverhältnisse des Klägers nicht plausibel dargelegt wurden, durfte die Beklagte den Wohngeldantrag mangels plausibler Angaben zum Einkommen unter Hinweis auf die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast ablehnen. Diese Entscheidung war rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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