Sozialrecht

Regelbedarf der Versorgung mit Lebensmitteln und der Unterkunftskosten in Bezug auf die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende

Aktenzeichen  L 11 AS 357/17

Datum:
22.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 125334
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 § 158 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

Beschränkt ein Rechtsmittelführer mit der Einlegung einer – an sich zulassungsfreien – Berufung den Wert des Beschwerdegegenstandes auf (weniger als) 750 €, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Verfahrensgang

S 10 AS 15/17 2017-04-06 Urt SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 06.04.2017 wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Das als Berufung fristgerecht eingelegte Rechtsmittel des Klägers ist nicht zulässig. Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entscheiden, weil die Berufung nicht statthaft ist (§ 158 Sätze 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf es einer Zulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Vorliegend ist – unter Beachtung der Berufungsbegründung und der mit der Einlegung der Berufung gestellten Anträge – Gegenstand des Berufungsverfahrens allein die Bewilligung von Alg II für den Zeitraum vom 01.10.2016 bis 28.02.2017 unter Zugrundlegung eines Regelbedarfes iHv 545,50 € für den Zeitraum bis 31.12.2016 und iHv 552,15 € ab 01.01.2017. Ausgehend hiervon errechnet sich für den streitigen Zeitraum ein Leistungsanspruch iHv 506,46 €, den der Kläger, nachdem er die Berechnungskomponenten des Leistungsanspruches (Bedarfe für Unterkunft: 343,20 €; Bedarfe für Heizung: 73,75 €; anrechenbares Einkommen: 863,73 €; Wegfall des Mehrbedarfes nach § 21 Abs. 4 SGB II) nicht mehr – auch nicht nach den Hinweisen des Gerichtes – in Frage stellt, mit seiner Berufung geltend gemacht hat. Insoweit kann dahinstehen, dass der Kläger die Höhe des Regelbedarfes vor dem SG noch mit der Begründung bemängelt hat, dieser sei um eine „Autofahrer- Komponente“ (iHv 100,00 €) zu erhöhen, im Rahmen der Berufung nunmehr aber darauf abstellt, die Bedarfe für Ernährung seien nicht hinreichend berücksichtigt und müssten um 141,20 € (bzw. für die Zeit ab dem 01.01.2017 um 143,15 €) erhöht werden. Im Ergebnis dringt der Kläger mit seiner Berufung nur noch darauf, dass ihm Leistungen unter Beachtung des nach seiner Auffassung zutreffenden Regelbedarfes erbracht werden, womit er den Wert der Beschwer (in zulässiger Weise) beschränkt. Die Statthaftigkeit einer Berufung, bezüglich derer eine Zulassung nicht ausgesprochen ist, ist am Wert des Beschwerdegegenstandes zu messen, der danach zu bestimmen ist, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt wird (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 144 Rn. 14 mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes kann daher niedriger sein als die für die Zulässigkeit maßgebliche (Rechtsmittel-)Beschwer, wenn – wie vorliegend – der Berufungskläger in der zweiten Instanz sein ursprüngliches Begehren nicht in vollem Umfang weiterverfolgt. Nachdem das SG bei Erlass seines Urteils noch nicht wissen konnte, welche Anträge der unterliegende Kläger im Berufungsverfahren stellen würde, hatte es für die Prüfung, ob eine Zulassung erforderlich ist, auf den maximal möglichen Rechtsmittelstreitwert abzustellen, der vorliegend aber nicht der im Rechtsmittelverfahren geltend gemachten Beschwer entspricht.
Auf der Grundlage der nicht streitbefangenen Berechnungskomponenten (vgl. oben), die das SG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, und die auch vom erkennenden Senat weder sachlich noch rechnerisch zu beanstanden sind, ist die (Rechtsmittel-)Beschwer unter Beachtung der vom Kläger geltend gemachten Regelbedarfe (bis 31.12.2016: 545,40 € bzw. ab 01.01.2017: 552,15 €) entsprechend der folgenden tabellarischen Berechnung mit lediglich 506,46 € zu beziffern.
Soweit damit das Rechtsmittel der Berufung in Bezug auf das Urteil vom 06.04.2017 als nicht statthaft zu verwerfen ist, denn es sind auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), ist eine andere Betrachtungsweise nicht dadurch angezeigt, dass der Kläger geltend macht, es stehe auch der Monat September 2016 im Streit.
Sowohl mit der Klageschrift vom 06.01.2017 im erstinstanzlichen Verfahren S 10 AS 15/17 als auch mit dem Berufungsschriftsatz vom 01.05.2017 hat der Kläger ausschließlich geltend gemacht, ihm seien höhere Leistungen für den Zeitraum vom 01.10.2016 bis 28.02.2017 zu erbringen. Die Forderung, auch die Leistungen für September 2016 in das Verfahren einzubeziehen, hat der Kläger erstmals nach einem gerichtlichen Hinweis mit Schriftsatz vom 08.06.2017 erhoben. Nachdem als Ausgangspunkt für den vorliegenden Rechtsstreit allein der Ablehnungsbescheid vom 21.09.2016 für die Zeit ab dem 01.10.2016 anzusehen ist, hatte das SG keine Veranlassung, in seiner Entscheidung vom 06.04.2017 auf den Leistungsanspruch für September 2016 einzugehen, zumal es vorhergehend bereits mit Urteil vom 17.01.2017 (S 10 AS 469/16) eine diesbezügliche Klage auf höhere Leistungen als unbegründet abgewiesen hatte. Insoweit erweist sich das Begehren des Klägers daher lediglich als Antrag auf Änderung der Klage gemäß § 99 Abs. 1 SGG. Eine derartige Klageänderung ist zwar auch noch im Berufungsverfahren möglich (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 99 Rn. 12 mwN), setzt jedoch voraus, dass das Rechtsmittel der Berufung zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2001 – B 11 AL 19/01 R – juris mwN). Hieran fehlt es aber vorliegend, womit dahinstehen kann, dass der Beklagte einer Klageänderung nicht zugestimmt hat (§ 99 Abs. 2 SGG), und auch die Sachdienlichkeit einer Klageänderung (§ 99 Abs. 1 SGG) – vor dem Hintergrund der rechtskräftigen Entscheidung des SG vom 17.01.2017 bezüglich des Leistungszeitraumes September 2016 – ohnehin nicht zu erkennen wäre.
Demnach war die Berufung insgesamt als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt aus dem Unterliegen des Klägers.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.


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