Sozialrecht

Versäumung der Meldefrist für einen Dienstunfall

Aktenzeichen  Au 2 K 15.1646

Datum:
11.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG BeamtVG § 31 Abs. 1, § 45 Abs. 1, Abs. 2
BayBeamtVG BayBeamtVG Art. 26 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1 Die Anerkennung eines Ereignisses als Dienstunfall scheidet aus, wenn es dem Dienstvorgesetzten nicht innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Jahren gemeldet wird (§ 45 Abs. 1 S. 1 BeamtVG). Die Meldung muss nähere Angaben enthalten, aus denen hervorgeht, dass ein Dienstunfall angezeigt wird, aus dem Unfallfürsorgeansprüche entstehen können. Die Anzeige eines Suizidversuches auf einer Bahnstrecke durch einen Lokführer genügt dem nicht, wenn sich der Meldung nicht einmal eine mögliche (psychische) Verletzung des Lokführers entnehmen lässt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Anerkennung eines Dienstunfalls nach Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist innerhalb von zehn Jahren wegen mangelnder Erkennbarkeit der Unfallfolgen setzt voraus, dass die Meldung innerhalb von drei Monaten ab Erkennbarkeit der Unfallfolgen erfolgt (§ 45 Abs. 2 S. 2 BeamtVG). Diese Frist wird nicht gewahrt, wenn der Lokführer im Rahmen einer Reha-Maßnahme seine psychischen Beschwerden den Selbstmordunfällen zuordnet, aber gleichwohl eine fristgerechte Meldung unterlässt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 26. Januar 2012 als Dienstunfall (vgl. unter 1.) noch auf Anerkennung weiterer (späterer) Dienstunfallfolgen aus den anerkannten Dienstunfällen vom 14. Mai 2006 und /oder vom 21. September 2008 (vgl. unter 2.).
1. Die Klage auf Anerkennung des Ereignisses vom 26. Januar 2012 als Dienstunfall mit den späteren Verletzungsfolgen von Ein- und Durchschlafstörungen, Schwindelerleben zentraler Ausprägung, Erschöpfungssyndrom sowie zunehmendes Belastungserleben ist als Verpflichtungsklage zulässig. Die Klage ist jedoch unbegründet, da das Ereignis vom 26. Januar 2012 nicht innerhalb der in § 45 BeamtVG festgelegten Fristen gemeldet worden ist.
a) Der Kläger hat die in § 45 Abs. 1 BeamtVG festgelegte Meldefrist für das Ereignis vom 26. Januar 2012 versäumt.
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls bei dem Dienstvorgesetzten zu melden. Unmittelbarer Dienstvorgesetzter des Klägers war die DB Regio, Region Bayern, Regio Bayerisch-Schwaben, …, die eine entsprechende Anzeige an die zuständige Dienststelle Ost des Bundeseisenbahnvermögens als Dienstvorgesetzte für die Anerkennung von Dienstunfällen weiterzuleiten hätte (vgl. u. a. DelegationsAnO BEV vom 24.8.2005 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a sowie § 12 ADAz. B.).
Fristbeginn für die Ausschlussfrist ist der Zeitpunkt des behaupteten Unfallgeschehens (BVerwG, U.v. 28.2.2002 – 2 C 5.01 – Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 5); die Frist lief daher am 26. Januar 2012 an. Eine ausdrückliche Dienstunfallanzeige innerhalb der 2-Jahres-Frist liegt unstreitig nicht vor. Auch von einer konkludenten Dienstunfallanzeige ist nicht auszugehen. Der Kläger hat lediglich mündlich seinen vorgesetzten Regio-Team-Leiter davon verständigt, dass es aufgrund eines Suizidversuchs zu Verspätungen auf der Strecke komme bzw. der Lokführer hat dieses Geschehen dem Fahrdienstleiter in … gemeldet. Des Weiteren wurde ein schriftlicher Bericht zu dem Suizidversuchsgeschehen durch den Kläger verfasst. Bei diesen mündlichen und schriftlichen Angaben sowie der Tatsache, dass die Polizei vor Ort war oder in den Zeitungen über den Vorfall berichtet worden war, handelt es sich jedoch nicht um eine Meldung im Sinne des Dienstunfallrechts.
Aus einer Meldung im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG muss sich zwar weder die Art der Verletzung ergeben noch müssen mit ihr bereits Unfallfürsorgeansprüche erhoben werden. Erforderlich sind jedoch nähere Angaben, aus denen zumindest mittelbar hervorgeht, dass ein Dienstunfall angezeigt wird, aus dem sich Unfallfürsorgeansprüche ergeben können. Das folgt aus dem Zweck der Anmeldepflicht, alsbaldige Ermittlungen hinsichtlich der Voraussetzungen für im Einzelfall in Betracht kommende Unfallfürsorgeleistungen sicherzustellen, um Aufklärungsschwierigkeiten bei verzögerter Sachverhaltsklärung zu vermeiden. Aus der Meldung muss sich ein Anhaltspunkt für einen Körperschaden entnehmen lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt die bloße Unterrichtung von einer Verletzung, die keine ärztliche Behandlung erforderte, bereits keine Unfallmeldung dar (BVerwG, B.v. 11.7.2014 – 2 B 37.14 – Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 7; U.v. 6.3.1986 – 2 C 37.84 – NJW 1986, 2588). Ebenso ist eine reine Krankmeldung ohne näheren Hinweis auf einen stattgefundenen Unfall oder eine bestimmte, als Dienstunfall mögliche Erkrankung nicht ausreichend (VG Düsseldorf, U.v. 27.4.2009 – 23 K 5499.07 – juris Rn. 27 ff.; Bauer in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, § 45 BeamtVG Anm. 4). Im vorliegenden Falle ergibt sich aus den mündlichen Schilderungen oder aus dem schriftlich verfassten Bericht nicht einmal eine mögliche Verletzung des Klägers. Es liegt auch keine Krankmeldung oder der Hinweis auf eine erfolgte bzw. nötige ärztliche Behandlung des Klägers vor. Bei dessen schriftlich verfasstem Bericht handelt es sich lediglich um die Meldung einer betrieblichen Unregelmäßigkeit, wie sie sich mehr oder weniger regelmäßig im Betrieb einer Eisenbahn ereignet. Die Mitteilung des Geschehens bzw. die Meldung der betrieblichen Unregelmäßigkeit am 26. Januar 2012 lässt auch nicht mittelbar erkennen, dass ein Dienstunfall geltend gemacht wird. Eine durch den Vorfall möglicherweise ausgelöste behandlungsbedürftige Erkrankung wurde nicht angezeigt. Das wird u. a. dadurch belegt, dass sich weder der vorgesetzte Regio-Team-Leiter noch der Fahrdienstleiter veranlasst sahen, eine Dienstunfallanzeige (§ 45 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BeamtVG) bei der zuständigen Dienststelle des Beklagten zu erstellen. Dass beim Kläger kein Anhalt für einen Körperschaden vorlag, wird auch dadurch unterstrichen, dass er unmittelbar nach dem Ereignis und auch in den folgenden Monaten weiter als Zugbegleiter tätig war. Die erst in der Zeit vom 24. Juli bis 21. August 2012 durchgeführte Reha-Maßnahme steht nicht mehr in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis, da sie erst Monate nach dem Ereignis vom 26. Januar 2012 erfolgte. Im Übrigen ist in dem Entlassungsbericht von Dr. med. …, Knappschaft Bahn See, …-Klinik, vom 21. August 2012 unter den aufgeführten Diagnosen an erster Stelle eine unfallunabhängige aufgeführt und erst an zweiter Position lediglich ein allgemeiner Hinweis auf siebenmalige Beteiligung an Suiziderleben.
Hieraus ergibt sich, dass der Kläger das Ereignis vom 26. Januar 2012 nicht innerhalb von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls gemeldet hat. Der Kläger hat das Unfallgeschehen erstmals mit dem Widerspruch vom 8. Juni 2015 gegen den Festsetzungsbescheid des beklagten BEV vom 21. Mai 2015, d. h. nach mehr als drei Jahren, als Dienstunfall bezeichnet.
Die Meldung des Dienstunfalles war auch nicht etwa entbehrlich, weil der Dienstvorgesetzte vom Unfallereignis Kenntnis hatte und daher gemäß § 45 Abs. 3 BeamtVG verpflichtet gewesen wäre, den ihm bekannt gewordenen Unfall von Amts wegen zu untersuchen und Feststellungen zu treffen. Das beklagte BEV mag zwar durch Berichte des Klägers selbst oder des Lokführers, durch die Polizei oder durch Zeitungsartikel davon Kenntnis erhalten haben, dass am 26. Januar 2012 auf der Fahrtstrecke von … nach … ein Suizidversuch stattgefunden hat, bei welchem der Zug fast eine Stunde stehenbleiben musste und es zu einem Bahnpolizeieinsatz gekommen war. Das „Bekanntwerden“ im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG setzt jedoch voraus, dass der Dienstvorgesetzte dieses Geschehen mit der zeitlich erst wesentlich später auftretenden Dienstunfähigkeit oder einer ärztlichen Behandlungsbedürftigkeit des Klägers verknüpft hat oder hätten verknüpfen müssen, um hierin einen Dienstunfall zu erkennen, aus dem Unfallfürsorgeansprüche des Klägers entstehen könnten. Dies ist aber hier nicht der Fall, insbesondere vor dem Hintergrund des Vortrags des Klägers, das Ereignis vom 26. Januar 2012 selbst zunächst nicht als Dienstunfall erkannt zu haben. Darüber hinaus reicht die bloße Kenntnis des Dienstvorgesetzten von einem Dienstunfall nicht aus, um die Meldepflicht entfallen zu lassen (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 27.4.2009 – 23 K 5499.07 – juris Rn. 47). Denn eine solche, vom Wortlaut nicht vorgesehene Ausnahme vom Meldeerfordernis kann nur dann zugelassen werden, wenn der Zweck der Meldepflicht vollständig erreicht ist und das Beharren auf einer Dienstunfallmeldung deshalb eine bloße Förmelei darstellen würde. Dies ist der Fall, wenn der Dienstvorgesetzte vom Unfall Kenntnis erlangt und die Untersuchung im Sinne von § 45 Abs. 3 BeamtVG bereits durchgeführt hat. Dann ist die zeitnahe Ermittlung des dem Unfall zugrunde liegenden Sachverhalts, des Ursachenzusammenhanges, des eingetretenen Körperschadens usw. nach den Möglichkeiten des Einzelfalls erfolgt und das weitere Verfahren kann ohne Gefahr der Verschlechterung der in tatsächlicher Hinsicht bestehenden Erkenntnismöglichkeiten durchgeführt werden. Eine solche Untersuchung wurde hier zeitnah nicht durchgeführt (vgl. VG Berlin, U.v. 17.11.1015 – 26 K 123.14 – juris Rn. 33 m. w. N.).
b) Der Kläger hat auch die in § 45 Abs. 2 BeamtVG vorgegebenen Fristen für die Meldung eines Dienstunfalls nach Ablauf der Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls nicht eingehalten.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG wird nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 45 Abs. 1 BeamtVG Unfallfürsorge gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls nicht habe gerechnet werden können. Die Meldung muss in einem solchen Fall innerhalb von drei Monaten erfolgen, nachdem mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalles gerechnet werden konnte (§ 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG).
Nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG in der seit 1. Januar 2002 geltenden Fassung kommt es darauf an, ab wann Verletzungen oder Symptome feststellbar sind, die eine Entwicklung als möglich erscheinen lassen, dass Unfallfürsorgeansprüche bestehen. Demnach hat der Betroffene mit dem Vorliegen eines dienstunfallrechtlich relevanten Unfalls zu rechnen, wenn er das schadensstiftende Ereignis erkennt und die Möglichkeit eines Schadenseintritts absehbar, also hinreichend wahrscheinlich, ist. Das kausale Ereignis muss bemerkbar gewesen sein. Davon ist bei einem Unfall regelmäßig auszugehen, wenn Beschwerden auftreten, die einem dienstlich veranlassten Ereignis zugeordnet werden können, oder wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass ein dienstlich veranlasstes Ereignis zu einem Körperschaden führt. Es ist nicht erforderlich, dass sich der Verletzte die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs verschafft hat oder verschaffen konnte. Ausreichend ist vielmehr, dass ein Ereignis stattgefunden hat, das auch in der Laiensphäre als dienstlich bedingter Unfall zu qualifizieren und aus der Sicht eines objektiven Betrachters geeignet ist, Ansprüche auf Unfallfürsorge zu begründen. Demgegenüber kann mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorgeleistungen begründenden Unfallfolge nicht erst dann gerechnet werden, wenn verletzungsbedingt organische Veränderungen in einem längeren Entwicklungsprozess zu gravierenden Beschwerden oder Ausfallerscheinungen führen (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2009 – 3 ZB 08.776 – juris Rn. 8; B.v. 4.12.2009 – 3 ZB 09.657 – juris Rn. 5)
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger das Ereignis vom 26. Januar 2012 nicht unter Beachtung der in § 45 Abs. 2 BeamtVG statuierten Fristen gemeldet. Bereits während der Reha-Maßnahme vom 24. Juli bis 21. August 2012 waren die beim Kläger aufgetretenen Symptome bzw. Beschwerden oder Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet dem Ereignis vom 26. Januar 2012 zuzuordnen. Denn der Kläger hat in seiner Darstellung in der Klagebegründung vom 4. Dezember 2015 und auch in der mündlichen Verhandlung am 11. Februar 2015 geschildert, dass er sich über die Unfallfolgen bewusst geworden sei, als er sich am 24. Juli bis zum 21. August 2012 in einer stationären Reha-Maßnahme befunden habe. Dort sei eine psychische Minderbelastbarkeit nach 7-maligem Suiziderleben (zuletzt Januar 2012) durch die ihn behandelnde Ärztin Dr. med. … festgestellt worden. Der Kläger hätte damit eine Meldung des Vorfalls vom 26. Januar 2012 zu diesem Zeitpunkt vornehmen müssen, da er aus diesem Ereignis erkennbar Beschwerden abgeleitet hat. Zumindest bzw. spätestens aber mit dem Behandlungsbeginn am 23. Mai 2014 bei Dr. …, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, waren für den Kläger Symptome feststellbar, die eine Entwicklung als möglich erscheinen ließen, dass Unfallfürsorgeansprüche bestehen könnten. Aufgrund der Untersuchungen durch den ihn behandelnden Arzt Dr. med. … hätte der Kläger zur Überzeugung kommen müssen, dass seine psychischen Beschwerden durch die Selbstmordunfälle verursacht wurden. Laut dem vorgelegten Attest von Dr. med. … vom 18. August 2015 thematisierte der Kläger seit Behandlungsbeginn am 23. Mai 2014 dem Arzt gegenüber die psychosomatischen Folgen von für ihn traumatischen Ereignissen aus den Jahren z. B. 1988, 1990 und 1993 usw. Die Beschwerden des Klägers seien von ihm als sehr belastend erlebt worden. Eine entsprechende Würdigung bzw. Festlegung durch die Behörde sei nicht erfolgt. In der Klagebegründung vom 5. November 2015 ließ der Kläger vortragen, dass er das am 26. Januar 2012 erlebte Szenario wie in einem Horrorfilm empfunden habe und im Anschluss an dieses Ereignis von Horrorvisionen und Angstzuständen bei jeder Bremsung des Zuges geplagt worden sei, die bis heute anhielten und letztlich dazu führten, dass er seinen Dienst nicht mehr habe verrichten können. Daraus ergibt sich, dass der Kläger spätestens am 23. Mai 2014 zu der Überzeugung gekommen war oder nach sorgfältiger Prüfung jedenfalls zu der Überzeugung hätte kommen müssen, dass die von ihm geltend gemachten psychischen Beschwerden durch die Dienstunfälle verursacht worden waren. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger ja auch schon vorher einen Zusammenhang zwischen den Dienstunfällen und seinen Beschwerden hergestellt hatte. So hatte er insbesondere die Bahnärzte Dr. … und Dr. … bei den Begutachtungen in den Jahren 2008 2012, 2013 und 2014 u. a. auch auf die von ihm miterlebten Selbstmordunfälle hingewiesen. Somit hätte die Meldung spätestens bis 23. August 2014, drei Monate nach Behandlungsbeginn bei Dr. …, erfolgen müssen.
Demnach wurde das erstmals im Widerspruchsverfahren – im Widerspruchsschreiben vom 8. Juni 2015 – als Dienstunfall bezeichnete Ereignis vom 26. Januar 2012 außerhalb der Dreimonatsfrist des § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG gemeldet.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Kläger zu einem nicht gänzlich exakt feststellbaren Zeitpunkt in den Jahren ab 2012 durch die durchgeführte Reha-Maßnahme vom 24. Juli bis 21. August 2012, die bahnärztlichen Untersuchungen oder den Behandlungsbeginn bei Dr. med. … am 23. Mai 2014 den Zusammenhang zwischen den Geschehnissen im Januar 2012 und seinen Beschwerden herstellen konnte hat oder hätte herstellen müssen. Dies genügt, um die Drei-Monats-Frist in Gang zu setzen. Eine „sichere Erkenntnis“ von der Erkrankung und ihrer Verursachung, etwa dadurch, dass ein Arzt den Ursachenzusammenhang in allen Einzelheiten aufzeigt, ist – wie oben dargelegt – nicht erforderlich. Es genügt, dass der Kläger aufgrund der bei den Privatärzten oder beim Bahnarzt gemachten Angaben tatbestandlich mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge rechnen konnte und ihm daher die Meldung seiner Beschwerden zumutbar und möglich war. Hat die Drei-Monats-Frist mithin bereits spätestens am 23. Mai 2014 begonnen, so war sie zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung am 8. Juni 2015 bereits verstrichen.
Für das Vorliegen der weiteren Alternative der Vorschrift, dass der Kläger durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert worden ist, den Unfall rechtzeitig zu melden, ergeben sich keine Anhaltspunkte. Solche Umstände liegen nur dann vor, wenn es dem Berechtigten subjektiv unmöglich war, der Obliegenheit nachzukommen. Umstände in diesem Sinne sind insbesondere Zwang, geistige Störungen, schwere Erkrankungen oder das Abschneiden von Informationsmöglichkeiten. Derartige Umstände sind nicht ersichtlich. Eine etwaige Rechtsunkenntnis ist kein „außerhalb des Willens“ liegender Umstand (vgl. VG Berlin, U.v. 17.11.2015 – 23 K 123.14 – juris Rn. 41).
Bei den in § 45 Abs. 2 BeamtVG vorgegebenen Fristen handelt es sich um Ausschlussfristen, für die die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht besteht (vgl. OVG NW, U.v. 24.5.2002 – 1 A 6168.96 – juris Rn. 20 ff.). Darüber hinaus muss sich der Kläger eine etwaige Unkenntnis der rechtlichen Vorschriften zurechnen lassen (vgl. BayVGH, U.v. 4.12.2009 – 3 ZB 09.657 – juris Rn. 10).
2. Die Verpflichtungsklage auf Anerkennung weiterer (späterer) Dienstunfallfolgen aus den mit Bescheiden vom 31. Juli 2006 und vom 28. Oktober 2008 anerkannten Dienstunfällen vom 14. Mai 2006 und/oder vom 21. September 2008 ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Dem Erfolg der Klage steht § 45 Abs. 2 BeamtVG entgegen.
Der Beamte hat Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche entstehen können, nach § 45 Abs. 1 BeamtVG innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalles bei seinem Dienstvorgesetzten zu melden. Der Kläger hat die Selbstmordunfälle aus den Jahren 2006 und 2008 als solche zwar rechtzeitig dem Dienstvorgesetzten angezeigt, die von ihm geltend gemachten psychischen Beschwerden sind aber erst nach etwa vier Jahren nach dem letzten Dienstunfall aufgetreten. In diesem Fall decken die damaligen Meldungen der Dienstunfälle die später eingetretenen Unfallfolgen nicht ab (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.2002 – 2 C 5.01 – DÖV 2002, 254; U.v. 21.9.2000 – 2 C 22.99 – NVwZ 2001, 328). Die Anerkennung der Dienstunfälle durch den Beklagten jeweils mit Bescheiden vom 31. Juli 2006 und vom 28. Oktober 2008 bezog sich auch nur auf den Körperschaden „akute Belastungsreaktion“. Von dieser anerkannten Unfallfolge werden ausschließlich die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den Selbstmordunfällen beim Kläger aufgetretenen Belastungsreaktionen, die zum Teil zu einer kurzen Behandlungsbedürftigkeit bzw. vorübergehenden kurzzeitigen Arbeitsunfähigkeit geführt haben, nicht aber die erst Jahre nach dem letzten Dienstunfall aufgetretenen psychischen Beschwerden erfasst.
Treten nach Ablauf der zweijährigen Meldefrist, wie beim Kläger, gesundheitliche Beschwerden auf, können diese gemäß § 45 Abs. 2 BeamtVG nur dann als Folgen der früheren Dienstunfälle anerkannt werden, wenn seither noch nicht zehn Jahre vergangen sind und wenn gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls nicht habe gerechnet werden können. Nach Ablauf dieser Frist sollen Auseinandersetzungen über den Geschehensablauf und über den Kausalzusammenhang eines Körperschadens vermieden werden (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.2002 a. a. O.). Die Meldung muss innerhalb von drei Monaten erstattet werden, nachdem mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründeten Folge des Unfalls gerechnet werden konnte (§ 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Für den Kläger sind die von ihm geltend gemachten psychischen Beschwerden spätestens am 23. Mai 2014 als Symptome, die eine Entwicklung als möglich erscheinen ließen, dass Unfallfürsorgeansprüche bestehen könnten, feststellbar gewesen. Diese Beschwerden hat er frühestens durch den am 8. Juni 2015 erhobenen Widerspruch wegen der Festsetzung der Versorgungsbezüge und damit nach Ablauf der am 23. August 2014 endenden Frist von drei Monaten angezeigt (vgl. dazu bereits ausführlich oben unter 1.b)).
3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

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