Sozialrecht

Verweisungstätigkeit

Aktenzeichen  L 19 R 812/17

Datum:
14.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 20252
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VI § 240
SGB VI § 43 Abs. 1
SGB VI § 43 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

S 9 R 1114/16 2017-11-29 GeB SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.11.2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht Nürnberg hat zutreffend die Klage abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 06.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2016 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Nach § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1.teilweise erwerbsgemindert sind,
2.in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Nachweis einer zeitlichen Leistungsminderung in Folge der gesundheitlichen Einschränkungen durch den Kläger nicht geführt wurde. Vielmehr ist aufgrund der überzeugenden ärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. W., Dr. H. und Dr. L. davon auszugehen, dass der Kläger in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Die qualitativen Leistungseinschränkungen erfordern eine Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung. Zu vermeiden sind eine Tätigkeit in Wechselschicht, insbesondere Nachtschicht. Ebenfalls zu vermeiden sind nervlich belastende Tätigkeiten und unfallgefährdende Tätigkeiten. Gleiches gilt für länger anhaltende statische Wirbelsäulenzwangshaltungen, längere Tätigkeiten in gebückter, gehockter oder kniender Stellung, häufige und länger anhaltende Überkopfarbeiten, eine Kälte-, Nässe- oder Zugluftexposition ohne entsprechenden Bekleidungsschutz sowie eine Belastung mit pulmonalen Reizstoffen.
Nach den Sachverständigengutachten bestehen beim Kläger Gesundheitsstörungen auf dem internistischen, orthopädischen und psychiatrischen Fachgebiet.
Auf dem internistischen Gebiet hat der Internist Dr. W. mit Gutachten vom 06.03.2017 eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung, eine essenzielle arterielle Hypertonie, eine Refluxösophagitis, eine Gastritis und eine Sigmadivertikulose sowie ein Hämorrhoidalleiden festgestellt. Die Atemwegserkrankung ist medikamentös eingestellt. Nach Dr. W. resultieren aus der Atemwegserkrankung lediglich geringgradige Funktionseinschränkungen. Zwar hat der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. C. für die Zeit vom 10.12.2018 bis 04.01.2019 eine Arbeitsunfähigkeit wegen COPD bescheinigt. Allerdings ist nach dem Befundbericht des Internisten und Pneumologen Dr. T. vom 11.12.2018 davon auszugehen, dass eine Verschlimmerung der Lungenfunktion nicht eingetreten ist. Die Atemwegserkrankung bedingt lediglich die qualitative Anforderung an die dem Kläger zumutbare Tätigkeit, nicht pulmonalen Reizstoffen ausgesetzt zu sein. Die arterielle Hypertonie ist sozialmedizinisch nicht relevant. In den Vorbefunden wurde eine hypertensive Herzerkrankung nicht dokumentiert; sichere kardiale Dekompensationszeichen waren nicht festzustellen. Die übrigen Erkrankungen Refluxösophagitis, Gastritis, Sigmadivertikulose und Hämorrhoidalleiden sind kurativ behandelbar und stellen keine relevanten, das Leistungsvermögen des Klägers negativ beeinflussenden Erkrankungen dar. Hinsichtlich der beim Kläger bestehenden Prostatahyperplasie hat Dr. W. darauf hingewiesen, dass nach dem behandelnden Urologen unter Medikation Beschwerdefreiheit bestehe (Befundbericht vom 02.01.2017), die in dieser Form von dem Kläger aber nicht bestätigt werde. Nach dem Befundbericht des Urologen Dr. E. vom 22.05.2018 habe sich der Kläger letztmalig am 12.01.2017 zur Diagnostik vorgestellt. Im Mai 2018 sei letztmalig eine Rezeptierung erfolgt. Unter Medikation sei eine deutliche Besserung der Beschwerden eingetreten.
Die auf dem orthopädischen Gebiet von dem Orthopäden Dr. L. mit Gutachten vom 28.06.2019 festgestellten Diagnosen bzw. Funktionseinschränkungen führen zur Überzeugung des Senats ebenfalls nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens. Sie bedingen lediglich qualitative Anforderungen an eine dem Kläger zumutbare Tätigkeit. Die Belastungsminderung und mittelgradige Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule, die Verspannungen im Nacken mit einer leichtgradigen Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule, die belastungsabhängigen Beschwerden im linken Handgelenk, die leichte Funktionseinschränkung des linken Sprunggelenkes nach Fraktur und die beiderseitigen Gonalgien führen dazu, dass vom Kläger nur noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten gefordert werden können. Länger andauernde Wirbelsäulenzwangshaltungen sind zu vermeiden. Wegen der Wirbelsäulenveränderungen und der Kniegelenkproblematik sollten längere Tätigkeiten in gebückter, gehockter oder kniender Stellung nicht verrichtet werden. Aufgrund der Verspannungen im Nacken mit einer leichtgradigen Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule sollten länger anhaltende Überkopfarbeiten nicht ausgeführt werden. Die mit der Wirbelsäulenveränderung einhergehenden muskulären Dysbalancen erfordern einen entsprechenden Bekleidungsschutz bei Kälte-‚ Nässe- oder Zugluftexposition. Hinsichtlich des orthopädischen Gebietes hat auch Dr. W. eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens nicht festgestellt und ebenfalls herausgestellt, dass längere Tätigkeiten in gebückter oder kniender Stellung sowie Zwangshaltungen zu vermeiden seien.
Auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet hat der Neurologe und Psychiater Dr. H. mit Gutachten vom 20.11.2018 keine relevanten Gesundheitsstörungen festgestellt, die das Leistungsvermögen des Klägers zeitlich einschränken. Der neurologische Befund war in allen Einzelheiten und in Übereinstimmung mit den Voruntersuchungen und Vorbegutachtungen regelrecht. Auf dem psychiatrischen Bereich ist Dr. H. aufgrund der Vorbefunde, der Anamnese und des erhobenen psychopathologischen Befundes überzeugend zum Schluss gekommen, dass beim Kläger eine rezidivierende depressive Störung, derzeit remittiert, besteht. Der Internist Dr. W. hatte mit Gutachten vom 06.03.2017 noch eine mittelgradig ausgeprägte Depression mit Anpassungsstörung festgestellt. Wesentlich hiervon abweichende Erkrankungen hat der den Kläger behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. F. nicht festgestellt. Er hatte mit Befundbericht vom 30.10.2015 eine Dysthymie mit mittelgradigen depressiven Phasen und eine ausgeprägte Impulskontrollstörung beschrieben. Nach dem Befundbericht vom 14.09.2016 bestehe beim Kläger eine seelische Störung mit Somatisierungsstörung und Schwindel sowie eine Depression. Nach den Befundberichten vom 30.12.2016 und 16.05.2018 leide der Kläger unter einer rezidivierenden Depression, einer Dysthymie und einer Somatisierungsstörung.
Aufgrund der rezidivierenden depressiven Störung sind dem Kläger leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten zumutbar. Arbeiten in Wechselschicht, insbesondere Nachtschichten, und Arbeiten in besonderen psychischen Belastungen sind zu vermeiden. Leicht eingeschränkt sind die Merkfähigkeit und das mittelfristige Gedächtnis. Dennoch ist der Kläger durchaus noch in der Lage, sich auf Tätigkeiten umzustellen, die nicht von einfachster Art sind, sondern einer Einarbeitung bzw. eine betriebliche Anleitung erfordern und durchschnittliche Anforderungen an die geistige und psychische Belastbarkeit stellen.
Der Senat folgt nicht den Feststellungen und Ausführungen von Dr. S.. Dieser ist mit Gutachten vom 02.08.2017 von einem schwerwiegenderen psychiatrischen Befund ausgegangen. Der Kläger leide unter einer anhaltenden depressiven Störung, gegenwärtig schwer ausgeprägt, einer generalisierten Angststörung mit Soziophobie und Kanzerophobie mit ausgeprägtem sozialen Rückzug und Verlust fast aller sozialen Kompetenzen, einer chronischen Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Anteilen, einem hirnorganischen Psychosyndrom, einer Persönlichkeits- und Wesensveränderung, einer psychischen Störung und Verhaltensstörungen durch Tabak und Alkohol sowie unter einem allgemeinen körperlichen Abbau.
Nach Dr. S. sei im Befund eine massiv reduzierte Antriebs- und Interessenlage auffällig gewesen. Bei allgemeiner psychomotorischer Verlangsamung mit verminderter gedanklicher Flexibilität seien zusätzlich deutliche Einschränkungen im Bereich der Leistungsfähigkeit des Kurzzeitgedächtnisses festzustellen gewesen. Es bestehe bei deutlicher Passivität ein massives Rückzugsverhalten mit unselbständigem selbstunsicheren Vermeidungsverhalten. Vor allem bestehe ein hirnorganisches Psychosyndrom im Sinne eines zerebralen Abbauprozesses und eines weit über den physiologischen Alterungsprozess hinausreichenden Abbaus der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit. Das Umstellungsvermögen, die Anpassungsfähigkeit und die psychophysische Dauerbelastbarkeit seien erheblich beeinträchtigt, so dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, einer geregelten Erwerbstätigkeit von wirtschaftlichem Wert nachzukommen, egal wie diese auch geartet sein sollte.
Allerdings waren die von Dr. S. erhobenen Befunde bei der Untersuchung des Klägers durch Dr. H. in keiner Weise mehr nachzuweisen. Dr. H. führt überzeugend aus, dass weder auf neurologischem noch auf psychiatrischen Fachgebiet pathologische Befunde erhoben werden konnten, die die Einschätzung von Dr. S. begründen könnten. Insbesondere hat sich kein Hinweis auf eine depressive Störung oder auf eine morose dysthyme Verstimmung gefunden. Der Antrieb war völlig normal; die Schwingungsfähigkeit war gut erhalten.
Zudem hat Dr. H. auch zutreffend darauf hingewiesen, dass aufgrund der niederfrequenten nervenärztlichen Kontakte und aufgrund des Umstandes, dass der Kläger seit Februar 2018 eine vollschichtige Beschäftigung ausgeübt hat, Zweifel an dem Vorliegen einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung bestehen. Nach der Arbeitgeberauskunft vom 06.03.2019 stand jedenfalls nicht eine psychiatrische Erkrankung einer vollschichtigen Tätigkeit des Klägers entgegen. Nach der Arbeitgeberauskunft habe die Arbeitskraft des Klägers auch erst nach den ersten paar Monaten seit Beginn der Beschäftigung nachgelassen. Aufgrund seines altersbedingten körperlichen Allgemeinzustandes habe der Kläger nicht als vollwertige Arbeitskraft gegolten. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten ab Aufnahme der Beschäftigung somatische und nicht psychische Erkrankungen betrafen (COPD, Gastroenteritis, Sinubronchitis).
Der gutachterlichen Stellungnahme des MDK vom 04.04.2016 vermochte der Senat nicht zu folgen. Diese Stellungnahme erfolgte nach Aktenlage und konnte die im Verwaltungsverfahren und in beiden Instanzen eingeholten Gutachten nicht berücksichtigen.
Aufgrund der zur Überzeugung des Senats bestehenden mehr als 6stündigen Leistungsfähigkeit des Klägers für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts kommt es auf die Frage der Ausschöpfung zumutbarer Behandlungsoptionen (vgl. hierzu BayLSG Urteil vom 08.05.2019, L 19 R 376/17, juris) nicht mehr an.
Bei Beachtung der beim Kläger bestehenden qualitativen Einschränkungen liegen weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die eine Pflicht der Beklagten zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit zur Folge gehabt hätte. Die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind nicht geeignet, das Feld zumutbarer Tätigkeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Die Wegefähigkeit des Klägers ist nicht beeinträchtigt.
Aufgrund des Leistungsvermögens des Klägers von täglich mehr als sechs Stunden ergibt sich auch, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ebenfalls nicht beansprucht werden kann.
Ebenfalls zutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass der Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht beanspruchen kann. Anspruch auf diese Rente haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die – wie der Kläger – vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind gem. § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI).
Der Kläger ist nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit des Klägers ist die zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Bauarbeiter. Diese Tätigkeit kann der Kläger nach den Feststellungen der Sachverständigen nicht mehr ausüben. Damit liegt aber noch nicht ohne weiteres eine Berufsunfähigkeit im rentenrechtlichen Sinne vor. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Kläger noch für andere, ihm zumutbare Verweisungstätigkeiten einsetzbar ist. Ob eine zumutbare Verweisungstätigkeit in Betracht kommt, bestimmt sich nach dem qualitativen Wert des zuletzt auf Dauer versicherungspflichtig ausgeübten Berufs. Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung zur Feststellung des qualitativen Werts des bisherigen Berufs und damit zur Bestimmung der zumutbaren Verweisungstätigkeiten – nunmehr unter Berücksichtigung der Zusammenführung in der allgemeinen Rentenversicherung sowohl für gewerbliche als auch für Angestelltenberufe – ein Mehrstufenschema entwickelt. Es unterscheidet zwischen ungelernten Berufen (Stufe 1), Berufen mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe 2), Berufen mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3), Berufen, die zusätzliche Qualifikationen oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen (Stufe 4, z.B. Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung), Berufen, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen (Stufe 5) und Berufen, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (Stufe 6); vgl. zum Ganzen Gürtner, KassKom, Std. 12/2016, § 240 Rn 24.
Zumutbar im Sinne des § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB VI ist stets ein beruflicher Abstieg auf die nächstniedrigere Qualifikationsstufe. Versicherte, deren bisheriger Beruf beispielsweise der Stufe 2 (sog. Angelerntenbereich) zuzuordnen ist, können demnach zumutbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich, wenn der bisherige Beruf der ersten Stufe angehört oder wenn ein sogenannter einfacher Angelernter (Stufe 2, aber Ausbildung nur bis zu einem Jahr) auf ungelernte Berufe verwiesen wird.
In diesem Sinne ist die Tätigkeit des Klägers allenfalls als die Tätigkeit eines einfachen Angelernten einzuordnen. Zwar hat der Kläger nach seinen Angaben eine Berufsausbildung als Dreher absolviert und sei auch in diesem Beruf tätig gewesen. Danach war er jedoch als (angelernter) Bauarbeiter versicherungspflichtig tätig, so dass er den entsprechenden Berufsschutz aufgegeben hat. Soweit nach der Arbeitgeberauskunft vom 06.03.2019 der Kläger als Stuckateur tätig gewesen und eine Entlohnung nach der Lohngruppe der Facharbeiter erfolgt sei, ergibt sich hieraus nicht die Einordnung der Tätigkeit des Klägers in eine höhere Qualifikationsstufe (Stufe 3). Denn der Kläger hat diesen Ausbildungsberuf nicht erlernt und hat erkennbar nicht die Tätigkeiten eines (gelernten) Stuckateurs vollwertig verrichtet (vgl. hierzu BSG Urteil vom 28.06.1989 – 5 RJ 5/88, juris). Nach Angaben im BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit verputzen Stuckateure Rohbauten, bauen leichte Trennwände aus Metallprofilen und Gipskartonplatten ein, montieren Fertigteildecken- und wände oder Fassadenverkleidungen. Sie bringen Dämmmaterialien an. Fassaden und teilweise auch Innenwände oder Decken schmücken sie mit Stuckarbeiten. Nach der Arbeitgeberauskunft hat der Kläger mit Putz- und Trockenbauarbeiten nur einen Teilbereich der Tätigkeit eines Stuckateurs ausgeübt. Auch haben die erbrachten Leistungen nicht dem Entgelt entsprochen. Letztendlich hat auch der Bevollmächtige mit Schriftsatz vom 08.01.2019 darauf hingewiesen, dass der Kläger nur für leichteste Tätigkeiten eingesetzt wurde, wie z.B. Abklebearbeiten, Anbringen von Eckschienen und Profilen, Grundierungsarbeiten, Ziehen von Acrylfugen, Erstellen von Aufmaßen, Liefertätigkeiten und überhaupt leichteste Stuckateurarbeiten.
Aufgrund der Einordnung des Klägers als sog. einfacher Angelernter ist die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit nicht erforderlich und der Kläger ist sozial zumutbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen. Diese sind nach den überzeugenden Gutachten von Dr. W., Dr. H. und Dr. L. auch dem Kläger gesundheitlich zumutbar.
Nach alledem sind der Bescheid der Beklagten vom 06.10.2016 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 11.11.2016 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.11.2017 nicht zu beanstanden, so dass die Berufung als unbegründet zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.


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