Sozialrecht

Verwirkung des Klagerechts (bejaht), zuständige Stelle für Meldung eines Dienstunfalls

Aktenzeichen  AN 1 K 20.01763

Datum:
2.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 11957
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 47

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
4. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist unzulässig, da der Kläger sein Klagerecht verwirkt hat.
Die Verwirkung, eine Ausprägung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB), bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, weil seit der Möglichkeit der Geltendmachung eine längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts unter Berücksichtigung des beim Verpflichteten oder bei einem Dritten daraus erwachsenden Vertrauens als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Seit der Entstehung des Rechts und der Möglichkeit seiner Geltendmachung muss längere Zeit verstrichen sein (Zeitmoment) und der Berechtigte muss unter Verhältnissen untätig geblieben sein, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt (Umstandsmoment). Erst hierdurch wird die Situation geschaffen, auf die ein Beteiligter – entweder der Dienstherr oder ein begünstigter Dritter – vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (Vertrauensmoment). Zeit-, Umstands- und Vertrauensmoment sind nicht präzise voneinander zu trennen. Maßgeblich ist eine Gesamtbewertung aller zeitlichen und sonstigen Umstände (BVerwG, B.v. 15.1.2020 – 2 B 38.19 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 12.5.2020 – 3 ZB 19.1003 – juris Rn. 10 f.).
Hinsichtlich des Zeitmoments kann § 58 Abs. 2 VwGO eine zeitliche Orientierung bieten, wobei die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (OVG NW, B.v. 31.7.2019 – 6 B 714/19 – juris Rn. 16).
Das Vertrauensmoment folgt einem gewissen Automatismus allein aufgrund des Zeitablaufs (so auch BayVGH, B.v. 25.11.2019 – 3 CE 19.1926 – juris Rn. 8), der in der Regel eine Verschlechterung der Beweislage nach sich zieht, und dem Umstandsmoment. In diesem Zusammenhang ist auch berücksichtigen, dass nicht nur ein schutzwürdiges Vertrauen der Gegenpartei auf das Untätigbleiben des Berechtigten, sondern auch ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens es rechtfertigen können, die Anrufung eines Gerichts nach langer Zeit als unzulässig anzusehen (BVerfG, B.v. 26.1.1972 – 2 BvR 255/67 – juris Rn. 19).
Das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment ist gegeben, da der Kläger sich erstmals im Februar 2020 an die für die Dienstunfallbearbeitung zuständige Pensionsbehörde gewandt hat und dies erst fast sieben Jahre nach dem Ereignis vom 25. März 2013 bzw. bereits mehr als fünf Jahre nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Beamtenverhältnis erfolgt ist.
Die zeitlichen Abläufe begründen auch das Vorliegen eines entsprechenden Umstandsmoments.
Es ist vorliegend schon unklar, ob der Kläger den Dienstunfall innerhalb der zweijährigen Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG gemeldet hat, wofür der Kläger die materielle Beweislast trägt (BayVGH, B.v. 2.5.2016 – 3 ZB 15.798 – juris Rn. 31; BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 3 B 14.2652 – juris Rn. 24). Fristbeginn für diese Ausschlussfrist ist der Zeitpunkt des behaupteten Unfallgeschehens (zu § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 2006: BVerwG, U.v. 28.2.2002 – 2 C 5/01 – juris Rn. 17), hier also der 25. März 2013. Damit lief die Ausschlussfrist am 25. März 2015 ab.
Auch nach der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2021 ist jedenfalls unstreitig, dass der Kläger weder unmittelbar gegenüber seinem Dienstvorgesetzen (Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG) noch unmittelbar gegenüber dem Landesamt für Finanzen als zuständiger Pensionsbehörde (Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG) die schriftliche Dienstunfallmeldung abgegeben hat.
Der Kläger trug in der mündlichen Verhandlung erstmals vor, dass er die Dienstunfallmeldung im Seminarbüro persönlich abgegeben habe. In dieser Deutlichkeit hat sich der Kläger zuvor nicht geäußert, da er in seinem Schreiben vom 25. Februar 2020 lediglich angab, dass er gegenüber Herrn PHK … den Dienstunfall angezeigt habe. In Widerspruch zu seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung führte der Kläger zudem in seinem Schreiben vom 25. Februar 2020 aus, dass er die Unfallanzeige seinem Dienstvorgesetzten übergeben habe. Das Seminarbüro ließ er aber unerwähnt. Auch in dem Schreiben vom 22. Juni 2020, mit dem der Widerspruch begründet wurde, ist lediglich ausgeführt worden, dass der Kläger zusammen mit Herrn … die Unfallanzeige gefertigt habe. Diese Anzeige sei bei dem leitenden Beamten im Geschäftszimmer, Herrn …, abgegeben worden. Der Umstand, dass der Kläger die Dienstunfallmeldung persönlich übergeben habe, wurde jedoch auch hier nicht explizit erwähnt. Im Übrigen würde eine schriftliche Dienstunfallmeldung gegenüber dem Seminarbüro nicht genügen (so für die Abgabe einer Dienstunfallmeldung einer Lehrerin gegenüber einer Schulsekretärin: BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 3 B 14.2652 – juris Rn. 26).
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung weiter vorgetragen hat, dass er ärztliche Befunde bezüglich weiterer Untersuchungen nach dem Ereignis am 25. März 2013 jedenfalls gegenüber dem zuständigen Polizeiarzt vorgelegt habe, würde dies eine Dienstunfallmeldung nicht ersetzen, da diese gegenüber dem Dienstvorgesetzten oder der Pensionsbehörde zu erstatten ist (BayVGH, B.v. 7.3.2017 – 3 ZB 14.1973 – BeckRS 2017, 105345 Rn. 4).
Auch der Vortrag des Klägers, dass er mit seinem Dienstvorgesetzten nach Art. 3 Satz 1 BayBG, Herrn EPHK … bzw. einem dessen Nachfolger und v.a. auch dem zweiten Seminarleiter, über seine gesundheitliche Situation und berufliche Zukunft gesprochen haben will, vermag die schriftliche Dienstunfallmeldung nicht zu ersetzen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zwar entschieden, dass es für eine Dienstunfallmeldung ausreichend sein kann, wenn eine Lehrerin, die eine schriftliche Dienstunfallmeldung erst etwas mehr als einen Monat nach Ablauf der Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG abgab, zuvor aber ihrem Schulleiter in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen gegenüber eine mündliche Meldung über das Vorkommnis erstattete, da lediglich die Meldung eines Unfalls erforderlich sei (BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 3 B 14.2652 – juris Rn. 28). Aus Sicht der Kammer ist diese Rechtsprechung jedoch nicht auf den hier vorliegenden Fall anwendbar, da zum einen schon unklar ist, wann und ob der Kläger seinen Dienstvorgesetzten über das Unfallereignis informiert hat und es zudem an der erforderlichen Schriftform gefehlt hat, die Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG vorgibt. Jedenfalls ist eine mündliche Information des Dienstvorgesetzten über ein Unfallereignis bzw. dessen (zufällige) Kenntnis hiervon mit Blick auf eine gegenüber der zuvor zitierten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof aktuellere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 30.8.2018 – 2 C 18/17 – juris Rn. 24 ff.) nicht ausreichend. Nach dieser Rechtsprechung ist eine Unfallmeldung nicht deshalb entbehrlich, weil der Dienstvorgesetzte bereits von Amts wegen Kenntnis von dem Unfall hatte und deshalb nach § 45 Abs. 3 BeamtVG 1994 verpflichtet war, den Unfall sofort zu untersuchen. Diese Regelung des Untersuchungsverfahrens ersetzt nicht die in derselben Bestimmung geregelten Meldepflichten – auch nicht ausnahmsweise -, sondern ergänzt sie lediglich. Mit Bezug auf diese Rechtsprechung, die auch auf die Rechtslage in Bayern übertragbar ist, ist es aus Sicht der Kammer ungenügend, wenn der Dienstvorgesetzte lediglich mündlich über ein Unfallereignis informiert wird bzw. hiervon anders als durch eine schriftliche Dienstunfallmeldung Kenntnis erlangt.
Auch die Vorlage von Arztrechnungen bei der für die Heilfürsorge zuständigen Stelle vermag die schriftliche Dienstunfallmeldung nicht zu ersetzen (so für die Beihilfestelle: VG Augsburg, U.v. 13.3.2014 – Au 2 K 11.1811 – juris Rn. 35).
Eine weitere Beweisaufnahme durch die Einvernahme von Zeugen, ob der Kläger eine schriftliche Dienstunfallmeldung gegenüber dem Seminarbüro abgegeben hat bzw. welche Kenntnisse die jeweiligen Dienstvorgesetzten des Klägers von dem Vorkommnis am 25. März 2013 hatten, war jedenfalls entbehrlich, da der Kläger sein Recht verwirkt hat.
Nach dem Vortrag des Klägers waren ihm zum 25. März 2013 die Formalien einer Dienstunfallmeldung nicht bekannt. Er sei aber von Herrn … über den Ablauf informiert worden, so dass ihm das Verfahren zumindest in den Grundzügen wohl bekannt gewesen sein dürfte.
Nachdem die Dienstunfallmeldung nicht persönlich durch den Kläger zu erfolgen hatte, berechtigt zur Meldung ist vielmehr jede andere Person (Weinbrenner in: Stegmüller/Schmalho-fer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz des Bundes und der Länder, 148. UPD Dezember 2020, § 45 BeamtVG Rn. 18), kann sich der Kläger auch Dritter bedienen, hier des Seminarbüros. Allerdings trägt der Kläger dann nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen das Risiko einer fehlerhaften oder unterbliebenen Übermittlung. Vor diesem Hintergrund trifft den Kläger bei Vorliegen entsprechender Umstände auch eine Pflicht zur Nachfrage. Auch mit Blick auf die Regelung des Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG, der eine Ausschlussfrist begründet, wird man von einem Beamten, der seine schriftliche Dienstunfallmeldung nicht unmittelbar gegenüber dem Dienstvorgesetzten oder der Pensionsbehörde abgegeben hat, jedenfalls dann eine Pflicht zur Nachfrage zu dem Verfahrensstand begründen müssen, je näher der Ablauf der Ausschlussfrist von zwei Jahren rückt. Diesbezüglich hat der Kläger jedoch nichts unternommen.
Weiter hat er es unterlassen, die ihm vorgelegten ärztlichen Unterlagen seinem Dienstvorgesetzten oder der Pensionsbehörde zur Kenntnis zu geben. Der Kläger ist auch nach dem Ereignis vom 25. März 2013 wegen Beschwerden am linken Knie untersucht und später sogar operiert worden. Aus Sicht der Kammer hätte auch dieser Umstand für den Kläger Anlass gegeben, sich zu dem Stand des Verfahrens zu erkundigen und Unterlagen über die weiteren ärztlichen Behandlungen in Ergänzung zu seiner Dienstunfallmeldung vorzulegen.
Zudem geht aus der Behördenakte hervor, dass der Kläger ein weiteres Ereignis vom 25. April 2014 als Dienstunfall meldete und dieses mit Bescheid vom 24. September 2014 als Dienstunfall anerkannt wurde (Bl. 52 der Behördenakte). Der Kläger gab hierzu in der mündlichen Verhandlung an, dass lediglich eine zerrissene Hose Gegenstand des Verfahrens gewesen sei. Demnach war dem Kläger spätestens zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass das Verfahren auf Anerkennung eines Dienstunfalls durch einen Bescheid abgeschlossen wird und dies selbst dann, wenn keine gravierenden Unfallfolgen im Raum stehen. Da der Kläger jedoch auch zu diesem Zeitpunkt noch Beschwerden im linken Knie hatte und sogar Gespräche zu seiner beruflichen Zukunft bei der Polizei geführt wurden, hätte sich jedenfalls zu diesem Zeitpunkt eine Pflicht zur Nachfrage zu dem Verfahrensstand bei dem Kläger ergeben. Der Kläger blieb jedoch weiterhin untätig und hat selbst nach einer Operation am linken Knie am 26. November 2014 in dem Krankenhaus … keine weiteren Erkundigungen zu der Bearbeitung seiner Dienstunfallmeldung eingeholt. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er gedacht habe, dass aufgrund laufender Untersuchungen kein Bescheid ergehe, da ein solcher erst nach Abschluss der Behandlung erlassen werde, so stellt eine Operation aus Sicht der Kammer durchaus einen derart wesentlichen Schritt in einer ärztlichen Behandlung dar, die durchaus Anlass gegeben hätte, sich zu dem aktuellen Verfahrensstand zu erkundigen.
Spätestens jedoch mit dem endgütigen Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis zum 4. März 2015 hätte man von dem Kläger erwarten können, dass er sich zu dem Verfahren der Anerkennung des Vorfalls als Dienstunfall erkundigt, zumal es auch im Interesse des Klägers gelegen hat, nach Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst Gewissheit darüber zu haben, ob eine Anerkennung als Dienstunfall erfolgt. Gleichwohl ist der Kläger untätig geblieben und hat sich bis zum 28. Februar 2020, an diesem Tag ging der Antrag auf Anerkennung als Dienstunfall bei der Pensionsbehörde ein, nicht weiter bei dem Beklagten erkundigt oder auf einen Abschluss des Verfahrens, ggf. auch durch Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO, hingewirkt. Durch das Verhalten des Klägers wurde die Pensionsbehörde erstmals mit dem Ereignis vom 25. März 2013 fast sieben Jahre nach dem Vorkommnis und etwas mehr als fünf Jahre nach dem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst des Klägers mit der Sache befasst.
Aufgrund der zuvor dargestellten zeitlichen Abläufe bestand aus Sicht der Kammer für den Kläger spätestens mit dessen Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst eine Verpflichtung zur Nachfrage zu dem Verfahrensstand.
Der Kläger hat durch seine Untätigkeit seitens des Beklagten einen Vertrauensmoment geschaffen. Zwar hat sich der Beklagte hierauf im Verwaltungsverfahren nicht explizit berufen, jedoch führte er bereits in dem Widerspruchsbescheid aus, dass sich der Kläger spätestens mit Erlass des Bescheides vom 24. September 2014 zum Sachstand hätte erkundigen können. Jedenfalls in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2021 hat der Beklagte geltend gemacht, dass eine Verwirkung vorliege.
Wird ein Beamtenverhältnis beendet, so wird man von dem Beamten verlangen können, dass er gegenüber seinem Dienstherrn noch offene Ansprüche konkret benennt und auf eine abschließende Entscheidung hinwirkt. Es ist im beiderseitigen Interesse, wenn der Beamte und sein Dienstherr zeitnah nach der Beendigung eines aktiven Beamtenverhältnisses alle offenen Fragen sowie das Bestehen etwaiger Ansprüche einer abschließenden Klärung zuführen können.
Somit wird man von dem Kläger verlangen können, dass er spätestens nach seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst nochmals auf seine Dienstunfallmeldung hinweist, sich zu dem aktuellen Verfahrensstand erkundigt und auch auf eine zeitnahe Entscheidung hinwirkt. Selbst wenn eine zeitnahe Entscheidung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht möglich sein sollte, beispielsweise, weil für eine abschließende Entscheidung weitere zeitaufwändige Sachverhaltsermittlungen nötig sein sollten, so steht auch dies einer Erkundigungspflicht nicht entgegen.
Dem Vertrauensmoment steht auch die Regelung des Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG bzw. dessen Rechtsgedanke nicht entgegen. Diese Vorschrift bestimmt, dass nach Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 1 BayBeamtVG Unfallfürsorge nur gewährt wird, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit eines Körperschadens oder einer Erkrankung auf Grund des Unfallereignisses nicht habe gerechnet werden können oder dass der Berechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert war, den Unfall zu melden.
Im konkreten Fall des Klägers kann sich dieser schon nicht auf Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG berufen, da er bereits nach dem Ereignis vom 25. März 2013 weiterhin in medizinischer Behandlung war und sogar operiert wurde. Ihm war somit positiv bekannt, dass mit der Möglichkeit eines Körperschadens aufgrund des Unfallereignisses gerechnet werden musste, weshalb die Frist von drei Monaten des Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG im Jahr 2020 längst abgelaufen war.
Wie bereits die Regelung des Art. 47 Abs. 1 BayBeamtVG mit ihrer relativ kurzen Ausschlussfrist von zwei Jahren zeigt, kommt jedenfalls im Bereich der Unfallfürsorge die Annahme eines Vertrauensmoments zwei Jahre nach dem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst in Betracht. Der Zweck der Meldefristen besteht darin, zeitnahe Ermittlungen in Bezug auf die Voraussetzungen aller im konkreten Einzelfall in Betracht kommenden Unfallfürsorgeleistungen möglich zu machen und sicherzustellen, dass Aufklärungsschwierigkeiten, die sich bei späteren Ermittlungen ergeben könnten, vermieden werden (BVerwG, B.v. 11.7.2014 – 2 B 37/14 – juris Rn. 8). Die Meldefristen des Art. 47 BayBeamtVG sollen sicherstellen, dass die notwendigen Ermittlungen hinsichtlich des Unfallgeschehens, des Kausalzusammenhangs usw. alsbald durchgeführt werden können. Es soll damit der Fall ausgeschlossen werden, dass sich ein Beamter noch nach langer Zeit darauf beruft, seine aktuellen Beschwerden seien Folge eines Dienstunfalls, den er vor geraumer Zeit erlitten habe. Die sich im Falle einer zeitlich unbegrenzten Anzeigemöglichkeit gegebenenfalls ergebenden Beweisschwierigkeiten werden durch diese Ausschlussfrist ausgeschlossen. Im Übrigen sollen Unfallverhütungsmaßnahmen (Abstellen von Mängeln; Verbesserung der Sicherheitsvorschriften) möglichst bald getroffen werden. Schließlich soll die Verwaltung eine Übersicht über mögliche Ansprüche erhalten (BVerwG, B.v. 15.9.1995 – 2 B 46/95 – juris Rn. 4; Weinbrenner in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz des Bundes und der Länder, 148. UPD Dezember 2020, § 45 BeamtVG, Rn. 4).
Aufgrund der zeitlichen Abläufe in dem konkreten Fall, unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Ausschlussfristen des Art. 47 BayBeamtVG und des Umstandes, dass der Kläger trotz mehrfachen Anlasses hinsichtlich der Erkundigung nach dem Verfahrensstand untätig geblieben ist, ist vorliegend eine Verwirkung zu bejahen.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.


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