Sozialrecht

Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung

Aktenzeichen  L 19 R 613/17

Datum:
28.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 41548
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VI § 43 Abs. 1
SGB VI § 43 Abs. 2
SGB VI § 53 Abs. 2
SGB VI § 55 Abs. 1

 

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung (hier: versicherungsrechtliche Voraussetzungen).

Verfahrensgang

S 3 R 777/16 2017-09-01 GeB SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 01.09.2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Sie ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1.teilweise erwerbsgemindert sind,
2.in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3.vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Die Klägerin erfüllt offensichtlich nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente. Nach § 43 SGB VI müssen sowohl für eine volle als auch für eine teilweise Erwerbsminderungsrente die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sein, d.h. in einer Rahmenfrist von fünf Jahren müssen mindestens 36 Monate mit Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 SGB VI zurückgelegt worden sein. Aus dem dem Bescheid vom 09.08.2016 beigefügten Versicherungsverlauf ist ersichtlich, dass die Klägerin lediglich Anrechnungszeiten wegen Schul- bzw. Fachschulausbildung in ihrem Versicherungskonto vermerkt hat. Der Betreuer der Klägerin hat auch bestätigt, dass dies so zutreffend ist, weil die Klägerin im Alter von spätestens 20 bis 24 Jahren an einer Schizophrenie erkrankt war, die ihr das Aufnehmen einer Berufsausbildung oder auch einer beruflichen versicherungspflichtigen Tätigkeit unmöglich gemacht habe.
Entgegen der Auffassung des Betreuers der Klägerin ist eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht bereits dann zu gewähren, wenn eine Person nicht in der Lage ist, krankheitsbedingt eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Eine Versicherungsleistung – und dabei handelt es sich bei der Rente nach § 43 SGB VI – setzt voraus, dass entsprechende Pflichtbeiträge entrichtet wurden. Das Gesetz sieht hier nur Ausnahmetatbestände durch die vorzeitige Wartezeiterfüllung nach § 43 iVm § 53 SGB VI vor. In Betracht käme hierbei § 53 Abs. 2 SGB VI. Die Klägerin hat aber nie eine Berufsausbildung aufgenommen und sie hat auch das im Rahmen des § 53 Abs. 2 SGB VI notwendige eine Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung nicht nachgewiesen. Eine Absicherung der Klägerin für den Fall der Erwerbsminderung ohne entsprechende Beitragsleistungen zur gesetzlichen Rentenversicherung könnte deshalb allenfalls über die Regelungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – SGB XII – in Betracht kommen, als Hilfe bei Erwerbsminderung nach § 41 SGB XII. Hierfür ist aber die gesetzliche Rentenversicherung der falsche Ansprechpartner. Auf § 46 SGB XII wird vorsorglich hingewiesen.
Soweit der Betreuer der Klägerin darauf hinweist, dass er ab dem Jahr 2005 freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat, spielen diese für eine Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI zunächst keine Rolle. Diese Beiträge würden im Rahmen einer Altersrente der Klägerin Berücksichtigung finden. Zudem hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass nach § 43 Abs. 6 SGB VI diese Beiträge künftig zum Tragen kommen könnten, weil die Klägerin bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert war und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert ist. Hier muss dann eine Wartezeit von 20 Jahren zurückgelegt werden, für die nach §§ 50, 51 Abs. 1 SGB VI auch freiwillige Beiträge angerechnet werden könnten.
Soweit der Betreuer der Klägerin eine Beitragserstattung der entrichteten freiwilligen Beiträge für den Fall einer negativen Entscheidung geltend gemacht hatte, hat er dies in der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2018 nicht aufrechterhalten. Dies wäre aber auch nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens. Die Beklagte hatte insoweit aber auch bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Beitragserstattung nach § 210 SGB VI nicht in Betracht kommt. Die Klägerin ist nicht versicherungspflichtig, weil sie nicht in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben und ein anderer Versicherungspflichttatbestand nicht vorliegt. Sie hat deshalb aber das Recht zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 7 SGB VI, so dass eine Beitragserstattung ausgeschlossen ist (§ 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Nach alledem war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 01.09.2017 als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 161 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.


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