Sozialrecht

Zur Frage der Gewährung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende bei Asylbewerbern

Aktenzeichen  L 8 AY 18/15

Datum:
18.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 122768
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
AsylbLG § 2, § 3, § 6 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1
SGB X § 44
SGB XII 30 Abs. 3
RL 2013/33/EU Art. 21

 

Leitsatz

1 Die Differenzierung in §§ 2 und 3 AsylbLG, wonach in den ersten 15 Monaten des Aufenthalts in Deutschland primär Sachleistungen und ab dem 16. Monat Geldleistungen gewährt werden, ist verfassungskonform. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein ergänzender Rückgriff auf pauschale Leistungen nach dem SGB XII hat der Gesetzgeber nach § 9 Abs. 1 AsylbLG unmissverständlich für die Dauer des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG ausgeschlossen; eine analoge Anwendung von § 30 Abs. 3 SGB XII scheidet daher während des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG aus. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein dennoch bestehender Bedarf der alleinerziehenden Leistungsempfänger nach dem AsylbLG kann in dem Zeitraum während des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG bei konkreter Darlegung über § 6 AsylbLG konkret-individuell mittels Sachleistungen gedeckt werden. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
4 Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, gebietet nicht, dass Mehrbedarfsleistungen entsprechend dem SGB XII gewährt werden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 11 AY 41/15 2015-10-21 GeB SGLANDSHUT SG Landshut

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 21. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A. Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht gemäß § 151 SGG am 25.11.2015 gegen den am 28.10.2015 zugestellten Gerichtsbescheid erhoben. Sie ist auch gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750.-Euro übersteigt. Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende entsprechend § 30 Abs. 3 SGB XII für den Zeitraum 25.07.2014 bis 13.01.2015 in Höhe von monatlich 140,76 Euro im Jahr 2014 sowie 143,64 Euro im Jahr 2015. Insgesamt begehrt die Klägerin damit weitere Leistungen i. H. v. 798,88 Euro (140,76 Euro x 5 plus 7/30 von 140,76 Euro plus 13/30 von 143,64 Euro).
B. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
I.
Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 09.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Niederbayern vom 02.09.2015, mit dem der Beklagte aufgrund des Überprüfungsantrages gemäß § 44 SGB X die rückwirkende Gewährung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende unter Aufhebung/Änderung der bestandskräftigen Leistungsbescheide abgelehnt hat. Streitgegenständlicher Zeitraum ist entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Zeitraum vom 25.07.2014 bis 13.01.2015.
II.
1. Der Antrag der Klägerin war gem. § 123 SGG dahingehend auszulegen, dass die Klägerin die Aufhebung des Überprüfungsbescheides sowie die Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung der zur Überprüfung gestellten Leistungsbescheide und Neuverbescheidung mit Gewährung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende im streitigen Zeitraum begehrt. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG. Das Gericht hat auf Anfechtungsklage über die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs auf Rücknahme des Verwaltungsaktes zu entscheiden, mit der damit verbundenen Verpflichtungsklage wird die Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des früheren Verwaltungsaktes und der Erlass des beantragten Verwaltungsaktes verfolgt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl., § 54 Rn. 20 c). Da die Klägerin von einer Ermessensreduzierung auf Null bzgl. des Leistungsanspruches aus § 6 AsylbLG ausgeht, wäre im Falle des Obsiegens die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass des beantragten Verwaltungsaktes nach § 131 Abs. 2 Satz 1 SGG auszusprechen gewesen (Keller a. a. O., Rn. 29).
2. Die Klägerin hat jedoch bereits keinen Anspruch auf Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 09.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015. Anspruchsgrundlage für das Überprüfungsbegehren stellt § 9 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und S. 2 AsylbLG, § 44 Abs. 1.S. 1 SGB X dar. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist.
a. Der Beklagte hat hier zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Sachprüfung angenommen und eine solche durchgeführt. Der Antrag auf Überprüfung wurde am 14.01.2015 für die Zeit ab 25.07.2014 gestellt, so dass die Einjahresfrist des § 9 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 AsylbLG i. V. m. § 44 Abs. 4 S. 1 SGB X für die rückwirkende Erbringung von Leistungen gegeben gewesen wäre. Da eine konkrete rechtliche Fragestellung (Anspruch auf Mehrbedarf) benannt wird, stellt dies den erforderlichen Antrag auf Einzelfallüberprüfung dar, (BSG, Urteil vom 13.02.2014, B 4 AS 22/13 R). Denn für ein Prüfanliegen nach § 44 SGB X ist es erforderlich, dass eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt wird, die überprüft werden soll. Hier werden konkrete, zur Überprüfung gestellte Bescheide nicht benannt (die zugrundeliegenden Leistungsbescheide für den streitigen Zeitraum 25.07.2014 bis 13.01.2015 datieren auf den 09.09.2014, der den Bescheid vom 22.07.2014 ersetzt, 03.12.2014 und 09.11.2015), der Antrag geht auf Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide und Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 3 SGB XII, somit eine konkrete Rechtsfrage. Diese bestimmt den Umfang des Überprüfungsauftrags und der Überprüfungspflicht durch die Behörde, so dass der Beklagte die (nicht konkret bezeichneten) zugrundeliegenden Bescheide aufgrund des klaren Überprüfungsantrags nur auf einen möglichen Anspruch auf Mehrbedarf entsprechend § 30 Abs. 3 SGB XII zu überprüfen hatte.
b. Der Beklagte hat im Rahmen der Überprüfung zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen entsprechend § 30 Abs. 3 SGB XII und damit die Rücknahme der bestandskräftigen Leistungsbescheide insoweit abgelehnt. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Deckung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende in entsprechender Anwendung von § 30 Abs. 3 SGB XII.
Der Senat sieht von einer Wiederholung der Gründe des Gerichtsbescheides vom 21.10.2015 ab und macht sich diese nach eigener rechtlicher Überprüfung gem. § 153 Abs. 2 SGG zu eigen. Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
aa. Eine analoge Anwendung von § 30 Abs. 3 SGB XII im Rahmen einer Leistungsgewährung in den ersten 15 Monaten des Aufenthalts in Deutschland nach § 3 AsylbLG scheidet auch aus folgenden Gründen aus: § 9 Abs. 1 AsylbLG schließt Leistungen nach dem SGB XII für Asylbewerber explizit aus. Die analoge Anwendung der Vorschriften über den pauschalierten Mehrbedarf für Alleinerziehende war weder in der bis 28.02.2015, noch in den ab 01.03.2015 oder ab 24.10.2015 geltenden Fassungen des AsylbLG im Rahmen der Leistungsgewährung nach § 3 AsylbLG vorgesehen. Nachdem in den weiteren Gesetzgebungsverfahren des AsylbLG (Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 16.03.2016, Neuntes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 29.07.2016 und Integrationsgesetz vom 05.08.2016) auf die Einführung der im Leistungssystem des SGB II und SGB XII gewährten Mehrbedarfe bewusst verzichtet wurde, liegt eine klare gesetzgeberische Entscheidung hierzu vor. Zutreffend hat das SG deshalb ausgeführt, dass keine gesetzgeberische Regelungslücke vorliegt, die im Wege der Analogie zu schließen sei. Der Gesetzgeber hat in § 6 AsylbLG eine leistungsrechtliche Auffangvorschrift geschaffen, mit der zusätzliche Bedarfe auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder der Gesundheit anerkannt und primär mit Sachleistungen gedeckt werden können. Danach kann auch ein konkret geltend gemachter und nachgewiesener Mehrbedarf gewährt werden. Den ergänzenden Rückgriff auf pauschale Leistungen nach dem SGB XII hat der Gesetzgeber unmissverständlich für die Dauer des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG ausgeschlossen.
Die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf den geltend gemachten pauschalen Mehrbedarf bei Alleinerziehung hat, beantwortet sich damit eindeutig aus §§ 6, 9 AsylbLG. Weiterhin steht einem Anspruch auf die Gewährung einer pauschalen Geldleistung zur Deckung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung entgegen, dass ein solcher dem AsylbLG im Rahmen der Leistungsgewährung nach § 3 AsylbLG systemfremd ist, da nach diesem Gesetz eine konkret individuelle Bedarfsdeckung durch (vorrangige) Sachleistungen erfolgt. Zutreffend hat das SG insoweit auf die Entscheidung des BSG vom 20.12.2012, B 7 AY 1/11 R verwiesen, in dem zu den Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise im AsylbLG Geldleistung anstelle der vorrangig zu erbringenden Sachleistungen zu erbringen sind, Stellung genommen wird. Sogar die früher im Schrifttum vertretene einzelne Rechtsauffassung, wonach bei dem vergleichbaren Bedarf werdender Müttern nach der 12. Schwangerschaftswoche in Anlehnung an § 30 Abs. 2 SGB XII ein Mehrbedarf gleichsam typisierend zu unterstellen sei, wird nicht mehr vertreten (vgl. Ferichs in Schlegel/Voelzke, juris-PK- SGB XII, Stand 22.05.2017, § 6 AsylbLG, Rn. 53.1).
bb. Zutreffend hat das SG auch ausgeführt, dass die sozialpolitische Entscheidung des Gesetzgebers, wegen des Alleinerziehenden-Mehrbedarfes im SGB II und SGB XII pauschale Geldleistungen zu gewähren und andererseits im AsylbLG eine konkret individuelle Bedarfsdeckung vorzusehen, unter Grundrechtsgesichtspunkten nicht zu beanstanden sei. Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG an. Berücksichtigt werden muss zudem, dass auch das AsylbLG zwei Leistungsformen vorsieht, abhängig von der Dauer des Aufenthalts. So werden Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, die primär als Sachleistungen konkret-individuell gewährt werden, in den ersten 15 Monaten des Aufenthalts in Deutschland gewährt, ab dem 16. Monat besteht gem. § 2 AsylbLG ein Anspruch auf die pauschale Gewährung von Geldleistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII, auch bzgl. der Mehrbedarfe nach § 30 SGB XII, jedenfalls bei dezentraler Unterbringung. Auch diese Differenzierung ist nach Überzeugung des Senats verfassungskonform. Dies gilt auch im Hinblick auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10. Dort hat das BVerfG ausgeführt, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ein Menschenrecht sei, das deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten, gleichermaßen zustehe (Rn. 62 f.). Weiter stellt das BVerfG klar, dass der Umfang des Leistungsanspruchs auf Existenzsicherung nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden könne. Auch wurde der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums bestätigt. So bleibe es dem Gesetzgeber unter anderem überlassen, ob er das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen sichere. Weiterhin wird betont, dass der Gestaltungsspielraum enger sei, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiere und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehe.
Der Mehrbedarf für Alleinerziehende ist nicht – wie die Klägerin hat vortragen lassen – primär zur Sicherung der physischen Existenz erforderlich, sondern soll vielmehr einen pauschal angenommenen Mehrbedarf für soziale Belange (Kontaktpflege, Unterstützung in Erziehungsangelegenheiten) sowie eine geringere Möglichkeit des kostenbewussten Einkaufs kompensieren (BT-Drs. 10/3079, S. 5). Der Gesetzgeber ist hier tendenziell freier in der Ausgestaltung. Es ist grundrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber für den ersten Zeitraum des Aufenthalts in Deutschland eine Bedarfsdeckung durch einzelfallbezogene Sachleistungen, entsprechend der Leistungssystematik einer konkreten Bedarfsdeckung im AsylbLG, nach § 6 AsylbLG vorsieht und erst im Rahmen der Gewährung sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG pauschale Leistungen zur Deckung des Mehrbedarfs gewährt. Durch die Herabsetzung der Aufenthaltsdauer von 48 auf 15 Monate für einen Anspruch auf sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG durch das Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes vom 10. Dezember 2014 zum 01.03.2015 hat der Gesetzgeber die Zeitdauer für die Inanspruchnahme von reduzierten Leistungen nach § 3 AsylbLG deutlich reduziert. Die Klägerin erhält entsprechend dieser neuen Gesetzeslage seit 03.10.2015 Leistungen nach § 2 AsylbLG mit dem pauschalierten Mehrbedarf für Alleinerziehende.
Der reduzierte Leistungsumfang nach § 3 AsylbLG ist einer abweichenden Bedarfslage mindestens in den ersten 15 Monaten geschuldet. Denn in dieser Zeit ist eine Perspektive auf einen Daueraufenthalt in Deutschland noch nicht gegeben, vielmehr ist von einem vorläufigen Aufenthalt auszugehen, da ein Asylverfahren mit ggf. anschließendem Gerichtsverfahren in etwa 15 Monate dauert (Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes vom 10. Dezember 2014, BT-Drs. 18/2592). Es ist grundrechtlich nicht zu beanstanden, für diese Zeitdauer eine abweichende Bedarfssituation anzunehmen, gerade auch für den Mehrbedarf für Alleinerziehende, da eine erhöhte Bedarfslage der durch den Mehrbedarf auszugleichenden Bedarfe (Beratung, Unterstützung in Erziehungsangelegenheiten, Betreuungsleistungen bzw. aufgrund geringerer Möglichkeiten eines preisbewussten Einkaufs) aufgrund der primären Gewährung von Sachleistungen, Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen (§§ 44, 47 AsylG) bzw. Gemeinschaftsunterkünften (§ 53 AsylG) und der ungewissen Bleibeperspektive in dieser Zeit nicht pauschal angenommen werden kann.
Ein dennoch bestehender Bedarf der alleinerziehenden Leistungsempfänger nach dem AsylbLG kann in diesem Zeitraum über § 6 AsylbLG konkret-individuell mittels Sachleistungen gedeckt werden. Der Senat teilt die Ansicht der Klägerin nicht, dass ein solcher Bedarf nicht bezifferbar und eine konkrete Darlegung nicht möglich ist. So könnte z. B. ein konkreter Betreuungsbedarf für einen auswärtigen Termin der Mutter (im Rahmen des Asylverfahrens etc.) rechtzeitig vorab geltend gemacht werden.
Das Bestehen eines solchen Mehrbedarfs der Klägerin wurde jedoch nur pauschal behauptet.
cc. Auch ein Verstoß gegen EU-Recht liegt nicht vor. Insbesondere gebietet Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen nicht, dass Mehrbedarfsleistungen entsprechend dem SGB XII gewährt werden. Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie besagt, dass die Mitgliedstaaten in den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie die spezielle Situation von besonders schutzbedürftigen Personen wie Minderjährigen, unbegleiteten Minderjährigen, Behinderten, älteren Menschen, Schwangeren, Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern, Opfern des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, berücksichtigen. Im Folgenden werden in der Richtlinie in den Art. 23 bis 25 spezielle Vorgaben für Minderjährige, unbegleitete Minderjährige und Opfer von Folter und Gewalt gemacht. Für Alleinerziehende verbleibt es bei der allgemeinen Regelung in Art. 21 der Richtlinie. Diesen europarechtlichen Vorgaben wird durch § 6 AsylbLG, der im Einzelfall die Gewährung sonstiger Leistungen im Ermessenswege vorsieht, entsprochen. Art. 21 ff. der Richtlinie sieht gerade keine pauschale Mehrbedarfsgewährung vor.
Im Ergebnis hat das SG zutreffend die Klage abgewiesen, da der Überprüfungsbescheid vom 09.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 rechtmäßig ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch Rücknahme der bisherigen Bewilligungsbescheide und auf die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 3 SGB XII in streitigen Zeitraum. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.


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