Steuerrecht

Auseinandersetzung einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft als außergewöhnliche Belastunge

Aktenzeichen  4 K 156/18

Datum:
1.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2019, 1908
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 426
EStG § 33

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 31.07.2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 13.03.2017 und der Einspruchsentscheidung vom 08.01.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Denn das Finanzamt hat die Kosten des Zivilprozesses zur Auseinandersetzung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zurecht weder als außergewöhnliche Belastung noch – hilfsweise – als Betriebsausgabe bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb berücksichtigt.
Die vom Kläger geltend gemachten Kosten sind nicht – wie von ihm primär begehrt – als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG abziehbar.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.
Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (vgl. BFH-Urteile vom 29.09.1989 III R 129/86, BStBl II 1990, 418 und vom 26.06.2014 VI R 51/13, BStBl II 2015, 9).
Hinsichtlich der Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung hat der Bundesfinanzhof seine zwischenzeitliche Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015), wonach Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung unausweichlich sind, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, wieder aufgebeben und ist zu seiner früheren Rechtsprechung zurückgekehrt (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.2015 VI R 17/14, BStBl II 2015, 800).
Es reicht also nicht aus, um aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Aufwendungen im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG anzunehmen, dass sich der Steuerpflichtige nach einem verlorenen Zivilprozess – unabhängig davon, ob er als Kläger oder als Beklagter an ihm beteiligt war – der eigentlichen Zahlungsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entziehen kann. Vielmehr ist auf die wesentliche Ursache, die zu den jeweiligen Aufwendungen geführt hat, abzustellen (vgl. BFH-Urteile vom 18.06.2015 VI R 17/14, BStBl II 2015, 800 und vom 18.03.2004 III R 31/02, BStBl II 2004, 867). So kommen z.B. Aufwendungen zur Tilgung von Schulden nur dann als außergewöhnliche Belastungen in Betracht, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlasst war, die ihrerseits den Tatbestand des § 33 EStG erfüllen (vgl. BFH-Urteile vom 18.11.1977 VI R 142/75, BStBl II 1978, 147 und vom 02.10.1981 VI R 38/78, BStBl II 1982, 116). Die Zwangsläufigkeit im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG ist danach nicht allein an der unmittelbaren Zahlungsverpflichtung zu messen, sondern es muss auch das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein. Ausgehend hiervon sind die Kosten eines Zivilprozesses grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das die Prozessführung mit der Folge der Zahlungsverpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig ist. Daran fehlt es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.2015 VI R 17/14, BStBl II 2015, 800). Vielmehr ist es in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)-Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten) risiko aussetzen (vgl. BFH-Urteile 09.05.1996 III R 224/94, BStBl II 1996, 596 und vom 18.03.2004 III R 24/02, BStBl II 2004, 726).
Berührt ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens, kann jener – jedenfalls nach der bis zur Einfügung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG geltenden Rechtsprechung (so u.a. BFH-Urteil vom 18.02.2016 VI R 56/13, BFH/NV 2016, 1150) – unter Umständen in eine Zwangslage geraten, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussichten existenziell erforderlich ist, und sich folglich die Frage stellen, ob die Übernahme eines Prozesskostenrisikos nicht insoweit als im Sinne des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen ist. Ein solcher Ausnahmefall kann insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (vgl. BFH-Urteile vom 18.06.2015 VI R 17/14, BStBl II 2015, 800 und vom 09.05.1996 III R 224/94, BStBl II 1996, 596).
Nach diesen Maßstäben kommt im Streitfall unter Berücksichtigung des Streitgegenstandes und der Ursachen des Streits die Berücksichtigung der dem Kläger entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nicht in Betracht.
Streitgegenstand des vor dem Landgericht 1 geführten Zivilrechtsstreits (Az. /11) war die vermögensrechtliche Auseinandersetzung der zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Lebensgefährtin bis zum 09.02.2005 bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft, insbesondere die vermögensrechtliche Auseinandersetzung der in diesem Rahmen eingegangenen Miteigentümergemeinschaft hinsichtlich des Grundstücks FlNr. …/xx, Str. 1, sowie die im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Bebauung dieses Grundstücks gemeinschaftlich eingegangenen Zahlungsverpflichtungen. Mit Klage vom 02.05.2011 begehrte der Kläger vor dem Landgericht 1 von seiner ehemaligen Lebensgefährtin einen Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB in Form der Beteiligung an den Finanzierungskosten für das gemeinsame Wohnanwesen in Höhe von 50.255,50 €.
Die wesentliche Ursache, die zur vermögensrechtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Lebensgefährtin (vor Gericht) geführt hat, ist im gemeinschaftlichen Erwerb von Grundeigentum sowie im gemeinschaftlichen Eingehen von Darlehensverbindlichkeiten zum Erwerb und zur Bebauung des Grundstücks zu sehen, mithin im Abschluss von Verträgen, die gemeinsame Vermögenspositionen begründet bzw. entsprechende Zahlungsverpflichtungen ausgelöst haben. Dies sind einmal die Darlehensverträge bei der A-Bank 1 und KfW-Bank jeweils vom 26.03.2004 über insgesamt 180.000 €, die der Kläger und seine ehemalige Lebensgefährtin zum Erwerb des Grundstücks und der Finanzierung der Bebauung als Gesamtschuldner aufgenommen haben, sowie der Abschluss eines weiteren Darlehensvertrages bei der B Lebensversicherungs AG über 70.000 €, dessen Tilgung durch Lebensversicherungen erfolgen sollte, und der Grundstückskaufvertrag zum Erwerb des im Grundbuch des Amtsgerichts 1 von 2 Blatt … eingetragenen Grundstücks der Gemarkung 2, FlNr. …/xx (Str. 1), zum Miteigentum je zur Hälfte.
Wie der Bundesfinanzhof in Urteilen vom 18. Juli 1986 (Az. III R 178/80, BStBl II 1986, 745) und 19. Mai 1995 (Az. III R 12/92, BStBl II 1995, 774) ausgeführt hat, kommen als – eine Zwangsläufigkeit begründende – rechtliche Gründe im Sinne von § 33 Abs. 2 EStG nur solche rechtlichen Verpflichtungen in Betracht, die der Steuerpflichtige nicht selbst gesetzt hat. Verpflichtungen aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen können für sich allein eine Zwangsläufigkeit im Sinne von § 33 Abs. 2 EStG regelmäßig nicht begründen. Zwangsläufigkeit kann in derartigen Fällen vielmehr nur bejaht werden, wenn zusätzlich zu der selbst begründeten Rechtspflicht eine weitere rechtliche oder sittliche Verpflichtung bzw. eine tatsächliche Zwangslage zur Leistung der Aufwendungen tritt.
Im Streitfall haben der Kläger und seine ehemalige Lebensgefährtin die zur Finanzierung des Erwerbs sowie der Bebauung des Grundstücks eingegangenen Zahlungsverpflichtungen selbst begründet, ohne dass hierzu eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung bzw. eine tatsächliche Zwangslage bestand. Der Kläger und seine ehemalige Lebensgefährtin haben sich aus freien Stücken dazu entschlossen, Grundeigentum als Miteigentümer zu je 50% zu erwerben und dieses anschließend zu bebauen. Der Kläger und seine ehemalige Lebensgefährtin waren in diesem Sinne weder gezwungen, überhaupt ein Einfamilienhaus zu erwerben, noch bestand die zwingende Notwendigkeit, die Eigentumsverhältnisse und die Finanzierung jeweils in gemeinschaftlicher Verbundenheit zu regeln. Die Verpflichtung des Klägers, im Fall der Versteigerung des Objektes ggf. nicht gedeckte Darlehnsbeträge begleichen zu müssen, ergibt sich zwar aus den zuvor geschlossenen Darlehensverträgen, allerdings wäre dieser – aus den rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen herrührende – Zwang nicht von außen an den Kläger herangetreten im Sinne des Tatbestandsmerkmals der Zwangsläufigkeit von § 33 Abs. 2 EStG. Die Ursache hat der Kläger und seine ehemalige Lebensgefährtin durch Abschluss entsprechender Verträge selbst gesetzt.
Zwar können die Kosten eines Zivilrechtsstreits ausnahmsweise als im Sinne des § 33 EStG zwangsläufig anzusehen sein, wenn der Steuerpflichtige, ohne sich auf den Rechtsstreit einzulassen, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.2015 VI R 17/14, BStBl II 2015, 800). Einen solchen Ausnahmefall hat der Bundesfinanzhof jedoch im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks und der Erstellung eines Einfamilienhauses für eigene Wohnzwecke nicht angenommen, weil der Erwerb eines Einfamilienhauses typischerweise das Existenzminimum nicht berührt und deshalb steuerlich als Vorgang der normalen Lebensführung zu behandeln ist (vgl. BFH-Urteile vom 19.05.1995 III R 12/92, BStBl II 1995, 774 und vom 21.04.2010 VI R 62/08, BStBl II 2010, 965). Nach dieser Rechtsprechung berühren die Kosten der Herstellung bzw. Anschaffung eines Einfamilienhauses nicht das steuerliche Existenzminimum und sind deshalb keine außergewöhnlichen Aufwendungen der Lebensführung.
Nichts Anderes gilt nach Auffassung des Senats für die vermögensrechtliche Auseinandersetzung der im Hinblick auf den Erwerb des Grundstücks und der Erstellung des Einfamilienhauses für eigene Wohnzwecke gemeinsam aufgenommenen Darlehen nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Der Erwerb eines Einfamilienhauses berührt typischerweise das Existenzminimum nicht und ist deshalb steuerlich als Vorgang der normalen Lebensführung zu behandeln. Auch die mit der Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft erforderlich gewordene Neuregelung der Vermögensverhältnisse in Bezug auf das Einfamilienhaus betrifft nach Überzeugung des Senats ebenfalls den Bereich der normalen Lebensführung und nicht die Existenzgrundlage, wenngleich mit dem privaten Einfamilienhaus ein bedeutender Vermögensgegenstand betroffen ist. Allein die Tatsache, dass mit der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung um das private Einfamilienhaus der Ausgang der betreffenden zivilrechtlichen Auseinandersetzung von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung war, rechtfertig nach Ansicht des Bundesfinanzhofes nicht die Annahme einer Bedrohung der Existenzgrundlage (vgl. BFH-Urteil von 28.04.2016 VI R 15/15, BFH/NV 2016, 1545). Dass es dem Kläger um eine bestmögliche „Verwertung“ des Vermögensgegenstandes „Einfamilienhaus“ ging, liegt auf der Hand. In diesem Sinne sind auch die Ausführungen im Schriftsatz vom 02.05.2012 betreffend den zivilrechtlichen Rechtsstreit mit der ehemaligen Lebensgefährtin des Klägers zu verstehen, wenn ausgeführt wird, „Dass eine Zustimmung des Klägers zur Veräußerung des Objektes zu den v.g. Beträgen nicht erteilt wird, liegt auf der Hand, da immerhin eine Differenz von 80.000 EUR bis 90.000 EUR Verkehrswert nach § 74a ZVG besteht. Der Kläger ist nicht verpflichtet seine Zustimmung zu einem Verkauf zu geben, welcher diesem Verluste in der v.g. Höhe beschert.“ Es handelt sich insoweit jedoch nicht um Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten, die existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berühren.
Entscheidend ist weiterhin, dass der Gesetzgeber den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sowie auch früheren Eheleuten Inhalt und Verfahren der Regelung ihrer Verhältnisse zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen hat (vgl. BFH-Urteil vom 15.06.2016 VI R 26/13, BFH/NV 2016, 1562). Aus diesem Grund hat der Bundesfinanzhof entschieden, die auf einen Teilvergleich im Rahmen des Scheidungsverfahrens entfallenden Kosten einer Vermögensauseinandersetzung nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, da die Eheleute diese vermögensrechtliche Auseinandersetzung weitgehend ohne Beteiligung des Familiengerichts selbst treffen können (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2005 III R 27/04, BStBl II 2006, 492). Nichts Anderes kann nach Auffassung des Senats für die Vermögensauseinandersetzung im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gelten. Den Partnern einer solchen Lebensgemeinschaft steht ein weiter Spielraum zur Verfügung, ihre Vermögensverhältnisse eigenverantwortlich zu regeln und zu gestalten.
Im Streitfall ist zudem zur Überzeugung des Senats nicht ersichtlich, dass der Kläger Gefahr gelaufen wäre, seine berufliche Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte er nicht die zivilrechtliche Klage auf Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB in Form der Beteiligung der ehemaligen Lebensgefährtin an den Finanzierungskosten für das Wohnanwesen erhoben. Der Senat kommt bei umfassender Abwägung der Umstände des Einzelfalls nicht zu dem Schluss, dass ohne Erhebung der zivilrechtlichen Klage die materielle Existenzgrundlage des Klägers gefährdet gewesen wäre. Der Kläger war vor der Führung des Rechtsstreits – ab Trennung im Februar 2005 – in der Lage, die gesamte Belastung für das Grundstück in Höhe von 1.458,90 € zu tragen und auch danach. Im Streitjahr 2012 belaufen sich die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb auf 84.950 €. Eine Gefährdung der materiellen Existenzgrundlage vermag der Senat bei Einkünften in dieser Höhe nicht erkennen. Immerhin übersteigen die Einkünfte das Existenzminimum (8.004 €) um mehr als das Zehnfache. Selbst unter Abzug der jährlichen Darlehensaufwendungen von 17.506,80 € (12 x 1.458,90 €) verbleiben dem Kläger im Streitjahr noch 59.439 € jenseits des Existenzminimums, um möglicherweise entstehende Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe von rund 12.500 € abzudecken. Bei einem unterstellten Zuschlagsangebot von 190.000 € und einem aktuellen Schuldenstand zum 20.02.2012 laut Schriftsatz vom 05.03.2012 im Zivilrechtsstreit (vgl. FG-Akte Blatt 56) von 142.846,31 €, wären rund 47.150 € an „Überschuss“ verblieben. Dabei noch nicht berücksichtigt ist zwar das bei der B Lebensversicherungs AG aufgenommene Darlehen über 70.000 €. Die vom Prozessbevollmächtigten vorgenommene vollständige Einbeziehung des Darlehens ohne Ansatz eines Gegenwertes greift nach Ansicht des Senats jedoch zu kurz, denn anstelle der Darlehensrückzahlung wurden die monatlichen Raten von 267,75 € in private Lebensversicherungen zur späteren Tilgung dieses Darlehens eingezahlt und somit entsprechende Vermögenswerte für den Kläger und seine ehemalige Lebensgefährtin geschaffen. Doch selbst unter Ansatz von 70.000 € für das Darlehen bei der B Lebensversicherungs AG verbleibt bei einem möglichen Versteigerungserlös von 190.000 € lediglich ein Differenzbetrag von 22.846 € (142.846 € Darlehen A-Bank/KfW-Bank + 70.000 € Darlehen B – 190.000 € Versteigerungserlös = 22.846 €), der unter Berücksichtigung von Vorfälligkeitsentschädigungen auf rund 35.000 € steigt. Dem stehen Einkünfte des Klägers im Streitjahr 2012 von 59.439 € (unter Abzug des Existenzminimums und der laufenden Darlehenszahlungen von 17.506 €) gegenüber. Soweit der Prozessbevollmächtigte noch betriebliche Darlehen von zuletzt 11.655,90 € in die Betrachtung mit einbezieht, ändert dies an der Betrachtung nichts. Eine Existenzgefährdung ist nicht ersichtlich.
Schließlich hat sich der Kläger im vorliegenden Vergleich vom 11.09.2012 aus freien Stücken bereit erklärt, die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen, was zusätzlich gegen die Zwangsläufigkeit im Sinne von § 33 Abs. 2 EStG spricht, da der Kläger hierzu nicht verpflichtet war. Hinzu kommt, dass mit Beschluss des Amtsgerichts 1 vom 07.12.2011 das Teilungsversteigerungsverfahren wegen Zeitablaufs aufgehoben worden war, mithin im Zeitpunkt des Abschlusses des zivilrechtlichen Vergleichs vom 11.09.2012 überhaupt keine Gefahr der Zwangsversteigerung des gemeinsamen Einfamilienhauses mehr bestand, gegen die sich der Kläger – nach seinem Vortrag – aus existenziellen Gründen hätte wehren müssen. Dies zeigt, dass es den Beteiligten des Zivilrechtsstreits um eine sinnvolle und dauerhafte Regelung der vermögensrechtlichen Beziehungen im Hinblick auf die streitige Immobilie ging, dass dies jedoch nicht mehr vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsversteigerung der Immobilie erfolgte, mithin auch aus diesem Grund keine Existenzbedrohung des Klägers mehr bestand.
Die vom Kläger aufgewendeten Zivilprozesskosten sind auch nicht – so das hilfsweise Begehren des Klägers – teilweise als Betriebsausgabe bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb einkommensmindernd zu berücksichtigen.
Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben Aufwendungen, die durch die betriebliche Tätigkeit veranlasst sind.
Der Prozessbevollmächtigte geht in seinem Schriftsatz vom 17.10.2018 selbst davon aus, dass ein solcher betrieblicher Zusammenhang nicht besteht. Nach den unbestrittenen Angaben des Prozessbevollmächtigten bestand im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses schon seit längerem keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mehr zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Lebensgefährtin. Es bestanden hier keine konkreten bzw. substantiierten Streitigkeiten. Die im Vergleich getroffene Regelung sei nur vorsorglich mit aufgenommen worden.
Diese Einschätzung des Prozessbevollmächtigten teilt der Senat, da ausweislich des Vergleichs vom 11.09.2012 weit überwiegend die vermögensrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem erworbenen Einfamilienhaus geregelt wurden und nicht Fragen der Auseinandersetzung einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die allenfalls eine absolut untergeordnete Rolle gespielt haben und daher nicht – auch nicht anteilig – dem betrieblichen Bereich zugeordnet werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.


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