Steuerrecht

Befangenheit bei Mitwirkung an früherem Gerichtsverfahren

Aktenzeichen  20 CE 20.2940

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 5347
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO 54 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Mitwirkung an einem anderen Gerichtsverfahren eines Beteiligten kann die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht begründen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 26b E 20.5438 2020-11-18 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

Das Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.

Gründe

Der vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 gestellte Antrag auf Ablehnung der Richterin am Verwaltungsgerichtshof Kokoska-Ruppert ist unbegründet.
1. Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit voraus, dass „ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen“. Die Besorgnis der Befangenheit ist dann gegeben, wenn ein Beteiligter die auf objektiv feststellbaren Tatsachen beruhende, subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis hat, der Richter werde sich in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder habe sich in der Sache bereits festgelegt (vgl. nur BVerfG, B.v. 5.4.1990 – 2 BvR 413/88 – juris). Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der „böse Schein“, d.h. der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität (BVerfG, B.v. 5.10.1977 – 2 BvL 10/75 – juris).
Die Mitwirkung eines Richters oder einer Richterin an einem anderen Gerichtsverfahren des die Ablehnung aussprechenden Beteiligten oder die Mitwirkung an einer früher ergangenen und für den Beteiligten ungünstigen oder ihn enttäuschenden Entscheidung vermag die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht zu begründen. Der Gesetzgeber hat in § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41 Nr. 6 ZPO abschließend geregelt, in welchen Fällen ein Richter aufgrund vorheriger richterlicher Tätigkeit ausgeschlossen ist. In den dort nicht erwähnten Fällen setzt der Gesetzgeber voraus, dass der Prozessbeteiligte grundsätzlich annehmen wird und muss, dass der Richter seiner Pflicht zur unbefangenen Entscheidung genügt. Um dennoch in diesen Fällen die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen, müssen besondere Umstände hinzutreten, da anderenfalls ein gesetzlich nicht vorgesehener Ausschließungsgrund geschaffen würde. Die Besorgnis der Befangenheit muss durch genaue Bezeichnung bestimmter Tatsachen dargelegt werden. Verständiger Anlass zu einem aus einer Vorbefassung hergeleitetem Misstrauen eines Beteiligten gegen die Unparteilichkeit eines Richters oder einer Richterin besteht erst dann, wenn sich aufgrund besonderer zusätzlicher Umstände der Eindruck einer unsachlichen, durch Voreingenommenheit oder gar Willkür geprägten Einstellung des Richters oder der Richterin aufdrängt (vgl. BVerwG, B.v. 11.12.2012 – 8 B 58/12 – juris Rn. 20).
2. Nach diesen Maßgaben liegen die Voraussetzungen einer Ablehnung der Richterin am Verwaltungsgerichtshof Kokoska-Ruppert – nicht vor. Der Antragsteller hat zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs lediglich vorgetragen, die abgelehnte Richterin habe in einem anderweitigen – von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärten – Verfahren (20 CE 20.718) die Begründung ihrer nach § 161 Abs. 2 VwGO zu treffenden Kostenentscheidung darauf gestützt, dass der Eilantrag nach § 123 VwGO, in dem es um die Verpflichtung des Verordnungsgebers zum Erlass einer Maskenpflicht ging, voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte, obwohl der Antragsgegner eine solche Maskenpflicht selbst eingeführt habe. In dem Beschluss werde bereits die Zulässigkeit des Antrags als „zweifelhaft“ angesehen, weil der Antragsteller nicht dargelegt habe, inwieweit er durch das Unterlassen des Normgebers einen Grundrechtseingriff von so erheblichem Gewicht erlitten habe, dass ein Anspruch auf die Verpflichtung des Normgebers im mit Haupt- und Hilfsantrag begehrten Umfang im Eilverfahren überhaupt denkbar gewesen sein könnte. Daraus ziehe er den Schluss, dass die abgelehnte Richterin „unter keinen Umständen“ – und damit auch nicht im vorliegenden Verfahren – einen Anspruch auf Rechtsschutz gewähre.
Gründe, die eine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterin rechtfertigen könnten, hat der Antragsteller damit nicht vorgetragen. Ein Fall des § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41 Nr. 6 ZPO liegt nicht vor. Die abgelehnte Richterin hat in ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 21. Dezember 2020 erklärt, nach bestem Wissen und Gewissen entschieden zu haben. Inhaltlich erschöpft sich die Begründung des Antragstellers in der Behauptung einer fehlerhaften Entscheidung im vorangegangenen Verfahren, ohne aber konkrete Anhaltspunkte zu bezeichnen, die – unabhängig von der behaupteten inhaltlichen Unrichtigkeit – auf eine unsachliche oder voreingenommene Haltung hindeuten könnten. Dass der Antragsgegner die vom Antragsteller im damaligen Verfahren geforderte Maskenpflicht nach Antragstellung im Verordnungsweg eingeführt und damit die Erledigung des Verfahrens herbeigeführt hat, begründet im Übrigen schon keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung. Allein die Einführung einer – vom Antragsteller im damaligen Verfahren geforderten – Maskenpflicht führt jedenfalls nicht dazu, dass die Erfolgsaussichten des Eilantrags nach § 123 VwGO zwingend positiv hätten beurteilt werden müssen (vgl. zu den Voraussetzungen eines subjektiven Anspruchs auf Normerlass nur Pietzcker/Marsch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 42 Rn. 160 m.w.N.).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 146 Abs. 2, § 152 Abs. 1 VwGO).


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