Steuerrecht

Berufung, Rechtsanwaltskosten, Mitgliedstaat, Erledigung, Versicherung, Ware, Umsatzsteuer, Steuerberater, Ausland, Leistung, Inanspruchnahme, Unternehmer, Zahlung, Umfang, keine Aussicht auf Erfolg, Aussicht auf Erfolg, vertragliche Nebenpflicht

Aktenzeichen  3 U 3060/21

Datum:
8.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53854
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UStG § 6a
UStDV § 17a

 

Leitsatz

Den Steuerberater, der Umsatzsteuerjahreserklärungen für einen Kfz-Händler nur anhand von diesem getätigter Umsatzsteuervoranmeldungen fertigt, trifft allein deswegen keine Pflicht, auf Änderungen im Bereich der Dokumentationspflichten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen i.S.v. § 6a Abs. 3 UStG hinzuweisen.

Verfahrensgang

19 O 4724/20 2021-07-19 Urt LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19. Juli 2021, Az. 19 O 4724/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Gründe

I.
Der Kläger, der gewerblich mit Kraftfahrzeugen handelt, macht gegen die beklagte Steuerberatungsgesellschaft Schadensersatzansprüche wegen unterbliebener Informationen darüber geltend, welche Vorgaben für die Inanspruchnahme der Umsatzsteuerfreiheit bei innergemeinschaftlichen Lieferungen galten.
Die Beklagte war jedenfalls seit 2010 mit der Erledigung bestimmter steuerlicher Angelegenheiten des Klägers betraut. Eine im Jahr 2016 beim Kläger durchgeführte Betriebsprüfung des Finanzamts U. kam zum Ergebnis, dass der Kläger für drei Verkaufsvorgänge im Jahr 2014 und für 14 Verkaufsvorgänge im Jahr 2015, die jeweils mit einer Ausfuhr der Fahrzeuge nach Rumänien verbunden gewesen seien, zu Unrecht keine Umsatzsteuer abgeführt hat. Die für die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit wegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung i.S.v. § 6 a UStG erforderlichen Nachweise lägen nicht vor, insbesondere fehlten vollständig ausgefüllte Gelangensbestätigungen. Ein u.a. wegen dieses Sachverhalts gegen den Kläger eingeleitetes Strafbefehlsverfahren endete mit einer Verfahrenseinstellung gem. § 153 StPO.
Von den 14 im Jahr 2015 veräußerten Fahrzeugen wurden 12 in der Folgezeit im Inland zugelassen.
Der Kläger trägt vor, jeweils entsprechend seinem Geschäftsmodell gestohlene und später wieder aufgetauchte Fahrzeuge u.a. von der Versicherung HUK angekauft und weiterveräußert zu haben. Er stützt seine Ansprüche darauf, dass die Beklagte ihn hätte darauf hinweisen müssen, dass sich die Anforderungen für eine Inanspruchnahme der Umsatzsteuerfreiheit wegen innergemeinschaftlicher Lieferung in den Jahren 2012 und 2013 geändert hatten, insbesondere, dass hierzu seitdem Gelangensbestätigungen vorzulegen sind. Der Kläger hat vorgetragen, dass er bei Kenntnis dieses Umstands von den Abnehmern der Fahrzeuge eine Sicherheit in Höhe der anfallenden Umsatzsteuer gefordert und einbehalten hätte, bis die Abnehmer ihm Gelangensbestätigungen übergeben hätten; hätten sie die Sicherheit verweigert, hätte er die Fahrzeuge an sie nicht verkauft.
Die Beklagten bestreiten ihre Verantwortlichkeit dem Grunde nach und die Entstehung eines Schadens in der geltend gemachten Höhe, die nicht schlüssig dargetan sei. Ein Mandat für eine Beratung im Hinblick auf die umsatzsteuerliche Nachweispflichten sei nicht erteilt worden; eine Pflicht zur Aufklärung hierüber sei mit den übernommenen Aufträgen nicht verbunden gewesen.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 35.969,00 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Das Gericht sei nicht in dem von § 286 ZPO geforderten Maße überzeugt, dass die Abnehmer zur Leistung von Sicherheiten bereit gewesen wären. Die Geschäfte des Klägers seien ersichtlich auf einen einmaligen Leistungsaustausch gerichtet gewesen; eine Marktmacht, Sicherheiten zu verlangen, habe er nicht besessen. Die Abnehmer wären nicht das Risiko eingegangen, dass der Kläger seinerseits die Sicherheit trotz ordnungsgemäßer Abwicklung nicht zurückgewährt. Für die 12 Fälle im Jahr 2015, in denen die Fahrzeuge überhaupt nicht ins Ausland verbracht worden sind, wäre eine Gelangensbestätigung auch objektiv nicht zu erlangen gewesen; da diese Abnehmer mit dem Verlust der Sicherheitsleistung erheblich wirtschaftlich belastet worden wären, wären sie nicht bereit gewesen, eine solche zu stellen.
Der Kläger und Berufungsführer rügt zunächst, dass ihm zu Unrecht die beantragte Schriftsatzfrist verweigert worden sei; ferner habe das Landgericht seinen Vortrag dazu, bei verweigerter Sicherheitsleistung das Geschäft nicht getätigt zu haben, übergangen. In der Berufungsbegründung trägt er ergänzend vor, dass die tatsächlich erzielten Verkaufspreise unter den Beträgen gelegen hätten, die die Wertgutachten, die Grundlage des Ankaufs durch ihn von der Versicherung HUK waren, als Wiederbeschaffungswert nach durchgeführter Reparatur genannt hätten; ein Verkauf zu mindestens gleichen Konditionen an Dritte wäre daher ohne weiteres möglich gewesen. Der Schaden ergebe sich aus dem festgesetzten Nachzahlungsbetrag für die Umsatzsteuer i.H.v. 35.969,00 €; in der Berufungsinstanz hat er seinen Klageantrag auf 34.531,00 € reduziert, da die Rückzahlung im Jahr 2016 zu einer Reduzierung seiner Einkommensteuer i.H.v. 1.438,00 € geführt habe.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Die mit dem Schriftsatz vom 28. Juni 2021, den sie überdies für verspätet hält, eingeführten und im Termin vor dem Landgericht vorgelegten Unterlagen enthielten die behaupteten Nachzahlungsbeträge nicht, ebenso die anderen Dokumente. Einer eventuellen Teilrücknahme der Klage stimmt die Beklagte nicht zu.
II.
Die zulässige Berufung hat nach Würdigungen durch den Senat keine Aussicht auf Erfolg, weil sich die Klageabweisung – wenn auch nur im Ergebnis – als zutreffend darstellt.
1. Zutreffend rügt die Berufung allerdings, dass das Landgericht den Vortrag des Klägers in einem entscheidenden Punkt übergangen hat. Der Kläger hat nämlich nicht nur behauptet, er hätte bei Kenntnis von den umsatzsteuerlichen Nachweiserfordernissen, insbesondere der Notwendigkeit einer Gelangensbestätigung, von den Abnehmern entsprechende Sicherheiten verlangt, sondern auch, dass er alternativ die Umsatzsteuer gefordert oder von einem Verkauf Abstand genommen hätte, wenn der Interessent mit einer Sicherheit nicht einverstanden gewesen wäre. Die (ohnehin teils eher spekulativen) Überlegungen des Landgerichts, dem Kläger wäre es nicht gelungen, von den Abnehmern Sicherheiten zu erhalten, tragen daher die Klageabweisung nicht, weil sie die vom Kläger explizit behauptete Handlungsalternative nicht berücksichtigen.
Im Hinblick auf den Vortrag des Klägers zu seinem eigenen Verhalten wäre ihm dabei wohl auch die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zugutegekommen, weil das beschriebene Vorgehen jedenfalls dem wirtschaftlich gebotenen und vernünftigen Verhalten eines Akteurs in der Situation des Klägers entspricht und daher eine entsprechende tatsächliche Vermutung aufgestellt werden kann.
Der Schlüssigkeit hätte lediglich entgegenstehen können, dass der Schaden dem Grund und der Höhe nach davon abhing, dass er die Fahrzeuge an andere Personen verkauft hätte und sich solche gefunden hätten, und welcher Preis dabei erzielbar gewesen wäre. Auf diese Überlegung hat das Landgericht aber nicht hingewiesen. Angesichts des Umstands, dass für gebrauchte Kraftfahrzeuge – allgemeinkundig, § 291 ZPO – grundsätzlich ein funktionierender Markt besteht, könnte ausdrücklicher Vortrag zu einem alternativen Verkauf sogar entbehrlich gewesen sein, so dass nur (wie nunmehr vorgetragen, aber bestritten) in Frage stehen konnte, ob sich Abnehmer auch zum Ankauf zu solchen Preisen gefunden hätten.
2. Die klageabweisende Entscheidung stellt sich aber gleichwohl als zutreffend dar. Der Senat kann bereits nicht zum Ergebnis kommen, dass die Beklagte vertragliche Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt hätte.
a) Der Kläger macht geltend, dass die Finanzbehörden in den Jahren 2012 und 2013 als weitere Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit innergemeinschaftlicher Warenabgaben die Gelangensbestätigung des Käufers eingeführt hätten, welche ab 2014 notwendige Voraussetzung für die Anerkennung als steuerfreier Vorgang gewesen sei. In den vorangegangenen Zeiträumen habe es ausgereicht, sich beim Bundeszentralamt für Steuern in Saarlouis darüber zu vergewissern, ob die bekanntgegebene Umsatzsteuer-Identitätsnummer registriert ist und zutrifft, was der Kläger jeweils unternommen habe. Der Kläger meint, dass die Beklagte ihn über diese Änderung hätte informieren müssen.
b) Art und Umfang der Aufgaben und Pflichten des Steuerberaters richten sich nach Inhalt und Umfang des ihm erteilten Mandats. Der Steuerberater ist verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrags zu beachten sind; als vertragliche Nebenpflicht gehört hierzu, den Mandanten vor Schaden zu bewahren (§ 242 BGB) und auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zutage liegen, hinzuweisen. Auch, soweit nur ein eingeschränktes Mandat gegeben ist, muss der Berater den Mandanten auch außerhalb dieses Mandats vor Gefahren warnen, die sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich dieser Gefahr nicht bewusst ist (zum Ganzen BGH, Urteil vom 7. Dezember 2017, IX ZR 25/17, DStRE 2018, 1334, Rn. 16; Urteil vom 7. Mai 2015 – IX ZR 186/14, NJW 2015, 2326, Rn. 7; Urteil vom 7. März 2013, IX ZR 64/12, NZI 2013, 438, Rn. 14; BGH, Urteil vom 4. Juni 1996 – IX ZR 246/95, NJW 1996, 2571, sub II. 4. a)). Hängt die Frage, ob der Anwalt ihm obliegende Pflichten verletzt hat, davon ab, welchen Umfang das ihm erteilte Mandat hatte, ist der Mandant deshalb auch für den erteilten Auftrag beweispflichtig (BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 – IX ZR 47/04, NJW 2006, 3496, Rn. 7).
c) Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien hat die Beklagte zwar in den Jahren 2010 bis 2013 die Umsatzsteuerjahreserklärungen und die Einkommensteuererklärungen des Klägers erstellt sowie dessen Gewinn durch Einnahmeüberschussrechnung ermittelt, doch wurden die laufenden Umsatzsteuervoranmeldungen bis einschließlich 2013 vom Kläger selbst erledigt. Erst 2014 übernahm die Klägerin auch dies sowie, da der Kläger buchführungspflichtig geworden war, die Bilanzierung.
Zu Beratungsgesprächen über aktuelle steuerliche Entwicklungen und Anforderungen kam es zwischen den Parteien im maßgeblichen Zeitraum nicht, was der Kläger darauf zurückführt, dass Bedarf hierzu neben den jährlichen Gesprächen zur Erstellung der Erklärungen nicht erforderlich gewesen sei.
d) Der Senat kann offen lassen, ob sich bei einer derartigen Sach- und Mandatslage für einen Steuerberater, der (zunächst zumindest teilweise) mit der umsatzsteuerlichen Behandlung der Geschäfte seines Mandanten befasst ist und aufgrund dieser Tätigkeit auch erkennen muss, dass er bestimmte umsatzsteuerliche Privilegierungen in Anspruch nimmt, eine Pflicht zu einem generellen Hinweis ergibt, wenn sich die maßgeblichen umsatzsteuerlichen Bestimmungen wesentlich verändern. Insoweit mag einiges dafür sprechen, dass auch bei einem nur derart eingeschränkten Mandat bei entsprechendem Anlass eine Pflicht zur Warnung vor möglicherweise unbewussten Gefahren gegeben ist; jedenfalls könnte in einem solchen Fall eine Nachfrage geboten sein, ob der Mandant von den Änderungen Kenntnis erlangt hat und sich bewusst ist, dass sich daraus möglicherweise Auswirkungen auf seine Geschäftstätigkeit und die buchhalterische Abwicklung ergeben.
Dies kann jedoch dahinstehen, weil der Senat einerseits nicht erkennen kann, dass sich im Bereich der umsatzsteuerlichen Anforderungen bei innergemeinschaftlichen Warenlieferungen im maßgeblichen Zeitraum erhebliche Veränderungen ergeben hätten (dazu sogleich unter e)), und andererseits ein Aufklärungsbedarf des Klägers für die Beklagte aufgrund der Gesamtumstände nicht erkennbar war (dazu unter f)):
e) Die maßgebliche Gesetzesbestimmung des § 6a Abs. 3 S. 1 UStG, nach der die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung i.S.v. Abs. 1 u. 2 vom Unternehmer nachgewiesen sein müssen, ist jedenfalls seit 1999 unverändert in Kraft. Bereits lange vor den Zeiträumen, auf die der Kläger abstellt, bestand daher die Pflicht dessen, der einen Umsatz als innergemeinschaftliche Lieferung umsatzsteuerfrei behandeln wollte, entsprechende Nachweise zu erbringen.
Wiederholte Änderungen haben zwar die Ausführungsbestimmungen hierzu in den §§ 17 a ff. UStDV erfahren. Die Grundregel des § 17 a Abs. 1 UStDV, nach der der Unternehmer durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat, und sich dies aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben muss, besteht aber ebenso jedenfalls seit dem Jahr 2001. Das Erfordernis, im Falle einer Beförderung der Ware in den anderen Mitgliedstaat durch den Abnehmer eine von ihm oder seinem Beauftragten ausgestellte Versicherung vorzulegen, die veräußerte Ware dorthin zu befördern, findet sich jedenfalls seit 2006 in § 17 a Abs. 2 Nr. 4 UStDV 2006. Die grundsätzliche Pflicht zur Vorlage einer Gelangensbestätigung, d.h. einer Versicherung des Abnehmers, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist, galt erstmals ab 1. Januar 2012 nach § 17 a Abs. 2 Nr. 2 UStDV 2012; die Norm wurde in der Folgezeit lediglich modifiziert und dadurch ergänzt, dass anstelle der Gelangensbestätigung auch bestimmte andere Unterlagen genügen. Insoweit war aber gerade ab 1. Januar 2014 möglich, den Nachweis der Verbringung in einen anderen EU-Mitgliedstaat auch auf andere Weise zu erbringen, nämlich bestimmte Versand-/Frachtpapiere (§ 17 a Abs. 3 Nr. 2 UStDV 2014) oder (speziell bei Kraftfahrzeugen) eine Zulassungsbescheinigung im Bestimmungsland (§ 17 a Abs. 3 Nr. 5 UStDV 2014)
Eine Neukonzeptionierung oder signifikante Verschärfung der Bestimmungen zum Jahreswechsel 2014 ist damit nicht festzustellen. Vielmehr wurde die Möglichkeit, den Nachweis mittels anderer Unterlagen zu führen, eher erweitert. Die Pflicht dessen, der aufgrund einer innergemeinschaftlichen Lieferung keine Umsatzsteuer abführen will, hinreichend aussagekräftige Belege vorzuhalten, bestand bereits lange vor dem Jahr 2014. Lediglich die Einführung der Gelangensbestätigung zum Jahresbeginn 2012 mag eine gewisse Relevanz besessen haben, bedeutete aber keine grundlegende konzeptionelle Änderung oder Verschärfung der umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen.
f) Aus Sicht der Beklagten bestand auch kein Grund zur Annahme, dass sich der Kläger nicht selbst über die umsatzsteuerlichen Rahmenbedingungen und die Voraussetzungen, unter denen Geschäfte umsatzsteuerfrei sind, informiert hat und auf dem Laufenden hält.
aa) Bereits der Umstand, dass der Kläger bis einschließlich 2013 die monatlich, bzw. jedenfalls quartalsweise vorzunehmenden Umsatzsteuervoranmeldungen selbst tätigte, rechtfertigte die Annahme, dass in diesem Zeitraum er offenbar ausreichend Kenntnisse besessen haben muss.
bb) Bei einem Gewerbetreibenden, der aufgrund des Unternehmensgegenstands regelmäßig mit Ein- oder Ausfuhrvorgängen befasst ist, kann überdies generell davon ausgegangen werden, dass er auch die damit verbunden steuerlichen Folgen kennt, oder, falls er Beratungsbedarf erkennt, sich deswegen von sich aus an einen kompetenten Berater wendet. Tätigt ein Unternehmer über Jahre hinweg Exportgeschäfte und ordnet er diese selbstständig umsatzsteuerrechtlich ein, kann ein Steuerberater, der mit den Jahresabschlüssen befasst ist, darauf vertrauen, dass dem Unternehmer die maßgeblichen Bestimmungen geläufig sind und sich hierzu auch auf dem Laufenden gehalten hat und weiter hält. Anders wäre nämlich nicht zu erklären, dass er entsprechende Voranmeldungen, die bei fehlerhafter Erklärung strafbar sein können, vornimmt und darin auch Geschäfte als nicht der Umsatzsteuer unterworfen deklariert.
cc) Dies gilt umso mehr, als vorliegend nicht erkennbar ist, dass der Beklagten die Prüfung der Dokumentationsanforderungen durch den Kläger oblegen hat.
Wer lediglich Jahresabschlüsse fertigt, muss grundsätzlich nicht die einzelnen Vorgänge, die bereits Gegenstand der Anmeldungen waren, nochmals hinterfragen und prüfen, ob die Beleglage ausreicht. Kerngegenstand der Jahressteuererklärung ist, die vorangegangenen Anmeldungen zu konsolidieren und Umstände geltend zu machen, die eine Veränderung gegenüber der damals angemeldeten Situation bewirkt haben.
Die Pflicht, Erklärungen zu erstellen, setzt bei den vorgefallenen Geschäften und vorhandenen Unterlagen an und richtet sich darauf, die zurückliegenden Geschäftsvorfälle steuerlich korrekt zu erfassen. Die Geschäftsvorfälle selbst können damit im Zeitpunkt der Tätigkeit nicht mehr beeinflusst werden; der Auftrag ist auch grundsätzlich nicht darauf gerichtet, entsprechendes Optimierungspotential aufzudecken.
Soweit die Beklagte – was der Senat aber nicht abschließend zu beurteilen braucht – im Zuge der Jahreserklärung die Pflicht gehabt hätte, die vorangegangenen Vorfälle daraufhin zu untersuchen, ob eine vom Kläger angenommene Steuerfreiheit zu Recht in Anspruch genommen wurde, würde sich der Schutzzweck dieser Pflicht darauf beschränken, den Kläger davor zu schützen, dass sich erst später die fehlerhafte Behandlung herausstellt und deshalb z.B. Säumniszuschläge oder Hinterziehungszinsen anfallen. Der vorliegend geltend gemachte Schaden ist aber ein anderer; er hätte sich auch durch eine vollständige Durchleuchtung der zurückliegenden Vorgänge nicht mehr vermeiden lassen.
dd) Dies änderte sich auch nicht entscheidend zum Jahresbeginn 2014, als die Beklagte u.a. auch die Umsatzsteuervoranmeldungen übernahm.
Dazu, wie sich der Informationsfluss und die Aufgabenteilung zwischen den Parteien gestaltete, hat der Kläger nichts vorgetragen. Die Behauptung, er habe alle seine Belege übersandt, lässt nicht erkennen, wann dies geschehen ist und welche Unterlagen konkret dies betraf; daher ist davon auszugehen, dass die Belege nur insoweit übermittelt wurden, als der Kläger dies für die Gewinnermittlung, Bilanzierung und Steueranmeldung als erforderlich ansah, nicht aber weitere Geschäftsunterlagen. Dass die Beklagte auch prüfen hätte sollen, ob die Verkaufsvorgänge im Hinblick auf die Belegsituation den jeweiligen Voraussetzungen der UStDV genügten, ist nicht behauptet. Anzunehmen ist insoweit, dass die betreffenden Kaufverträge des Klägers mit den Abnehmern keine Umsatzsteuer auswiesen, was die Beklagte aus den dargestellten Umständen dahin verstehen durfte, dass eine solche nach belastbarer Auffassung des Klägers nicht anfiel. Die Beklagte war dann nicht verpflichtet, zu hinterfragen, ob der Kläger – der, wie dargestellt, aufgrund der Handhabung in den Vorjahren Erfahrungen besessen haben muss – diese Einordnung korrekt vorgenommen hat und auch die erforderlichen Belege besaß, um den Nachweispflichten zu genügen. Dafür, dass die Beklagte die zum Nachweis geeigneten Belege für ihre Tätigkeit benötigte und daher hätte vermissen müssen, ist nichts aufgezeigt.
g) Darauf, dass er regelmäßig die ihm angegebenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummern verifiziert habe, kann sich der Kläger insoweit nicht berufen. Diese Maßnahme genügte bereits lange Zeit vor dem von ihm für relevant gehaltenen Zeitraum nicht mehr, um eine innergemeinschaftliche Lieferung zu belegen, weil Belege für das Verbringen lange zuvor erforderlich waren und dazu jedenfalls entsprechende Versicherungen der Abnehmer zu präsentieren waren.
h) Zutreffend weist die Beklagte ferner darauf hin, dass in der Zeit ab 2014 auch eine Gelangensbestätigung nicht ausreichte, um die Voraussetzung einer innergemeinschaftlichen Lieferung zu belegen. So waren hierzu nach § 17 c Abs. 2 UStDV 2012 ff. weitere Nachweise in buchmäßiger Form zu erbringen; hieran fehlte es, was das Finanzamt ebenfalls monierte. Der Nachweis wäre daher dem Kläger auch aus einem anderen Grund nicht gelungen.
Soweit die Berufungsbegründung eine Erklärung des damals tätigen Außenprüfers vorbringt und unter Beweis stellt, das Fehlen der Gelangensbestätigungen habe zum Wegfall der Steuerfreiheit geführt und bei deren Vorhandensein wären die Voraussetzungen gegeben gewesen, steht dies mit der Rechtslage, insbes. § 17 a UStDV 2014, nicht in Einklang. Selbst wenn der Abnehmer die Fahrzeuge selbst abtransportiert, sieht § 17 a Abs. 2 Nr. 2 UStDV 2014 bestimmte belegmäßig nachzuweisende Umstände vor. Auch der Prüfbericht vom 17. August 2016 nennt auf Seite 2 zum Jahr 2015 nicht allein die Gelangensbestätigungen, sondern – kumulativ – zahlreiche weitere Dokumente und Nachweise als fehlend.
3. Offen bleiben kann daher, wie es sich auswirkt, dass nach eigenem Vorbringen des Klägers Gelangensbescheinigungen in mehreren Fällen nicht zu erlangen sind/waren.
Der Senat sieht es nicht als selbstverständlich an, dass ein Schaden, der dem Kläger daraus entstanden wäre, dass er an Personen gerät, die eine Exportabsicht nur vorspiegeln und in Wirklichkeit die Fahrzeuge sogleich im Inland zulassen wollen (sodass objektiv die Umsatzsteuerpflicht für den Veräußerer besteht), vom Schutzzweck der Norm/vom Rechtswidrigkeitszusammenhang gedeckt wäre. Die vom Kläger angenommene Pflicht des steuerlichen Beraters, den Mandanten auch ungefragt über Verschärfungen der Nachweispflichten zu informieren, soll sicherstellen, dass er für objektiv umsatzsteuerbegünstigte Vorgänge keine Umsatzsteuer leisten muss, und nicht nur wegen mangelnder Beleglage hierzu verpflichtet wird. Der dem Kläger insoweit wegen 14 Vorgängen entstandene Schaden beruht aber darauf, dass die Lieferanten die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorgespiegelt haben, welche aber objektiv nicht gegeben war. Selbst wenn Nachweise vorgelegen hätten, hätte der Kläger daher grundsätzlich Umsatzsteuer geschuldet und wäre ihm daher kein Schaden infolge der fehlenden Belege entstanden. Auch wenn insoweit eine Kausalität zwischen dem Unterlassen der Beklagten und dem Eintritt des Vermögensnachteils hergestellt werden mag, muss dieser nicht ein solcher sein, vor dem die unterstellte Aufklärungspflicht bewahren will.
4. Auch hat der Kläger den geltend gemachten Schaden nicht nachvollziehbar aufgezeigt oder belegt. Der Kläger trägt selbst vor, dass die in den Anlagen K2 und K3 ausgewiesenen Nachzahlungsbeträge für die Umsatzsteuer 2014 und 2015 nicht ausschließlich auf die drei bzw. 14 Fahrzeugverkäufe zurückgehen, sondern auch auf andere Vorgänge und Umstände. Weshalb sich aus den verfahrensgegenständlichen Sachverhalten und dem korrigierten Betrag der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze gerade der als Schaden angesetzte Betrag ergebe, wird nicht näher dargestellt und ergibt sich auch nicht von selbst.
Der Senat legt deshalb aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.


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