Steuerrecht

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Aktenzeichen  RO 4 K 20.589

Datum:
13.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24975
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).
Die Klage ist unzulässig. Die Klage, für die die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) galt, wurde nicht fristgemäß erhoben (dazu 1.). Ein Anspruch des Klägers auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist gem. § 60 VwGO besteht nicht (dazu 2.).
1. Die Klage wurde nicht fristgemäß erhoben.
1.1 Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden. Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs grundsätzlich (nur) innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Rechtsbehelfsbelehrung:im angegriffenen Bescheid nicht deshalb rechtswidrig, weil sie neben dem Hinweis, dass die Klage auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle d i e s e s Gerichts [des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg] erhoben werden kann, nicht auch einen Hinweis auf § 129 a ZPO i.V.m. § 173 VwGO enthält (BayVGH, B.v. 26.7.2019 – 15 CS 19.1050 – juris Rn. 33 f.). Diese Frage wurde durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bereits geklärt (BayVGH a.a.O., Rn. 33 f.).
1.2 Es verbleibt damit bei der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Der streitgegenständliche Bescheid wurde den Rechtsanwälten H* … als den damaligen Bevollmächtigten des Klägers durch die Post mit Postzustellungsurkunde am 6.3.2020 zugestellt (Art. 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwZVG i.V.m. § 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Klagefrist begann daher am 7.3.2020 zu laufen und endete mit Ablauf des 6.4.2020 (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)). Die Klage ist erst am 9.4.2020 und damit nach Ablauf der Klagefrist bei Gericht eingegangen.
2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO liegen nicht vor. Der Kläger war nicht ohne Verschulden verhindert, die Klagefrist einzuhalten.
Ab Übernahme des Mandats hat ein Rechtsanwalt die Verantwortung für die zuverlässige Wahrung von sämtlichen gegen seinen Mandanten wirkenden Fristen, insbesondere für die Einhaltung der Klagefrist (vgl. FG München, 12.3.2009 – 15 K 3033/07 – juris Rn. 21). Er hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht (BGH, B.v. 22.6.2010 – VIII ZB 12/10 – juris Rn. 8).
Dies ist vorliegend sowohl durch die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers (dazu 2.1) als auch durch die Rechtsanwälte H* … als den vormaligen Verfahrensbevollmächtigten des Klägers (dazu 2.2) nicht in ausreichendem Maß erfolgt, was sich der Kläger zurechnen lassen muss. Ein eine Wiedereinsetzung begründendes Mitverschulden der Beklagten liegt ebenfalls nicht vor (dazu 2.3).
2.1 Die Prozessbevollmächtigten des Klägers stellten für die Berechnung des Fristenlaufs auf das Datum des Eingangsstempels der Rechtsanwälte H* … ab. Weitere Informationen lagen nach dem klägerseitigen Vorbringen weder dem Kläger selbst noch seinen Prozessbevollmächtigen vor. Ein Eingangsstempel kann jedoch nur belegen, wann die Post tatsächlich in den Büroräumen eingegangen ist. Einen sicheren Nachweis über den Zeitpunkt des Zugangs bzw. der Zustellung gibt er nicht (vgl. BGH, B.v. 22.6.2010 – VIII ZB 12/10 – juris Rn. 10; BFH, B.v. 25.2.2010 – IX B 149/09 – juris Rn. 4; FG München, U.v. 21.2.2017 – 7 K 3194/16 – juris Rn.15). Damit fehlten den Prozessbevollmächtigten des Klägers Nachweise über den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids als für den Fristenlauf maßgebliches Datum. Fehlen solche Nachweise, muss sich der Rechtsanwalt in geeigneter Weise eigenverantwortlich über das Zugangs- bzw. Zustelldatum vergewissern, weil hiervon die rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels abhängt (vgl. BGH, B.v. 13.2.2001 – VI ZB 34/00 – juris Rn. 7). Er muss sich über den genauen Ablauf der Klagefrist eigenverantwortlich Gewissheit verschaffen (FG München, U.v. 12.3.2009 – 15 K 3033/07 – juris Rn. 21). Dass Fristen durch die Rechtsanwälte H* … nicht mitgeteilt wurden, mag gegebenenfalls auch deren Versäumnis sein (vgl. BGH, B.v. 26.9.1996 – V ZB 25/96 – juris Rn. 8), schließt aber die Verantwortlichkeit der nachfolgenden Verfahrens- bzw. Prozessbevollmächtigten für die Fristwahrung nicht aus (FG München, U.v. 12.3.2009 – 15 K 3033/07 – juris Rn. 21). Dieses Verschulden ist dem Kläger zuzurechnen, § 85 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO.
Eine entsprechende Vergewisserung hätte – wie die nunmehrige Nachfrage im Gerichtsverfahren zeigt – ergeben, dass der angegriffene Bescheid bereits am 6.3.2020 zugestellt worden war, die Frist mithin bereits am 7.3.2020 zu laufen begonnen hatte. Das Verschulden war daher ursächlich für die Versäumung der Klagefrist. Eine Wiedereinsetzung gemäß § 60 VwGO scheidet damit aus.
2.2 Daneben hätten die Rechtsanwälte H* … den Kläger nach erfolgter Zustellung des angegriffenen Bescheids über den Fristablauf informieren müssen (vgl. BGH B.v. 18.7.2017 – VI ZR 52/16 – juris Rn. 12; BGH, B.v. 26.9.1996 – V ZB 25/96 – juris Rn. 8). Nach dem Vortrag des Klägers ist eine entsprechende Information nicht erfolgt. Der auf dem Bescheid angebrachte Eingangsstempel konnte, da er einen sicheren Nachweis über den Zeitpunkt des Zugangs bzw. der Zustellung gerade nicht gibt, eine entsprechende Information nicht ersetzen. Wieso eine entsprechende Mitteilung unterblieb, wurde seitens des Klägers trotz ausdrücklicher Rüge durch die Beklagte weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht i.S.v. § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Das Verschulden seiner damaligen Verfahrensbevollmächtigten ist dem Kläger zuzurechnen, § 85 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO. Eine entsprechende Mitteilung hätte Aufschluss über den Ablauf der Klagefrist ergeben. Das Verschulden war mithin ursächlich für die Versäumung der Klagefrist. Eine Wiedereinsetzung gemäß § 60 VwGO scheidet damit auch aus diesem Grund aus.
2.3 Es ist bereits umstritten, ob das Mitverschulden amtlicher Stellen überhaupt eine Wiedereinsetzung begründen kann oder ob es für eine Versagung der Wiedereinsetzung nicht vielmehr ausreicht, dass ein Verschulden des Beteiligten zumindest mitursächlich für die Fristversäumung wurde (vgl. Czybulka/Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 60 Rn. 77). Im Ergebnis braucht diese Frage durch das Gericht nicht entschieden zu werden. Denn ein für die Fristversäumung mitursächliches Mitverschulden der Beklagten ist vorliegend nicht ersichtlich. Für den rechtzeitigen Eingang der Klage zu sorgen, fällt in erster Linie in den Verantwortungsbereich des Klägers (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.1977 – V C 12.77 – juris Rn. 27). Die Beklagte war dementsprechend auch nicht verpflichtet, die Angabe der Klägerbevollmächtigten im Schreiben vom 2.4.2020 zum Ende der Klagefrist in Frage zu stellen oder zu überprüfen. Eine solche Pflicht lässt sich insbesondere auch nicht aus dem Recht auf ein faires Verfahren oder aus der behördlichen Fürsorgepflicht ableiten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger anwaltlich vertreten und der Bescheid vom 26.2.2020 mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehen war. Dass der Beklagten bzw. den zuständigen Sachbearbeitern bei der Beklagten der Ablauf der Klagefrist positiv bekannt bzw. die unrichtige Angabe im Schreiben vom 2.4.2020 aufgefallen und daraufhin bewusst verschwiegen oder die Akteneinsicht bewusst zeitlich hinausgezögert worden wäre, der Beklagten mithin ein die Wiedereinsetzung gegebenenfalls begründendes arglistiges Verhalten vorgehalten werden könnte (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.1977 – V C 12.77 – juris Rn. 14), ist nicht ersichtlich und klägerseits auch nicht vorgetragen. Auch entsprach die Aktengewährung in zeitlicher Hinsicht dem ordentlichen Geschäftsgang. Sie war im Übrigen für eine Klageerhebung nicht erforderlich. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht darauf an, dass sich die Postzustellungsurkunde nicht in der Behördenakte befand und damit gegebenenfalls unvollständig war. Denn dieser Umstand hat sich – nachdem die Akteneinsicht nach Ablauf der Klagefrist erfolgte – jedenfalls nicht ursächlich auf den Zeitpunkt der Klageerhebung ausgewirkt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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