Steuerrecht

Die vierteljährliche Erhebung der Grundsteuer ist nicht verfassungs- oder sittenwidrig

Aktenzeichen  W 8 K 18.1211

Datum:
14.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 2546
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 1, Art. 3, Art. 4, Art. 14
VwGO § 54, § 117
BayVwVfG Art. 44 Abs. 2 Nr. 6
ZPO § 42, § 318

 

Leitsatz

1 Die vierteljährliche Grundsteuererhebung ist weder verfassungs- noch sittenwidrig. (Rn. 26 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, handschriftlich mit dem Nachnamen zu unterzeichnen. Eine Pflicht zur Unterzeichnung auch mit dem Vornamen ist gesetzlich insoweit nicht normiert. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3 Mit der telefonischen Mitteilung der Urteilsformel an einen Beteiligten tritt die Bindungswirkung gemäß § 173 VwGO iVm § 318 ZPO ein. Ein später gestellter Befangenheitsantrag hindert die als befangen abgelehnten Richter nicht an der Abfassung des bereits gefällten Urteils bzw. an der Unterschriftsleistung. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Hinsichtlich des Begehrens der Klägerin, die Beklagte zu verpflichten, die Vollstreckung nach Art. 22 VwZVG für unzulässig erklären und von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen absehen, ist eine Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 75 VwGO statthaft; denn die Unzulässigerklärung der Vollstreckung ist ein begünstigender Verwaltungsakt (VG Würzburg, Gerichtsbescheid vom 12.1.2000 – W 8 K 99.907 – juris; Harrer/Kugele/ Thum/ Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, Art. 21 Erl. 1; Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsrecht in Bayern, Dezember 2015, Art. 21 Rn. 1, 15, 18, 47, 49, 52; Weber, Praxis der Kommunalverwaltung A 19 Bay, Art. 21 VwZVG Erl. 5 und 6.2).
Soweit die Klägerin die Feststellung der Nichtigkeit des der vierteljährlichen Erhebung der Grundsteuer zugrundeliegenden Bescheids vom 12. März 2009 begehrt, ist die (Nichtigkeits-)Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Der Subsidiaritätsgrundsatz nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO gilt nicht, wenn – wie hier – die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird, § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist bei der Nichtigkeitsfeststellungsklage durch den Streit um die Nichtigkeit des Verwaltungsakts indiziert (BVerwG NVwZ 1987, 330; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 38). Die Einhaltung einer Klagefrist ist nicht Voraussetzung (Eyermann, a.a.O., Rn. 26).
Entgegen der Ansicht der Beklagten mangelt es vorliegend nicht am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis für die gegenständliche Klage ist nicht verwirkt, auch wenn bereits eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über den Grundsteuermessbetragsbescheid, welcher Grundlage des Grundsteuerbescheides ist, ergangen ist. Die Klage ist nicht offensichtlich rechtsmissbräuchlich. Zum einen ist im vorliegenden Fall nicht der Grundsteuermessbetragsbescheid Klagegegenstand, sondern – neben der geltend gemachten Sittenwidrigkeit der Grundsteuererhebung – (auch) die Vollstreckungsankündigung, zum anderen werden hier in Bezug auf eine mögliche Grundrechtsverletzung neue Aspekte („Brechung des Religionsgelübdes durch sittenwidrige Steuerforderungen für menschenrechtsverachtende Zwecke“) geltend gemacht.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf die Unzulässigerklärung nach Art. 22 Nr. 1 VwZVG und das Absehen von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen sind nicht gegeben, weil die angekündigte Vollstreckung rechtmäßig ist.
Die allgemeinen und die besonderen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 VwZVG sind gegeben, weil der Grundsteuerbescheid vom 12. März 2009 wirksam und unanfechtbar ist und die Klägerin ihre Verpflichtung zur Zahlung des Teilbetrags von 179,58 EUR in Bezug auf die dort festgesetzten 529,58 EUR nicht erfüllt hat. Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen für die Vollstreckung von Verwaltungsakten, mit denen eine Geldleistung gefordert wird, nach Art. 23 ff. VwZVG sind gegeben.
Die Klägerin brachte vor, dass ihr bis heute kein Bescheid über die Grundsteuer für 2018 vorliege. Die Zustellung eines eigenen Bescheides für das Jahr 2018 ist jedoch nicht erforderlich. Der Klägerin ging der Grundsteuerbescheid der Verwaltungsgemeinschaft E. vom 12. März 2009 zu, gegen den die Klägerin zunächst Widerspruch eingelegt, diesen dann aber zurückgenommen hat. Gemäß § 27 Abs. 3 GrStG kann für diejenigen Steuerschuldner, die für das Kalenderjahr die gleiche Grundsteuer wie im Vorjahr zu entrichten haben, die Grundsteuer durch öffentliche Bekanntmachung festgesetzt werden. Für die Steuerschuldner treten mit dem Tage der öffentlichen Bekanntmachung die gleichen Rechtswirkungen ein, wie wenn ihnen an diesem Tage ein schriftlicher Steuerbescheid zugegangen wäre. Hierauf wurde die Klägerin auch im Bescheid vom 12. März 2009 hingewiesen (vgl. Bl. 102 der Behördenakte). Vorliegend wurde die Grundsteuer für 2018 durch öffentliche Bekanntmachung der Verwaltungsgemeinschaft E. (vgl. www.vgem-eibelstadt.de/ Grundsteuer.n190.html) mit dem zuletzt veranlagten Steuerbetrag festgesetzt.
Des Weiteren ist die Grundsteuer – und damit auch der streitgegenständliche Teilbetrag – fällig und die Klägerin wurde mit Schreiben vom 30. Mai 2018 an ihren Ehegatten als deren Zustellvertreter gemahnt.
Der der Grundsteuererhebung zugrundeliegende Bescheid vom 12. März 2009 in Verbindung mit der öffentlichen Bekanntmachung für das Jahr 2018 ist zudem nicht nichtig, insbesondere nicht infolge Sittenwidrigkeit nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 6 BayVwVfG.
Sittenwidrigkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn der Verwaltungsakt das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzt (BGH NJW 1990, 1356), wobei nicht nur auf die in der Gesellschaft vorherrschenden Auffassungen über sittengemäßes Verhalten, sondern vor allem auch auf das Wertesystem des Grundgesetzes abzustellen ist. Ausreichend ist ein Widerspruch zu Mindestanforderungen anständigen, redlichen Verhaltens, insbesondere auch ein Widerspruch zu grundlegenden Wertungsmaßstäben des Grundgesetzes (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Auflage 2018, § 44 Rn. 48 m.w.N.).
Vorliegend ist eine Sittenwidrigkeit der Grundsteuererhebung nicht ersichtlich, insbesondere ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin vorliegend keine Sittenwidrigkeit aus einem Grundrechtseingriff.
Eine Verletzung des Grundrechts auf Religionsfreiheit nach Art. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) ist nicht gegeben. Insofern wird zunächst auf die Ausführungen des Finanzgerichts Nürnberg vom 18. Februar 2010 (4 K 767/2009) zum Grundsteuermessbetragsbescheid als Grundlage des Grundsteuerbescheides Bezug genommen. Dort wird zutreffend ausgeführt, dass Art. 4 Abs. 1 GG dem Einzelnen kein Recht darauf verleihe, dass seine Religionsgemeinschaft von bestimmten allgemeinen Steuern befreit wird, und Art. 4 Abs. 2 GG nicht die Erhebung der Grundsteuer verbiete, da die finanzielle Belastung durch die Grundsteuer nicht die Religionsausübung als solche zum Gegenstand habe, sondern an den religionsneutralen Zustand der Innehabung des Wohnhauses anknüpfe.
Sofern die Klägerin einen nachhaltigen und direkten Eingriff in das unantastbare Grundrecht der freien Religionsausübung durch erdrosselnde Wirkung und Zwang zur Brechung des Religionsgelübdes durch sittenwidrige Steuerforderungen für menschenrechtsverachtende Zwecke (Abtreibung und völkerrechtssowie grundrechtswidrige Kriegsführung) geltend macht, wird ergänzend Folgendes ausgeführt: Nach einheitlicher Rechtsprechung kann die Heranziehung zur Steuerzahlung nicht unter Berufung auf das Grundrecht der Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) vermieden werden (Hessisches Finanzgericht, U.v. 15.11.1990 – 2 K 1576/89 – juris; FG Baden-Württemberg, U.v. 21.1.2002 – 3 K 73/99 – juris Rn. 22 m.w.N.). Zwar werde vom Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG grundsätzlich auch die Freiheit umfasst, von der öffentlichen Gewalt nicht verpflichtet zu werden, gegen Gebote und Verbote des Gewissens zu handeln. Er werde jedoch von der Pflicht zur Steuerzahlung nicht berührt. Bei der Steuer handle es sich um ein Finanzierungsinstrument des Staates, aus dessen Aufkommen die Staatshaushalte allgemein – ohne jede Zweckbindung – ausgestattet werden. Allein das Parlament entscheide über die Verwendung dieser Haushaltsmittel. Durch die strikte Trennung von Steuererhebung und haushaltsrechtlicher Verwendungsentscheidung gewinne der Staat rechtsstaatliche Distanz und Unabhängigkeit gegenüber dem ihn finanzierenden Steuerpflichtigen und sei deshalb allen Bürgern – mögen sie Steuerleistungen erbringen oder nicht zu den Steuerzahlern gehören – in gleicher Weise verantwortlich. Andererseits nehme er dem Steuerzahler Einflussmöglichkeit und Verantwortlichkeit gegenüber den staatlichen Ausgabeentscheidungen. Dementsprechend sei die individuelle Steuerschuld aller Steuerpflichtigen unabhängig von der zukünftigen Verwendung des Steueraufkommens (BVerfG, B.v. 26.8.1992 – 2 BvR 478/92 – juris Rn. 2f.). Die im Haushaltsplan getroffene Entscheidung über die Verwendung des Steueraufkommens kann der Klägerin als Steuerzahlerin nicht zugerechnet werden, so dass diese hierfür auch nicht mitverantwortlich ist (vgl. FG Baden-Württemberg, U.v. 21.1.2002 – 3 K 73/99 – juris Rn. 25). Diese Ausführungen gelten auch hinsichtlich der in Art. 4 Abs. 1 GG gewährten Religionsfreiheit und der nach Art. 4 Abs. 2 GG gewährten ungestörten Religionsausübung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B.v. 18.4.1984 – 1 BvL 43/81 – juris Rn. 35) kann der einzelne Bürger, der eine bestimmte Verwendung öffentlicher Abgaben für grundrechtswidrig hält, aus seinen Grundrechten keinen Anspruch auf generelle Unterlassung einer solchen Verwendung herleiten. Soweit diese mit seinem Glauben, seinem Gewissen, seinem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis unvereinbar sei, könne er jedenfalls nicht verlangen, dass seine Überzeugung zum Maßstab der Gültigkeit genereller Rechtsnormen oder ihrer Anwendung gemacht werde. Damit ist auch hinsichtlich des von der Klägerin 2008 abgelegten Religionsgelübdes, niemals mehr an den „Verbrechen des BRD-Systems“ teilzunehmen, der Schutzbereich des Art. 4 GG nicht berührt. Im Übrigen begründen die Bedenken der Klägerin insoweit auch keine persönliche oder sachliche Unbilligkeit im Sinne der §§ 222, 227 Abgabenordnung (AO) (FG Baden-Württemberg, a.a.O. Rn. 25 mit Hinweis auf Rspr. des BVerfG sowie BFH).
Soweit die Klägerin eine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum nach Art. 14 GG geltend macht, da die Belastung eines Haus- und Grundbesitzes einer Mittellosen und religiös Lebenden durch Vollstreckungsmaßnahmen zu einem Wertverzehr oder einer Teilenteignung führe, wird auf die Ausführungen des Finanzgerichts Nürnberg in seinem Urteil vom 18. Februar 2010 – 4 K 767/2009 – zum Grundsteuermessbetragsbescheid als Grundlage des Grundsteuerbescheides verwiesen. Dort heißt es:
„Art. 14 GG ist nicht verletzt; dies gilt schon deshalb, weil die Grundsteuer nicht aus dem Grundstück als einzelnem Vermögensgegenstand zu entrichten ist, sondern aus dem Vermögen als solchem. Unter den Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG fallen grundsätzlich alle vermögenswerte Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigener Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf. Der Eigentumsschutz erstreckt sich dabei zwar auch auf nichtdingliche vermögenswerte Rechtspositionen, bleibt aber immer an Rechtspositionen gebunden. Kein Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG ist daher das Vermögen, das selber kein Recht, sondern den Inbegriff aller geldwerten Güter eine Person darstellt (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. Beschlüsse vom 08.04.1997 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267, 300, und vom 08.04.1988 2 BvL 9/85 und 3/86, BVerfGE 78, 249, 277). Daraus folgt, dass Art. 14 Abs. 1 GG nicht vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten und Steuern durch den Staat schützt. Denn diese Pflichten sind nicht mittels eines bestimmten Eigentumsobjekts – z.B. die Grundsteuer durch das sie auslösende Grundstück – zu erfüllen, sondern werden aus dem fluktuierenden Vermögen bestritten. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen, dass sie eine erdrosselnde Wirkung haben (vgl. BVerfG vom 08.04.1997 1 BvR 48/94, a.a.O.). Diese Wirkung muss die betreffende Steuer als Regel haben, den Effekt also bei Anwendung der Steuer regelmäßig hervorrufen. Von einer erdrosselnden Wirkung kann jedoch bei der Grundsteuer, die regelmäßig wie auch im Streitfall nicht sehr hoch ist, auch unter Berücksichtigung ihrer jährlichen Wiederkehr keine Rede sein. Auch soweit die Klägerin vorträgt, sie müsse – da sie selbst ohne Einnahmen sei – zur Tragung der Grundsteuer von ihrem Ehemann laufend ansteigende Darlehensverbindlichkeiten eingehen, die es ihr allmählich unmöglich machen würden, das Wohnhaus weiter zu behalten, liegt keine erdrosselnde Wirkung der Grundsteuer im vorgenannten Sinn vor. Zwar erzielt die Klägerin durch die Selbstnutzung des Grundstücks keinen monetären Ertrag. Doch ist das Grundstück dadurch für sie nicht ertragslos. Vielmehr wird zum einen durch die Selbstnutzung ein Aufwand erspart, der ohne das eigene Grundstück durch Anmietung einer dann erforderlichen Wohnung entstehen würde. Dasselbe gilt, soweit das Grundstück durch die Familienangehörigen der Klägerin unentgeltlich bin mitbenutzt wird.“
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin das Grundstück für den symbolischen Betrag von 1,00 EUR an die Religionsgemeinschaft auf 99 Jahre vermietet hat.
Aus denselben Erwägungen ist auch keine Verletzung der sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden Menschenwürde gegeben, die erst dann vorliegt, wenn die Behandlung eines Menschen durch die öffentliche Gewalt die Achtung des Wertes vermissen lässt, die einem jeden Menschen um seiner selbst willen zukommt (BVerfGE 109, 279, 312f.). Dabei wird die Subjektstellung des Menschen nicht dadurch verletzt, dass der Mensch sich ihren ihn als pflichtiges Rechtssubjekt ansprechenden Ge- und Verboten fügen muss (BeckOK Grundgesetz/Hillgruber, Art. 1 Rn. 13). Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfsbedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe an gesellschaftlichem, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind (BVerfG, U.v. 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 – juris). Ein Verstoß hiergegen durch die Grundsteuererhebung ist nicht ersichtlich. Die Klägerin erhält nach eigenen Angaben das, was sie zum Leben braucht, in Kost und Logis der Religionsgemeinschaft.
Ferner ist ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 GG nicht erkennbar. Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 8. Oktober 2018 vorbringt, die Beklagte missachte die Gleichheit der Religionen und Weltanschauungen, wird auf das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 18. Februar 2010 (4 K 767/2009) Bezug genommen, in dem ausgeführt wird:
„Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine an sachwidrigen Kriterien ausgerichtete Differenzierung (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 03.07.1973 1 BvR 368/65, BVerfGE 35,324, 335, vom 05.10.1993 1 BvL 34/81, BVerfGE 89, 132, 141 f., und vom 07.11.1995 2 BvR 413/88, BVerfGE 93, 319, 348 f.). Artikel 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss. Das Grundgesetz gebietet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht, dass der Staat alle Religionsgesellschaften schematisch gleich behandelt. Der Staat darf der verfassungsrechtlichen Unterscheidung in Art. 137 Abs. 5 WRV folgend steuerliche Privilegierungen auf die Religionsgesellschaften beschränken, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Denn durch die Verleihung des Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft kommt zum Ausdruck, dass es sich hier um Religionsgesellschaften handelt, die durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten, die also innerhalb des öffentlichen Lebens und sinngemäß auch für die staatliche Rechtsordnung besondere Bedeutung besitzen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4.10.1965 – 1 BvR 498/62, BVerfGE 19, 129, 134). Unter diesen Voraussetzungen ist die Unterscheidung für die Gewährung der Grundsteuerbefreiung in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG danach, ob eine Religionsgesellschaft Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, sachgerecht. Für diese Regelung, die u.a. kleinere, nicht fest verfasste, sondern nur lose und oft auch nur für einige Zeit bestehende Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften von der Grundsteuerbefreiung ausschließt, können auch steuertechnische Gründe und damit Gründe der Praktikabilität der steuerlichen Regelung mit bestimmend gewesen sein. Im Hinblick auf die vorstehend dargelegten Erwägungen besteht auch ein sachlicher Grund für die Privilegierung der jüdischen Kultusgemeinden ohne Körperschaftsstatus gegenüber anderen Religionsgesellschaften ohne diesen Status. Denn die jüdischen Kultusgemeinden und ihre Verbände haben mit dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen vom 28.03.1938 ihre Stellung als Körperschaften des öffentlichen Rechts verloren, soweit sie diese damals besaßen. Auf Grund dieser historischen Vorgeschichte sowie der Verfolgung und Ermordung der Juden unter dem Nationalsozialismus, welche die jüdischen Kultusgemeinden und die Zahl ihrer Mitglieder stark verringert hat, war der Gesetzgeber berechtigt, die jüdischen Kultusgemeinden in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG ohne ein Anerkennungsverfahren der Religionsgesellschaften mit Körperschaftsstatus gleichzustellen. Für die Religionsgemeinschaft der Klägerin ergibt sich daraus jedoch kein Gleichbehandlungsanspruch. Die Religionsgemeinschaft „Leben in Liebe und Licht“ ist laut Angaben der Klägerin erst Ende 2006 gegründet worden und sie ist anders als jüdische Kultusgemeinden auch nicht durch von außen auf sie einwirkende Ereignisse um eine Vielzahl ihrer Mitglieder und einen zuvor gegebenen Körperschaftsstatus gebracht worden. Hinzu kommt, dass für die Religionsgemeinschaft „Leben in Liebe und Licht“ – unabhängig von der Zahl ihrer Mitglieder – die Gewähr ihrer Dauer noch schwerlich beurteilt werden kann.“
Das weitere Vorbringen der Klägerin, die Beklagte würde Grundstücke und Häuser von Menschen ungleich veranlagen, ist zu unsubstanziiert und wurde auch in der mündlichen Verhandlung nicht näher erläutert.
Im Übrigen hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass die Erhebung von Grundsteuer für (selbstgenutztes) Wohneigentum verfassungsgemäß ist (U.v. 19.7.2006 – II R 81/05, BFH/NV 2006, 1992; B.v. 12.10.2005 – II B 36/05, BFH/BV 2006, 369). Die Verfassungsbeschwerden 1 BvR 311/06 und 1 BvR 1644/05 wurden vom BVerfG mit Beschlüssen vom 3. März und 21. Juni 2006 nicht zur Entscheidung angenommen (BFH, B.v. 18.10.2006 – II B 10/06 -juris Rn. 6). Zudem ist auf die Härtefallklauseln im Steuerrecht (§§ 32 ff. GrStG und §§ 222, 227 AO) zu verweisen, die unter bestimmten Voraussetzungen einen Steuererlass vorsehen und so etwaigen unverhältnismäßigen Auswirkungen des Steuerrechts entgegenwirken können.
Auch sonst sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die allgemeinen bzw. besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorliegen würden.
Im Übrigen wird, insbesondere hinsichtlich der Mahngebühr und der Säumniszuschläge auf Seite 9 des Beschlusses des VG Würzburg vom 5. September 2018 (W 8 E 18.1084) Bezug genommen.
Nach den obigen Ausführungen besteht somit auch kein Anspruch auf Feststellung der Nichtigkeit des der vierteljährlichen Erhebung der Grundsteuer zugrundeliegenden Bescheids vom 12. März 2009 in Verbindung mit der öffentlichen Bekanntmachung für das Jahr 2018.
Das Gericht hält die der Grundsteuererhebung zugrundeliegenden Vorschriften unter Berücksichtigung des oben Gesagten nicht für verfassungswidrig, so dass die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht angezeigt ist.
3. Die Kostenentscheidung des gerichtlichen Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
4. Abschließend wird noch angemerkt, dass unter keinem Gesichtspunkt ersichtlich ist, wie sich eine Befangenheit der Richter (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) aufgrund der geleisteten Unterschriften unter dem Urteilstenor ergeben soll. Der Befangenheitsantrag gegen das ganze Kollegium aller fünf Richter ist offensichtlich rechtsmissbräuchlich, da er von vornherein nicht geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Gemäß § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist das Urteil von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Mit der Unterschrift soll zweifelsfrei festgestellt werden können, ob sich die Urteilsfäller mit denjenigen decken, die das Urteil unterzeichnet haben (Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 117 Rn. 26). Das Urteil ist handschriftlich mit dem Nachnamen des Richters zu unterzeichnen (vgl. MüKo, ZPO, § 315 Rn. 4). Eine Pflicht zur Unterzeichnung auch mit dem Vornamen ist gesetzlich insoweit nicht normiert. Eine solche Pflicht ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin zitierten – für verwaltungsrichterliche Handlungen aber offensichtlich nicht einschlägigen – § 126 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Erforderlich ist auch hiernach lediglich eine Unterschrift, die den Betreffenden ausreichend individualisiert, was grundsätzlich die Unterschrift mit dem Familiennamen voraussetzt. Selbst bei häufig vorkommenden Familiennamen muss der Vorname nicht beigefügt werden (Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, § 126 Rn. 16). Ausreichend ist des Weiteren, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann (vgl. MüKo, ZPO, § 315 Rn. 4 m.w.N.; vgl. OVG MV, B.v. 17.2.2012 – 2 L 95/11 – juris). Anhaltspunkte, dass diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt sind, bestehen nicht.
Im Übrigen kann mit einer Ablehnung wegen Befangenheit zulässigerweise nur bezweckt werden, den abgelehnten Richter an weiterer Tätigkeit im betroffenen Verfahren zu hindern. Deshalb kann ein Richter nach Erlass der Entscheidung nicht mehr abgelehnt werden (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2018, Rn. 22 zu § 54; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Rn. 17 zu § 54; vgl. BVerwG, B.v. 29.11.2018 – 9 B 26/18 – juris). Im konkreten Fall wurde der von allen an der Entscheidungsfassung mitwirkenden Richtern unterschriebene Entscheidungstenor am 14. Januar 2019 gem. § 116 Abs. 2 VwGO der Kammergeschäftsstelle übergeben. Mit der telefonischen Mitteilung der Urteilsformel am 15. Januar 2019 an die Beklagte trat die Bindungswirkung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 318 ZPO ein (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 116 Rn. 3). Der am 30. Januar 2019 und damit zeitlich später gestellte Befangenheitsantrag hindert die als befangen abgelehnten Richter nicht an der Abfassung des bereits gefällten Urteils bzw. an der Unterschriftsleistung (Lambiris in BeckOK, VwGO, 48. Edition, Stand: 1.10.2018, § 117 Rn. 23a). Im Übrigen hätte der Klägerbevollmächtigte die Besorgnis der Befangenheit schon in der mündlichen Verhandlung rügen können und müssen.


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