Steuerrecht

Kein Unbilligkeit bei der Erhebung der Kosten eines Widerspruchsverfahrens

Aktenzeichen  M 10 K 19.2504

Datum:
18.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34672
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KG Art. 16 Abs. 2 S. 1
AO § 227

 

Leitsatz

1. Art. 16 Abs. 2 S. 1 KG entspricht seinem Wortsinn nach der Regelung des § 227 AO, so dass er in Anlehnung an diesen ausgelegt werden kann. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Erlassbedürftigkeit im Sinne des § 221 AO ist nicht nachgewiesen, wenn der eigentliche Kostenschuldner trotz mehrfacher Aufforderung der Verwaltungsbehörde keine vollständigen Nachweise zu seiner Einkommens- und Vermögenssituation vorlegt. (Rn. 22 – 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung des Klägers durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Beklagte hatte sich bereits in der Klageerwiderung mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.
2. Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg, da der Kläger keinen Anspruch auf Erlass der Kosten des Widerspruchsverfahrens hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erlass der Kosten des Widerspruchsverfahrens auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 Kostengesetz (KG) liegen nicht vor.
Nach Art. 16 Abs. 2 Satz 1 KG kann die Behörde von der Festsetzung der Kosten absehen, den Kostenanspruch erlassen oder bereits entrichtete Kosten erstatten, wenn die Einziehung der Beträge nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.
Art. 16 Abs. 2 Satz 1 KG entspricht seinem Wortlaut nach der Regelung des § 227 Abgabenordnung (AO), nach der die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ebenfalls erlassen können, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Da das Kostengesetz die Regelung der Abgabenordnung insoweit übernommen hat, kann Art. 16 Abs. 2 Satz 1 KG auch in Anlehnung an § 227 AO ausgelegt werden (BayVGH, U.v. 18.2.2013 – 10 B 10.1028 – BeckRS 2013, 48042 Rn. 21).
Nach den von der Rechtsprechung zu § 227 AO entwickelten Grundsätzen kann sich die Unbilligkeit grundsätzlich aus persönlichen oder sachlichen Gründen ergeben.
Eine sachliche Unbilligkeit ist im konkreten Fall weder vorgetragen noch ersichtlich. Geltend gemacht wird allein eine Unbilligkeit aus persönlichen Gründen.
Die Erhebung einer Steuer ist aus persönlichen Gründen unbillig im Sinne des § 227 AO, wenn der Steuerpflichtige erlasswürdig und -bedürftig ist. Erlassbedürftigkeit liegt vor, wenn die Erhebung der Steuer die Fortführung der persönlichen wirtschaftlichen Existenz gefährden, d.h. wirtschaftlich existenzgefährdend oder -vernichtend wirken würde. Gefährdet ist die wirtschaftliche Existenz, wenn ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann (BVerwG, U.v. 23.8.1990 – 8 C 42/88 – juris). Dabei ist der Steuerschuldner bei der Berufung auf persönliche Gründe für einen Billigkeitserlass gehalten, grundsätzlich alle verfügbaren Mittel zur Zahlung der Steuerschuld vorrangig einzusetzen (BVerwG, B.v. 10.2.1994 – 8 B 229/93 – juris).
Eine Erlassbedürftigkeit ist vorliegend nicht nachgewiesen, da der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung seitens des Beklagten keine vollständigen Nachweise zu seiner Einkommens- und Vermögenssituation vorgelegt hat. Auch sonst sind Anhaltspunkte für das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit nicht ersichtlich, zumal der Kläger in seinen Vorsprachen bei dem Beklagten zugegeben hat, Geld auf seinem Konto zu haben, und über Grundbesitz verfügt. Zudem ist nicht erkennbar, dass die Zahlung des Betrags von 55,57 EUR seine wirtschaftliche Existenz in Frage stellen würde. Im Übrigen wird auf die ausführliche und zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen (§ 84 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 117 Abs. 5 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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