Steuerrecht

Klage gegen eine tierschutzrechtliche Anordnung

Aktenzeichen  RO 4 K 19.1129

Datum:
1.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 60082
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 3
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Ein Halter ist jede Person, die ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat. Mehrere Personen können gleichzeitig Halter in diesem Sinne eines Tieres sein und dann auch gleichzeitig in Anspruch genommen werden. Darauf, ob der in Anspruch genommene Halter zugleich auch Eigentümer der Tiere ist, kommt es grundsätzlich nicht an, denn das Gesetz stellt ausdrücklich nur auf die Eigenschaft als Halter ab. Ausschlaggebend ist allein das Obhutsverhältnis (vgl. Hirt/Maisack/Moritz Tierschutzgesetz Kommentar 3. Auflage § 16a Rn. 21 m.w.N.). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung gleiche Sicherheit leistet.

Gründe

Soweit die Klägerin hinsichtlich der Pferde R. und L. die Aufhebung des Bescheids vom 13.7.2018 begehrt, ist die Klage zulässig, aber unbegründet (vgl. unten I.). Soweit im Übrigen beantragt ist, festzustellen, dass der Bescheid des Landratsamts R. vom 13.7.2018 rechtswidrig gewesen ist, ist die Klage unzulässig (vgl. unten II.).
I. Der Bescheid des Landratsamts R. vom 13.7.2018 ist rechtmäßig, er verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der streitgegenständliche Bescheid ist nicht deshalb als rechtswidrig aufzuheben, weil eine Anhörung i.S.d. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor dessen Erlass nicht erfolgt war und dieser Verfahrensfehler auch nicht gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG durch Nachholung geheilt wurde. Die Nr. 2 des Bescheids vom 20.3.2018, in der neben der unverzüglichen Wegnahme auch die dauerhafte anderweitige Unterbringung sämtlicher von der Klägerin und Herrn H1. in M. gehaltener Pferde angeordnet wurde, stellt keine Anhörung zu einer nachfolgenden Veräußerungsanordnung der Tiere dar. Zwar sieht § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG unter bestimmten Voraussetzungen die Veräußerung weggenommener Tiere vor. Hierfür bedurfte es aber eines weiteren Verwaltungsakts, zu dem die Klägerin angehört hätte werden müssen.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass gemäß Art. 46 BayVwVfG bei Bescheidserlass offensichtlich war, dass die Verletzung der Anhörungspflicht die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat mit der Folge, dass die Aufhebung des Verwaltungsakts nicht alleine deshalb beansprucht werden kann. Im Vorfeld dieser Anordnung hatte die Klägerin sich in zahlreichen E-Mails zu der Fortnahme der Pferde geäußert. In einer Eingabe an Herrn M. Dr. S. vom 29.1.2018 wurde das vermeintlich rechtswidrige Verhalten des Landratsamts R. angeprangert. Unter dem 12.3.2018 verwies die Klägerin auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Landrätin des Landkreises Regensburg und verschiedene weitere mit der Sachbearbeitung betraute Personen sowie auf eine Strafanzeige. Die vom Amt festgestellten Missstände wurden bestritten, das Vorgehen der Amtstierärzte zum Beispiel bei der Wegnahme von vier Pferden am 21.3.2018 wurde massiv kritisiert (vgl. E-Mails vom 23.3.2018). Hier wurde auch darauf hingewiesen, dass die Eigentümer der Tiere in großer Sorge seien. In einem „offenen Brief“ der Klägerin vom 2.5.2018 an den Regierungspräsidenten der Oberpfalz bezeichnete die Klägerin das Verhalten der Behörde insbesondere bei dem „Runden Tisch“ am 27.4.2018 als Willkür und Missbrauch von Macht. Im Klageverfahren RO 4 K 19.454 betreffend die Wegnahme des Pferdes R. stellte die Klägerin unter dem 30.4.2018 die eigenen Bemühungen hinsichtlich ihrer Tierhaltung dar und bekräftigte die Vorwürfe gegen das Veterinäramt. Es wurde die unverzügliche Rückführung des Pferdes in „unsere Gnadenhof-Herde“ gefordert.
Bei einer derartigen Sachlage ist die fehlende Kausalität der unterlassenen Anhörung vor Bescheidserlass und der sodann ergangenen Veräußerungsanordnung unschwer und unzweifelhaft zu erkennen. Die Argumente der Klägerin beziehen sich auf das aus ihrer Sicht unsachgemäße Verhalten der Behörde bei Erlass der bisherigen Anordnungen. Die Forderung der Rückkehr des Pferdes R. in den Gnadenhof konnte schon wegen der sofort vollziehbaren Haltungs- und Betreuungsuntersagung durch das Landratsamt Straubing-Bogen im Bescheid vom 25.5.2018 keinen Einfluss auf die streitgegenständliche Entscheidung haben. Soweit die Klägerin auf andere Personen als Eigentümer verweist, war sie nicht befugt, deren Rechtsposition geltend zu machen, somit konnten auch diese Hinweise keinen Einfluss auf die streitgegenständliche Entscheidung haben. Im Übrigen hat die Klägerin auf Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, was sie vor Erlass des Bescheids vom 13.7.2018 im Rahmen einer Anhörung vorgetragen hätte, erklärt, sie hätte gesagt, dass von Eigentümerseite und Vereinsseite aus die Veräußerung der Pferde niemals akzeptiert worden wäre. Dies bestätigt, dass sie bei einer formalen Anhörung keine weiteren Argumente vorgetragen hätte.
2. Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Veräußerungsanordnung ist § 16a Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 2. Hs. TierSchG. Danach kann die zuständige Behörde ein dem Halter fortgenommenes Tier veräußern, wenn eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich ist oder nach Fristsetzung eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen ist.
Die Veräußerung der von der Klägerin und Herrn H1. gehaltenen Pferde konnte gegenüber der Klägerin angeordnet werden, da sie neben Herrn H1. Halterin i.S.d. § 16a TierSchG ist. Ein Halter in diesem Sinne ist jede Person, die ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat. Mehrere Personen können gleichzeitig Halter in diesem Sinne eines Tieres sein und dann auch gleichzeitig in Anspruch genommen werden. Darauf, ob der in Anspruch genommene Halter zugleich auch Eigentümer der Tiere ist, kommt es grundsätzlich nicht an, denn das Gesetz stellt ausdrücklich nur auf die Eigenschaft als Halter ab. Ausschlaggebend ist allein das Obhutsverhältnis (vgl. Hirt/Maisack/Moritz Tierschutzgesetz Kommentar 3. Auflage § 16a Rn. 21 m.w.N.).
3. Die Veräußerungsanordnung setzt voraus, dass die Wegnahme der Pferde rechtmäßig erfolgt war. Hinsichtlich des Pferdes R. wurde die Wegnahme durch Bescheid vom 15.1.2018 verfügt. Die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung ist Streitgegenstand im Verfahren RO 4 K 19.454. Auf die Ausführungen im diesbezüglichen Urteil vom 1.10.2019, in dem die Rechtmäßigkeit der Anordnung festgestellt wurde, wird Bezug genommen. Hinsichtlich des Pferdes L. erfolgte die Wegnahme im Rahmen der Zwangsvollstreckung der Untersagung der weiteren Pferdehaltung in Anwesen in M. durch Bescheid des Landratsamts R. vom 20.3.2018. Insoweit wird hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des behördlichen Vorgehens auf das Urteil im Verfahren RO 4 K 19.1130 vom 1.10.2019 verwiesen.
4. Einer Fristsetzung vor Erlass der Veräußerungsanordnung bedurfte es vorliegend nicht, da mit sofort vollziehbarem Bescheid des Landratsamts Straubing-Bogen vom 23.5.2018 der Klägerin (und Herrn H1.*) das Halten und Betreuen von Pferden untersagt worden war. Damit war die Klägerin nicht mehr in der Lage, eine tierschutzgerechte Haltung der Pferde sicherzustellen.
5. Die Klägerin kann nicht mit Erfolg gegen die Veräußerungsanordnung einwenden, dass die Pferde im Eigentum Dritter gestanden hätten bzw. stehen. Zwar ist eine Veräußerungsanordnung dann nicht rechtmäßig, wenn ein Dritter, der geltend macht, Eigentümer der Tiere zu sein, der Behörde gegenüber a) sein Eigentum nachweist und b) nachweist, dass er sowohl Willens als auch in der Lage ist, eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Ernährung, Pflege und Unterbringung der Tiere sicherzustellen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz Tierschutzgesetz Kommentar 3. Auflage § 16a Rn. 34). Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Aus den Akten ergibt sich zwar, dass Herr H2 … am 3.4.2018 (Blatt 895 und 983 der Behördenakte) Kontakt zum Landratsamt R. aufgenommen hatte und sich dabei auf Nachfrage als Eigentümer bezeichnet hatte. Dass er in der Lage gewesen wäre, die Tiere artgerecht unterzubringen, ergibt sich aus seinen Ausführungen nicht. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, im April/Mai 2018 hätten zwei Eigentümer der Pferde, nämlich Herr H3. und Herr H2 …, bereits unterschriftsreife Pachtverträge für eine Einrichtung, in die die Pferde hätten verbracht werden sollen, in Händen gehabt, fehlt in den Akten jeglicher Nachweis.
Es war auch nicht geboten, die Pferde in die Obhut einer anderen Person zu geben. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angesprochene Bereitschaft von Frau F2., die Pferde aufzunehmen, ist für diesen Zeitpunkt nicht belegt. Eine behauptete Kenntnis des Landratsamts Straubing-Bogen von der Unterbringungsmöglichkeit bei Frau F2. gilt nicht gleichermaßen für das Landratsamt R.. Demnach kann offen bleiben, ob das Landratsamt Straubing-Bogen hiervon Kenntnis gehabt hatte und ob die durch Frau F2. angebotene Unterbringung geeignet gewesen wäre.
6. Soweit sich die Klägerin auf die Beeinträchtigung der Rechtsstellung der als Eigentümer auftretenden Personen beruft, führt dies die Klage nicht zum Erfolg. Ob eine Rechtsverletzung von Eigentümerrechten vorliegt, ist Gegenstand weiterer bei Gericht anhängiger Verfahren dieser Personen.
Nicht entscheidungserheblich sind die Bedenken der Klägerin hinsichtlich der tierschutzgerechten Vermittlung und weiteren Unterbringung der Pferde. Auch besteht keine Veranlassung für die Behörde, im Bescheid Ausführungen über den beabsichtigten Verbleib der Pferde zu machen. Nicht entscheidungserheblich ist auch die Art und Weise, wie die Fortnahme von R. erfolgt war. Weitere Ermittlungen diesbezüglich erübrigen sich demnach.
7. Soweit die Klägerin hinsichtlich der Nr. 2 des Bescheids vortragen lässt, es gehe dem Amt nur darum, möglichst schnell die gegen sie verhängten Bußgelder vereinnahmen zu können, sind diesem unsubstantiierten Vortrag entscheidungsrelevante Gründe gegen die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung nicht zu entnehmen.
II. Die Klage betreffend die Veräußerung der restlichen 15 Pferde ist unzulässig.
Nachdem die betroffenen Pferde zwischenzeitlich vermittelt wurden, hat sich der streitgegenständliche Bescheid insoweit erledigt. Die Klägerin kann sich als Halterin der Pferde auf keine Rechtsposition berufen, die die Rückgängigmachung dieser Rechtsgeschäfte begründen könnten.
Der Klägerin kommt kein schutzwürdiges Interesse hinsichtlich der begehrten Feststellung, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei, zu. Die Überprüfung eines erledigten Verwaltungsakts setzt das Vorliegen eines besonderen Interesses an einer Sachentscheidung voraus. Für die Klägerin wurde geltend gemacht, sie fühle sich diskriminiert, sie sei in ihrer persönlichen Handlungsfreiheit, sich um Tiere kümmern zu können, beeinträchtigt. Insbesondere sei die emotionale Beziehung zu den Tieren nicht berücksichtigt worden.
Die Klägerin beruft sich damit auf eine fortdauernde Beeinträchtigung von Grundrechten. Ein Feststellungsinteresse ist anzunehmen, wenn der Verwaltungsakt trotz seiner Erledigung eine faktisch fortdauernde Grundrechtsbeeinträchtigung bewirkt hat. Das Feststellungsinteresse folgt dann unmittelbar aus einem grundrechtlichen Rehabilitationsinteresse. Dies gilt vor allem mit Blick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, wenn der Verwaltungsakt diskriminierenden Charakter hatte. Es muss insofern eine abträgliche, fortdauernde Nachwirkung des erledigten Verwaltungsakts bestehen – ein den Kläger belastender „Makel“ -, die durch die gerichtliche Sachentscheidung ausgeglichen werden kann (vgl. Fehling/Kastner/Störmer [Hrsg.] Verwaltungsrecht 4. Auflage § 113 VwGO Rn. 107).
Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Es ist nicht ausreichend, dass der Betroffene sich in seiner Rechtsposition tiefgreifend beeinträchtigt sieht. Andernfalls würde allen erledigten tierschutzrechtlichen Anordnungen, denen erhebliche Verstöße gegen tierschutzrechtliche Pflichten zugrunde liegen, ein derartiges Rehabilitationsinteresse zukommen. Der Umstand, dass die Klägerin ihre Position selbst in ihren Kreisen öffentlich gemacht hat und auch von dort Zuspruch für ihre Sicht der Dinge erhält, ändert nichts daran, dass eine Veräußerungsanordnung weggenommener Tiere an sich keine diskriminierende Wirkung hat.
Die Klage war mit der Rechtsfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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