Steuerrecht

Schadensersatzanspruch wegen unzutreffender rechtlicher Auskunft bei Anfall von Umsatzsteuer für erbrachte Sanierungsleistungen bei einem Bauprojekt

Aktenzeichen  15 U 349/16

Datum:
28.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 49935
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UStG § 3 Nr. 9
EStG § 7 Abs. 4, § 7h Abs. 1 S. 4
BGB § 276, § 280 Abs. 1
AO § 42

 

Leitsatz

1. Durch die Aufspaltung – erstens – von Veräußerung des Grundstücks und – zweitens – anschließender Erbringung der Sanierung an die Erwerber auf zwei verschiedene Unternehmen, unterfällt nach überwiegender Auffassung die Sanierungsleistung auch bei einem einheitlichen Vertragswerk der Umsatzsteuer. (Rn. 18) (red. LS Andy Schmidt)
2. Zu den Pflichten einer Steuerberatungsgesellschaft hätte es gezählt, in ihrer (Rechts-)Auskunft mitzuteilen, dass ihre Rechtsansicht nicht derjenigen des obersten Steuergerichts und der Praxis der Finanzverwaltung entspricht und daher sehr wahrscheinlich von der Finanzverwaltung auch im vorliegenden Fall nicht zugrunde gelegt werden wird. Die Steuerberatungsgesellschaft hätte ebenfalls mitteilen müssen, dass die Finanzverwaltung die Sanierungsleistungen der Klägerin in dem gewählten Vertragsmodell sehr wahrscheinlich der Umsatzsteuer unterwerfen wird. (Rn. 18 – 21) (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

4 O 30030/11 2015-11-24 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG München I vom 24.11.2015 (Az. 4 O 30030/11) abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 93.867,85 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.12.2011 zu zahlen. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen. Die weitergehende Berufung und die Anschlussberufung werden zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 34% und die Beklagte 66%.
III. Dieses Urteil sowie das in Ziffer I. genannte Urteil des LG München I sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des danach vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht der jeweilige Gläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Klägerin verlangt von der verklagten Steuerberatungsgesellschaft Schadensersatz, da diese wegen des Anfalls von Umsatzsteuer für von der Klägerin erbrachte Sanierungsleistungen bei einem Bauprojekt, das sie zusammen mit der V. GmbH im Wege des sog. Erwerbermodells aufgelegt hatte, eine unzutreffende rechtliche Auskunft gegeben habe.
Der Alleingesellschafter beider GmbHs ist Herr Dr. K. Z., der das Projekt zusammen mit seinem Geschäftspartner, Werner B., plante und welcher auch hälftig am Erlös beteiligt werden sollte. Herr Werner B. handelte dabei für die W. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH und die W. Wohn- und Gewerbebau S. GmbH, von denen die V. GmbH das Objekt erwarb (vgl. Anlage K 1). Während die V. GmbH den Erwerbern Grundstück und Altbausubstanz verkaufte, erbrachte die Klägerin die Sanierungsleistungen. Die LH M. förderte die Sanierung durch die Gewährung von Darlehen an die Erwerber (Grundstückseigentümer), die bei Erreichen des Zwecks erlassen wurden.
Zur Erzielung der wirtschaftlichen Beteiligung des Herrn Werner B. schlossen sowohl die Klägerin (vgl. Anlage B 2) als auch die V. GmbH (vgl. Anlage K 26 zu 477/491) fast gleichlautende partiarische Darlehensverträge mit den oben genannten Gesellschaften des Herrn B. (handelnd als GbR) ab, wonach die Darlehensgeberin (sowohl von der Klägerin als auch von der V. GmbH) 50% des jeweiligen Projektüberschusses gemäß der im Vertrag geregelten Projektabrechnung erhalten sollte (vgl. jeweils Ziffer 4. der beiden Verträge). Der Beklagten war bekannt, dass durch vertragliche Regelungen sichergestellt werden sollte, dass die Herren Z. und B. jeweils hälftig am Projektgewinn der Klägerin partizipieren sollten. Sie ging weiter davon aus, dass der Projektgewinn bei der Klägerin anfallen sollte.
Die Beklagte war für die Klägerin steuerberatend tätig, wobei sie rechtliche Auskünfte sowohl für die Geschäftstätigkeit der Klägerin (Aktennotiz vom 25.01.2005, Anlage K 9) als auch für die Geschäftstätigkeit der V. GmbH (Aktennotiz vom 18.01.2005, Anlage K 2) erteilte. Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zur Auskunft der Beklagten vom 25.01.2008, auf welche die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch stützt, und zur weiteren Entwicklung des Projekts wird nach § 540 ZPO auf das Endurteil des LG München I vom 24.11.2015 Bezug genommen.
Das Landgericht München I gab der Klage nur zum Teil statt. Es ging zwar von einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten aus, vermochte sich aber nicht davon zu überzeugen, dass mit dem von der Klägerin dargestellten Alternativmodell die Umsatzsteuer vermeidbar gewesen wäre. Was die Förderdarlehen angehe, sei nicht nachgewiesen worden, dass die Beklagte in die Ausgestaltung der Sanierungsverträge eingebunden war. Als ersatzfähiger Schaden seien daher nur die vermeidbaren Prozesskosten mit dem Erwerber Balser und der zusätzliche Bearbeitungsaufwand der Klägerin für die Ermittlung der Vorsteuer anzusehen.
Dagegen richten sich die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten.
Die Klägerin trägt in Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Ausführungen vor, sie hätte (zusammen mit der V. GmbH) im Falle einer zutreffenden Auskunft der Beklagten zum Anfall der Umsatzsteuer für die Sanierungsleistungen an zwei Stellen eine andere Vertragsgestaltung gewählt. Danach hätte die Klägerin von den Erwerbern weniger Entgelt für die Sanierung (296.720,00 €) verlangt, dafür sei aber ein entsprechend höherer Preis für den Altbestand von der V. GmbH (296.720,00 €) verlangt worden. Das von den Erwerbern zu zahlende Gesamtentgelt sei gleich geblieben, es wäre aber weniger Umsatzsteuer angefallen. Zum anderen wäre die Abtretung der Sanierungsdarlehen der LH M. (MGS) von den Erwerbern an die V. GmbH statt an die Klägerin erfolgt, so dass diese nicht der Umsatzsteuer unterworfen worden wären.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts München I vom 24.11.2015, Az. 4 U 30030/11, dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 140.817,58 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.12.2011 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Beklagte meint, dass es die Klägerin nicht vermocht habe, einen rechtmäßigen Mehrreingewinn darzustellen. Der Klägerin, die sich nicht auf die Grundsätze der konsolidierten Schadensberechnung stützen könne, sei kein Schaden entstanden, so dass das EU aufgehoben und die Klage abgewiesen werden müsse.
Der Senat hat nochmals die Sachverständige A. W. sowie die Geschäftsführer der Parteien angehört (Protokolle vom 12.10.2016, Bl. 408 d.A. und vom 05.07.2017, Bl. 498 d.A.).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Protokolle sowie auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat im Wesentlichen Erfolg; die Anschlussberufung war zurückzuweisen.
A.
Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem Steuerberatungsvertrag mit der Klägerin verletzt und diese Pflichtverletzung auch zu vertreten (§§ 280 Abs. 1, 276 BGB).
I. Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestand im Januar 2005 ein Steuerberatungsvertrag, der die Beklagte gegenüber der Klägerin zu vollständigen und richtigen steuerrechtlichen Auskünften verpflichtete.
II. Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem Steuerberatungsvertrag mit der Klägerin verletzt (§ 280 Abs. 1 BGB).
1. Die Aussage der Beklagten am 25.01.2005, wonach die Sanierungsleistungen der Klägerin mit Blick auf § 3 Nr. 9 UStG nicht der Umsatzsteuer unterfallen (vgl. Anlage K 9), stellt eine Pflichtverletzung des Steuerberatervertrages zwischen den Parteien dar. Diese Aussage mag rechtlich vertretbar gewesen sein; sie entsprach aber nicht der auch der Beklagten erkennbaren Rechtsaufassung des BFH, worauf sie die Klägerin ausdrücklich hätte hinweisen müssen.
Durch die Aufspaltung von Veräußerung des Grundstücks (hier durch die V. GmbH) und (anschließender) Erbringung der Sanierung (hier durch die Klägerin) an die Erwerber auf zwei verschiedene Unternehmen, unterfällt nach überwiegender Auffassung die Sanierungsleistung auch bei einem einheitlichen Vertragswerk der Umsatzsteuer (vgl. dazu die Nachweise im Gutachten, Seite 23 unten). Entscheidend für die Pflichtverletzung der Beklagte ist jedoch, ob für die Beklagte Ende 2004/Anfang 2005 diese Auslegung des UStG durch den BFH und die Finanzverwaltung erkennbar war, wovon LG zu Recht ausgeht (vgl. dazu auch Gutachten, Seite 24 mit einem für Mai 2005 zitierten Kommentar). Die im Gutachten zitierte Textstelle findet sich fast wörtlich schon im Kommentar von Bunjes/Geist, UStG, 6. Aufl., 2000, mit Zitaten von im BStBl veröffentlichten Urteilen des BFH. Zu den Pflichten der Beklagte hätte es daher auch gezählt, in ihrer (Rechts-)Auskunft mitzuteilen, dass ihre Rechtsansicht nicht derjenigen des obersten Steuergerichts und der Praxis der Finanzverwaltung entspricht und daher sehr wahrscheinlich von der Finanzverwaltung auch im vorliegenden Fall nicht zugrunde gelegt werden wird. Die Beklagte hätte der Klägerin daher auch mitteilen müssen, dass die Finanzverwaltung die Sanierungsleistungen der Klägerin in dem gewählten Vertragsmodell sehr wahrscheinlich der Umsatzsteuer unterwerfen wird.
2. Diese Falschberatung erfolgte auch zu einem Zeitpunkt, zu dem die vertraglichen Grundlagen mit den Erwerbern noch nicht unveränderbar feststanden, sondern von der Klägerin in Zusammenarbeit mit der V. GmbH noch gestaltet werden konnten.
3. Die Beklagte hat die Falschberatung auch zu vertreten, da ihr eine vollständige Auskunft als Steuerberatungsgesellschaft bei der gebotenen Recherche möglich und zumutbar gewesen wäre (§ 276 BGB).
B.
Die unvollständige Auskunft der Beklagten im Januar 2005 hat die Klägerin in der Folge davon abgehalten, eine ihr umsatzsteuerrechtlich günstigere Vertragsgestaltung mit den Erwerbern der zu sanierenden Eigentumswohnungen zu vereinbaren.
I. Ohne die Pflichtverletzung der Beklagten hätte die Klägerin – zusammen mit der V. GmbH – das einheitliche Vertragswerk nach Auffassung des Senats dahingehend gestaltet, dass die Sanierungsdarlehen der LH M. (MGS) von den Erwerbern an die V. GmbH und nicht (wie tatsächlich erfolgt) an die Klägerin abtreten worden wären. Eine gegenüber der tatsächlichen Gestaltung abweichende Verschiebung des von den Erwerbern zu entrichteten (Bar-)Preises (Kaufpreis und Werklohn) zugunsten der V. GmbH in Höhe von 296.720,00 € sieht der Senat dagegen nicht als erwiesen an.
II. Der Feststellung dieser hypothetischen Vertragsgestaltung liegen diese rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen zugrunde:
1. Zur Beantwortung der Frage, welchen Schaden die Pflichtverletzung zur Folge hatte, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage des Betroffenen sein würde, wenn der Rechtsanwalt oder Steuerberater die Pflichtverletzung nicht begangen, sondern pflichtgemäß gehandelt hätte. Sofern die Pflichtverletzung in einer Unterlassung besteht, muss untersucht werden, wie die Dinge bei pflichtgemäßem positiven Handeln verlaufen wären. Es muss also hinzugedacht werden, dass der Schädiger seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hätte (BGH, Urteil vom 22. März 1990 – IX ZR 128/89, NJW 1990, 2128, 2129).
2. Der Senat hält es danach für überwiegend wahrscheinlich (§ 287 ZPO), dass die Klägerin und die V. GmbH in Kenntnis der drohenden Umsatzsteuerbelastung für Sanierungsleistungen der Klägerin die Verträge mit den Erwerbern so ausgestaltet hätten, dass die Darlehensauszahlungsansprüche der Erwerber gegen die LH M. (MGS) an die V. GmbH abgetreten worden wären.
a) Diese Vertragsgestaltung war möglich und sinnvoll; sie war aus der damaligen Sicht der Handelnden allerdings nicht zwingend durch die Pflichtverletzung der Beklagten beeinflusst.
Die Klägerin trägt dazu vor, dass in einem ersten Konzept vorgesehen war, die Darlehensauszahlungsansprüche an die V. GmbH abzutreten. Warum die Abtretung dann doch an die Klägerin erfolgte, wird nur sehr oberflächlich erläutert. Diese Entscheidung war nach dem Vortrag der Klägerin auch noch nicht zwingend durch die Falschberatung der Beklagten veranlasst. Die Klägerin ging damals (und geht noch heute) davon aus, dass die Abtretung der Darlehensauszahlungsansprüche in keinem Zusammenhang mit dem Entgelt für Bauleistungen der Klägerin oder Verkäuferleistungen der V. GmbH standen. Auch wenn die Klägerin von der Beklagten also zutreffend darüber aufgeklärt worden wäre, dass ihre Sanierungsleistungen der Umsatzsteuer unterliegen, wäre der Klägerin noch nicht notwendig bewusst gewesen, dass mit der Abtretung der Darlehensauszahlungsansprüche an die Klägerin das von den Erwerbern zu zahlende Entgelt für die Werkleistung (um den Wert der abgetretenen Darlehensforderung) erhöht worden wäre. Dies deckt sich auch mit dem ursprünglichen Vortrag der Klägerin, dass die Abtretung im Zusammenhang mit der Mietgarantie zu sehen sei, die aber entweder von der V. GmbH oder von der Klägerin zu stellen war. Damit war aber aus Sicht der Klägerin die Gestaltung der Abtretung zunächst noch unabhängig davon, ob die Bau-/Sanierungsleistungen der Umsatzsteuer unterfielen oder nicht; die Pflichtverletzung wäre danach nicht ursächlich dafür, dass aufgrund der späteren Beurteilung des FA (welche die Klägerin für falsch hält) die Förderdarlehen zur Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer für die Sanierungsleistungen herangezogen wurden.
b) Gleichwohl ist im Falle einer zutreffenden Beratung der Beklagten davon auszugehen, dass die Klägerin jedes Risiko vermieden hätte, das zu einer vermeidbaren Steuermehrbelastung führen konnte. Dieses Risiko ließ sich mit einer Abtretung an die V. GmbH ohne Aufwand und rechtssicher ausschließen.
Im Falle eines korrekten Hinweises auf die dem Grunde nach unvermeidbare Umsatzsteuer für die Sanierungsleistungen der Klägerin, hätte sie das Konzept umfassender steuerlich prüfen lassen (so der Vortrag Klägerin im Schriftsatz vom 23.03.2016, Seite 7 (= Bl. 353/354 d.A.), der nicht bestritten wurde und gut nachvollziehbar ist). In diesem Fall wäre – bei korrekter steuerrechtlicher Beratung – auch die Frage aufgeworfen worden, ob die Abtretung der Darlehensauszahlungsansprüche möglicherweise – ggf. abhängig von der vertraglichen Ausgestaltung in den Kauf- und Bauverträgen – als Teil der Gegenleistung der Erwerber für die Leistung der Klägerin (bzw. für die Leistung der V. GmbH) angesehen werden kann, mit der Folge, dass sich die Bemessungsgrundlage für die Verkehrssteuer entsprechend erhöhen kann. Weiter wäre darauf hingewiesen worden, dass eine zu großzügige Verschiebung der (Bar-)Entgelte zwischen der Klägerin und der V. GmbH möglicherweise steuerrechtlich auf Probleme stoßen kann und von der Finanzverwaltung als missbräuchlich angesehen werden könnte.
Der Senat geht aufgrund der Beweisaufnahme in I. Instanz und der zweifachen Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin davon aus, dass nach einer umfassenden steuerrechtlichen Klärung der rechtlichen Grundlagen in den Verträgen mit den Erwerbern die Abtretung der Darlehensauszahlungsansprüche nicht an die Klägerin, sondern an die V. GmbH vereinbart worden wäre (§ 287 ZPO). Die Vermeidung der Umsatzsteuer war das leitende Motiv für den Geschäftsführer der Klägerin, der dazu auch auf Erfahrungen seines Geschäftspartners (Herr B.) zurückgreifen konnte. Mit der Abtretung der Darlehensauszahlungsansprüche an die V. GmbH konnte ohne großen Aufwand und rechtssicher ausgeschlossen werden, dass insoweit Umsatzsteuer in Höhe der auszuzahlenden Darlehensbeträge anfallen wird. Eine damit möglichweise ausgelöste Erhöhung der Grunderwerbssteuer war dagegen zum einen deutlich geringer und diese wurde außerdem nach den (Kauf-)Verträgen (im Innerverhältnis zur V. GmbH) allein von den Erwerbern getragen.
Andere wirtschaftliche Vorteile für die Klägerin oder einen anderen Beteiligten, die nur mit einer Abtretung an die Klägerin erreicht werden konnten, sind nicht erkennbar. Soweit die Klägerin vorträgt, dass mit der Entscheidung zur Abtretung der Darlehensauszahlungsansprüche an die Klägerin – anstatt wie zunächst überlegt an die V. GmbH – die Überlegung verbunden war, das Projekt könne über die Klägerin „insgesamt einfacher“ abgewickelt werden, wiegen darin liegende administrative Vorteile das damit verbundene Risiko des Anfalls von Umsatzsteuer nicht ansatzweise auf.
c) Die Abtretung der Darlehensauszahlungsansprüche an die V. GmbH (anstatt an die Klägerin) war rechtlich möglich, hätte keine unzulässige Vertragsgestaltung im Sinne des § 42 AO dargestellt und wäre auch auf dem Markt ohne Preisnachlass durchgesetzt worden.
aa) Die Auszahlung des Förderdarlehens der MGS erfolgt (in Anwendung der zwei Stufen Theorie) mit den Mitteln des Privatrechts. Aus den Darlehensbedingungen der LH M. ergibt sich kein Abtretungsverbot (vgl. § 399 BGB); es stand den Erwerbern danach frei, wie sie die Fördermittel wirtschaftlich verwenden, solange die Förderbedingungen eingehalten und nachgewiesen sind. Zutreffend ist allerdings der Hinweis der Beklagten, dass sich die Erwerber die ihnen gewährten Fördermittel im Verhältnis zum Staat und bei der steuerlichen Veranlagung als Zuschuss für die Sanierung der Altsubstanz zurechnen lassen müssen, auch wenn die konkrete Verwendung anders erfolgte (hier: Erwerb des Grundstücks mit Altsubstanz). Dies steht aber der Abtretung an die V. GmbH nicht entgegen, sondern betrifft die Ermittlung des in der Person des Erwerbers steuerlich absetzbaren Sanierungsaufwands.
bb) Nach der Anhörung der Sachverständigen vor dem Senat kann nicht davon ausgegangen werden, dass mit der Abtretung der Darlehensauszahlungsansprüche an die V. GmbH nach § 42 AO ein Gestaltungsmissbrauch eingetreten wäre.
Zwar hätte das von der Klägerin vorgetragene Alternativkonzept im Ganzen (veränderter Abtretungsempfänger und Verschiebung der Entgelte) möglicherweise das Misstrauen der Finanzverwaltung erregt, jedoch vermochte die Sachverständige schon insoweit nicht aufzuzeigen, dass die Preisgestaltung tatsächlich einen Gestaltungsmissbrauch darstellt. Auch die erhöhten Kaufpreisbestandteile der V. GmbH stellten einen (steuerpflichtigen) Gewinn der V. GmbH dar, so dass letztlich nur der Anfall von Umsatzsteuer gesenkt worden wäre (möglicherweise zugunsten einer entsprechend erhöhten Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbssteuer). Auch vermochte die Sachverständige bis auf einen unproblematischen Ausnahmefall (Übernahme der Wohnung Nr. 10) keine Leistungsbeziehungen zwischen der Klägerin und der V. GmbH aufzuzeigen, die möglicherweise als weiteres Indiz für eine missbräuchliche Gestaltung der Preise herangezogen werden könnte. Vor diesem Hintergrund schließt es der Senat aus, dass allein die Änderung des Abtretungsempfänger (V. GmbH statt Klägerin) zu einer Beanstandung der Finanzbehörden geführt hätte.
d) Das geänderte Modell wäre auch von den Erwerbern akzeptiert worden, da es für sie keine Rolle spielte, an wen die Abtretung erfolgt. Die Verträge wurden von der Klägerin und der V. GmbH vorformuliert und als AGB gegenüber den Erwerbern verwandt. Die einzelnen dort aufzufindenden Bestimmungen über die Abtretung und die technische Abwicklung der Zahlungen waren nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen. Aus dem Vortrag der Parteien ergibt sich auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Abtretung für die steuerliche Förderung hinterfragt worden wären.
e) Das an dieser Stelle geänderte Modell hätte auch keine Nachteile bei der Platzierung der Eigentumswohnungen auf dem Markt mit sich gebracht. In der Höhe der Subvention der LH M. (MGS) bestand nach § 7h Abs. 1 Satz 4 EStG ohnehin keine Absetzungsmöglichkeit. Das Abschreibungsvolumen hätte sich nur durch den Ausweis eines niedrigeren Sanierungsentgelts durch die Klägerin gegenüber den Erwerbern verringert. Davon geht der Senat jedoch nicht aus (s. u.). Der Argumentation der Beklagten im Schriftsatz vom 06.02.2017 Seite 10/11 (= Bl. 453/471 d. A.), dass eine Auszahlung der Darlehen der LH M. (MGS) an die V. GmbH statt an die Klägerin das Abschreibungsvolumen vermindert hätte, trifft dagegen nicht zu. Maßgeblich waren die in den Verträgen mit der Klägerin ausgewiesenen Sanierungsaufwendungen; dass einer von den Erwerbern darüber hinaus Absetzungen nach § 7h EStG mit der Begründung geltend gemacht, dass Darlehen der MGS sei zusätzlich an das Sanierungsunternehmen ausgezahlt worden, wird von niemandem vorgebracht.
3. Der Senat vermochte sich dagegen nicht (mit dem Maßstab des § 287 ZPO) davon zu überzeugen, dass die Klägerin zusammen mit der V. GmbH im Falle der oben aufgezeigten steuerlichen Beratung eine Verschiebung des von den Erwerbern zu zahlenden Entgelts zugunsten der V. GmbH in Höhe von 296.720,00 € umgesetzt hätte (also weniger Werklohn für die Sanierung, dafür aber ein entsprechend höherer Kaufpreis für den Altbestand und das Grundstück von der V. GmbH).
a) Allerdings spricht für diesen Vortrag der Klägerin im Ansatz eine allgemeine wirtschaftliche Überlegung. Fällt für bestimmte Leistungen des Steuerpflichtigen die Umsatzsteuer an, für andere Leistungen dagegen nicht und kann er die anfallende Umsatzsteuer auch nicht wirtschaftlich an seinen Vertragspartner abwälzen, spricht eine Vermutung dafür, dass der Steuerpflichtige seine Entgelte so gestaltet, dass er möglichst wenig Umsatzsteuer tragen muss.
b) Gleichwohl vermag diese allgemeine Überlegung den Senat im vorliegenden Fall noch nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin gerade eine Verschiebung der Entgelte in Höhe von 296.720 € vorgenommen hätte. Für diese (hypothetische) Gestaltung finden sich im Vortrag der Klägerin keine Anhaltspunkte, die gerade für diese hypothetische Kalkulation sprechen oder gerade diese Höhe der Verschiebung nahelegen würden.
Auch bleibt die Klägerin Vortrag schuldig, mit welchen Aussagen zur steuerlichen Absatzbarkeit die Objekte auf dem Markt angeboten worden sind und dass sich die veränderten Preisbestandteile auf diese Aussagen nicht ausgewirkt hätten (vgl. Hinweisbeschluss vom 02.11.2016). Die Höhe der anfänglichen Abschreibung für die Erwerber hätte sich in Höhe der Differenz von 296.720 € erheblich verschlechtert. Der Altbestand (nicht das Grundstück) konnte bei einem Kauf von der V. zwar ebenfalls abgeschrieben werden, aber nur mit einem Satz von 2,5%, also in vierzig Jahren (vgl. § 7 Abs. 4 EStG). Bei älteren Anlegern – wie in dem von der Klägerin urkundlich belegten Beispielsfall (Anlagenkonvolut K 22) – bildete diese Aussicht gegenüber einem Abschreibungssatz von achtmal 9% und viermal 7% bei der Anwendung von § 7h EStG keine attraktive Alternative.
c) Vor allem aber war zu berücksichtigen, dass das Modell im Falle einer zutreffenden Beratung durch die Beklagte einer intensiveren rechtlichen Prüfung unterzogen worden wäre, bei der auch die Frage aufgetaucht wäre, bis zu welcher Grenze die Entgelte von Sanierung und Erwerb verschoben werden können (s.o.). Der Senat hat aufgrund der persönlichen Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin den Eindruck gewonnen, dass er sein Handeln zwar streng wirtschaftlich ausrichtet, andererseits aber dabei auch keine übergroßen Risiken in Kauf nimmt. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für wahrscheinlicher, dass es unter Abwägung der Risiken zwar zur Umgestaltung bei der Abtretung gekommen wäre, aber keine signifikante Änderung im Preisgefüge vorgenommen worden wäre.
C.
Der Klägerin ist wegen der unvollständigen Beratung der Beklagten und der damit unterlassenen abweichenden Vertragsgestaltung ein Vermögensschaden entstanden, der sich aus einer konsolidierten Schadensbetrachtung der Vermögen der Klägerin und der V. GmbH ergibt.
I. Dem vertraglichen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB ist eine „konsolidierte“ Schadensbetrachtung zugrunde zu legen, bei der das Vermögen der V. GmbH in den anzustellenden Gesamtvermögensvergleich mit einzubeziehen ist (dazu BGH, Urt. vom 10.12.2015, IX ZR 56/15 = NGZ 2016, 238, mit Besprechung Riedel/Grabmann, NGZ 2016, 650).
1. Entscheidend für die Reichweite der konsolidierten Schadensbetrachtung ist der konkrete Auftrag, den der Mandant dem Berater ausdrücklich oder den Umständen nach erteilt hat. Wenn der Mandant im Rahmen einer Beratung die Berücksichtigung der Interessen eines Dritten zum Gegenstand der Beratungsleistung gemacht hat, ist die Schadensberechnung auch unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen (BGH, Urteil vom 10.12.2015 – IX ZR 56/15 Rz 13 bei Juris). Der BGH hat in seinem Urteil vom 18.02.2016, IX ZR 191/13 daraus folgenden Leitsatz formuliert: „Hat der steuerliche Berater nach dem Inhalt des Vertrages die Interessen mehrerer von seinem Mandanten beherrschter Gesellschaften zu beachten, ist im Falle der Pflichtverletzung die Schadensberechnung unter Einbeziehung der Vermögenslage dieser Unternehmen vorzunehmen (Fortführung von BGH, Urteil vom 10.12.2015, IX ZR 56/15).“
2. Der vorliegende Fall weicht zwar insoweit davon ab, als der Mandant und unmittelbarer Empfänger der Leistungen der Beklagten nicht der „Hintermann“ der Gesellschaften war (Herr Z.), sondern seine beiden Gesellschaften In. und V. (vgl. Anhörung Wl. Bl. 409 d. A.). Die Aktennotiz vom 18.01.2005 (K 2) befasst sich nur mit der V., insbesondere der Umsatzsteuer für Baupläne. Die Aktennotiz vom 25.01.2008 (K 9) behandelt auf den Seiten 4/5 die Umsatzsteuerpflicht der Sanierungsleistungen der In. (Klägerin). Die wirtschaftlichen Interessen von Dr. Z. und Herrn B. werden nicht angesprochen; ein dahingehender Hinweis ergibt sich auch nicht aus den Anhörungen von Dr. Z. vom 12.10.2016 (Bl. 409/410 d. A.) und vom 05.07.2017 (Bl. 499/500 d. A.). Konkret geklärt werden sollte die technische Frage der Umsatzsteuerpflicht gewisser Leistungen. Es ging bei der Beratung der Beklagten damit nicht um eine Vermögensberatung von Dr. Z. (oder Herrn B.) oder wie man aus den beiden Gesellschaften mit beschränkter Haftung am besten den Projektgewinn abschöpfen sollte (Gestaltung der partiarischen Darlehen), sondern um eine steueroptimierte Ausgestaltung des mandantenseits der Beklagten vorgegebenen Erwerbermodells mit der Klägerin und der V. GmbH als gemeinsamen Anbietern.
3. Der von der Klägerin geltend gemachte Vermögennachteil liegt im Kern darin, dass bei einer abweichenden Zuweisung der Leistungen der Erwerber an eine andere (verbundene) Gesellschaft steuerliche Vorteile (geringere Umsatzsteuer) im „Konzern“ erzielt werden konnten, weil so der Anfall von Umsatzsteuer zu einem großen Teil vermeidbar war. Diese schadensrechtliche Gesamtbetrachtung muss sich die Beklagte nach Sinn und Zweck der von ihr erbrachten steuerrechtlichen Beratungsleistungen entgegenhalten lassen, da sie ihrem Auftragsgegenstand entsprach.
Der Anfall der Umsatzsteuer für die abgetretenen Darlehensauszahlungsansprüche richtet sich (mit Blick auf § 4 Nr. 9a) UStG) entscheidend danach, an welche Person die Abtretung erfolgt. Insoweit ähnelt der Sachverhalt demjenigen, der dem BGH in der eingangs zitierten Entscheidung zugrunde lag (zinsloses Darlehen gegenüber einem verzinslichen Darlehen). Auch besteht zwischen der Klägerin und der V. GmbH eine enge Verflechtung, da sich beide Gesellschaften zu 100% im Besitz des Herrn Dr. Z. befinden, was der Beklagten bekannt war. Die vertragliche Beratungssituation erfasste schließlich ausweislich der „Aktennotizen“ in K 2 und K 9 einheitlich beide Gesellschaften und es ging um ein einheitliches, zeitlich und räumlich begrenztes Projekt, wegen dem die Beklagte um steuerliche Beratung gebeten wurde. Auch räumte die Beklagte in der der Sitzung vom 12.10.2016 ein Auftragsverhältnis mit beiden Gesellschaften ein (Protokoll vom 12.10.2016, Seite 2 = Bl. 409 d.A.). Zwar gab es keinen Auftrag, ein einheitliches steuerliches Konzept insbesondere mit Blick auf die Darlehensauszahlungsansprüche entwerfen. Dies unterblieb aber deshalb, weil die erste fehlerhafte Auskunft der Beklagten zur Behandlung der Sanierungsleistungen jede weitere Nachfrage und Erweiterung des Auftrags unterband. Da aber sowohl die Klägerin als auch die V. GmbH den Schutz der einheitlichen vertraglichen Beratung genießen sollten, muss der aus dieser Falschberatung entstandene Schaden für diese wirtschaftliche Einheit der Klägerin und der V. GmbH als Ganzes betrachtet werden.
II. Ausgehend von diesen Grundsätzen legt der Senat seiner Schadensberechnung die folgenden Ansätze zum tatsächlichen Vermögen („Ist-Vermögen“) der am Gesamtvermögensvergleich beteiligten Personen zugrunde, wobei die Auswirkungen der partiarischen Darlehensverträge auf den Schadensersatzanspruch an dieser Stelle ausgeblendet bleiben (zu letzterem siehe D.).
1. Das tatsächliche Vermögen der Klägerin stellt sich ausgehend von der Aufstellung in Anlage K 20, mit Einnahmen von 769.670,00 € und (einschließlich durch die Pflichtverletzung verursachter zusätzlicher) Aufwendungen in Höhe von 446.046,09 € dar.
a) Der Klägerin sind als Erträge die Erlöse (für Baukosten, lt. K 20) in Höhe von 190.416 € sowie die MGS-Darlehen in Höhe von 569.254,00 € zugeflossen. Dies ergibt Einnahmen von 759.670,00 €.
b) Bei den Ausgaben (K 5, 20) sind die Mietgarantie anzusetzen (- 142.690,00 €) und der Mindererlös WE 10 (- 67.042,00 €), weswegen das FA eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen hat. Diese Position steht aber mit der Pflichtverletzung der Beklagten im keinem Zusammenhang (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 20.12.2017, Seite (= Bl. 532/533 d.A.), weshalb diese Position auch beim hypothetischen Kausalverlauf eingestellt wird.
c) Beim Anteil der Klägerin an den Gemeinkosten des Projekts werden nur 103.227,00 € angesetzt, die unabhängig von der Pflichtverletzung der Beklagten angefallen sind. Nach der Darstellung dieser Position im Schriftsatz vom 20.12.2017 (Bl. 533 d. A.) werden weitere 10.000,00 € wegen nachträglicher Ermittlung der Vorsteuern und Rechtsstreitigkeiten geltend gemacht.
d) Bei der Position „Kosten RSt Prozesss“ (- 33.000 €) handelt es sich nach der Darstellung der Klägerin im Schriftsatz vom 20.12.2017 (Bl. 532 d.A.) um eine Rückstellung für die Kosten dieses Schadensersatzprozesses. Diese Position wird nicht angesetzt, da eine Kostenerstattung aufgrund Kostenentscheidung erfolgt und Rückstellungen nur künftig zu erwartende Schäden betreffen.
e) Als weitere durch die Pflichtverletzung der Beklagten verursachte Vermögensminderungen der Klägerin, die in Anlage K 20 mit insgesamt 19.668,00 € angesetzt werden, sind in die Schadenberechnung nur 7.110,09 € als durch die Pflichtverletzung ausgelöste Schäden einzustellen:
aa) Die Verfahrenskosten im Prozess mit Till B. in Höhe von 4.110,09 € hat das EU der Klägerin bereits zu Recht zugesprochen. Dieser Prozesskostenaufwand der Klägerin war die Folge der Auskunft der Beklagten, dass wegen der Bauleistungen keine Umsatzsteuer anfällt.
bb) Von dem von der Klägerin geltend gemachten Bearbeitungsaufwand für nachträgliche Vorsteuerermittlung in Höhe von 5.768,75 € hat das EU der Klägerin 3.000,00 € zugesprochen. Dessen Schätzung teilt der Senat (siehe Hinweis-Beschluss vom 12.10.2016, Seiten 6, 7 = Bl. 423 f d.A.). Der von der Klägerin darüber hinausgehende Aufwand stellt dagegen keinen zurechenbaren Schaden mehr dar.
cc) Wegen der weiteren mit der Klage dargestellten Aufwendungen zur Schadensprüfung von 1.861,50 €, den Kosten für nutzlose Beratungsleistungen von 3.100,00 € sowie wegen der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.980,40 € fehlt es an einem ursächlichen Vermögensschaden. Zur Begründung wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 12.10.2016 Bezug genommen, wonach wegen der Positionen aa) bis cc) ein Schaden in Höhe von insgesamt 7.110,09 € anzusetzen ist (§ 287 ZPO).
ee) Anfall von Umsatzsteuer (einschließlich AO-Zinsen) bei der Klägerin in Höhe von 125.977,00 €.
f) Das Ergebnis der Klägerin beträgt 313.623,91 €.
2. Das tatsächliche Vermögen der V. GmbH richtet sich nach deren Aufstellung in Anlage K 20, dessen Ansätze zugrunde gelegt werden können. Danach beträgt das Ergebnis der V. GmbH 2.867,00 €, wobei weder Umsatz- noch Grunderwerbssteuer anfiel. Die Umsatzsteuer fiel wegen § 3 UStG nicht an, die Grunderwerbssteuer wurde nach in den Kaufverträgen auf die Erwerber übergewälzt, so dass sie ebenfalls nicht bei der V. GmbH anfiel.
3. Das Gesamtergebnis der am Gesamtvermögensvergleich beteiligten Personen beträgt beim „Ist-Vermögen“ 316.490,91 €.
III. Ermittlung des hypothetischen Vermögens (bei Annahme, dass die Darlehensauszahlungsansprüche an die V. GmbH abgetreten wurden) der am Gesamtvermögensvergleich beteiligten Personen, wobei die Auswirkungen der partiarischen Darlehensverträge zunächst ausgeblendet bleiben (zu letzterem siehe D.).
1. Das hypothetische Vermögen der Klägerin stellt sich mit Einnahmen von 190.416,00 € und Aufwendungen in Höhe von 209.488,24 € dar.
a) Die Einnahmen aus der Sanierung entsprechen dem Betrag aus Anlage K 20, da keine Veränderung der vertraglich vereinbarten Entgelte erfolgt wäre. Das Ergebnis Sanierung (Einnahmen/Ausgaben) entspricht der Ist-Berechnung. Die Klägerin hätte aber bei der geänderten Vertragsgestaltung nicht den MGS-Zuschuss erhalten (0,0 €).
b) Bei den hypothetischen Ausgaben (K 5, 20) entfallen die Mietgarantie, die von der V. GmbH übernommen worden wäre. Der Mindererlös WE 10 (- 67.042,00 €) ist identisch, da diese Positionen mit der Pflichtverletzung der Beklagten im keinem Zusammenhang steht.
c) Beim Anteil der Klägerin an den Gemeinkosten des Projekts werden wieder mit 103.227,00 € angesetzt, die unabhängig von der Pflichtverletzung der Beklagten angefallen sind.
d) Bei der Position „Kosten RSt Prozesss“ (- 33.000 €) handelt es sich nach der Darstellung der Klägerin im Schriftsatz vom 20.12.2017 (Bl. 532 d. A.) um eine Rückstellung für die Kosten dieses Schadensersatzprozesses. Diese Position wird nicht angesetzt, da eine Kostenerstattung aufgrund Kostenentscheidung erfolgt und Rückstellungen nur künftig zu erwartende Schäden betreffen.
e) Ohne die Pflichtverletzung wäre es weder zu einer rechtlichen Auseinandersetzung mit einem Erwerber wegen der Umsatzsteuer noch zur Notwendigkeit einer nachträglichen Erfassung der Umsatzsteuer gekommen. Allerdings wären der Klägerin zusätzliche Kosten für Rechtsberatung zur vollständigen steuerlichen Klärung des Konzepts entstanden, die der Senat auf 5.000,00 € (§ 287 ZPO; 20 Stunden zu 250,00 €) schätzt; nach dem Klagevortag (siehe oben B. II. 2. b) wäre bei einer zutreffenden Auskunft das gesamte Konzept überprüft worden. Den hierbei anfallenden Honoraraufwand hätte die Klägerin tragen müssen.
f) Bei der Klägerin wäre lediglich Umsatzsteuer wegen ihre Sanierungsleistungen in Höhe von 34.219,24 € (nachträglich erhobene USt 112.738,24 € – 78.519,00 € = Anteil des MSG-Darlehens) angefallen, deren Bemessungsgrundlage die in den Kaufverträgen vereinbarten Zahlungen der Erwerber wären. AO-Zinsen wären nicht angefallen, da in Kenntnis der Rechtslage die Umsatzsteuer rechtzeitig und vollständig abgeführt worden wäre.
g) Das Ergebnis der Klägerin beträgt – 19.072,24 €
2. Das hypothetische Vermögen der V. GmbH stellt sich mit Einnahmen von 572.121,00 € und zusätzlichen Aufwendungen in Höhe von 142.690,00 € dar.
a) Das Ergebnis der V. GmbH wegen der Altsubstanz entspricht der tatsächlichen Entwicklung (Einnahmen/Ausgaben, lt. K 20) mit 2.867,00 €, da keine Entgeltverschiebung erfolgt wäre. Auch die Behandlung der WE 10 hätte sich nicht geändert. Zusätzlich wären jedoch der V. GmbH der MGS-Zuschuss in Höhe von 569.254,00 € zugeflossen. Das Ergebnis der V. GmbH vor Prüfung von weiteren Ausgaben beträgt daher 572.121,00 €
b) Bei der hypothetischen Entwicklung wären bis auf die von der Klägerin übernommene Mietgarantie keine weiteren Aufwendungen oder Kosten bei der V. GmbH angefallen.
aa) Die Kosten der Mietgarantie (- 142.690,00 €) wären allerdings bei der abweichenden Vertragsgestaltung von der V. GmbH übernommen worden; der mit dieser Position verbundene Aufwand steht jedoch mit der Pflichtverletzung der Beklagten in keinen Zusammenhang, so dass sie sich auch die Schadensberechnung beim konsolidierten Gesamtvermögensvergleich im Ergebnis nicht auswirkt.
bb) Bei der V. GmbH wäre keine (höhere) Grunderwerbssteuer angefallen. Zwar wäre deren Bemessungsgrundlage nach Auffassung des Senats (ebenfalls) um den Auszahlungsbetrag der MSG-Darlehen, deren Abtretung dann entsprechend der vorgelegten Vertragsgestaltung (vgl. Anlagenkonvolut K 22, Bauvertrag Sondereigentum, „§ 3 Vergütung und Abtretung“ mit der dort vorgesehenen Ausgleichspflicht des Auftragsgebers im Falle eines Verfalls des Darlehens) dann ebenfalls einen Teil der Gegenleistung der Erwerber für den Erwerb des Grundstücks und der Altbausubstanz darstellt hätte, zu erhöhen gewesen.
Dies führt aber nicht zu einer entsprechenden Belastung der V. GmbH. Zum einen ist in tatsächlicher Hinsicht fraglich, ob die Finanzverwaltung die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbssteuer um die Darlehensauszahlungen erhöht hätte. Entscheidend aber ist, dass diese Steuerlast von der V. GmbH in den Kaufverträgen – wie auch tatsächlich geschehen – auf die Erwerber abwälzt worden wäre, so dass ihr dadurch keine höheren Kosten entstanden wären. Der Senat vermag keinen Anhaltspunkt zu erkennen, dass dies von den Erwerbern nicht akzeptiert worden wäre.
cc) Die V. GmbH hätte in diesem Fall keine zusätzlichen Ausgaben für Rechtsberatungskosten gehabt, da diese bei der Klägerin angefallen wären und auch dort angesetzt werden.
c) Das Ergebnis „Soll“ der V. GmbH beträgt 429.431,00 €
3. Das Gesamtergebnis der am Gesamtvermögensvergleich beteiligten Personen beträgt beim „Soll“-Vermögen 410.358,76 €.
D.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 93.867,85 € nebst Zinsen in Höhe der Klageforderung zu.
I. In den nach §§ 280, 249 BGB anzustellenden Gesamtvermögensvergleich sind weder die Zinsaufwendungen aus den beiden partiarischen Darlehensverträgen (Anlagen B 2 und K 26) schadensmindernd zu berücksichtigen noch ist dieser wegen ersparter Körperschaftssteuer zu korrigieren.
1. Der konsolidierte Gesamtvermögensschaden beträgt 93.867,85 € (Differenz aus dem konsolidierten Soll-Vermögen gegenüber dem konsolidierten Ist-Vermögen). Dies entspricht der insgesamt ersparten Umsatzsteuer für die MGS-Darlehen, den ersparten AO-Zinsen (zusammen 91.757,75 €) und einem saldierten Rechtsberatungsschaden von 2.110,09 €. Dieser Betrag ist weder wegen der Aufwendungen der Klägerin oder der V. GmbH auf die partiarischen Darlehen noch wegen erzielter Vorteile bei der Körperschaftssteuer zu mindern.
2. Die von der Klägerin und der V. GmbH in den beiden partiarischen Darlehensverträgen versprochenen Zinsen in Form einer 50%igen Beteiligung des Werner B. am Projektüberschuss verändern den unter 1. ermittelten Gesamtvermögensschaden der Klägerin nicht und müssen im Verhältnis zur Beklagten bei der Schadensermittlung ausgeblendet werden. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Steuerberatungsvertrages zwischen den Parteien.
Die beiden partiarischen Darlehen sind darauf angelegt, eine vollständige Abschöpfung des Projektgewinns zugunsten der beiden Initiatoren zu erreichen, die daran gleichmäßig teilhaben sollten. Nach der gefundenen Vertragslage und den Vorstellungen der beiden Initiatoren spielte es keine Rolle, bei welcher beteiligten Projektgesellschaft (Klägerin oder V. GmbH) der Gewinn anfiel, da mit beiden gleichlautende Gewinnabführungsvereinbarungen getroffen wurden. Der Beklagten war zur Zeit der Beratung auch bekannt, dass der Projektgewinn zwischen den Initiatoren vorweg aufgeteilt werden sollte; sie ging – letztlich aufgrund ihrer unvollständigen Beratung – lediglich davon aus, dass der Gewinn bei der Klägerin anfallen würde. Es hätte aber weder für die inhaltliche Beratung der Beklagten noch für deren Pflichtenprogramm eine Änderung ergeben, wenn der Projektgewinn bei der V. GmbH anfallen sollte. In beiden Fällen war die Beklagte dafür verantwortlich, den am Erwerbermodell beteiligten Projektgesellschaften einen Weg aufzuzeigen, Umsatzsteuern zu vermeiden.
Für den sich daraus ergebenden Schaden der Klägerin muss die Beklagte nach ihrem Vertragsversprechen einstehen, auch wenn der damit realisierte Gewinn nach der Projektplanung sofort abgeführt werden musste. Die mit den beiden Darlehensvertragen verbundene Gewinnverwendung bleibt deshalb bei der Ermittlung des Gesamtvermögensschadens außen vor. Andernfalls würde die Beklagte, egal welchen Fehler sie gemacht hätte, aus der (ihr vorgegebenen und ihr bekannten) Gewinnverwendung des Mandanten einen ungerechtfertigten Vorteil ziehen, solange das Projekt insgesamt noch mit einem Überschuss geendet hätte.
3. Der Schaden ist auch nicht wegen von der Klägerin oder von der V. GmbH im Zusammenhang mit dem Haftungsfall entstehender Steuervorteile zu kürzen, da sich diese nicht sicher feststellen lassen (§ 287 ZPO).
a) Soweit bei der hypothetischen Vertragsgestaltung der Projektgewinn bei der V. GmbH (und nicht bei der Klägerin) angefallen wäre, wäre für diesen (ebenfalls) keine Körperschaftssteuer angefallen. Der steuerrechtliche Gewinn der V. GmbH wäre wegen der Zinsaufwendungen aus dem partiarischen Darlehen (Anlage K 26 zu Bl. 477/491) ermäßigt worden, zudem verfügte die V. über ausreichende Verlustvorträge (vgl. Schriftsatz vom 20.06.2017, Seite 8 f = Bl. 484 d.A. und Schriftsatz vom 28.09.2017, Seite 1 = Bl. 504 d.A. mit Anlagen K 26 und K 27; die Beklagte ist diesem Vortrag zu Verlustvorträgen nicht weiter entgegengetreten). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die V. GmbH den gesamten mit dem partiarischen Darlehen getragenen Aufwand als Betriebsausgabe abziehen könnte oder, wie die Beklagte meint, nur einen Teil davon.
b) Die Klägerin muss sich auch keinen Vorteil wegen tatsächlich nicht verbrauchter Verlustvorträge der V. GmbH entgegen halten lassen, die ihr deswegen heute noch (als „Vorteil“) zur Verfügung stünden. Ob ein solcher Vorteil eintritt, lässt sich nicht mit der Sicherheit des § 287 ZPO feststellen, da auch die Schadensersatzforderung gegen die Beklagte der Besteuerung unterliegt. Eine damit verbundene Steuerlast der Klägerin wiegt denkbare noch vorhandene Vorteile bei der V. GmbH auf, da nach der konsolidierten Schadensberechnung das Vermögen beider Gesellschaften zusammen zu bewerten ist.
II. Die Klägerin kann schließlich auch die Zahlung des vertraglichen Schadensersatzanspruchs an sich verlangen.
Die Klägerin ist Vertragspartnerin der Beklagten, die fehlerhafte Beratung betrifft ihre umsatzsteuerrechtlichen Pflichten und in ihrer Person werden alle Tatbestandsmerkmale der Haftungsnorm verwirklicht. Zwar lässt sich ein Schaden der Klägerin erst im Wege der konsolidierten Schadensberechnung feststellen, jedoch führt dies nicht dazu, dass die daraus ergebende Forderung der V. GmbH zustünde oder die Beklagte nur an die Klägerin und die V. GmbH gemeinschaftlich (vgl. § 432 BGB) leisten müsste.
Wie bei der Drittschadensliquidation wird auch hier der Schaden „zur Anspruchsgrundlage“ gezogen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., 2018, vor § 249 Rdnr. 105, 107), woraus sich ein Forderungsrecht des Gläubigers an sich ergibt. Die Beklagte ist dadurch auch nicht belastet, insbesondere sieht sie sich nicht der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme ausgesetzt. Die Abwicklung des hier von der Klägerin verlangten Umsatzsteuerschadens erfolgt ersichtlich mit Zustimmung der V. GmbH und des hinter beiden Gesellschaften stehenden Alleingesellschafters. Schon aus diesem Grund wären denkbare Ansprüche der V. GmbH, die aus der unzureichenden Beratung der Klägerin über deren Umsatzsteuerpflicht abgeleitet werden, sicher verjährt (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB).
III. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1 BGB.
Die Schadensersatzforderung war im Dezember 2011 fällig und einredefrei. Das Schreiben der Klägerin vom 14.12.2011 enthält eine Mahnung, da sich daraus ihr Leistungsverlangen klar und deutlich entnehmen lässt. Die Gewährung einer Zahlungsfrist steht dem Eintritt des Verzugs ebenso wenig entgegen wie eine gewisse Zuvielforderung (Palandt/Grüneberg, § 286 Rdnr. 17, 20).
E.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 92, 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Die ohne den Beratungsfehler getroffene Vertragsgestaltung beim Erwerbermodell betrifft die Tatsachenermittlung und -feststellung in einem Einzelfall. Die weiter aufgeworfene Frage der schadensmindernden Berücksichtigung von bestimmten Zinsaufwendungen aus einem partiarischen Darlehen des Schadensersatzgläubigers stellt sich in einer besonders gelagerten Konstellation, die keine grundsätzliche Klärung dieser Rechtsfrage verlangt.


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