Steuerrecht

Steuererstattung als außerordentliche Einkünfte

Aktenzeichen  2 K 1666/20

Datum:
4.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 50999
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 34 Abs. 1, Abs. 2 , § 24 Nr. 1
FGO § 68 S. 1
AO § 233a

 

Leitsatz

Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist, wenn in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten sind, die auf diese Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach einem besonderen Verfahren zu berechnen. Erstattungszinsen sind jedoch keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne dieser Norm. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten (nur) noch über die Tarifbegünstigung von aufgrund einer Umsatzsteuererstattung durch das beklagte Finanzamt (das Finanzamt – FA -) gezahlten Erstattungszinsen.
Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr vom FA zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einem Kfz-Handel. Der Gewinn wurde durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt.
Am 29. April 2004 erließ das FA aufgrund Erkenntnissen aus einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1997 bis 2000. Nach einem Einspruchs-, Klage- und Revisionsverfahren erzielten die Beteiligten im zweiten Rechtszug vor dem Finanzgericht eine tatsächliche Verständigung. Am 28. November 2012 wurden daraufhin diese Bescheide geändert. Aufgrund der geänderten Bescheide erstattete das FA den Klägern Umsatzsteuer i. H. v. 321.774 € und Zinsen nach § 233a der Abgabenordnung (AO) hierauf i. H. v. 203.022 €.
Der Kläger aktivierte diese Erstattungen in seiner Buchführung und erklärte in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. v. 510.303 €. Daraufhin erging am 7. Juli 2014 ein insoweit erklärungsgemäßer Einkommensteuerbescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand und Einkommensteuer i. H. v. 156.086 € festsetzte.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 beantragten die Kläger die Änderung dieses Bescheides. Sowohl die erstattete Umsatzsteuer, als auch die Erstattungszinsen seien außerordentliche Einkünfte und daher der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu unterwerfen. Den Änderungsantrag lehnte das FA mit Bescheid vom 30. Juni 2017 ab. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2017 änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 2012 aus nicht streiterheblichen Gründen und setzte Einkommensteuer i. H. v. 156.318 € fest. Der Einspruch gegen die Ablehnung des Änderungsantrages blieb in der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2020 erfolglos. In der Einspruchsentscheidung wird ausgeführt, dass dem Einspruch durch Änderungsbescheid vom 9. Juli 2017 teilweise dergestalt abgeholfen wurde, dass die Umsatzsteuererstattung als außerordentliche Einkünfte behandelt wurden. Mit Bescheid vom 15. Juli 2020 änderte das FA den Bescheid vom 24. Oktober 2014, behandelte die Umsatzsteuererstattung als außerordentliche Einkünfte und setzte Einkommensteuer i. H. v. 155.702 € fest. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, dass der Einspruch gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2017 durch diesen Bescheid nicht erledigt sei. Das Verfahren werde fortgesetzt, eines weiteren Einspruchs bedürfe es nicht. Mit Schriftsatz vom 23. Juli 2020 erhoben die Kläger die vorliegende Klage, „gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 7. Juli 2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 15. Juli 2020“.
Die Kläger sind der Auffassung, auch bei den Erstattungszinsen aufgrund eines langwierigen Rechtsstreits handle es sich um ein außerordentliches Ereignis i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Erforderlich hierfür sei eine mehrjährige Vergütung, die für die Einkunftsart atypisch sei und beim Steuerpflichtigen zu einem Progressionseffekt führe. In diesem Fall sei das Tatbestandsmerkmal der Außerordentlichkeit erfüllt. Die (Erstattungs) Zinsen würden bilanzrechtlich das Schicksal der entsprechenden Steuererstattung teilen und seien daher nicht ratierlich über den Zeitraum zu aktivieren, für den sie gezahlt würden, sondern auf den einmaligen Moment ihrer Zahlung. Weiterhin würden die Erstattungszinsen vorliegend immerhin 38% des erstatteten Gesamtbetrages ausmachen. Die tatsächliche Verständigung vor dem Finanzgericht im zweiten Rechtszug sei ein für einen Kfz-Händler atypisches Ereignis. Als Tätigkeit i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG sei vorliegend die – auch zwangsweise – Überlassung von Kapital an den Fiskus zu sehen. Weiterhin würden Erstattungszinsen gemäß § 233a AO schon aufgrund von deren gesetzlich angeordneter Akzessorietät als steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 Nr. 4 AO) das Schicksal der steuerlichen „Hauptschuld“ – hier der Umsatzsteuererstattung – teilen. Schließlich sei die geforderte Behandlung der Erstattungszinsen schon aus Gründen des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 des Grundgesetzes geboten.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das FA zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 vom 7. Juli 2014, zuletzt geändert durch Bescheid vom 9. Juli 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2020 dergestalt zu ändern, dass Erstattungszinsen i. H. v. 203.022 € gemäß § 34 EStG ermäßigt besteuert werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, Erstattungszinsen fielen nicht unter die Vorschrift des § 34 EStG. Es handle sich nicht um Einkünfte i. S. d. § 24 EStG. Es handle sich auch nicht um Zinsen i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG. Die in dieser Vorschrift enthaltener Aufzählung sei abschließend. Schließlich liege auch keine Tätigkeit i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG vor. Auch die Tatsache, dass die Erstattungszinsen bilanzrechtlich das Schicksal der erstatteten Steuer teilen würden führe zu keiner anderen Beurteilung. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes sei die Umsatzsteuer zwar nicht Entgelt für die erbrachte Leistung des Unternehmers. Dennoch sei den Klägern aufgrund der tatsächlichen Verständigung im Jahr 2012 für mehrere Jahre Umsatzsteuer erstattet worden und daher greife insoweit die Vorschrift des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Das gelte jedoch nicht für die Erstattungszinsen, weil diese gemäß § 233a AO kraft Gesetzes entstünden. Sie sollten typisierend einen – zu Unrecht – entstandenen Liquiditätsvor- bzw. -nachteil ausgleichen und seien gänzlich unabhängig vom zugrundeliegenden tatsächlichen Einzelfall. Schließlich sei es keineswegs unüblich, dass Zinsen i. S. d. § 233a AO einen Zeitraum von mehreren Jahren umfassten.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Schriftsatz des Beklagten vom 17. August 2020; Schriftsatz des Klägervertreters vom 15. März 2021).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Zu Recht hat das FA eine Änderung des Einkommensteuerbescheides über die Änderung durch den Bescheid vom 15. Juli 2020 hinaus abgelehnt.
1. Der Senat legt die erhobene Klage als Verpflichtungsklage auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2012 vom 7. Juli 2014 in der Gestalt, die dieser durch die Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2020 gefunden hat, aus (§ 44 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).
a) Bei dem ursprünglichen Antrag der Kläger handelte es sich um einen Verpflichtungsantrag, die Klage stellt sich somit als Verpflichtungsklage dar. Der Antrag der Kläger vom 20. Oktober 2014 richtete sich auf Änderung des – bestandskräftigen – Einkommensteuerbescheides vom 7. Juli 2014. Klagegenstand ist in diesen Fällen der den Antrag des Steuerpflichtigen ablehnende Verwaltungsakt, der durch eine Einspruchsentscheidung, mit der der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wird, bestätigt wird (Gräber-Levedag; FGO, Kommentar, 8. Aufl. 2015, § 44 Tz. 40).
b) Daran ändert nichts, dass das FA dem Klagebegehren durch den Änderungsbescheid vom 15. Juli 2020 teilweise dadurch abgeholfen hat, dass es die Umsatzsteuererstattungen als außerordentliche Einkünfte behandelt hat. Gemäß § 68 Satz 1 FGO wird, wenn ein angefochtener Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird, der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen (§ 68 Satz 2 FGO). Diese Vorschrift ist auf Verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar (Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 22. September 2011 IV R 3/10, BStBl II 2012, 14).
Nachdem bei Einlegung der Klage am 23. Juli 2020 der Änderungsbescheid vom 15. Juli 2020 bereits wirksam war, kann sich die Klage nur mehr gegen die Behandlung der Erstattungszinsen als außerordentliche Einkünfte richten. Dies zeigt auch die Formulierung in der Klageschrift „[…] in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 15. Juli 2021 […]“.
2. Die dem Kläger im Streitjahr gezahlten Erstattungszinsen stellen keine außerordentlichen Einkünfte dar.
a) Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist, wenn in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten sind, die auf diese Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach einem besonderen Verfahren zu berechnen. Erstattungszinsen sind jedoch keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne dieser Norm.
aa) Gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG sind Entschädigungen i. S. d. § 24 Nr. 1 EStG außerordentliche Einkünfte. Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG gehören zu den Einkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.
Die Leistung von Erstattungszinsen erfüllt jedoch nicht den Tatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG, da sie unabhängig davon erbracht wird, ob dem Steuerpflichtigen Einnahmen entgangen sind oder entgehen. Die Rechtslage ist insoweit nicht anders als bei Prozess- oder Verzugszinsen. § 233a der Abgabenordnung (AO) regelt in einer praktikablen, typisierenden Weise einen finanziellen Ausgleich in Fällen, in denen die nicht zeitnah erfolgte Festsetzung der Steuer zu einem Unterschiedsbetrag führt (§ 233a Abs. 3 Satz 1 AO). Diese Typisierung hat zur Folge, dass es auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles nicht ankommt. Es bleibt unerheblich, ob der Steuerpflichtige als Zinsgläubiger den Erstattungsbetrag bei früherer Erlangung rentierlich angelegt hätte, ob er dies gegebenenfalls zu einem höheren oder nur zu einem niedrigeren Zins hätte tun können oder ob er etwa vor der späteren Steuererstattung zur zwischenzeitlichen Begleichung eines letztlich nicht bestehenden Steueranspruchs eine bestehende rentierliche Geldanlage auflösen musste (Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 12. November 2013 VIII R 36/10, BStBl II 2014, 168).
bb) Gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte weiter Zinsen i. S. d. § 24 Nr. 3 EStG in Betracht, soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden. Nach § 24 Nr. 3 gehören zu den Einkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG auch Zinsen auf Nutzungsvergütungen für die Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke sowie auf Entschädigungen, die mit der Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke zusammenhängen.
Diese Voraussetzungen erfüllen Erstattungszinsen gemäß § 233a AO bereits ihrem Wortlaut nach nicht, dies wird von den Beteiligten letztlich auch nicht behauptet. Wie bereits der Wortlaut „nur“ im Einleitungssatz des § 34 Abs. 2 EStG zeigt, ist insofern auch kein Platz für eine irgendwie geartete erweiternde Auslegung (s. dazu auch nochmals unten).
cc) Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG zählen zu den außerordentliche Einkünften Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten. Dabei ist eine Tätigkeit mehrjährig, wenn sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG).
(1) Als Korrektiv dieses weiten Wortlauts hat die höchstrichterliche Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, die „Außerordentlichkeit“ der betroffenen Einkünfte entwickelt (ausführlich Bundesfinanzhof – BFH – Urteile vom 25. Februar 2014 X R 10/12, BStBl II 2014, 668 und je vom 6. Mai 2020 X R 7/19, BFH/NV 2021, 298 und X R 24/19, BStBl II 2021, 141). Ein Merkmal dieser „Außerordentlichkeit“ ist die „Progressionswirkung“ dieser Einkünfte. Dies bedeutet nach dem Sinn und Zweck der Norm, dass diese Einkünfte im Verhältnis zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung zu einer einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung des Steuerpflichtigen führen müssen, die durch die Vorschrift des § 34 EStG abgemildert werden soll (BFH-Urteil vom 2. August 2016 VIII R 37/14, BStBl II 2017, 258). Es muss sich um eine atypische Zusammenballung dieser Einkünfte handeln (BFH-Urteile vom 25. September 2014 III R 5/12, BStBl II 2015, 220, vom 10. Februar 2016 VIII R 38/12, BFH/NV 2016, 1256; BFH-Beschluss vom 9. Oktober 2018 VIII B 49/18, BFH/NV 2019, 17). Maßgeblich für die Frage, ob eine Zusammenballung von Einkünften atypisch ist, sind die Verhältnisse der konkreten Einkunftsart, letztlich des konkreten Einzelfalles.
Bei bilanzierenden Steuerpflichtigen sind Zinsansprüche, die sich auf eine Kapitalüberlassung über mehrere Jahre beziehen grundsätzlich ratierlich zu aktivieren. Es ergibt sich eine „gestreckte“ Gewinnrealisierung. Nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung gilt dies jedoch nicht für bestrittene Forderungen. Diese sind aufgrund des Vorsichtsprinzips erst zum Schluss des Wirtschaftsjahres anzusetzen, in dem über den Anspruch rechtskräftig entschieden oder eine Einigung zwischen den Parteien herbeigeführt wird (BFH-Urteil vom 26. April 1989 I R 147/84, BStBl II 1991, 213, vom 15. November 2011 I R 96/10, BFH/NV 2012, 991 und vom 26. Februar 2014 I R 12/14 BFH/NV 2014, 1544).
(2) Erstattungszinsen stellen aber keine „außerordentliche“ Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit i. S. v. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar.
(a) Schon der Wortsinn der Vorschrift schließt dies aus. Die Zinszahlung „vergütet“ keine „Tätigkeit“, sondern eine durch Verwaltungsakt bestimmte zwangsweise Kapitalüberlassung, infolge derer die Zinsen ohne weiteres Zutun des betroffenen Steuerpflichtigen kraft Gesetzes als Ausgleich für die Vorenthaltung der Erstattungsleistung entstehen.
(b) Dass Zinsen nicht unter § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG fallen, folgt weiter auch aus der Normsystematik.
(aa) Als außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 EStG nur die dort enumerativ aufgeführten in Betracht. Dazu gehören gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG Zinsen i. S. d. § 24 Nr. 3 EStG, soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden. Aus der ausdrücklichen Aufführung dieser bestimmten Zinsen im Katalog des § 34 Abs. 2 EStG folgt im Umkehrschluss, dass andere Zinsen generell nicht von dieser Vorschrift erfasst werden sollen. Dies gilt auch deshalb, weil die in § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG aufgeführten Zinsen nur unter einer zeitlichen Voraussetzung einer Nachzahlung für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren privilegiert werden, die somit strikter ist als die der Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit.
(bb) Die steuerliche Privilegierung der in § 34 EStG aufgeführten Einkünfte setzt außerdem ihre Qualifizierung als „außerordentlich“ voraus (§ 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EStG sowie amtliche Überschrift). So hat der BFH von jeher geurteilt, dass es sich bei den Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten um einmalige und für die jeweilige Einkunftsart ungewöhnliche Einkünfte handeln müsse, die zudem das zusammengeballte Ergebnis mehrerer Jahre darstellten. Auch in einer neueren Entscheidung hat er die Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit bei üblichem Anfall im Rahmen einer freiberuflichen Praxis nicht unter § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG subsumiert. Die Finanzverwaltung knüpft die Erstreckung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG auf andere Einkunftsarten als die nach § 19 EStG an die einschränkende Voraussetzung, dass eine Zusammenballung von Einkünften eingetreten ist, die nicht dem vertragsgemäßen oder dem typischen Ablauf entspricht (R 34.4 Abs. 1 der Einkommensteuerrichtlinien). Diese Einschränkung ist nach dem Gesetzeszweck zutreffend. Gegen eine Erstreckung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG auf Erstattungszinsen spricht deshalb auch, dass ihre Festsetzung für einen längeren, periodenübergreifenden Zeitraum und der daran anknüpfende Zufluss in einem Betrag keineswegs untypisch sind. Denn Fälle, in denen die Karenzzeiten des § 233a AO überschritten werden und der Zinslauf damit erst beginnt, sind häufig zugleich solche, in denen der Zinslauf länger andauert, etwa infolge von Rechtsbehelfsverfahren, länger währenden Außenprüfungen oder spät erteilten Grundlagenbescheiden (BFH in BStBl II 2014, 168, mit weiteren Nachweisen).
b) Angewendet auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Erstattungszinsen keine außerordentlichen Einkünfte sind.
Dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers vorliegend um eine mehrjährige Tätigkeit handelte, steht unter den Beteiligten zu Recht nicht im Streit. Bei den Erstattungszinsen handelte es sich um die Folge einer Korrektur einer – wie sich letztlich herausgestellt hat – zu Unrecht erhobenen Umsatzsteuer für einen Zeitraum von vier Jahren, die sich durch die einmalige Zahlung in einem Jahr zusammenballte, nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung in diesem Jahr insgesamt zu aktivieren war und daher – wie der Klägervertreter in seinem Schriftsatz vom 29. Oktober 2020 dargelegt hat – zu einer erhöhten Progressionsbelastung in diesem Jahr geführt hat. Auch dies wird durch den Beklagten im Endergebnis nicht bestritten.
Jedoch ist mit der oben dargelegten höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass es sich bei Erstattungszinsen nicht um ein außergewöhnliches Ereignis handelt. Dem Senat erschließt sich auch nicht, warum dies zum einen davon abhängen soll, in welcher Höhe solche Zinsen gezahlt werden oder zum anderen davon, welcher Einkunftsart die Einkünfte, die diese Zinsen ausgelöst haben, angehören.
3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Revisionszulassungsgrund nicht vorliegt. Anders als der Klägervertreter in seinem Schriftsatz vom 15. März 2021 ausführt, hat der BFH auch in seinem Urteil vom 25. September 2014 (III R 5/12,0 BStBl II 2015, 220) in Tz. 36 explizit ausgeführt, dass Erstattungszinsen nicht als außerordentliche Einkünfte in Betracht kommen. Der Revisionszulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) liegt daher nicht vor.
4. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.


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