Steuerrecht

Unterbliebene Klageänderung

Aktenzeichen  9 B 12.940

Datum:
20.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RÜ2 – 2020, 91
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76
VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 4
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1, Art. 43 Abs. 2
BauGB § 31 Abs. 2, § 35 Abs. 1

 

Leitsatz

Trägt ein Kläger der eingetretenen Erledigung des angefochtenen Bescheids weder durch eine Erledigungserklärung noch eine Umstellung seines Antrags auf einen Antrag nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO Rechnung, ist die erhobene Anfechtungsklage unzulässig. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 5 K 09.869 2010-05-20 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Sie kann schon deshalb nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Bescheids vom 4. August 2009 führen, weil sich dieser Bescheid mit Erlass des Bescheids vom 12. September 2018 erledigt hat und der Kläger dem nicht durch Abgabe einer Erledigungserklärung oder eine Umstellung seines Antrags Rechnung getragen hat.
1. Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2018 erklärten Einverständnisses der Beteiligten kann der Senat über die Berufung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden. Dass seit dieser Einverständniserklärung mehr als ein Jahr vergangen ist, steht einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nicht entgegen (vgl. BayVGH, U.v. 26.11.2015 – 9 N 15.1896 – juris Rn. 21). Gleiches gilt, wenn nach Übergang ins schriftliche Verfahren – wie hier – ein Wechsel in der Besetzung der Richterbank erfolgt ist (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2014 – 9 B 13.1401 – juris Rn. 22 m.w.N.).
Auch sonstige Gründe, die für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Zwar mag durch den Erlass des Bescheids vom 12. September 2018 eine wesentliche Änderung der Prozesslage eingetreten sein. Im Verwaltungsprozess führt aber eine solche Änderung weder von selbst zur Unwirksamkeit eines einmal erklärten Verzichts auf mündlichen Verhandlung noch macht sie die Erklärung widerruflich (vgl. BVerwG, B.v. 13.12.2013 – 6 BN 3.13 – juris Rn. 10 m.w.N.). Es steht allerdings im Ermessen des Gerichts, ob es trotz wirksamen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang dafür einzustehen, dass trotz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör der Beteiligten nicht verletzt wird. Danach kann etwa die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung erforderlich sein, wenn ein Beteiligter geltend macht, eine wesentliche Änderung der Prozesslage erfordere unter dem Gesichtspunkt seines rechtlichen Gehörs deren Durchführung (vgl. BVerwG, B.v. 13.12.2013 a.a.O. Rn. 12 und B.v. 4.6.2014 – 5 B 11.14 – juris Rn. 13).
Eine solche Lage ist hier weder substantiiert geltend gemacht noch sonst erkennbar. Der Kläger hatte aufgrund des gerichtlichen Hinweisschreibens vom 11. November 2018 Gelegenheit zu der geänderten Prozesslage Stellung zu nehmen. Er konnte darlegen, aus welchen Gründen aus seiner Sicht sein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 4. August 2009 fortbestand und gegebenenfalls auf die geänderte Prozesslage mit der Abgabe einer prozessbeendenden Erklärung oder mit einer Änderung seines Antrags reagieren. Er hat allerdings die ihm eingeräumte Gelegenheit, auf den Wegfall des Rechtsschutzinteresses durch den Erlass des Bescheids vom 12. September 2018 prozessual zu reagieren, nicht genutzt. Aus dem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23. April 2019 ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die geänderte Prozesslage zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs eine mündliche Verhandlung erforderlich macht.
2. Die Berufung kann in der Sache keinen Erfolg haben, weil die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage unzulässig (geworden) ist. Der angefochtene Bescheid vom 4. August 2009 hat sich mit seiner „Neufassung“ durch Bescheid vom 12. September 2018 auf andere Weise im Sinn des Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG erledigt. Damit ist für den Kläger das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtungsklage entfallen (vgl. BVerwG, B.v. 27.7.2005 – 6 B 37.05 – juris Rn. 6).
a) Gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Auf andere Weise erledigt ist ein Verwaltungsakt, der seine regelnde Wirkung verliert, was unter anderem auch bei einer inhaltlichen Überholung des früheren Verwaltungsakts durch eine neue Sachentscheidung der Fall ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2011 – 6 C 3.10 – juris Rn. 13; U.v. 9.5.2012 – 6 C 3.11 – juris Rn. 21). So liegt der Fall hier.
Aus dem Gesamtkontext des Bescheids vom 12. September 2018 ergibt sich, dass es sich hierbei um eine neue Sachentscheidung handelt, durch die ein neuer Verfahrensgegenstand entstanden und der frühere Bescheid vom 4. August 2009 „überholt“ worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die durch den neuen Bescheid bewirkten Änderungen etwas an den mit dem ursprünglichen Bescheid verbundenen Einwirkungen auf die Rechtssphäre des Klägers ändern (vgl. NdsOVG, B.v. 14.9.2017 – 12 LA 15/16 – juris Rn. 9).
Der Bescheid vom 12. September 2018 beruht nach seiner Begründung darauf, dass vor dem Hintergrund der vom Senat in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2018 geäußerten Rechtsauffassung, dass der Bebauungsplan „D.“ aufgrund eines Ausfertigungsmangels voraussichtlich unwirksam sein dürfte, die bauplanungsrechtliche Grundsituation einer neuen Beurteilung zu unterziehen sei. Der Begründung ist ebenfalls zu entnehmen, dass das Landratsamt darauf reagieren wollte, dass nach der Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts die Grundstücke FlNr. 1589 und 1597/1 Gemarkung A. nicht der Beseitigungsanordnung in Nr. 1.2 des ursprünglichen Bescheids vom 4. August 2009 unterworfen waren und auch die Einfriedungen an der Ostgrenze des Grundstücks FlNr. 1597 Gemarkung A. – und damit grade nicht innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans „D.“ liegend – nicht Nr. 1.1 dieses Bescheids unterfielen.
Das Landratsamt hat auf der Grundlage dieser Überlegungen den Bescheidstenor wesentlich geändert. Neben der zusätzlichen ausdrücklichen Erwähnung der Grundstücke FlNr. 1592 und 1597/1 Gemarkung A. in Nr. 1 des Tenors, hat es in dessen Nr. 1.b in Verbindung mit dem Lageplan nur noch die Beseitigung der vorhandenen Einfriedungen angeordnet, die sich nicht auf den Grundstücken befinden, die im näheren Umgriff der Bestandsbebauung liegen. Infolge der Verweisung auf die in Nr. 1 des Tenors genannten Grundstücke ergibt sich zudem auch eine Änderung des Regelungsausspruches in Nr. 2 des Bescheids. Mit diesen Änderungen hat das Landratsamt den angefochtenen Bescheid vom 4. August 2009 in seinem Wesen verändert und einen neuen Verwaltungsakt erlassen (vgl. BVerwG, B.v. 5.12.1993 – 7 B 107.92 – juris Rn. 4; VGH BW, U.v. 31.5.2011 – 10 S 794/09 – juris Rn. 17). Dafür spricht auch, dass die Änderung des Tenors zumindest hinsichtlich der Einfriedungen innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans „D.“ auf einer veränderten bauplanungsrechtlichen Beurteilung der Situation durch das Landratsamt beruht und diese Einfriedungen vom Landratsamt – ebenso wie vom Verwaltungsgericht – als Teil eines Gesamtbauvorhabens des Klägers angesehen wurden, zu dem auch die Einfriedungen im Außenbereich (vgl. Nr. 1.a des Tenors des Bescheids vom 12.9.2018) gehören.
Entgegen der Begründung des Bescheids vom 12. September 2018 kann auch nicht angenommen werden, dass mit der Ausweitung des Geltungsbereichs der Beseitigungsanordnung und der Nutzungsuntersagung auf die Grundstücke FlNr. 1592 und 1597/1 Gemarkung A. lediglich eine Klarstellung erfolgt ist. Zwar mag eine Behörde befugt sein, einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot eines Verwaltungsakts nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG im gerichtlichen Verfahren durch nachträgliche Klarstellung zu heilen (vgl. BVerwG, B.v. 21.6.2006 – 4 B 32.06 – juris Rn. 2; U.v. 2.7.2008 – 7 C 38.07 – juris Rn. 18). Hinsichtlich dieser Grundstücke hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid vom 4. August 2009 aber nicht als unbestimmt angesehen, sondern darauf abgestellt, dass sie von der tenorierten Bescheidsregelung eindeutig gar nicht erfasst wurden. Es hat hierzu überzeugend darauf verwiesen, dass der dem Bescheid beigefügte Lageplan insoweit – auch nach der im erstinstanzlichen Verfahren geäußerten Auffassung des Landratsamts – nur eine unverbindliche Orientierung darstelle.
Selbst wenn der Bescheid vom 12. September 2018 lediglich eine Änderung des angefochtenen Bescheids vom 4. August 2009 darstellen sollte, hätte sich dieser in seiner Ursprungsfassung erledigt. Durch die Modifizierung des Ursprungsbescheids würden beide Bescheide eine untrennbare Einheit bilden, so dass dem ursprünglichen Bescheid vom 4. August 2009 kein eigenständiger Rechtsgehalt mehr zukommen würde (vgl. NdsOVG, B.v. 14.9.2017 – 12 LA 15/16 – juris Rn. 9; OVG RhPf, B.v. 26.7.2017 – 8 B 11235/17 – juris Rn. 33).
b) Der Kläger hat der eingetretenen Erledigung des angefochtenen Bescheids vom 4. August 2009 nicht durch eine Erledigungserklärung oder eine Umstellung seines Antrags auf einen Antrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO Rechnung getragen. Trotz Hinweises auf die geänderte Prozessrechtslage mit gerichtlichem Schreiben vom 11. November 2018 hat der Kläger weder eine Erledigungserklärung abgegeben noch seinen Antrag umgestellt. Insbesondere kann auch das Vorbringen im Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23. April 2019 nicht dahingehend ausgelegt werden. Dieses hat sich auf den Hinweis beschränkt, vom Kläger sei nunmehr ein neuer Bauantrag bei der Beigeladenen gestellt worden und der Bebauungsplan „D.“ sei wegen nicht heilbarer Mängel bei seiner Bekanntmachung mit Wirkung von Anfang an nichtig. Eine stillschweigende Antragsänderung kann nicht unterstellt werden (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 92; VGH BW, U.v. 31.5.2011 – 10 S 794/09 – juris Rn. 21).
Auch wenn der Bescheid vom 12. September 2018 als Änderungsbescheid anzusehen sein sollte, würde er im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht automatisch neuer Klagegegenstand einer Anfechtungsklage werden. Zur Einbeziehung in den laufenden verwaltungsgerichtlichen Prozess bedürfte es vielmehr einer Klageänderung (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO a.a.O., § 91 Rn. 9; NdsOVG, B.v. 14.9.2017 – 12 LA 15/16 – juris Rn. 11). Eine solche Klageänderung ist trotz des gerichtlichen Hinweisschreibens vom 11. November 2018 unterblieben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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