Steuerrecht

Unzulässige Klage wegen Nichteinhaltung der Klagefrist

Aktenzeichen  AN 11 K 17.0035

Datum:
19.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15412
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5
VwZVG Art. 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Der Kläger hat dadurch, dass er sich nicht mehr in seiner bisherigen Wohnung unter der gemeldeten Anschrift, sondern an einem unbekannten Ort aufgehalten hat, ohne Vorsorge dafür zu treffen, dass ihm Schriftstücke zugeleitet werden konnten, die öffentliche Zustellung selbst verursacht und damit diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Betroffenen geboten und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.
1. Die Klage ist bereits unzulässig. Denn der Zulässigkeit steht bereits die Nichteinhaltung der Klagefrist entgegen (§ 74 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Nach § 74 Abs. 1 VwGO muss eine Klage, mit der gemäß § 42 Abs. 1 VwGO die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt wird (Anfechtungsklage), innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchbescheids oder – wenn ein Widerspruchsbescheid nach § 68 VwGO nicht erforderlich ist – innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben werden; gemäß § 74 Abs. 2 VwGO gilt für Verpflichtungsklage Abs. 1 entsprechend. Dies ist vorliegend – mit Klageerhebung am 24. Februar 2017 – nicht erfolgt.
Gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 21. Juli 2016, dem eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung:angefügt ist, wurde nicht innerhalb dieser einmonatigen Frist Klage erhoben. Nach Aktenlage (Bl. 671 f. Behördenakte) galt der Bescheid mit Ablauf des 5. August 2016 gemäß Art. 15 Abs. 2 Satz 6 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) als zugestellt.
Nach den gegebenen Einzelfallumständen war der Aufenthaltsort des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung der öffentlichen Zustellung (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2019 – 10 ZB 18.2371 – juris Rn. 6 m.w.N.; Hasser/Kugele/Thum/Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand: 11/2018, Art. 15 Erl. 2; Ronellenfitsch in BeckOK, VwVfG, Stand 1.10.2019, zum gleichlautenden § 10 VwZG Rn. 15; Sadler in VwVG/VwZG, 9. Aufl. 2014, § 10 VwZG Rn. 8; Schlatmann in Engelhart/App/Schlatmann, VwVfG/VwZG, 11. Aufl. 2017, § 10 VwZG Rn. 5) am 21. Juli 2016 i.S.v. Art. 15 Abs. 1 Satz Nr. 1 VwZVG unbekannt; dies wurde vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten, sondern vielmehr eingeräumt. Der Kläger erklärte hinsichtlich seines damals nach Aktenlage unbekannten Aufenthalts, er habe eine Straftat begangen gehabt und sei auf der Flucht gewesen, nach etwa einem Jahr habe er sich der Polizei gestellt. Die Beklagte hatte sich vorliegend zeitnah gründlich bemüht, den Aufenthaltsort des – aufgrund der veranlassten Ermittlungen der Polizeibehörde von Amts wegen abgemeldeten – Klägers herauszufinden und nicht nur einmalig erfolglos versucht, die Anhörung vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids (s. Schreiben vom 30.10.2015 und 12.4 2016 sowie polizeiliche Mitteilung zur Bereinigung des Melderegisters vom 13.4.2016, Bl. 655 Behördenakte) zuzustellen. Die öffentliche Zustellung des Bescheids vom 21. Juli 2016 war demnach vorliegend gerechtfertigt und erfolgte auch entsprechend der einschlägigen Zustellungserfordernisse (Art. 41 Abs. 5 BayVwVfG, Art. 1 Abs. 5, Art. 2 Abs. 3 Satz 1 und Art. 15 Abs. 1 und 2 VwZVG); eine Fehlerhaftigkeit der Zustellung ist weder nach Aktenlage ersichtlich noch dargelegt, insbesondere enthielt die Benachrichtigung auch den Hinweis nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 VwZVG (Bl. 672 der Behördenakte).
Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 VwZVG konnte die Zustellung demnach – als ultima ratio – durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Die öffentliche Zustellung erfolgte durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung nach den Maßgaben des Art. 15 Abs. 2 VwZVG; in den Akten ist vermerkt, dass der Aushang an der Amtstafel ab 22. Juli 2016 erfolgte und die Benachrichtigung am 8. August 2016 abgenommen wurde (Bl. 671 der Behördenakte); der streitgegenständliche Bescheid galt nach Art. 31 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit dem Ablauf des 5. August 2016 (einem Freitag), als zugestellt (Art. 15 Abs. 2 Satz 5 und 6 VwZVG).
Damit begann die Klagefrist am 6. August 2016 zu laufen und endete mit Ablauf des 5. September 2016 (einem Montag, § 57 VwGO, § 222 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die gegenständliche Klage ist jedoch erst am 24. Februar 2017 und damit nach Ablauf der Klagefrist bei Gericht eingegangen.
Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO wurde nicht gestellt. Zudem sind Wiedereinsetzungsgründe weder vorgetragen noch ersichtlich. Dem Kläger war nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden verhindert gewesen wäre, die Klagefrist einzuhalten. Ein Verschulden im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO ist dann anzunehmen, wenn der Betroffene diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2019 – 10 ZB 18.2371 – juris Rn. 9 m.w.N.). Der Kläger hat dadurch, dass er sich nicht mehr in seiner bisherigen Wohnung unter der gemeldeten Anschrift, sondern an einem unbekannten Ort aufgehalten hat, ohne Vorsorge dafür zu treffen, dass ihm Schriftstücke zugeleitet werden konnten, die öffentliche Zustellung selbst verursacht und damit diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Betroffenen geboten und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war.
Die Klage ist demnach bereits mangels Zulässigkeit abzuweisen.
Im Übrigen wäre die Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid – ohne dass es hierauf noch ankäme (vgl. BVerwG, B.v. 5.2.2020 – 4 B 32/18 – juris Rn. 8 m.w.N. zur Klageabweisung mittels Prozessurteil bei Unzulässigkeit der Klage) – auch unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Aufhebung des von Amts wegen befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots auf fünf Jahre ab Ausreise/Abschiebung noch einen Anspruch auf Neuverbescheidung; der Bescheid vom 21. Juli 2016 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid vom 21. Juli 2016 verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Der Bescheid erweist sich auch im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtmäßig; ein etwaiger Verfahrensmangel wäre jedenfalls durch die Nachholung der Anhörung des Klägers im gerichtlichen Verfahren geheilt (Art. 28 Abs. 2, 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 BayVwVfG). Insbesondere ist die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung der Beklagten (§ 114 Satz 1 VwGO) nicht zu beanstanden, durchgreifende Ermessensfehler bzw. schützenswerte Belange sind weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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