Steuerrecht

Unzulässiger Befangenheitsantrag, Unzulässige Eilanträge

Aktenzeichen  M 9 SE 21.5373

Datum:
7.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44993
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO i.V.m. § 54
ZPO § 41 ff., § 80 Abs. 1
VwGO § 123 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin … in diesem und im Klageverfahren M 9 K 21.5372 wird abgelehnt.
II. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO / § 123 VwGO wird abgelehnt.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die baurechtliche Anordnung zur Beseitigung eines Holzstadels am Waldrand und stellte einen Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende.
Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke FlNr. … und des als Wald ausgewiesenen Grundstücks FlNr. … Das verfahrensgegenständliche Gebäude steht zum Teil auf dem als Wald ausgewiesenen Grundstück FlNr. … und zum Teil auf dem Grundstück FlNr. … Ausweislich der Akten handelt es sich um einen Heustadel, 12 X 6,05 m Grundfläche, der nach Angaben des Klägers dort sei über 50 Jahren stehe, im Jahre 2010 repariert und um ein Drittel erweitert wurde. Das Gebäude steht nach den Luftbildern (Bl. 3 BA) im Außenbereich und ca. zur Hälfte auf dem Waldgrundstück.
Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Holzkirchen nahm am 14. Januar 2019 und am 21. März 2019 Stellung. Aufgrund der geringen Waldfläche von knapp 3.200 qm auf FlNr. … läge kein forstwirtschaftlicher Betrieb vor. Auch aus landwirtschaftlicher Sicht bestehe keine Privilegierung des Gebäudes. Die Anerkennung eines landwirtschaftlichen Betriebes in Erwartung eines Erbfalls, wie vom Kläger vorgetragen, sei nicht möglich.
Trotz entsprechender Aufforderung durch das Landratsamt wurde der Heustadel nicht beseitigt.
Mit Bescheid vom 9. September 2021 wurde der Antragsteller aufgefordert, den Holzstadel innerhalb von sechs Wochen ab Unanfechtbarkeit des Bescheids zu beseitigen (Ziff. I des Bescheids). Ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro wurde für den Fall, dass die Verpflichtung nicht fristgerecht erfüllt werde, angedroht (Ziff. II des Bescheids). Für das Gebäude läge keine Genehmigung vor. Der Antragsteller habe weder einen landwirtschaftlichen noch einen forstwirtschaftlichen Betrieb. Rechtsgrundlage sei Art. 76 Satz 1 BayBO. Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO liegen nicht vor, da keine Privilegierung bestehe. Da das Vorhaben im Außenbereich liege könne auch keine nachträgliche Baugenehmigung erteilt werden. Als sonstiges Vorhaben würden öffentliche Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Nr. 5 und Nr. 7 BauGB beeinträchtigt. Ein Bestandsschutz liege nicht vor, dazu keinem Zeitpunkt Genehmigungsfähigkeit vorlag. Die Beseitigung erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen unter Abwägung der privaten Belange und des öffentlichen Interesses an der Freihaltung des Außenbereichs.
Der Antragsteller erhob mit am 11. Oktober 2021 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schreiben Klage (M 9 K 21.5372) und beantragte,
1. Einstweiligen Rechtschutz durch Erlass einer einstweiligen dringlichen Anordnung gemäß § 80 Abs. 5, § 80a VwGO und § 123 VwGO wegen Gefahr des Untergangs des Anspruchs auf den Bestand durch den mehrfach nicht rechtskonformen Verwaltungsakt des Landratsamtes.
2. Antrag wegen Verdacht der Befangenheit gegen die Vorsitzende.
3. Antrag auf Einsicht in den Geschäftsverteilungsplan zur Besetzung der Kammer mit aktuellem Datum.
Der Bescheid sei bereits optisch erkennbar in mehrfacher Hinsicht nicht rechtskonform, da er im Widerspruch zur Bauleitplanung / Flächennutzungsplan stehe. Der Heuschober sei Altbestand und stehe auf zwei Flurnummern. Der Bescheid verlange nur den Abbruch auf einer Flurnummer. Da kein halber Altbestandsstadel abgebrochen werden könne, sei der Bescheid bereits deshalb rechtswidrig. Die FlNr. … sei nach dem Flächennutzungsplan der zuständigen Gemeinde Irschenberg im östlichen Bereich, auf der die Hälfte seines Heuschobers stehe, ein Feldgehölz und damit kein Wald. Die andere Hälfte befinde sich auf der FlNr. …, die nach dem Bebauungsplanauszug der Stadt M. … landwirtschaftliche Fläche sei. Nach der BayBO 1901 sei der Heuschober genehmigungsfrei erbaut worden und 2010 lediglich im Interesse einer zeitgemäßen Weiternutzungsmöglichkeit renoviert worden. Er betreibe eine Nebenerwerbslandwirtschaft und neben dem Heuschober befinde sich ein Wohnhaus und die Kfz-Werkstatt auch für landwirtschaftliche Maschinen. Den Heuschober habe er von seinem Vater, der eine Schmiede betrieben habe, übernommen. Um eine Beendigung des Bestandsschutzes, der aus Art. 14 GG resultiere, zu verhindern und um eine weitere landwirtschaftliche Nutzung zu erhalten, habe er den Stadel 2010 renoviert. Dies sei bis 2018 nicht vom Landratsamt beanstandet worden. In anderen Fällen werde z.B. durch den Umbau einer Alm im T. … Tal als Eventhotel für 240 Gäste der Natur- und Landschaftsschutz zu rein kommerzieller Verwendung durchbrochen. Das Landschaftsbild werde nicht verschandelt, da direkt gegenüber seinem Wohnhaus und dem Heuschober die L. …mühle stehe und sich vor Ort eine monumentale Straßenkreuzung befinde. Mit weiterem Schreiben vom 16. Oktober 2021 widersprach der Antragsteller der Übertragung auf den Einzelrichter, stellte Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende der 9. Kammer und beantragte die Einsicht in den Geschäftsverteilungsplan. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung und der Notwendigkeit einer umfassenden Beweisaufnahme werde der Übertragung auf den Einzelrichter widersprochen. Die Vorsitzende werde wegen des Verdachts der Befangenheit abgelehnt, da sie ausweislich der Presse oft im Landkreis Miesbach tätig sei und daher wegen dieser auffälligen Häufigkeit in Verbindung mit dem Verhalten der Stadt M. … inklusive dem Landratsamt Miesbach und dem Schreiben bezüglich einer Einzelrichterübertragung und Stellungnahme das Verhalten der Vorsitzenden für einen Verfahrensbeteiligten Anlass sein könne, an der persönlichen Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Dazu müsse ausführlich Stellung genommen werden. Die Einsicht in den Geschäftsverteilungsplan werde beantragt, da die Besetzung im veröffentlichten Geschäftsverteilungsplan des VG München nicht übereinstimmend erscheine. Auf einen Trefferauszug der Zeitung Tegernseer Stimme werde Bezug genommen. Mit weiterem Schreiben vom 1. November 2021 ergänzte der Antragsteller seine Ausführungen dazu, dass das Landratsamt keine Rechtsgrundlage für den Bescheid gehabt habe, weil Grundlage der Flächennutzungsplan sei und dieser nicht vorgelegt wurde; er bitte um Zusendung eines rechtsgültigen Flächennutzungsplans inklusive Bebauungsplans bezüglich der vom Landratsamt in seiner Stellungnahme hinzugemogelten FlNr. … Mit weiterem Schreiben vom 24. November 2021 ergänzte und erweiterte der Antragsteller seinen Vortrag. Wegen der seit 42 Jahren falschen Gemeindegebietsgrenzen sei das Landratsamt Miesbach unzuständig. Er habe dazu einen aktuellen Entscheid eines Richters des Bayerischen Verwaltungsgerichts, der gleiches besage und dem die hier zuständige Kammer nicht entgegenstehen könne. Dies rücke das nicht rechtskonforme Vorgehen des Landratsamts in ein komplett anders Licht und begründe letztendlich eine Aufsichtsbeschwerde. Als erweiterte Gesamtbegründung werde auf die Veränderungen durch die Gebietsreform in den Jahren 1971 bis 1978 hingewiesen sowie auf die Vorgeschichte der Gemeindegrenzen und des Flächennutzungsplans. Bereits 1999 habe der zweite Bürgermeister erkannt, dass sich der Teilbereich des Ortsteils L. …, in dem sich unter anderem sein halber Heuschober befinde, nicht einbezogen, sondern im Flächennutzungsplan wegen des falschen Geltungsbereichs der Gemeindegebietsgrenzen ausgeschlossen wurde. Die Gemeindegrenze der Stadt Miesbach und der Geltungsbereich des Flächennutzungsplans seien fortlaufend falsch, weshalb wegen der drei Kernbebauungen des Ortsteils L. … kein Außenbereich vorläge. Auf die umfangreichen Ausführungen in den Stellungnahmen des Antragstellers wird im Übrigen verwiesen.
Das Landratsamt beantragte mit Schreiben vom 26. Oktober 2021:
Antragsablehnung
Für den Antrag nach § 80 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wegen der Gefahr des Untergangs des Anspruchs auf den Bestand fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da die Anfechtungsklage gegen den Bescheid bereits aufschiebende Wirkung habe und kein Sofortvollzug angeordnet wurde.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei nach der Regelung des § 123 Abs. 5 VwGO ebenfalls unzulässig, da in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft sei und deshalb nicht § 123 VwGO, sondern die §§ 80, 80a VwGO für den vorläufigen Rechtsschutz gelten würden.
Im Betreff der Stellungnahme ist unter „Flurnummern“ neben der FlNr. … die FlNr. …, beide Gemarkung …, aufgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte und die Akte im Verfahren M 9 K 21.5372 Bezug genommen.
II.
Die Anträge sind unzulässig.
1. Der Antrag auf Ablehnung der Vorsitzenden wegen Befangenheit ist unzulässig.
Über den Befangenheitsantrag konnte unter Mitwirkung der abgelehnten Richterin entschieden werden. Ein Ablehnungsgesuch nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 ZPO kann unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen werden oder überhaupt insgesamt unberücksichtigt bleiben, wenn seine Begründung sich schon bei formaler Prüfung des Gesuchs als von vornherein offensichtlich ungeeignet erweist, eine Besorgnis der Befangenheit dazutun. Befangenheitsregelungen sollen vor persönlicher Voreingenommenheit des Richters schützen, weshalb die Berufung auf vermeintliche Verfahrens- oder Rechtsanwendungsfehler für sich genommen nicht geeignet sind, ein Ablehnungsgrund dazutun. Es müssen konkrete Umstände vorgetragen werden, die darauf hindeuten können, dass die gerügten Mängel auf einer persönlichen Voreingenommenheit des Richters oder auf Willkür beruhen (zum ganzen BVerfG B.v. 02.06.2005 – 2 BVR 625/01; BVerwG B.v. 12.08.2020 – 8 B 40.20).
Der Befangenheitsantrag des Antragstellers ist von vornherein ersichtlich ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen, da inhaltlich in der Sache tatsächlich und rechtlich überhaupt nichts veranlasst wurde. Der Antragsteller begründet die Ablehnung im Ergebnis damit, dass die Kammer und damit auch die Vorsitzende nach der Geschäftsverteilung für Baurechtsstreitigkeiten im Landkreis zuständig sind. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Kammer führt zwangsläufig dazu, dass insbesondere im Baurecht vor Ort Termine durchgeführt werden und ist den Grundsätzen über den gesetzlichen Richter geschuldet. Es erschließt sich nicht, in wie weit sich daraus individuelle, auf die Person bezogene Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit ergeben könnten. Soweit der Antragsteller weiter vorträgt, die Besorgnis der Befangenheit resultiere auch daraus, dass im Rahmen der Erstzustellung Stellungnahmen angefordert und nach der Zustimmung zur Übertragung auf den Einzelrichter gefragt wurde, begründet dies ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit und ist als missbräuchlich einzustufen. Es handelt sich um die üblichen Standartfragen und Mitteilungen. Wer bei Gericht klagt hat hinzunehmen, dass ihm die vom Prozessrecht vorgesehenen Mitteilungen gemacht und Fragen gestellt werden und dass dies alles bereits im Rahmen der Eingangsbestätigung und Erstzustellung der Klage geschieht. Der Umstand, dass der Antragsteller mit alldem nicht einverstanden ist führt nicht dazu, dass Rückschlüsse auf eine Voreingenommenheit gezogen werden könnten (BVerfG B. v. 20.11.2017 – 1 BVR 721/17).
2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unzulässig, da bereits die fristgemäß erhobene Anfechtungsklage im Verfahren M 9 K 21.5372 die vom Antragsteller gewünschte aufschiebende Wirkung hat, § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Sofortvollzug wurde nicht angeordnet, weshalb kein Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vorliegt.
3. Der Antrag ist auch als Antrag nach § 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig, da ein Fall des § 80 VwGO vorliegt. § 123 Abs. 5 VwGO bestimmt, dass in den Fällen der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage der Erlass einer einstweiligen Anordnung ausgeschlossen ist. Wenn wie hier die aufschiebende Wirkung kraft Gesetz besteht, droht auch keine Veränderung des bestehenden Zustands oder einer Vereitelung eines Rechts oder ein sonstiger wesentlicher Nachteil.
4. Soweit der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Einsicht oder Übersendung der Kopie eines Exemplars der Geschäftsverteilung beantragt fehlt dafür ebenfalls das Rechtsschutzbedürfnis. Der im Internet veröffentlichte und vom Antragsteller eingesehene Geschäftsverteilungsplan ist aktuell. Wenn der Antragsteller daran zweifelt hat er ohne weiteres die Möglichkeit, durch eine schlichte Anfrage Einsicht in einen Geschäftsverteilungsplan in Papierform bei Gericht zu erhalten ohne dass es dazu eines Eilantrags bedarf. Eine telefonische oder schriftliche Bitte genügt dazu und wurde weder gestellt noch abgelehnt. Daher ist nicht erkennbar, worin das rechtliche Interesse des Antragstellers daran bestehen könnte, dass ein Gericht darüber entscheidet.
Der Antrag war insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs, Nr.I des Beschlusse, ist unanfechtbar.


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