Steuerrecht

Widerruf der Zulassung zur Anwaltschaft wegen Vermögensverfall

Aktenzeichen  BayAGH I – 5 – 25/19

Datum:
11.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 38418
Gerichtsart:
Anwaltsgerichtshof
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7, § 112c Abs. 1

 

Leitsatz

1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerrufsbescheids, abzustellen. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO (Vermögensverfall aufgrund Eintragung ins Schuldnerverzeichnis) kommt nur dann nicht zur Geltung, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass die der Eintragung zugrunde liegende Forderung im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids bereits getilgt war. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Immobilienvermögen kann nur dann als valides Vermögen des Rechtsanwalts berücksichtigt werden, wenn es diesem zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden hat. Daran fehlt es, wenn die Immobilien in eine Gesellschaft eingebracht sind, an welcher der Rechtsanwalt nicht alle Anteile hält. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Herkunft der Verbindlichkeiten des Rechtsanwalts, sei es aus privater Vermögensverwaltung oder Kanzleitätigkeit, spielt für die Frage des Vermögensverfalls keine Rolle. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Unfähigkeit eines Rechtsanwalts zur Begleichung auch geringfügiger Forderungen und sein unkorrekter Umgang mit Fremdgeld indizieren eine konkrete Gefährdung und gebieten dringend den Schutz der Rechtssuchenden durch Widerruf der Anwaltszulassung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 
IV. Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als in der Sache erfolglos. Über den kurz vor der mündlichen Verhandlung vom Kläger beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage war gesondert im Beschlusswege zu entscheiden.
I. Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden, § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO i.V.m. §§ 112 c Abs. 1 BRAO. Gemäß Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO war ein Vorverfahren nach § 68 VwGO nicht durchzuführen.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der durch Bescheid vom 05.11.2019 in Ziff. 1 erfolgte Widerruf der Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft sowohl formell als auch materiell rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 112 c Abs. 1 BRAO.
1. Formelle Rechtmäßigkeit
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen vorliegend auch im Angesicht der vom Kläger gerügten, vor Erlass des Widerrufsbescheids unterbliebenen Anhörung zu lfd. Nr. 89, 90, 134 – 139 nicht.
Der Kläger hat mit Schreiben der Beklagten vom 14.08.2019 ganz offensichtlich Gelegenheit erhalten sich „zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen“ i. S.v. Art. 28 BayVwVfG, mithin den Tatsachen, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die Entscheidung eine andere wäre (BeckOK VwVfG/Herrmann, § 28 Rn. 16.1.), zu äußern. Vorliegend kommt es maßgeblich, wie noch aufzuzeigen sein wird, auf die Eintragung des Klägers im Schuldnerverzeichnis an, auf deren Folgen er hingewiesen wurde. Die zahlreichen Zwangsvollstreckungsaufträge und gegen ihn vorliegenden Titel und Klageverfahren sind (nur) weitere Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall, ohne dass jedem Einzelnen entscheidungserhebliche Bedeutung zukäme. Mithin wäre die vom Kläger gerügte, unterbliebene Anhörung zu lfd. Nr. 89, 90, 134 – 139 auch gemäß Art. 46 VwVfG unbeachtlich, denn es ist offensichtlich, dass die (wenn überhaupt allenfalls partiell) nicht erfolgte Anhörung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Ist ein Rechtsanwalt in das Schuldnerverzeichnis eingetragen, wird sein Vermögensverfall vermutet und seine Zulassung ist gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu widerrufen. Es handelt sich insoweit um einen gebundenen Verwaltungsakt
2. Materielle Rechtmäßigkeit
Auch die materiellen Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung waren bei Erlass des angegriffenen Bescheids erfüllt.
Rechtsgrundlage des Widerrufs wegen Vermögensverfalls ist § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Nach dieser Vorschrift ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.
a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerrufsbescheids, abzustellen. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen, wie z.B. in Form der Begleichung einzelner Forderungen, ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr. des BGH; vgl. nur Beschlüsse vom 17.11.2020 – AnwZ (Brfg) 20/20, juris Rn. 10; vom 18.02.2019 – AnwZ (Brfg) 65/17, juris Rn. 4; vom 20.05.2015 – AnwZ (Brfg) 7/15, juris Rn. 5; vom 10.03.2014 – AnwZ (Brfg) 77/13, juris, Rn.3; vom 29.06.2011 – AnwZ (Brfg) 11/ 10, Rz. 9ff.).
b) Der Kläger befand sich am 05.11.2019, dem Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids, in Vermögensverfall.
aa) Ein Vermögensverfall im Sinn von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Beschluss vom 17.11.2020 – AnwZ (Brfg) 20/20, juris Rn.14; vom 29.04.2019 – AnwZ (Brfg) 21/19, juris Rn. 5; vom 10.03.2014 – AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3). Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Hs. 2 BRAO wird ein Vermögensverfall kraft Gesetzes vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 882b ZPO) eingetragen ist.
bb) Nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen der Beklagten war er im Zeitpunkt des Widerrufsbescheids jedenfalls mit einer Forderung der LT … AG in Höhe von 2.873.215,57 € in dem vom Vollstreckungsgericht des Amtsgerichts Hof zu führenden Schuldnerverzeichnis eingetragen (und hat wegen dieser Forderung dann auch die Vermögensauskunft abgegeben). Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird der Vermögensverfall des Klägers deshalb vermutet.
cc) Die Vermutung käme nicht zur Geltung, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass die der Eintragung zugrunde liegende Forderung im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids bereits getilgt war (BGH, Beschluss vom 29.07.2016 – AnwZ (Brfg) 9/16, juris, Rn. 5). Der Kläger hat weder dargelegt noch nachgewiesen, dass er die titulierte Forderung getilgt hat.
c) Der Kläger hat die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls auch nicht widerlegt. Um die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen muss er ein auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids bezogenes vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und – ggfs. unter Vorlage eines nachvollziehbaren bzw. realistischen Tilgungsplans – dartun, dass seine Einkommens und Vermögensverhältnisse bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt nachhaltig geordnet sind (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Beschlüsse vom 01.02.2021 – AnwZ (Brfg) 34/20, juris Rn. 8; vom 29.07.2016 – AnwZ (Brfg) 9/16, juris, Rn. 6; vom 10.03.2014 – AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3). Eine substantiierte Vermögensaufstellung unter Angabe aller bestehenden Verbindlichkeiten sowie eine Darlegung, wie er insbesondere die im Zeitpunkt des Widerrufsbescheids offene Forderung der LT … AG zurückführen gedenkt, ist der Kläger schuldig geblieben. Er hat vielmehr im Berufungsverfahren vor dem OLG Nürnberg ausweislich des Beschlusses vom 30.09.2019, Az.: …, zur Begründung der von ihm beantragten vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung vorgetragen, dass er weder zur Begleichung der Forderung noch zu einer Sicherheitsleistung zur Abwendung der Vollstreckung in der Lage sei. Von geordneten Einkommens- und Vermögensverhältnisses kann beim Kläger keine Rede sein.
d) Auch die weiteren, vom Kläger ins Feld geführten Argumente ändern an dem gesetzlich vermuteten Vermögensverfall nichts.
aa) Soweit der Kläger im Einzelnen auf die zahlreichen, gegen ihn geltend gemachten Forderungen, Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen näher eingeht und deren Begleichung teilweise zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vorträgt, widerlegt dies den gesetzlich vermuteten, aus seiner Eintragung ins Schuldnerverzeichnis resultierenden Vermögensverfall nicht. Die geradezu unzähligen gegen den Kläger titulierten Forderungen und erteilten Vollstreckungsaufträge (vgl. aktualisierte Zusammenstellung der dem Vorstand der Beklagten bekannt gewordenen Titel und Vollstreckungen gegen den Kläger, lfd. Nr. 89 – 151) begründen vielmehr, unabhängig von den lfd. Nr. 89, 90, 134 – 139, neben der hier eingreifenden gesetzlichen Vermutung im Rahmen einer Gesamtschau zusätzliche Beweisanzeichen für seinen Vermögensverfall, denn schon eine Häufung von Klagen und Titeln kann auf einen bevorstehenden oder bereits eingetretenen Vermögensverfall hindeuten (BGH, Beschluss vom 05.09.2016 – AnwZ (Brfg) 39/15, juris, Rn.11). Dies gilt erst recht, wenn ein Anwalt auf Herausgabe von Fremdgeld verklagt oder sogar in diesem Zusammenhang verurteilt wird (BGH, aaO), wie vorliegend z.B. ausweislich der lfd. Nr. 89, 131 der Zusammenstellung der Beklagten und des rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts Schwabach vom 07.06.2019.
Dabei kommt es auf die teilweise vom Kläger in Frage gestellte inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit der Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht an, da im Widerrufsverfahren nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 01.02.2021 – AnwZ (Brfg) 34/20, juris Rn. 10; vom 18.02.2019 – AnwZ (Brfg) 65/17, juris Rn. 8) insoweit von einer Tatbestandswirkung auszugehen ist. Behauptete Fehler sind in den jeweils vorgesehenen Verfahren geltend zu machen.
bb) Das vom Kläger detailreich vorgetragene Immobilienvermögen ändert an der Annahme des Vermögensverfalls ebenfalls nichts. Immobilienvermögen kann nur dann als valides Vermögen berücksichtigt werden, wenn es dem Rechtsanwalt zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden hat (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Beschlüsse vom 01.02.2021 – AnwZ (Brfg) 34/20, juris Rn. 8; vom 10.11.2020 – AnwZ (Brfg) 29/20, BeckRS 2020, 35569, Rn. 11; vom 03.01.2020 – AnwZ (Brfg) 26/19, BeckRS 2020, 476, Rn. 10). Das ist vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil das vom Kläger ins Feld geführte Immobilienportfolio nicht in seinem Eigentum steht, sondern in eine Gesellschaft eingebracht ist, an der er auch nicht alle Anteile hält.
cc) Die Herkunft der Verbindlichkeiten aus privater Vermögensverwaltung oder Kanzleitätigkeit spielt für die Frage des Vermögensverfalls keine Rolle.
e) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls des Klägers eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausscheidet, sind weder von ihm vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwaltes ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger, verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtssuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (vgl. z.B. BGH, Beschlüsse vom 20.11.2017 – AnwZ (Brfg) 46/17, juris Rn. 11; vom 01.02.2019 – AnwZ (Brfg) 76/ 18, juris Rn. 7; vom 05.02.2019 – AnwZ (Brfg) 50/ 18, juris Rn. 13).
Hier ist angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls, insbesondere der Verurteilung des Klägers wegen Untreue durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Schwabach vom 07.06.2019, der zahlreichen gegen ihn wegen der Nichtweiterleitung bzw. nicht unverzüglichen Weiterleitung von Fremdgeldern eingeleiteten berufsaufsichtlichen Verfahren und seiner eigenen Einlassung zum Umgang mit Fremdgeldern (S. 10 des Widerrufsbescheids), wonach es „passieren“ könne, dass Fremdgelder zu spät weitergeleitet würden und dass es angesichts der Vielzahl der laufenden Verfahren „nicht ganz auszuschließen“ sei, dass „im Einzelfall Sachen liegen bleiben und Akten nicht so schnell bearbeitet werden, wie es wünschenswert wäre“, zweifelsohne von einer Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden auszugehen, zumal der Kläger auch Darlegungen aus welchen Gründen trotz all dem eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden, insbesondere der Mandantengelder, nicht gegeben sein sollte, hat vermissen lassen.
III.
Die Klage ist auch unbegründet, soweit der Kläger sich jedenfalls mittelbar – 18 Monate nach dessen Anordnung – gegen die Anordnung des Sofortvollzugs, Ziff. 2 des Bescheids, wendet, in dem er den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt, denn auch die Anordnung des Sofortvollzugs ist formell und materiell rechtmäßig erfolgt, § 112 c Abs. 1 BRAO, § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
1. Formelle Rechtmäßigkeit
Bedenken gegen dessen formelle Rechtmäßigkeit bestehen vorliegend nicht.
a) Dem Begründungserfordernis, § 80 Abs. 3 VwGO, wurde, wie aus S. 16 ff. des Bescheids ersichtlich, Rechnung getragen, denn es ist erkennbar, welche Überlegungen die Beklagte zur Anordnung der sofortigen Vollziehung veranlasst haben und die Begründung ist nachvollziehbar und auf den konkreten Fall zugeschnitten (BeckOK VwGO/Gersdorf, 57. Ed. 1.10.2019, § 80 Rn. 86)
b) Soweit der Kläger auch in diesem Zusammenhang eine teilweise unterbliebene Anhörung rügt, beeinflusst dies die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs schon deshalb nicht, da es sich dabei nicht um einen Verwaltungsakt handelt und § 80 VwGO keine Anhörung vorsieht, so dass nach h.M. (BeckOK VwGO/Gersdorf, aaO, § 80 Rn. 78) eine Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG nicht zwingend zu erfolgen hat. Im Übrigen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf obige Ausführungen unter Ziff. II. 1. im Abschnitt Entscheidungsgründe Bezug.
2. Materielle Rechtmäßigkeit
Auch im Übrigen ist die Anordnung nicht zu beanstanden.
a) Die sofortige Vollziehung des Widerrufsbescheids darf nur angeordnet werden bei einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass die Widerrufsverfügung Bestandskraft erlangen wird und, wenn sie im überwiegenden öffentlichen Interesse schon vor Bestandskraft der Widerrufsverfügung zur notwendigen Abwehr konkreter Gefahren für die Rechtssuchenden oder die Rechtspflege geboten ist (BGH NJW-RR 2002, 1718). Bei vorausschauender Betrachtung muss im Falle des Unterlassens einer solchen Anordnung eine Gefährdung und Verletzung wichtiger Gemeinschaftsgüter durch die weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts wahrscheinlicher sein als deren Ausbleiben. Ein überwiegendes öffentliches Interesse am Sofortvollzug besteht beispielsweise dann, wenn Fremdgelder bei dem Rechtsanwalt konkret gefährdet sind. Davon kann etwa dann ausgegangen werden, wenn der Rechtsanwalt in jüngerer Zeit wegen Veruntreuung verurteilt wurde. Eine Unfähigkeit eines Rechtsanwalts zur Begleichung auch geringfügiger Forderungen und sein unkorrekter Umgang mit Fremdgeld indizieren eine konkrete Gefährdung und gebieten dringend den Schutz der Rechtssuchenden durch Widerruf der Anwaltszulassung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Weyland/Vossebürger BRAO § 14 Rn. 108b mwN).
b) Unter Berücksichtigung dieser Rechtssätze sind unter den Umständen des vorliegenden Einzelfalles zweifelsohne die Voraussetzungen für die Anordnung des Sofortvollzuges gegeben. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die völlig zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 5.11.2019, dort insbesondere S. 17/18 Bezug. Nicht zuletzt angesichts der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers wegen Untreue im Jahr 2019, der zahlreichen gegen ihn geführten berufsaufsichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit seinem Umgang mit Fremdgeldern und seiner eigenen diesbezüglichen Einlassung, die valide Vorsorgemaßnahmen zur Sicherung eingehender Zahlungen für Mandanten nicht erkennen lässt, war die Anordnung des Sofortvollzugs zwingend geboten.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus, § 154 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 112c Abs. 1 BRAO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, § 709 S. 1 und 2 ZPO i.V.m. § 112c Abs. 1 BRAO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 2 BRAO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung sind nicht gegeben, § 112 e BRAO i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO.


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