Steuerrecht

Widerruf einer Gaststättenerlaubnis

Aktenzeichen  RN 5 S 17.1477

Datum:
16.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 662
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3, Abs. 5
GastG § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2
GewO § 35 Abs. 1 S. 1
VwZVG Art. 19 Abs. 1 Nr. 3, Art. 21a S. 1
GG Art. 12

 

Leitsatz

1 Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit, ohne Rücksicht auf die Ursachen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten, seinen Gewerbebetrieb aufgibt. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2 Aufgelaufene Steuerrückstände in Höhe von mehr als 46.000,- EUR lassen auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden schließen.  (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen den Widerruf seiner Gaststättenerlaubnis.
Mit Bescheid vom 07.10.2009 wurde dem Antragsteller die Erlaubnis gem. § 2 Abs. 1 GastG zur Führung einer Schank- und Speisewirtschaft mit regelmäßigen Musikdarbietungen für die Gaststätte in …, … („…“) erteilt.
Mit Schreiben vom 11.03.2016 erhielt das Ordnungsamt von der Stadtkasse der Antragsgegnerin die Information, dass der Antragsteller bei der Antragsgegnerin offene Forderungen von insgesamt 10.076,89 EUR habe. Der Antragsteller werde laufend angemahnt, Zahlungseingänge würden schleppend erfolgen. Zudem würden getroffene Ratenzahlungsvereinbarungen nicht eingehalten.
Mit Schreiben vom 10.03.2016, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 18.03.2016, regte das Finanzamt … den Widerruf der Gaststättenerlaubnis an. Steuerrückstände des Antragstellers würden 8.023,15 EUR betragen. Die letzte freiwillige Zahlung sei am 19.01.2016 in Höhe von 300 EUR erfolgt, Ratenzahlungen seien nicht eingehalten worden. Auch den sonstigen Verpflichtungen sei der Antragsteller nicht nachgekommen, insbesondere würden die Voranmeldungen für die Sondervorauszahlung 2015 und für Januar 2016, sowie die Einkommensteuererklärungen für 2013 und 2014 fehlen. Gewährte Vollstreckungsaufschübe seien nie vollständig eingehalten worden, Zahlungen seien teilweise erst nach telefonischer oder schriftlicher Aufforderung erfolgt oder ganz ausgeblieben.
Unter dem 11.01.2016 erging ein Bußgeldbescheid gegen den Antragsteller wegen Verstoßes gegen das bayerische Gesundheitsschutzgesetz („Rauchverbot“).
Ausweislich einer Auskunft aus dem Gewerbezentralregister vom 27.03.2016 bestand eine gerichtliche Entscheidung vom 18.07.2011 zulasten des Antragstellers wegen unzulässiger Gestattung des Aufenthalts Jugendlicher im Lokal sowie Abgaben branntweinhaltiger Getränke an Jugendliche im Lokal (Bußgeld 1.000 EUR).
Ein Schreiben der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe vom 26.03.2016 wies Gesamtrückstände in Höhe von 1.350,49 EUR aus. Gemäß Schreiben der Staatsanwaltschaft … vom 05.04.2016 habe es Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen Vorenthaltens und Veruntreuung von Arbeitsentgelt und wegen fahrlässiger Körperverletzung gegeben. Das polizeiliche Führungszeugnis sei jedoch ohne Einträge gewesen. Gemäß Schreiben vom 08.04.2016 hätten Gesamtrückstände bei der Knappschaft-Bahn-See, Minijobzentrale in Höhe von 1.008,61 EUR bestanden.
Mit Schreiben vom 27.05.2016 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zum beabsichtigten Widerruf seiner Gaststättenerlaubnis an. Am 17.06.2016 teilte der Antragsteller telefonisch mit, er habe die Rückstände bei Berufsgenossenschaft und Minijobzentrale beglichen, mit der Stadtkasse eine Ratenzahlungsvereinbarung über 3 Jahre vereinbart und auch beim Finanzamt bestünden nur noch etwa 2.800 EUR Rückstände. Mit Schreiben vom 30.06.2016 habe der Steuerberater des Antragstellers die gemachten Angaben im Wesentlichen bestätigt, jedoch mit der Einschränkung, dass die Schulden beim Finanzamt noch 3.421,89 EUR betragen würden.
Mit Schreiben vom 04.07.2016 wurden die genannten Stellen gebeten, mitzuteilen, ob die gemachten Angaben den Tatsachen entsprechen. Unter dem 06.07.2016 wurde die Industrie- und Handelskammer um Stellungnahme zum beabsichtigten Widerruf der Gaststättenerlaubnis gebeten.
Daraufhin bestätigte die Stadtkasse, dass sich die Gesamtforderung auf 7.716,39 EUR reduziert habe und gab an, dass der Antragsteller die Raten für Mai und Juni vereinbarungsgemäß entrichtet habe. Die Berufsgenossenschaft teilte mit Schreiben vom 11.07.2016 mit, dass keine Beitragsrückstände mehr bestehen würden. Die Minijobzentrale erklärte unter dem 08.07.2016, dass Forderungen nur noch für Juni 2016 bestehen würden. Die Industrie- und Handelskammer informierte über Beitragsrückstände in Höhe von 333,48 EUR, nahm aber nicht weiter Stellung zum Widerruf. Das Finanzamt … bat, das Verfahren aufrechtzuerhalten und informierte, dass Ratenzahlungen beantragt wurden, die ungefähr eingehalten werden würden.
Auch erneute Anfrage vom 12.10.2016 an das Finanzamt teilte dieses mit Schreiben vom 20.10.2016 mit, dass die Umsatzsteuer für Juni 2016 im Laufe des Septembers auf Raten bezahlt worden sei, die Umsatzsteuer für Juli und August 2016 angemeldet, aber nicht bezahlt worden sei. Die Umsatzsteuer für August sei nicht angemeldet worden. Der gesamte Rückstand an Steuern betrage aktuell 8.569,49 EUR.
Am 27.10.2016 teilte die Stadtkasse mit, dass der Antragsteller die vereinbarten Raten bis dato jeweils fristgerecht und vollständig beglichen habe.
Auf eine erneute Anhörung hin teilte der Antragsteller am 28.11.2016 mit, dass ein Großteil der Schulden aus dem Verkauf eines anderen Lokals stamme, bei dem er den vereinbarten Kaufpreis nie erhalten habe. Im September 2017 laufe sein LfA-Darlehen für das Lokal aus. Danach sehe er sich dadurch wirtschaftlich wieder einer besseren Lage. Mit Schreiben vom 02.12.2016 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass das Verfahren zum Erlaubniswiderruf aufrechterhalten werde, ihm aber die Möglichkeit bis 31.05.2017 gegeben werden, durch entsprechende Bescheinigungen nachzuweisen, dass sich seine Schuldenstände weiter verringert hätten. Eine Erinnerung hieran erfolgt unter dem 25.04.2017.
Mit Schreiben vom 15.05.2017 teilte das Finanzamt mit, dass sich die Schuldenstände auf 39.518,16 EUR erhöht hätten. Umsatzsteuervoranmeldungen würden seit Dezember 2016 fehlen, es seien Schätzungen erfolgt. Für die Jahre 2013, 2014 und 2015 würden nach wie vor keine Steuererklärungen vorliegen, die letzte Zahlung in Höhe von 5 EUR sei am 30.12.2016 erfolgt. Mit Schreiben vom 18.05.2017 wurde der Antragsteller hiermit konfrontiert.
Unter dem 31.05.2017 zeigte sich der Vertreter des Antragstellers als solcher an. Bei AOK, IHK und Berufsgenossenschaft würden keine Rückstände des Antragstellers mehr bestehen, die Forderungen der Stadtkasse hätten tatsächlich noch nicht vollständig beglichen werden können. Der Zahlungsengpass habe sich aufgrund des Verkaufs eines früheren Lokals des Antragstellers ergeben. Die genannten Steuererklärungen seien nicht eingereicht worden, da die beauftragte Steuerkanzlei hierfür eine Gebühr von 5.000 EUR fordern würde, die der Antragsteller nicht begleichen könne. Der Antragsteller habe jedoch bereits eine Umfinanzierung in die Wege geleitet.
Nach Aufforderung zur Vorlage entsprechender Bestätigungen übersandte der Vertreter des Antragstellers Unbedenklichkeitsbescheinigungen der AOK und der IHK. Weiterhin legte er eine vorläufige Gewinnermittlung für das Jahr 2014 vor und teilte mit, dass hinsichtlich der Umschuldung der Finanzvermittler 1* … beauftragt worden sei. Einer Bestätigung vom 02.06.2017 dieses Unternehmens ist zu entnehmen, dass ein Finanzierungsbegehren in Höhe von 200.000 EUR vorliege. Dazu werde aber unter anderem um die Beibringung der letzten 3 Einkommensteuerbescheide sowie der endgültigen Gewinnermittlungen für die Kalenderjahre 2014, 2015 und 2016 und einer aktuellen Auflistung zu den kompletten Verbindlichkeiten mit Angabe des jeweiligen Gläubigers gebeten.
Mit Schreiben vom 26.06.2017 wies die Antragsgegnerin den Vertreter des Antragstellers darauf hin, dass offensichtlich noch eine Vielzahl von Unterlagen fehlen würden, von denen er aber mitgeteilt gehabt habe, dass sie ohne Zahlung an den Steuerberater nicht erstellt werden würden und schon hierzu die Finanzierung fehlen würde. Die Antragsgegnerin bat daher um Vorlage einer Kopie des vollständigen Antrags nebst Anlagen bezüglich der Umschuldung sowie einer Bestätigung der Firma 1* …, dass die Antragsunterlagen vollständig nachgereicht worden seien.
Mit Schreiben vom 03.07.2017 teilte der Vertreter des Antragstellers mit, wie sich die Finanzierungssumme in Höhe von 200.000 EUR zusammensetze. Eine Bestätigung der Firma 1* … vom 03.07.2017 wurde ebenfalls vorgelegt, die aber nur enthält, dass man (allgemein) den Eingang der Unterlagen bestätigt, sowie dass der Antragsteller das Unternehmen beauftragt habe. Eine Antragskopie nebst Anlagen wurde nicht vorgelegt, ebenso konnte der Bescheinigung nicht entnommen werden, dass die Antragsunterlagen komplettiert worden seien (etwa hinsichtlich fehlender Einkommensteuererklärungen) oder dass das Finanzierungsbegehren Aussicht auf Erfolg habe.
Mit Schreiben vom 10.07.2017 teilte das Finanzamt mit, dass die Steuerrückstände auf 46.033,26 EUR angestiegen seien. Umsatzsteuervoranmeldungen würden nach wie vor ab Dezember 2016 fehlen, ebenso wie die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2013, 2014 und 2015. Seit 31.12.2016 sei dort keine Zahlung mehr eingegangen ebenso wenig sei eine Zahlungsvereinbarung getroffen worden.
Mit Bescheid vom 17.07.2017 wurde
1.die im Antragssteller erteilte Erlaubnis zum Betrieb der gegenständlichen Schank- und Speisewirtschaft widerrufen,
2.verfügt, dass der Betrieb der Gaststätte einzustellen ist. Eine Abwicklungsfrist bis zum 11.09.2017 wurde eingeräumt.
3.für den Fall der Nichtbeachtung der Schließungsanordnung die Schließung im Wege des unmittelbaren Zwangs angedroht.
4.die sofortige Vollziehung der Nummern 1 und 2 dieses Bescheides angeordnet und mitgeteilt, dass Nummer 3 kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist.
5.bestimmt, dass der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen hat und eine Gebühr von 200,00 € festgesetzt. Auslagen seien nicht angefallen.
Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Antragstellers gegen Empfangsbekenntnis am 20.07.2017 zugestellt.
Zur Begründung stützte sich dieser Bescheid insbesondere auf die Höhe der Rückstände bei Finanzamt und Kommune einschließlich des kürzlichen Anstiegs der Steuerschulden. Daneben würden die beiden Bußgeldbescheide und die Tatsache, dass er seinen Erklärungs- und Zahlungspflichten gegenüber dem Finanzamt insbesondere seit Dezember 2016 nicht mehr nachkam und keine Zahlungsvereinbarung geschlossen wurde, den Bescheidserlass stützen. Die Androhung unmittelbaren Zwangs wurde im Wesentlichen damit begründet, dass aufgrund der fehlenden Zahlungsmoral die Androhung von Zwangsgeld nicht die gewünschte Wirkung habe und unmittelbarer Zwang daher das geeignete und mildeste Mittel sei. Zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nahm der Antragsgegner im Wesentlichen in den Bescheid auf, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung überwiege, da der weitere Betrieb u.a. unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit nicht hingenommen werden kann. Insbesondere sei die Prognose zu stellen, dass die Steuerschulden weiter anwachsen, zumal sie dies schon während des Verwaltungsverfahrens um fast 40.000 € seien. Der Umfinanzierungsversuch mittels 1* … erscheine nicht ausreichend erfolgversprechend, da die von diesem Unternehmen geforderten Einkommensteuerbescheide schon nach eigener Aussage nicht beigebracht werden können, da das Geld für den Steuerberater fehle. Nur durch Anordnung des Sofortvollzuges könne gewährleistet werden, dass die bestehenden Steuer- und Beitragsrückstände nicht weiter anwachsen. Daher müsse diese Maßnahme trotz ihres einschneidenden Charakters im Interesse der Allgemeinheit getroffen werden. Dem Interesse, den Betrieb etwa weiter zu veräußern, werde durch die Abwicklungsfrist bis zum 11.09.2017 ausreichend Rechnung getragen.
Am 21.08.2017 ließ der Antragssteller im Verfahren RN 5 K 17.1478 Klage gegen diesen Bescheid erheben und mit gleichem Schriftsatz im vorliegenden Verfahren beantragen,
Die aufschiebende Wirkung gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.07.2017 wird im Hinblick auf die Nummern 1 und 2 wiederhergestellt.
Zur Begründung wird zunächst vorgebracht, dass laut Bestätigung durch die Fa. 1* … die Antragsunterlagen vollständig vorliegen würden und dies bei der Beurteilung der angedachten Umschuldung unberücksichtigt blieb. Die wirtschaftliche Schieflage sei kurzfristig und auf die Veräußerung eines früheren Lokals zurückzuführen, bei der der Kaufpreis nicht bezahlt worden war. Der Antragsteller habe die vollständigen Steuerunterlagen anfertigen lassen und diese seien nun auf dem Weg zum Finanzamt. Nach den Unterlagen des Steuerberaters würden nur Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt in Höhe von 11.507,89 € verbleiben. In der ersten Augustwoche habe der Antragsteller eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Finanzamt getroffen, dass der rückständige Betrag in wöchentlichen Raten von 1.500 € bezahlt werden würde. Bereits 5.500 € seien geflossen, der eben genannte Restbetrag verbleibe noch. Alle Erklärungen bis August 2017 seien erfolgt. Bei der Stadtkasse würden keine steuerlichen Verpflichtungen mehr bestehen. Sämtliche Konten bis auf den eben genannten Betrag seien ausgeglichen. Ein weiteres Schreiben (Anlage A4) belege, dass die Umschuldungsmaßnahme Aussicht auf Erfolg habe.
Die als Anlage A4 vorgelegte Bestätigung enthält folgende Aussagen: „Gemäß [der] Auftragserteilung sind wir mit der Bearbeitung dieses Finanzierungsvorhaben[s] seit Anfang Juli 2017 beschäftigt. Das Finanzierungsvorhaben ist in seinem gesamten Vorhaben sehr [k]omplex und mit vielen Recherchen verbunden, die einen gewissen Bearbeitungs- und Abwicklungszeitraum in Anspruch nehmen, sodaß bis zum heutigen Zeitpunkt noch keine rechtsverbindliche Darlehenszusage gewährt werden konnte. Wir sind jedoch nach derzeitigem Bearbeitungsstand davon überzeugt und gehen auch hierbei davon aus, dass eine Finanzierungssicherstellung der benötigten Darlehensmittel erfolgen wird.“
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 25.08.2017,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurden im Wesentlichen der oben bezeichnete Sachverhalt und die Bescheidsbegründung wiederholt. Zudem wurde mitgeteilt, dass sich mit Stand vom 24.08.2017 die offenen Gesamtforderungen bei der Stadtkasse auf 28.360,31 EUR belaufen würden. Beim Finanzamt habe kein Eingang der Steuererklärungen der Jahre 2013, 2014 und 2015 verzeichnet werden können. Trotz diverser Zahlungseingänge, die allesamt nach Erlass des Widerrufsbescheids erfolgt seien, bestehe dort noch ein Rückstand von ca. 38.000 EUR. Die Schuldenstände seien über einen längeren Zeitraum angestiegen, von einer kurzfristigen Schieflage könne nicht mehr ausgegangen werden. Zahlungen nach Bescheidserlass könnten nicht mehr relevant sein, da maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit ebendieser Bescheidserlass sei. Das Wohlverhalten unter dem Eindruck konkreter Maßnahmen habe im Vergleich zum vorangegangenen langdauernden Fehlverhalten nur wenig Aussagekraft, da es taktisch motiviert sein kann. Die Aussagen in der Klage- und Antragsbegründung hätten sich nicht bestätigt, insb. seien keine Steuererklärungen eingegangen und die Schulden bei der Stadtkasse gerade nicht getilgt. Die behaupteten Sanierungsmaßnahmen würden so auch nicht das Suspensivinteresse überwiegen lassen können.
Im Klageverfahren wurde mit Stand 11.09.2017 von der Antragsgegnerin mitgeteilt, eine Nachfrage bei der Stadtkasse habe ergeben, dass der Antragsteller dort noch 28.389,13 EUR Schulden habe, beim Finanzamt würden diese 44.170,30 EUR betragen.
Mit Schreiben vom 12.10.2017 teilte die Antragsgegnerin mit, dass aktuell aufgrund der Säumniszuschläge die Rückstände bei der Stadtkasse auf 28.935,81 EUR angestiegen seien, beim Finanzamt auf 58.069,93 EUR. Mit einem weiteren Anstieg sei aufgrund der am 15.11. fällig werdenden Gewerbesteuervorauszahlung zu rechnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Hauptsacheverfahrens RN 5 K 17.1478) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der eingereichten Anfechtungsklage ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, da die Klage gegen Nummern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids wegen des behördlich angeordneten Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat, während die Androhung unmittelbaren Zwangs in Ziffer 3, die kraft Gesetzes gemäß Art. 21a Satz 1 VwZVG sofort vollziehbar ist, nicht angegriffen wurde. Der Antrag ist allerdings unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung wiederherstellen.
Soweit die Behörde den Sofortvollzug besonders angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO), muss das Gericht zunächst überprüfen, ob die Begründung der zuständigen Behörde für die Anordnung des Sofortvollzugs den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt. Nur wenn dies der Fall ist oder wenn es sich um einen Verwaltungsakt handelt, der kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, so trifft das Gericht eine eigene, originäre Ermessensentscheidung. Bei dieser Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung und dem Aussetzungsinteresse des Antragsstellers kommt zunächst der summarischen Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache besondere Bedeutung zu.
Wenn die Hauptsacheklage nach der im Eilrechtsschutz gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung offensichtlich keine Aussichten auf Erfolg hat, weil der Verwaltungsakt als rechtmäßig erscheint, so ist der Antrag in der Regel abzulehnen (ausführlich zu der vorzunehmenden Interessenabwägung: BVerwG vom 14.4.2005, BVerwGE 123, 241). Auch die besondere Bedeutung der Berufsfreiheit führt im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis (sh. unten 4.)
Im Einzelnen ergibt sich dies im vorliegenden Fall wie folgt:
„1. Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs erfüllt die notwendigen Voraussetzungen aus § 80 Abs. 3 VwGO. Grundsätzlich muss die Begründung auf den konkreten Einzelfall abstellen und darf sich nicht mit „formelhaften“ Erwägungen begnügen (BayVGH, B.v. 30.10.2009, 7 CS 09.2606, juris Rn. 17). Die Begründung soll den Betroffenen einerseits in die Lage versetzen seine Rechte wirksam wahrnehmen zu können. Andererseits soll sie der Behörde den Ausnahmecharakter vor Augen führen und sie veranlassen genau zu prüfen, ob und warum ausnahmsweise der Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen durchbrochen werden soll (Kopp/Schenke, VwGO, 20.Aufl. 2014, § 80 Rn. 84 ff.). Die Behörde muss konkret die Gründe angeben, die dafür sprechen, dass die sofortige Vollziehung aufgrund erheblicher öffentlicher Interessen notwendig ist und warum dahinter die Interessen des Betroffenen zurückstehen müssen. Ein Abstellen auf die Gesichtspunkte, die den Grundverwaltungsakt selbst rechtfertigen, ist nicht ausreichend. Allerdings können bei gleichartigen Tatbeständen auch gleiche oder „gruppentypisierte“ Begründungen ausreichen. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach ihrer Auffassung diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt (BayVGH B.v. 27.10.2005, Az 11 CS.051967, juris Rn. 13; BayVGH B.v. 13.10.2006 – Az. 11 CS 06.1724).“
Hier hat die Antragsgegnerin in ausreichender Begründung zutreffend darauf abgestellt, dass ohne Sofortvollzug die konkrete Gefahr bestehe, dass die Steuerrückstände weiter anwachsen könnten, wenn der Antragsteller sein Gewerbe bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter ausüben würde, da diese schon während des Verwaltungsverfahrens in großem Umfang angewachsen waren. Zudem hat die Behörde die spezifische Konstellation des Falles gewürdigt, dass schon nach den von Antragstellerseite vorgelegten Unterlagen dem Umfinanzierungsversuch geringe Erfolgschancen beizumessen sind, da die Mittel zur Erstellung der Steuererklärungen 2013, 2014 und 2015 fehlen würden, gerade diese Erklärungen aber von dem 1* … für die Umschuldungsmaßnahme angefordert waren. Diese Erwägungen sind aus formeller Sicht nicht zu beanstanden. Ob diese Gründe auch inhaltlich zutreffen, ist bei der Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit der Vollzugsanordnung unbeachtlich (Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 Rn. 246). Erweisen sich die von der Behörde in der Begründung angeführten Gründe als nicht tragfähig, um das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung rechtfertigen zu können, liegt kein formeller Begründungsmangel i.S.d. § 80 Abs. 3 VwGO, sondern ein Verstoß gegen die materielle Voraussetzung des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO vor (Gersdorf, in: Beck’scher Online Kommentar zur VwGO, § 80 Rn. 95).
Zwar enthält diese Begründung einige „formelhafte“ Erwägungen, diese sind aber deshalb unschädlich, weil eine Gewerbeuntersagung wegen steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Rückstände ein typisierter Fall ist, der in der Verwaltungspraxis oft auftritt und deshalb auch eine „gruppentypisierte“ Begründung ausreichend ist (BayVGH, E.v. 13.10.2006 – Az. 11 CS 06.1724).
2. Die Klage in der Hauptsache hat aus Sicht der entscheidenden Kammer nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage offensichtlich keine Aussichten auf Erfolg, weil der Verwaltungsakt als rechtmäßig erscheint und damit den Antragssteller nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die hier vorliegenden Tatsachen sind ausreichende Gründe, um die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit darzutun.
Der Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis findet seine Rechtsgrundlage in §§ 15 Abs. 2, 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG. Danach ist eine gaststättenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, wofür das Gesetz besondere Beispielsfälle benennt. Die in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG genannten Tatbestände stellen aber schon nach dem Wortlaut des Gesetzes keinen abschließenden Katalog dar.
Der Kläger besitzt im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 13. März 1973 – I C 36.71 –, BVerwGE 42, 68-71 RN. 25) des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids als letzte Verwaltungsentscheidung nicht die erforderliche gaststättenbzw. gewerberechtliche Zuverlässigkeit.
Der Begriff der Unzuverlässigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG stimmt mit dem des § 35 Abs. 1 GewO überein (vgl. BVerwG, B. v. 23.9.1991, BayVBl 1992, 281 = GewArch 1992, 22).
Unzuverlässig im Sinne des Gaststätten- und Gewerberechts ist nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er seinen Gaststättenbetrieb bzw. sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird (BVerwG, U. v. 2.2.1982 = BVerwGE 65, 9 = BayVBl 1982, 501). Nicht ordnungsgemäß ist die Gewerbeausübung durch eine Person, die nicht willens oder nicht in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten. Erforderlich ist weder ein Verschulden im Sinne eines moralischen oder ethischen Vorwurfs, noch ein Charaktermangel. Die Unzuverlässigkeit muss sich nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO aus in der Vergangenheit eingetretenen Tatsachen ergeben. Die bereits geschehenen Tatsachen hat die Behörde daraufhin zu beurteilen, ob sie auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in der Zukunft schließen lassen, d.h. ob sie die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit erfordert kein Verschulden des Gewerbetreibenden (BVerwGE 24, 38). Es kommt auch nicht darauf an, welche Ursachen zu der Überschuldung und der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des Klägers geführt haben. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit, ohne Rücksicht auf die Ursachen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten, seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Der Unzuverlässigkeitsvorwurf der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit knüpft daher weniger an die Vermögenslosigkeit als solche an, sondern an die unterlassene Betriebsaufgabe trotz anhaltender wirtschaftlicher Krise (Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, 8. Auflage 2011, § 35 Rn. 63).
Dadurch rechtfertigen allein die hier zum Zeitpunkt des Bescheidserlass aufgelaufenen Steuerrückstände in Höhe von 46.033,26 EUR den Widerruf der Erlaubnis.
Es ist allgemein anerkannte Meinung und ständige Rechtsprechung, dass Steuerschulden geeignet sind, auf die Unzuverlässigkeit zu schließen (Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 2013, § 35 Rn. 49 m.w.N.). Staat und Gemeinden sind auf den fristgerechten Eingang der von ihnen erhobenen Steuern und Abgaben angewiesen, um ihren ständig zunehmenden Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit genügen zu können. Wenn ein Gewerbetreibender sich seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Staat und der Gemeinde entzieht, so schädigt er nicht nur die Allgemeinheit, sondern versucht damit zugleich, sich in unlauterer Weise im Geschäftsleben einen Vorsprung vor den mit ihm im Wettbewerb stehenden Gewerbetreibenden zu verschaffen, die ihre Steuerpflichten in redlicher Weise erfüllen. Von einem Gewerbetreibenden, der mit derart unlauteren Mitteln unter Missachtung der Belange der Allgemeinheit und seiner Mitbewerber nur seine eigenen geschäftlichen Interessen verfolgt, kann auch im Rahmen der zu stellenden Prognose nicht erwartet werden, dass er sein Gewerbe im Einklang mit den bestehenden Vorschriften einwandfrei führen wird (BVerwG, B.v. 17.01.1964 – VII B 159/63).
Eine Norm über die Höhe der für eine Gewerbeuntersagung relevanten Steuerrückstände lässt sich von Gesetzes wegen nicht aufstellen. Wie das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, sind Steuerrückstände nur dann geeignet einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; auch die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist von Bedeutung (BVerwG, B.v. 29.01.1988 – 1 B 164/87 – juris Rn. 3; BVerwG, B.v. 19.01.1994 – 1 B 5/94 – juris Rn. 6). Eine feste Grenze, ab welcher Höhe der Steuerschuld Unzuverlässigkeit bejaht werden kann, lässt sich dabei nicht angeben (BVerwG, B.v. 09.04.1997 – 1 B 81/97 – juris Rn. 4). Trotzdem wird in der Literatur eine Grenze bei 5.000 € gezogen (Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 2013, § 35 Rn. 52; so auch der Erlass des Bundesministers der Finanzen vom 17.12.2004, Az. IV A 4 – S. 0130 – 113/04, BStBl. I S. 117). Irrelevant dabei ist, ob die Steuerrückstände auf Schätzungen beruhen, da nur die Fälligkeit der Steuerschuld maßgeblich ist, nicht deren materielle Rechtmäßigkeit (BVerwG, B.v. 01.02.1994 – 1 B 9/94 – juris Rn. 3; Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, 8. Auflage 2011, § 35 Rn. 51).
Der vorliegende Fall ist dabei durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Schon im Juli 2016 lagen die Rückstände bei Stadtkasse und Finanzamt jeweils über dem genannten Wert im höheren vierstelligen Bereich. Während diejenigen bei der Stadtkasse zwischenzeitlich zurückgeführt waren, erhöhten sich diejenigen beim Finanzamt bis zum 15.05.2017 auf 39.518,16 EUR und bis zum 10.07.2017 (eine Woche vor Bescheidsdatum) weiter auf 46.033,26 EUR. Umsatzsteuervoranmeldungen seit etwa einem halben Jahr fehlten und Einkommensteuererklärungen der Jahre 2013, 2014 und 2015 fehlten, dies da schon nach Aussage von Antragstellerseite vom 26.06.2017 der Steuerberater nicht bezahlt werden konnte. Ausweislich des Schreibens des mit einer Umschuldung beauftragten …-Unternehmens vom 02.06.2017 waren diese zudem im Hinblick auf die Umschuldungsmaßnahme angefordert worden.
Bei ihrer Prognose wies die Antragsgegnerin dieser Umschuldungsmaßnahme zu Recht nur geringes Gewicht bei. Konkret angeforderte Unterlagen, wie die Kopien bisher eingereichter Unterlagen, mit denen z.B. eingeschätzt hätte werden können, auf wie breiter Tatsachengrundlage die Aussagen des …-Unternehmens fußen, hat die Antragstellerseite nicht übersandt. Stattdessen lagen nur allgemein gehaltene Bestätigungen vor, dass eine Umschuldungsmaßnahme beauftragt wurde. Letztlich diesbzgl. entscheidend ist aber, dass von einer grundsätzlich vorliegenden Unzuverlässigkeit unter dem Aspekt der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dann nicht auszugehen ist, wenn nach einem erfolgversprechenden Sanierungskonzept gearbeitet wird, nicht nur an einem solchen. Ein solches müsste also nicht nur in der Erstellungsphase sein, sondern bereits im Gewerbebetrieb umgesetzt, (vgl. hierzu BayVGH, Beschluss vom 05. Dezember 2016 – 22 ZB 16.2177 –, Rn. 16, juris). Seit der ersten Anhörung zum Widerruf der Gaststättenerlaubnis im Mai/Juni 2016 war bei Bescheidserlass über ein Jahr vergangen, die Mahnschreiben bzgl. des vermeintlich die Schieflage auslösenden nicht gezahlten Kaufpreises für ein früheres Lokal datieren aus dem Jahr 2014. Es war also auch genug Zeit, den Bedarf an einer erfolgversprechenden Sanierung zu erkennen. Stattdessen wurden fällige Forderungen in fünfstelligem Bereich über längere Zeit nicht beglichen und schon die Zahlung von 5.000 € an den Steuerberater stellte ein Problem dar, obwohl damit eine Senkung der (auf Schätzung beruhenden) Steuerschulden erhofft war.
Auch wenn sich der Antragsteller seit dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheids zumindest zum Teil um den Abbau seiner Verpflichtungen bemühte, indem er einige Zahlungen an das Finanzamt leistete, so genügt dieses kurzfristige Wohlverhalten hinsichtlich des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens noch nicht für die Annahme einer positiven Prognose. Dafür ist erforderlich, dass der Gewerbetreibende die Gewähr dafür bietet, sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß auszuüben. Je länger das zuvor gezeigte Fehlverhalten andauerte, desto mehr müssen sich auch die Tatsachen auf einen längeren Zeitraum erstrecken, sozusagen nachhaltig sein, um die Grundlage für die Annahme eines geläuterten Verhaltens zu sein. Ein kurzfristiges Wohlverhalten kann eine über lange Zeit zu Tage getretene Unzuverlässigkeit nicht ohne Weiteres ausräumen, insbesondere wenn dieses Wohlverhalten nicht Teil eines durchdachten und Erfolg versprechenden Sanierungskonzepts oder Ergebnis eines inneren Reifeprozesses des Gewerbetreibenden ist (so BayVGH vom 16.10.2015, Az. 22 ZB 15.2022 Rn. 12). Der Antragsteller verfügt jedoch, wie dargelegt, nicht über ein nachvollziehbares Sanierungskonzept, das eine zeitnahe Abtragung der Schulden bei öffentlichen Gläubigern und auch bei seinen privaten Gläubigern (z.B. etwaigen Finanziers der Umschuldungsmaßnahme) und damit eine Rückkehr zu geordneten Vermögensverhältnissen erwarten lässt. Vielmehr stellt sich die Zahlung im Monat nach Bescheidserlass dar als Reaktion auf diesen und lässt noch nicht auf eine Rückkehr in wirtschaftlich leistungsfähige Verhältnisse schließen.
Auch die dem Antragsteller eingeräumte Frist von etwa 8 Wochen zur Betriebseinstellung war angemessen. In diesem Zeitraum kann dem Antragsteller billigerweise zugemutet werden, sein derzeit ausgeübtes Gewerbe abzuwickeln. Aufgrund des bereits über einen längeren Zeitraum laufenden Gewerbeuntersagungsverfahrens, insbesondere aufgrund der Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin vom 27.05.2016, 28.11.2016 und 26.06.2017 war dem Antragssteller bekannt, dass die Gewerbeuntersagung bevorstand. Er konnte sich damit bereits darauf einstellen.
3. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die kraft Gesetzes nach Art. 21a Satz 1 VwZVG sofort vollziehbare Androhung unmittelbaren Zwangs in Ziffer 3 des Bescheides ist dagegen nicht beantragt. Da jedoch seitens des Gerichts die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Grundverwaltungsakt nicht wiederhergestellt worden ist, fehlt auch nicht etwa die Vollstreckungsvoraussetzung des Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG.
4. Darüber hinaus liegt in der Ablehnung des gestellten Antrags auch keine Verletzung von Art. 12 GG. Nicht nur müssen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache negativ eingeschätzt werden, eine weitere Berufstätigkeit während der Dauer des Rechtsstreits lässt vielmehr konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfG vom 12.8.2003, NJW 2003, 3617 und BVerfG vom 24.10.2003, NJW 2003, 3618/3619). Hierzu ist auch die Erfüllung wesentlicher steuerlicher Pflichten zu rechnen. (so auch BayVGH, Beschluss vom 25. November 2009 – 22 CS 09.2360 –, Rn. 6, juris) Die Feststellung solcher Gefahren auch für die Dauer des Rechtsstreits ist den Geschehnissen nach Bescheidserlass zu entnehmen. So wurden Maßnahmen durch den Vertreter des Antragstellers trotz Einforderung nicht konkret belegt, sondern nur behauptet. Augenscheinlich wird dies besonders darin, dass am 21.08.2017 mit der Antragsbegründung geltend gemacht wird, bei der Stadtkasse würden keine steuerlichen Verpflichtungen mehr bestehen. Mit Stand vom 24.08.2017 teilte die Stadtkasse jedoch Rückstände von 28.360,31 EUR mit. Mit gleichem Schreiben hatte der Antragssteller vorrechnen lassen, beim Finanzamt würden nach Berücksichtigung der nunmehr eingereichten Steuererklärungen 11.507,89 EUR verbleiben, nachdem nunmehr Zahlungen von wöchentlich 1.500 EUR möglich sein sollen und 5.500 EUR gezahlt wurden. Nach Auskünften des Finanzamts vom 24.08.2017 belaufen sich die fälligen Rückstände jedoch auf ca. 38.000 EUR, vom 11.09.2017 auf 44.170,30 EUR und vom 12.10.2017 auf 58.069,93 EUR. Am 15.11.2017 werde zudem die Gewerbesteuervorauszahlung fällig, sodass dort mit einem weiteren Anstieg zu rechnen war. Eine positive Entwicklung während des Rechtsstreits ist also nicht zu erkennen, sodass die Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO trotz der Wirkung als vorläufiges Berufsverbot einen verhältnismäßigen und damit gerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt. Trotz ersten Bemühungen nach Bescheidserlass kam es nämlich zu einem rasanten Anstieg des Schuldenstandes, der nach wie vor ein Vielfaches des geltend gemachten Betrages ausmacht. Darin zeigt sich die konkrete Gefahr des weiteren Anstiegs der Rückstände.
5. Nachdem der Antrag unbegründet ist, war er mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
6. Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abrufbar auf der Homepage des BVerwG), dessen Empfehlungen die Kammer folgt. Nach Nr. 54.2.1 beträgt der Streitwert 15.000 Euro. Im Eilverfahren war dieser Streitwert nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren.


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