Steuerrecht

Zum Grundsteuererlass wegen Minderung des Rohertrags

Aktenzeichen  4 B 18.2511

Datum:
4.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7208
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GrStG § 33
BewG § 22

 

Leitsatz

1 Ein Steuerschuldner hat die Minderung des Rohertrags im Sinn von § 33 Abs. 1 S. 1 GrStG dann nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereiches liegen, d.h. wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt hat noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat verhindern können (vgl. BVerwG BeckRS 2017, 103714). (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist die Ertragsminderung durch einen Leerstand des Objekts bedingt, so hat der Steuerpflichtige die Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung der Räumlichkeiten zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass von dem Grundsteuerpflichtigen im Rahmen des § 33 GrStG nicht verlangt werden kann, sich bei seinen Vermietungsbemühungen stets den unteren Rand der Spanne eines marktgerechten Mietzinses zu eigen zu machen, also das Objekt zu einem weit unterhalb des Durchschnitts liegenden Betrag anzubieten (vgl. BFH BeckRS 2007, 25012783). (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 12 K 17.994 2018-01-30 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. Januar 2018 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 9. März 2015 und des Widerspruchsbescheids der Regierung der Oberpfalz vom 8. Mai 2017 verpflichtet, der Klägerin für das Jahr 2014 die Grundsteuer in einer Höhe von 77,38 Euro zu erlassen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung der Klägerin, über die mit Einverständnis aller Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat in vollem Umfang Erfolg, so dass die erstinstanzliche Entscheidung keinen Bestand haben kann. Für ihr Eigentumsobjekt (FAD 157094-1) kann die Klägerin nach § 33 GrStG für das streitige Jahr 2014 einen Erlass der Grundsteuer in Höhe von 50 Prozent beanspruchen. Der auf ihren diesbezüglichen Antrag hin ergangene Ablehnungsbescheid der Beklagten und der Widerspruchsbescheid der Regierung der Oberpfalz waren daher rechtswidrig und somit ebenfalls aufzuheben.
Die Grundsteuer wird nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG in Höhe von 25 Prozent erlassen, wenn bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 50 Prozent gemindert ist und der Steuerschuldner diese Minderung nicht zu vertreten hat. Beträgt die Minderung 100 Prozent, ist die Grundsteuer nach § 33 Abs. 1 Satz 2 GrStG in Höhe von 50 Prozent zu erlassen. Normaler Rohertrag ist nach § 33 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 GrStG bei bebauten Grundstücken die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzte übliche Jahresrohmiete. Eine Ertragsminderung ist nach § 33 Abs. 5 GrStG kein Erlassgrund, wenn sie für den Erlasszeitraum durch Fortschreibung des Einheitswerts berücksichtigt werden kann oder bei rechtzeitiger Stellung des Antrags auf Fortschreibung hätte berücksichtigt werden können.
1. Hiernach lagen im streitgegenständlichen Zeitraum die Voraussetzungen für einen Grundsteuererlass in der maximalen Höhe von 50 Prozent vor. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass das in ihrem Eigentum stehende Ladenlokal im Jahr 2014 nicht vermietet war und deshalb daraus keine Mieterträge erzielt wurden, so dass die Minderung des Rohertrags 100 Prozent betrug. Diesem vollständigen Einnahmeverlust konnte nicht gemäß § 33 Abs. 5 GrStG durch eine Fortschreibung des Einheitswerts Rechnung getragen werden, wie die Ablehnung des entsprechenden Antrags der Klägerin durch das Finanzamt Regensburg beweist.
Das dazu ergangene (formlose) Schreiben vom 27. März 2015, mit dem der Antrag auf Wertfortschreibung nach § 22 BewG wegen eines zu geringen Abschlags (10 bis 15 Prozent) vom bisherigen Einheitswert abgelehnt wurde, steht auch nicht wegen seines Inhalts dem Grundsteuererlass entgegen. Eine irgendwie geartete Bindung an die Gründe eines auf das Bewertungsgesetz gestützten Finanzamtsbescheids sieht das Grundsteuergesetz nicht vor. Davon abgesehen enthält das genannte Schreiben auch keinerlei Feststellungen zum Umfang der Rohertragsminderung im Sinn des § 33 Abs. 1 GrStG, sondern verweist lediglich auf eine „errechnete Abweichung vom bisherigen Einheitswert“, die nur 2.000 Deutsche Mark betrage. Hieraus lassen sich keine Schlüsse auf die Höhe des Mietausfalls ziehen, der infolge der Feuchtigkeitsschäden im Jahr 2014 entstanden ist. Den Aussagen des Finanzamts zu den Auswirkungen der geschilderten Baumängel auf den Einheitswert kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht entnommen werden, dass in dem streitigen Zeitraum eine Vermietung mit einer geminderten Miete möglich gewesen wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs selbst die vollständige Unbenutzbarkeit eines Gebäudes, sofern sie nur vorübergehend besteht, keine bewertungsrechtlichen Auswirkungen hat und daher bei der Einheitswertermittlung nicht zur Veränderung der Jahresrohmietwerte führt (BFH, U.v. 14.12.1994 – II R 104/91 – DStR 1995, 683).
2. Die Klägerin als Steuerschuldnerin hatte die Rohertragsminderung im Jahr 2014 nicht zu vertreten. Ihr kann weder entgegengehalten werden, dass sie unzureichende Vermietungsbemühungen unternommen habe (dazu nachfolgend a), noch musste sie die Feuchtigkeitsschäden zunächst auf eigene Kosten beseitigen und damit die Vermietbarkeit wiederherstellen (dazu nachfolgend b).
a) Ein Steuerschuldner hat die Minderung des Rohertrags im Sinn von § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG dann nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereiches liegen, d.h. wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt hat noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat verhindern können. Ist die Ertragsminderung durch einen Leerstand des Objekts bedingt, so hat der Steuerpflichtige die Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung der Räumlichkeiten zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat. Ob er hinreichende Bemühungen unternommen hat, ist jeweils unter den gegebenen Umständen des Einzelfalls zu prüfen, wobei es nach § 34 Abs. 1 Satz 2 GrStG auf den beantragten Erlasszeitraum ankommt (vgl. BVerwG, B.v. 13.2.2017 – 9 B 37.16 – NVwZ-RR 2017, 429 Rn. 6 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall spricht nichts dafür, dass die Klägerin durch ein zumutbares Verhalten im Jahr 2014 eine Neuvermietung zu einem marktgerechten Mietzins hätte erreichen können. Wie sich aus den von ihr im Verwaltungsverfahren vorgelegten Sachverständigengutachten und den beigefügten Lichtbildern ergibt, wiesen zwei der Räume sowie die Außenwand erhebliche Nässeschäden auf, die eine aufwändige Sanierung erforderlich machten. Die mit der erhöhten Raumfeuchtigkeit verbundenen Gesundheitsgefahren waren ursächlich für die vorzeitige Beendigung des früheren Mietverhältnisses gewesen; spätere Mietinteressenten hatten, wie die Klägerin nachvollziehbar dargelegt hat, spätestens nach einer Besichtigung des Objekts aus demselben Grund von einer Anmietung Abstand genommen. Angesichts dieser Umstände war aus damaliger Sicht nicht zu erwarten, dass durch ein weiteres Anbieten etwa mittels Anzeigen in Zeitungen oder auf Internetportalen ein Mietverhältnis zu angemessenen Konditionen hätte erreicht werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass von dem Grundsteuerpflichtigen im Rahmen des § 33 GrStG nicht verlangt werden kann, sich bei seinen Vermietungsbemühungen stets den unteren Rand der Spanne eines marktgerechten Mietzinses zu eigen zu machen, also das Objekt zu einem weit unterhalb des Durchschnitts liegenden Betrag anzubieten (vgl. BFH, U.v. 24.10.2007 – II R 6/05 – juris Rn. 16). Bei dem hier zu beurteilenden Ladenlokal hätte die Klägerin, um sich nicht dem Vorwurf der Arglist auszusetzen, anlässlich etwaiger Vermietungsgespräche von sich aus auf die vorhandenen Nässeschäden und auf die Notwendigkeit umfassender Sanierungsmaßnahmen hinweisen müssen. Die daraus folgenden Nutzungseinschränkungen standen einer Vermietung zu einem annähernd marktgerechten Mietzins von vornherein entgegen. Maßgebende Bezugsgröße können dabei nur mangelfreie Immobilien vergleichbarer Art, Größe und Lage sein; ein spezielles Marktsegment für nässegeschädigte oder gar gesundheitsgefährdende Mietobjekte existiert nicht.
b) Von der Klägerin konnte jedenfalls unter den hier gegebenen besonderen Umständen auch nicht gefordert werden, noch vor der rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den Bauträger erhobene Klage die volle Nutzbarkeit des Objekts auf eigene Rechnung wiederherzustellen.
Ob ein dadurch zusätzlich notwendig werdendes Beweissicherungsverfahren so zeitnah hätte abgeschlossen werden können, dass die Klägerin mit nachfolgenden Sanierungsmaßnahmen noch im Jahr 2014 fertig geworden wäre und das Objekt in mangelfreiem Zustand hätte vermieten können, kann hier dahinstehen. Ein solches Vorgehen war ihr zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls deshalb nicht zumutbar, weil die Wohnungseigentumsgemeinschaft nach den vorgelegten Unterlagen und den dazu gegebenen Erläuterungen ersichtlich keine Bereitschaft zeigte, ihre notwendige Zustimmung und Unterstützung zu solchen Baumaßnahmen zu erteilen. Die Klägerin hätte daher entweder zunächst die Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer gerichtlich erstreiten oder die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen auch am Gemeinschaftseigentum vollständig auf eigene Kosten und auf das Risiko späterer Schadensersatzforderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft hin in Auftrag geben müssen. Beides hätte für sie zumal in Anbetracht des bereits weit fortgeschrittenen Klageverfahrens gegen den Bauträger eine weitere erhebliche Belastung bedeutet. Aufgrund des bisherigen Verhaltens dieses Prozessgegners musste die Klägerin zudem befürchten, dass eine Selbstvornahme der Mangelbeseitigung als vertragswidrig hätte beanstandet werden können; dies würde die Durchsetzung ihrer Gewährleistungsansprüche gefährden.
Insgesamt lag damit eine solche Fülle von rechtlichen Hindernissen und Risiken vor, dass von der Klägerin billigerweise nicht erwartet werden konnte, nur zum Zweck der schnellstmöglichen Wiederherstellung der Vermietbarkeit aufwändige Baumaßnahmen an den ihr gehörenden Räumlichkeiten und dem damit untrennbar verbundenen Gemeinschaftseigentum auf eigene Kosten vorzunehmen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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