Strafrecht

Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis, Gebrauch zu machen, Konsum harter Drogen, unwillentliche Einnahme

Aktenzeichen  B 1 S 21.907

Datum:
24.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36694
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 46 Abs. 1, Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Anträge, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 3. August 2021 wiederherzustellen, sowie den Antragsgegner zu verpflichten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Eintragung der aberkannten Fahrberechtigung im polnischen Führerschein zu entfernen, werden abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und Beiordnung von Rechtsanwalt H. abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Aberkennung des Rechts von seiner polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen sowie Prozesskostenhilfe hierfür.
Die polnische Fahrerlaubnisbehörde … erteilte dem Antragsteller am 17. Oktober 2007 die Fahrerlaubnis der Klasse B. Der Antragsteller ist seit dem 7. Dezember 2019 einwohnerrechtlich in Deutschland gemeldet.
Am 28. Februar 2021 führte die Polizeiinspektion … gegen 14:40 Uhr beim Antragsteller eine allgemeine Verkehrskontrolle durch. Dem Sachverhalt zu Az. … ist zu entnehmen, dass die Polizei drogentypische Auffälligkeiten, u.a. nervöses Verhalten gegenüber der Streife festgestellt habe. Der Antragsteller habe angegeben, vor Kurzem Betäubungsmittel konsumiert zu haben. Es sei ihm ein freiwilliger Drogenschnelltest angeboten worden, aber da dieser vor Ort nicht möglich gewesen sei, habe der Antragsteller eingewilligt, einen „DrugWipeTest 2A“ in der Dienststelle durchzuführen. Dieser ergab ein positives Ergebnis auf dem Abstrich Amphetamin/Methamphetamin/XTC.
Anschließend wurde eine Blutentnahme angeordnet.
In der Betroffenenanhörung wegen des Verstoßes gegen das Straßenverkehrsgesetz (Drogeneinwirkung, § 24a StVG, Az. …) gab der Antragsteller an: „Ich habe nichts genommen. Mit dem Drogenwischtest (Anm.: DrugWipeTest 2A) war ich nicht einverstanden.“
Der ärztliche Befundbericht des … … vom 3. März 2021 ergab im am 28. Februar 2021 entnommenen Blut des Antragstellers positive Ergebnisse hinsichtlich Amphetaminen, Methamphetaminen und Cannabinoiden. THC konnte mit 3.7 µg/l, 11- Hydroxy-THC mit 1.9 µg/l und THC-Carbonsäure mit 32 µg/l festgestellt werden. Amphetamin wurde mit 22 µg/l und Methamphetamin mit 190 µg/l festgestellt.
Aus dem Polizeibericht vom 29. März 2021 (Bl. 29 der Behördenakte) ergibt sich weiter, dass der Antragsteller in der Anhörung zur Verkehrsordnungswidrigkeit angegeben habe, aktuell nichts genommen zu haben, weswegen der Schnelltest nicht funktionieren müsse. Deshalb habe er im Nachhinein angegeben, mit dem erfolgten Test nicht einverstanden gewesen zu sein.
Mit Bußgeldbescheid vom 31. Mai 2021, rechtskräftig am 17. Juni 2021, wurde die Tat des Antragstellers gemäß § 24a Abs. 2, Abs. 3, § 25 Abs. 2a StVG, 242 BKat, § 4 Abs. 3 BKatV mit einem Bußgeld über 500 EUR sowie einem Fahrverbot von 1 Monat und 2 Punkten geahndet.
Der Antragsgegner hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 22. Juli 2021 zur Aberkennung des Rechts von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, an.
Mit Bescheid vom 3. August 2021, zugestellt am 4. August 2021, erkannte der Antragsgegner dem Antragsteller das Recht ab, von seiner polnischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch machen zu dürfen (Ziffer 1). Er werde aufgefordert, seinen polnischen Führerschein (Nr….) innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung dieses Bescheids dem Antragsgegner zur Eintragung der aberkannten Fahrberechtigung in der Bundesrepublik Deutschland vorzulegen (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 werde angeordnet (Ziffer 3).
Es liege ein Mangel nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV vor. Die Nichteignung stehe nach § 11 Abs. 7 FeV fest. Es bestehe ein dringendes öffentliches Interesse daran, dass der Antragsteller nicht mehr am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen könne, da andernfalls eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer bestehe. Die Pflicht hinsichtlich Ziffer 2 ergebe sich aus § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV. Die sofortige Vollziehung der Ziffer 2 solle den Rechtsschein einer gültigen Fahrerlaubnis vermeiden.
Am 12. August 2021 hat der Antragsteller den Führerschein zur Eintragung der aberkannten Fahrberechtigung vorgelegt.
Mit am 13. August 2021 eingegangenen Schriftsatz seines Bevollmächtigten ließ der Antragsteller Klage erheben und beantragen,
1. dem Antragsteller für das Verfahren über den einstweiligen Rechtsschutz Prozesskostenhilfe zu bewilligen und dem Antragsteller zur Wahrnehmung seiner Rechte den Unterzeichner als Rechtsanwalt beizuordnen;
2. die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tag gegen den Bescheid, Ziffer 1, der Antragsgegnerin vom 03.08.2021, Aktenzeichen „…“ wieder herzustellen;
3. der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung gemäß § 123 VwGO aufzugeben, die Eintragung der aberkannten Fahrberechtigung im polnischen Führerschein des Antragstellers zurückzunehmen bzw. zu beseitigen.
Zur Begründung lässt er vortragen, er habe am 27. Februar 2021 einmalig alte Bekannte und Arbeitskollegen aus Polen zu Besuch gehabt, zu denen der Kontakt mittlerweile „eingefroren“ sei. Einer der Besucher – welcher sei nicht mehr erinnerlich – habe gegen 18 Uhr einen Joint gedreht, von dem er vorgegeben habe, dass er ausschließlich Cannabisprodukte beinhalte. Hierauf habe der Antragsteller vertraut. Da er kurz zuvor erfahren habe, dass er Vater werde, habe er aus der Euphorie heraus eingewilligt mehrfach (4 – 5 mal) an dem „kreisenden“ Joint zu ziehen. Er sei dabei davon ausgegangen, lediglich Cannabis in üblicher Menge zu konsumieren. Die Wirkung von Cannabis sei dem Antragsteller grundsätzlich bekannt, da er gelegentlich in unregelmäßigen Abständen von mehreren Monaten konsumiert habe, dies aber nie alleine, sondern in der Gruppe, in welcher gemeinsam ein einzelner Joint geraucht worden sei. Weitere Drogen habe der Antragsteller weder an jenem noch an einem anderen Tag vor Fahrtantritt konsumiert, insbesondere keine Amphetamine oder Ecstasy.
Am nächsten Tag habe sich der Antragsteller – nachdem er nach dem Konsum eine berauschende Wirkung und Unwohlsein empfunden habe – wieder fit gefühlt und keinerlei Rauschwirkung verspürt. Er sei von bestehender Fahreignung ausgegangen. Da er davon ausgegangen sei, keine die Fahreignung beeinträchtigenden Wirkstoffe mehr im Körper zu haben, habe er die Blutprobe freiwillig abgegeben. Er könne sich nicht erklären, wie es zu den gemessenen Werten betreffend Amphetamin und Methamphetamin gekommen sei, aber er vermute, dass sich in dem Joint andere Drogen befunden hätten. Ihm sei der Konsum dieser Stoffe durch die Besucher nicht bekannt. Rückfragen seien nicht möglich gewesen, da kein Kontakt mehr bestehe und wegen der strafrechtlichen Relevanz dies wohl verneint werden würde.
Am 17. Juni 2021 habe die Lebensgefährtin des Antragstellers den gemeinsamen Sohn zur Welt gebracht, welcher aufgrund eines Herzfehlers bis heute im Klinikum … behandelt werde. Die Lebensgefährtin habe ihre Unterkunft seitdem in der Nähe in … Ein gelegentlicher Cannabiskonsum schließe die Fahreignung nicht generell aus, auch nicht bei einmaligem Verstoß gegen das Trennungsgebot. Die Prüfung der Fahreignung durch Anordnung einer MPU sei vorrangig. Der Konsum von Amphetamin sei – sofern er denn tatsächlich stattgefunden habe – unbewusst erfolgt. Er habe das Unwohlsein nicht auf weitere Drogen zurückführen können und Anlass dies zu hinterfragen, habe sich nicht geboten.
Die Anordnung des Sofortvollzugs sei lediglich formelhaft erfolgt. Es bestehe auch keine konkrete, unmittelbar drohende Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs. Jedenfalls falle die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus. Die Lebensgefährtin des Antragstellers sei der deutschen Sprache nicht mächtig, ein Sprachkurs habe coronabedingt nicht stattfinden können. Allein der Antragsteller könne die erforderlichen Gespräche mit den Ärzten führen und Unterlagen sichten und ausfüllen. Er sei daher täglich nach Erlangen in die Klinik gefahren und müsste dies auch weiterhin tun, um die Genesung und Behandlung des Sohnes nicht zu gefährden. Da der Antragsteller im Dreischichtbetrieb bei der … in … beschäftigt sei und bei seiner Tätigkeit als Maschinenführer das Mitführen eines Mobiltelefons vom Arbeitgeber untersagt sei, eine Verständigung mit Ärzten und Lebensgefährtin ausschließlich über Telefon anhand der Komplexität und Wichtigkeit der medizinischen Behandlung aber ohnehin nicht möglich sei, sei eine tägliche Anwesenheit unabdingbar. Insbesondere bei Einsatz in Spät- und Nachtschicht (14-22 und 22-6 Uhr) sei die Fahrt nach … mit öffentlichen Verkehrsmitteln quasi nicht zu bewältigen. Für die kindliche Entwicklung sei nach Angaben der Ärzte darüber hinaus die möglichst ständige oder häufige Anwesenheit beider Elternteile von enormer Bedeutung.
Der Antragsteller habe, um angedrohte Zwangsmaßnahmen zu verhindern, seinen Führerschein stempeln lassen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Nach Nr. 9.1 der gemäß § 46 Abs. 3, Abs. 5 FeV entsprechend anzuwendenden Anlage 4 zur FeV entfalle beim Konsum harter Drogen in jedem Fall die Fahreignung (BayVGH, B.v. 14.2.2012 – 11 CS 12.28). Der Antragsteller habe nachweislich Amphetamin und Methamphetamin eingenommen. Der Vortrag des Antragstellers sei als unsubstantiiert vorgetragene Schutzbehauptung zu bewerten, die jeder Lebenswirklichkeit widerspreche. Als zumindest gelegentlicher Konsument von Cannabisprodukten hätte der Antragsteller den Unterschied in der berauschenden Wirkung durchaus einordnen können und müssen. In jedem Fall hätte er die Führung eines Kfz gerade nach dem Unwohlsein des Vorabends und bei ungesicherter Zusammensetzung der von flüchtigen Bekannten angebotenen Drogen zu unterlassen gehabt. Der Antragsteller müsse sich auch fahrlässigen Konsum harter Drogen zurechnen lassen. Selbst bei unbewusster Einnahme harter Drogen lasse eine derartige Unbekümmertheit und Unvorsicht gegenüber Einladungen eher fremder Personen aus dem Drogenmilieu erwarten, dass der Antragsteller sich in entsprechender Stimmung auch in Zukunft zur Einnahme unspezifischer Drogencocktails, die auch andere Inhaltsstoffe als Cannabis enthalten, hinreißen lasse. Es sei aber ohnehin von vorsätzlicher Einnahme auszugehen, ein Gegenbeweis fehle. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nach Abwägung der Aktenlage erfolgt, nachdem sich der Antragsteller bei der Anhörung nicht eingelassen habe.
Ziffer 3 des Antrags sei unzulässig, da im Hauptverfahren die Anfechtungsklage gegen Ziffer 2 des Bescheids statthaft sei. Einstweiliger Rechtsschutz wäre nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO, nicht nach § 123 VwGO zu gewähren.
Im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
1. Das Gericht legt den Antrag in Ziffer 2 so aus (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO), dass der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Eintragung der aberkannten Fahrberechtigung im polnischen Führerschein zu entfernen. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist. Da die Eintragung bereits erfolgt ist, war daher zu beantragen, die durch die Eintragung eines Sperrvermerks bereits eingetretenen Vollzugsfolgen gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO rückgängig zu machen, indem der Antragsgegner verpflichtet wird, den Sperrvermerk wieder zu entfernen (vgl. VG Osnabrück, B.v. 24.6.2014 – 6 B 21/14 – juris Rn. 15).
2. Die in obiger Weise auszulegenden Anträge sind zulässig, aber unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen.
Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da die Klage des Antragstellers nach summarischer Überprüfung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
a. Rechtsgrundlage der in Ziffer 1 des Bescheids verfügten Aberkennung des Rechts, von der polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, ist § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 und Abs. 5 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 StVG, § 46 Abs. 5 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).
Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), hier Amphetamin und Methamphetamin (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage II, III), die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 11 CS 21.390 – juris Rn. 15; B.v. 13.3.2020 – 11 ZB 20.1 – juris Rn. 11; B.v. 4.6.2019 – 11 CS 19.669 – juris Rn. 11; B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – juris Rn. 10 jeweils m.w.N.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder, wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2021 a.a.O. Rn. 15 f.; B.v. 13.3.2020 a.a.O. Rn. 11 ff. jeweils m.w.N.; B.v. 3.5.2021 – 11 CS 21.701 – BeckRS 2021, 10959 Rn. 17 f.).
Beim Antragsteller wurden bei einer Verkehrskontrolle am 28. Februar 2021 in der Blutprobe 22 µg/l Amphetamin und 190 µg/l Methamphetamin festgestellt. Auf die Erkenntnisse, die sich aus dem durchgeführten Drogenwischtest ergeben haben, kommt es daher nicht an. Die Einnahme harter Drogen steht damit fest. Dass sich diese Stoffe aufgrund anderer Ursachen als durch die Einnahme von Betäubungsmitteln im Blut befinden können, wurde nicht vorgetragen. Vielmehr geht der Antragsteller selbst davon aus, dass die Aufnahme durch den tags zuvor gerauchten Joint die einzige Erklärungsmöglichkeit sei.
Die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln setzt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung zwar einen willentlichen Konsum voraus. Die vom Antragsteller geltend gemachte unbewusste Einnahme stellt nach allgemeiner Lebenserfahrung aber eine seltene Ausnahme dar (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 CS 19.9 – juris Rn. 13 m.w.N.). Angesichts des hohen Ranges der mit dem Bescheid geschützten Rechtsgüter müssen an die Überzeugungsgewissheit hinsichtlich von Einlassungen zu atypischen Umständen grundsätzlich hohe Ansprüche gestellt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn letztlich nur eigene Erklärungen des Betroffenen vorliegen, da bei diesen die Möglichkeit einer erheblichen Zielgerichtetheit in Rechnung zu stellen ist (VG Ansbach, B.v. 23.3.2011 – AN 10 S 11.00473 – BeckRS 2011, 31021).
Daher muss, wer sich auf eine ausnahmsweise unbewusste Aufnahme eines Betäubungsmittels beruft, einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 CS 19.9 – juris Rn. 13; B.v. 13.2.2019 – 11 ZB 18.2577 – juris Rn. 18 m.w.N.). Auch sind nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs derartige Behauptungen nur dann beachtlich, wenn überzeugend aufgezeigt werden konnte, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper eines Fahrerlaubnisinhabers Kontakt mit Personen vorausgegangen ist, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund hatten, dem Betroffenen ein drogenhaltiges Getränk zugänglich zu machen, ferner, dass dieser selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels und dessen Wirkung tatsächlich nicht bemerkt hat (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 CS 19.9 – juris Rn. 13; B.v. 13.2.2019 – 11 ZB 18.2577 – juris Rn. 18; B.v. 31.5.2012 – 11 CS 12.807 – juris Rn. 12).
Im vorliegenden Fall ist ein solcher die Eignung nicht ausschließender Ausnahmefall hingegen nach summarischer Prüfung nicht detailliert, in sich schlüssig und auch nicht im Übrigen glaubhaft vorgetragen.
Der Antragsteller spricht von einer Mehrzahl an Besuchern, nennt aber weder deren Namen (mit Ausnahme einer Person), noch kenne er deren Adressen, sodass eine Nachprüfung nicht einmal teilweise möglich ist. Nicht einmal seine Lebensgefährtin, die ebenfalls anwesend gewesen sein soll, führt er als mögliche Zeugin an. Er sagt auch einerseits, er erinnere sich nicht mehr, wer den Joint gedreht hat, andererseits aber soll diese Person vorgegeben haben, dass er ausschließlich Cannabisprodukte enthalte, sodass insoweit noch Erinnerungsvermögen vorhanden ist. Dies lässt auf reine Schutzbehauptungen schließen. Es wird nicht positiv geschildert, dass der Antragsteller sich erkundigt hat, welche Inhaltsstoffe der Joint habe und ob der Antragsteller den Besuchern gegenüber dazu Stellung bezogen hat, dass er von anderen Betäubungsmitteln außer Cannabis nichts halte und mit diesen Drogen nicht in Berührung gelangen möchte. Letztlich scheint es dem Antragsteller gleichgültig gewesen zu sein, worum es sich bei der konsumierten Substanz handelt. Es ist nicht anzunehmen, dass ein Drogenkonsument, der (möglicherweise) um die ablehnende Haltung einer anderen Person gegenüber harten Drogen weiß, diesen nicht hinsichtlich dessen warnt, was sich in dem Joint befindet, es sei denn diese Person wusste nicht um den Drogenkonsum und der Drogenkonsument wollte diesen nicht offenbaren. Vorliegend wurde der geplante Drogenkonsum jedoch offengelegt, sodass es nicht einleuchtet, warum nicht offenbart werden sollte, welche Inhaltsstoffe sich in dem Joint befinden. Schließlich handelt es sich bei den Besuchern um alte Bekannte bzw. Arbeitskollegen des Antragstellers, wobei grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass sie diesem ihm unerwünschte Substanzen nicht „unterjubeln“ würden (vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2011 – 11 CS 11.946 – BeckRS 2011, 32268). Darüber hinaus ist nicht anzunehmen, dass ein Drogenkonsument seinen „Stoff“ so bereitwillig hergibt, wenn der Einnehmende gar kein Interesse an der Wirkung hat. Es ist kein Beweggrund der Besucher ersichtlich, dem Betroffenen harte Drogen zugänglich zu machen.
Dieser Vortrag genügt daher nicht den hohen Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine unbewusste Einnahme von harten Drogen stellt.
Unstreitig ist lediglich, dass die Besucher Betäubungsmittel bei sich hatten, dies dem Antragsteller bekannt war und er dennoch 4-5 Züge von dem Joint nahm. Ein solcher Geschehensablauf lässt nicht schlüssig auf eine unbewusste Einnahme schließen. Zieht der Antragsteller von einem Joint der Besucher und kann er nicht vortragen, dass er sich bei ihnen nach den Inhaltsstoffen erkundigt hat, so kann er sich nicht auf eine unwillentliche Einnahme berufen. Ein Ausnahmefall ist dann nicht glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan.
Darüber hinaus ist die weitere Voraussetzung nicht gegeben, dass der Betroffene selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels und dessen Wirkung tatsächlich nicht bemerkt hat. Wenn dem Antragsteller die Wirkung von Cannabis bekannt ist und er sich am Vorabend unwohl gefühlt hat, dann hätte er den Verdacht entwickeln müssen, dass dies auf den Drogenkonsum zurückzuführen ist und es sich möglicherweise nicht (nur) um Cannabis gehandelt hat. Da auch Personen, die lediglich Cannabis konsumieren, die Wirkungsdauer und Nachweisbarkeit anderer Drogen in den Grundzügen bekannt sein dürfte, hätte er von der Fahrt Abstand nehmen müssen.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Freiburg in seinem Beschluss vom 22. September 2010 – 4 K 1600/10 – (BeckRS 2010, 53693) ist ein Kraftfahrzeugführer, der ohne sein Wissen harte Drogen (hier Amphetamine) eingenommen hat, der aber in Kenntnis dieser Drogeneinnahme ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Amphetaminen geführt hat, ohne dass er absolut sicher gewesen sein konnte, dass diese Drogen vollkommen abgebaut sind und auch keinerlei (Nach-)Wirkungen mehr erzeugen, im Hinblick auf seine (fehlende) Kraftfahreignung einer Person gleichzustellen, die bewusst harte Drogen eingenommen hat und die nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung selbst dann als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gilt, wenn sie nicht unter dem Einfluss von Drogen am Straßenverkehr teilnimmt.
Da bereits der einmalige Konsum harter Drogen die Fahreignung in der Regel entfallen lässt und der Antragsteller zudem unter Drogeneinfluss – unabhängig davon, ob Ausfallerscheinungen oder Fahruntüchtigkeit gegeben waren – im Straßenverkehr unterwegs war, durfte der Antragsgegner grundsätzlich allein aufgrund dieses Umstands von der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen, ohne vorher die Ungeeignetheit durch ein positives Gutachten feststellen zu lassen (§ 11 Abs. 7 FeV). Es liegt ein Regelfall im Sinne der Vorbemerkung Nr.3 zu Anlage 4 zu §§ 11, 13, 14 FeV vor.
b. Die Aufforderung zur Vorlage des Führerscheins stützt sich auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 2 FeV. Da der Antragsteller nach den oben zu a. gemachten Ausführungen nicht berechtigt ist, in der Bundesrepublik Deutschland mit seiner polnischen Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge zu führen, hat er gegen den Antragsgegner auch keinen Anspruch darauf, dass der Sperrvermerk in seinem Führerschein – wie von ihm beantragt – entfernt wird. Einen solchen Anspruch kann er mithin auch nicht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO geltend machen (vgl. VG Neustadt (Weinstraße), B.v. 19.4.2017 – 3 L 396/17.NW – juris Rn. 50).
c. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt auch – wie der Antragsgegner zutreffend ausführt hat – den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Maßgeblich ist, dass aus den Gründen des angefochtenen Bescheids (Seite 4) deutlich hervorgeht, aus welchen Gründen der Antragsgegner eine Anordnung des Sofortvollzugs im Fall des Antragstellers für geboten erachtet hat. Die umgehende Ablieferung des Führerscheins – bzw. hier dessen Vorlage zur Anbringung eines Sperrvermerks – hat der Antragsgegner zur Beseitigung des durch den Besitz dieses Dokuments vermittelten Rechtsscheins für notwendig erachtet. Bei dieser häufig wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltung, der eine typische Interessenlage zugrunde liegt, reicht es aus, diese Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass sie nach Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde auch im konkreten Fall vorliegt. Es ist unschädlich, dass die gegebene Begründung auch in einer Vielzahl anderer Verfahren zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit einer Entziehung der Fahrerlaubnis verwendet werden könnte (BayVGH, B.v. 3.5.2021 – 11 CS 21.701 – BeckRS 2021, 10959 Rn. 24).
d. Auch eine Interessenabwägung kommt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Die mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis verbundenen persönlichen und beruflichen Schwierigkeiten für den Antragsteller muss er als Betroffener jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG – ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen (vgl. VG Gelsenkirchen, B.v. 26.1.2018 – 7 L 3661/17 – BeckRS 2018, 1411 Rn. 16). Soweit der Antragsteller vorträgt, dass die Gespräche mit den Ärzten und die Sichtung von Unterlagen nur durch ihn erfolgen könnten und insbesondere bei Einsatz in Spät- und Nachtschicht die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln quasi nicht zu bewältigen sei, ist schon fraglich, ob nach 22 Uhr bzw. nach 6 Uhr noch bzw. bereits Ärzte für Gespräche zur Verfügung stehen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 46.3, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57). Der Antrag auf Beseitigung der Eintragung der aberkannten Fahrberechtigung wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus.
5. Da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, war der Antrag auf Prozesskostenhilfe zu versagen. Auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse kommt es daher nicht an.


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