Strafrecht

Beschwerde in Abschiebungshaftsachen

Aktenzeichen  31 T 2872/19

Datum:
11.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55177
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 3, § 4, § 58 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1,§ 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 71 Abs. 3 Nr. 1 e, § 95 Abs. 1 Ziff. 1
BPolG § 1 Abs. 2
GNotKG § 36 Abs. 3, § 61 Abs. 1 S. 1
FamFG § 70 f.,§ 84

 

Leitsatz

Ein Haftantrag der Bundespolizeiinspektion kann auch dann den an ihn zu stellenden Anforderungen genügen, wenn es sich mehrere Haftanträge in der Akte befinden. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 XIV 444/19 2019-10-31 Bes AGINGOLSTADT AG Ingolstadt

Tenor

I. Die Beschwerde der Betroffenen vom 11.11.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 31.10.2019 (Az. 4 XIV 444/19) wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag der Betroffenen auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.
III. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
IV. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Betroffene ist tunesische Staatsangehörige. Sie reiste am 20.10.2019, nachdem sie sich ihren gegenüber der Bundespolizeiinspektion Rosenheim am 20.10.2019 getätigten Angaben zufolge bereits im August 2019 im Raum Kassel aufgehalten hatte und aus dem Bundesgebiet wieder ausgereist war, von Italien kommend mit dem Zug EN 294 in das Bundesgebiet ein und wurde dort im Bereich der Ortschaft Großkarolinenfeld, Landkreis Rosenheim, angetroffen. Sie war nicht im Besitz eines gültigen Reisepasses oder eines Aufenthaltstitels und wies sich mit einem auf ihrem Mobiltelefon gespeicherten Bild ihres Reisepasses aus.
Am 20.10.2019 wurde die Betroffene durch die Bundespolizeiinspektion Rosenheim wegen des Verdachts einer Straftat nach § 95 Abs. 1 Ziffer 1 AufenthG vernommen. Auf Antrag der Bundespolizeiinspektion Rosenheim ordnete das Amtsgericht Rosenheim nach vorheriger Anhörung der Betroffenen mit Beschluss vom 21.10.2019 gegen die Betroffene im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Freiheitsentziehung bis 02.11.2019 sowie die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung an. Die Betroffene wurde in die Abschiebehafteinrichtung Eichstätt verbracht und hält sich dort auf. Nach Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Ingolstadt ordnete dieses nach vorheriger Anhörung der Betroffenen mit Beschluss vom 31.10.2019 gegen die Betroffene Haft zur Sicherung der Abschiebung bis einschließlich 16.01.2020 und die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung an. Gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt wendet sich die Betroffene mit Beschwerde ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 11.11.2019, die, nachdem dem Verfahrensbevollmächtigten Akteneinsicht in die Gerichtsakte und die Ausländerakte gewährt wurde, mit Schriftsatz vom 27.11.2019 begründet wurde.
Mit Beschluss vom 29.11.2019 schließlich half das Amtsgericht Ingolstadt der Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem Landgericht Ingolstadt vor.
Die Kammer hat die für die Betroffene geführten Ausländerakten beigezogen.
Zugleich mit der Beschwerde beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen dieser Verfahrenskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu bewilligen.
II.
1. Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 31.10.2019 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Anordnung der Haft bis 16.01.2020 zur Sicherung der Abschiebung der Betroffenen nach Tunesien ist nicht zu beanstanden.
a) Der Haftantrag der Bundespolizeiinspektion Rosenheim vom 28.10.2019 in der dem Amtsgericht Ingolstadt am 21.10.2019, 11.02 Uhr, durch Email übermittelten Fassung genügt den an ihn zu stellenden Anforderungen. Das Vorbringen des Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen, es befänden sich mehrere Haftanträge in der Akte, ist zwar zutreffend, die Kammer zweifelt aber nicht daran, dass der dem Amtsgericht Ingolstadt am 31.10.2019 vor dem auf 13.30 Uhr anberaumten Anhörungstermin übermittelte Haftantrag Grundlage der nunmehr angefochtenen Entscheidung wurde. Dies ergibt sich, wie auch im Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts zutreffend ausgeführt ist, bereits aus der entsprechenden Mail der Bundespolizeiinspektion Rosenheim (Blatt 16 d.A.). Der Haftantrag enthält die erforderlichen Darlegungen zu den Voraussetzungen der Anordnung der Abschiebehaft, zu der Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Zurückweisung und zur notwendigen Haftdauer. Die Zuständigkeit der Bundespolizeiinspektion Rosenheim ergibt sich dabei aus §§ 1 Abs. 2 BPolG, 2 BPolZV i.V.m. § 71 Abs. 3 Nr. 1 e AufenthG.
b) Die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Haft liegen vor.
Die Betroffene ist vollziehbar ausreisepflichtig; § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Sie unterliegt, wie im Haftantrag der Bundespolizeiinspektion zutreffend ausgeführt ist, nach §§ 3, 4 AufenthG der Pass- und Aufenthaltstitelpflicht und ist von ihr nicht befreit. Da die Betroffene unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist ist, ist die Ausreisepflicht vollziehbar; § 58 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AufenthG.
Die Haftgründe, die in dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt unter Bezugnahme auf den Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim vom 21.10.2019 zutreffend dargestellt sind, bestehen fort. Fluchtgefahr (§ 62 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) liegt vor. Die Betroffene hat gegenüber der Bundespolizeiinspektion Rosenheim anlässlich ihrer Vernehmung erklärt, nicht nach Tunesien zurückkehren zu wollen. Sie hat ihre Identitäts- oder Reisedokumente, die ihr nach ihren Angaben zur Verfügung gestanden hätten, bewusst nicht mit sich geführt (§ 62 Abs. 3 a Nr. 1 AufenthG). Sie war bereits vor der Einreise in das Bundesgebiet in Frankreich aufhältlich und dort untergetaucht und hielt sich innerhalb des Bundesgebietes im August 2019 in Kassel versteckt (§ 62 Abs. 3 a Nr. 5 AufenthG). Wegen des Vorliegens der Haftgründe wird im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen in dem Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim vom 21.10.2019 Bezug genommen.
Ebenso zutreffend hat das Amtsgericht Ingolstadt in der angefochtenen Entscheidung die Haftdauer bis 16.01.2020 angeordnet. Nach Einreichung der Passbeschaffungsunterlagen bei der tunesischen Botschaft am 25.10.2019 erfolgte die ausweislich der beigezogenen Ausländerakte inzwischen erfolgreich abgeschlossene Identifizierung der Betroffenen. Da die Betroffene angegeben hat, nicht nach Tunesien zurückkehren zu wollen, ist, wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, eine Überstellung der Betroffenen mittels eines Linienflugs nicht möglich. Die Teilnahme der Betroffenen an einem begleiteten Charterflug nach Tunesien über den Flughafen Leipzig ist nicht möglich, da, wie sich aus dem in der Ausländerakte enthaltenen Emailverkehr ergibt, dieser vom Freistaat Sachsen durchgeführte Flug bereits belegt ist. Mithin hat es bei der vom Amtsgericht Ingolstadt im angefochtenen Beschluss und im Haftantrag der Bundespolizeiinspektion angenommenen Dauer bis zur Möglichkeit der Abschiebung der Betroffenen und damit der Haftdauer zu verbleiben.
Die Anordnung der Haft ist verhältnismäßig. Mildere Mittel, wie etwa die Anordnung von Meldeauflagen, würden nicht erwarten lassen, dass die Betroffene freiwillig an ihrer Abschiebung mitwirkt.
Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft mit der Abschiebung der Betroffenen bedarf es nach § 72 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 AufenthG nicht.
Die Kammer hat von einer erneuten Anhörung der Betroffenen nach § 68 Abs. 3 FamFG abgesehen, da die Betroffene bereits durch das Amtsgericht Rosenheim und das Amtsgericht Ingolstadt und zuvor durch die Bundespolizeiinspektion Rosenheim angehört worden war und zudem Gegenstand der Beschwerde vornehmlich die Beurteilung von Rechtsfragen, zu denen die Betroffene nichts würde beitragen können, sind.
3. Der von der Betroffenen gestellte Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe war zurückzuweisen. Die Kammer betrachtet dabei den zugleich mit der Beschwerde gestellten VKH-Antrag als an das Beschwerdegericht gerichtet. Erfolgsaussichten kommen der Rechtsverfolgung durch die Betroffene aus den oben angeführten Gründen nicht zu.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergibt sich aus §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG.

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