Strafrecht

Eilrechtsschutz, Entziehung der Fahrerlaubnis, Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens, gelegentlicher Cannabiskonsum, Nennung von amtlich anerkannten Begutachtungsstellen, Widerspruchsverfahren nicht entschieden

Aktenzeichen  W 6 S 21.26

Datum:
29.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20883
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 75
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1
FeV § 11 Abs. 8
FeV § 14 Abs. 1 S. 3
FeV § 46 Abs. 1
FeV Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1997 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A1, AM, B und L.
1. Mit Schreiben vom 8. November 2019 übersandte das Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart dem Landratsamt A1. (nachfolgend: Landratsamt) eine Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 8. November 2019 über eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG zur Kenntnis und weiteren Veranlassung zuständigkeitshalber. Aus den beigezogenen Akten des Ordnungswidrigkeitenverfahrens geht hervor, dass der Antragsteller als Fahrzeugführer eines Pkw am … … 2018 gegen 12:10 Uhr auf dem Rastplatz P …, Fahrtrichtung F …, angehalten und kontrolliert worden war. Der Antragsteller habe laut des polizeilichen Berichts vom 3. Januar 2018 einen lethargischen Eindruck gemacht, gerötete und wässrige Augen gehabt. Nach Einnahme von Alkohol und Betäubungsmitteln befragt habe er angegeben, dass er vor ca. einer Woche Cannabis konsumiert habe und gelegentlicher Konsument sei. Der freiwillige Drogenschnelltest reagierte positiv auf THC. Bei Durchsuchung der Person des Antragstellers und des Fahrzeugs konnten Konsumutensilien (Longpapers) gefunden werden. Die toxikologische Untersuchung der Blutentnahme war positiv auf THC (1,4 ng/ml), Hydroxy-THC (1,4 ng/ml) und THC-Carbonsäure (49 ng/ml). Das Institut für Rechtsmedizin der Universität Mainz kommt in seinem Befundbericht vom 23. Februar 2018 zu dem Ergebnis, dass die in der Blutprobe festgestellten Cannabinoidkonzentrationen auf eine engerfristige Cannabisaufnahme hinweisen und ein Cannabiseinfluss zum Blutentnahmezeitpunkt in Betracht kommt. Im sich darauf anschließenden Ordnungswidrigkeitenverfahren gab der Antragsteller an, er sei eine Woche vor der Kontrolle auf einer Party gewesen und habe dort einen Kuchen gegessen, ohne zu wissen, dass dort Betäubungsmittel eingebacken gewesen seien; erst am nächsten Tag habe ein Freund ihm davon erzählt. Wie lange diese im Blut seien, wisse er nicht. Der Antragsteller wurde mit Urteil des Amtsgerichts Linz am Rhein vom 21. März 2019 (Az.: 3b OWi 2080 Js 35592/18 jug) wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis zu einer Geldbuße in Höhe von 600,00 EUR verurteilt. Das Urteil ist seit dem 5. April 2019 rechtskräftig.
Auf diesen Sachverhalt bezugnehmend forderte das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 2. Dezember 2019 auf, gemäß § 46 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV bis zum 10. Februar 2020 ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Abklärung des künftigen Trennvermögens vorzulegen. Es solle die Frage geklärt werden: „Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass der Antragsteller zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis oder dessen Nachwirkungen führen wird (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme)?“ Aus den vorliegenden Unterlagen könne ein gelegentlicher Konsum belegt werden. Aufgrund des Vorfalls am … … 2018 sei nachgewiesen, dass der Antragsteller nicht bereit oder nicht in der Lage gewesen sei, den Drogenkonsum von der Verkehrsteilnahme zu trennen. Ob die Gefahr weiterer Fahrten unter Drogeneinfluss bestehe, könne aus Gründen der Verkehrssicherheit nur durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten geklärt werden. Es solle durch das Gutachten nicht geklärt werden, ob der Antragsteller seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiedererlangt habe, sondern ob er derzeit zum Führen von Kraftfahrzeug noch geeignet sei. Es wurde eine konkrete, nämlich die nächstgelegene Begutachtungsstelle (… S. L. Service GmbH in A1.) benannt und darauf hingewiesen, dass der Antragsteller sich bei einer beliebigen Begutachtungsstelle seiner Wahl untersuchen lassen könne. Auf die Folgen einer nicht bzw. nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 FeV wurde hingewiesen. Die Anordnung wurde dem Antragsteller am 11. Dezember 2019 zugestellt.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2019 zeigten die Bevollmächtigten des Antragstellers die Vertretung an und erbaten, eine Liste von amtlich anerkannten Gutachterstellen in Hessen und Bayern im Rhein-Maingebiet zu übermitteln, da der Antragsteller sich nicht bei der genannten Begutachtungsstelle untersuchen lassen wolle. Darüber hinaus wiesen sie darauf hin, dass in der Anordnung vom 2. Dezember 2019 zur Angabe des gelegentlichen Konsums und dessen Bedeutung jegliche Ausführungen fehlten und alleine die Tatsache von festgestellten THC im Blut nicht für die Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens ausreiche. Der festgestellte Konsum solle Anfang Januar 2018 erfolgt sein, die Verurteilung sei aber seit mehr als acht Monaten rechtskräftig. Demnach habe sich der Antragsteller seit fast zwei Jahren bewährt, worin nunmehr die mögliche Gefahr für den Straßenverkehr liegen solle, ergebe sich nicht ohne weiteres. Darüber hinaus habe der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt Kenntnis davon gehabt, dass in den konsumierten Backwaren THC sei.
Das Landratsamt hielt dem mit Schreiben vom 24. Dezember 2019 entgegen, dass die Behörde mit Übermittlung des Sachverhalts durch die Landeshauptstadt Stuttgart im November 2019 ohne schuldhaftes Zögern die Überprüfung der Fahreignung des Antragstellers eingeleitet habe. Der gelegentliche Konsum ergebe sich daraus, dass der Antragsteller zum einen angegeben habe, eine Woche vor der Kontrolle am 3. Januar 2018 THC zu sich genommen zu haben, während die an diesem Tag festgestellten Werte von THC und Hydroyxy-THC im Blut nur den Schluss zuließen, dass der Antragsteller kurzfristig vor der Polizeikontrolle ein weiteres Mal Cannabis konsumiert haben müsse. Damit lägen zwei Konsumsakte vor, die Form der Suchtstoffaufnahme sei nicht relevant. Im Übrigen seien bei der Verkehrskontrolle Betäubungsmittelutensilien (Longpapers) aufgefunden worden, was für einen Betäubungsmittelkonsum fernab von Lebensmitteln spreche. Die Wahl einer Begutachtungsstelle für Fahreignung stehe dem Antragsteller frei, er könne unabhängig von der vorgeschlagenen … S. L. Service GmbH in A1. eine sonstige Begutachtungsstelle auswählen. Eine aktuelle Aufstellung mögliche Untersuchungsstellen könne online bezogen werden.
Mit Erklärung vom 8. Januar 2020 erklärte sich der Antragsteller mit einer Untersuchung durch die Begutachtungsstelle für Fahreignung … L. Service GmbH Hessen in Frankfurt am Main (TÜV Hessen) einverstanden. Mit E-Mail vom 3. Februar 2020 teilte der Antragsteller mit, dass er bislang weder vom TÜV Hessen noch vom Landratsamt eine Rückmeldung erhalten habe und er bat, die Übersendung an die Begutachtungsstelle schnellstmöglich zu veranlassen. Daraufhin wurde ihm mit E-Mail vom 4. Februar 2020 seitens des Landratsamt mitgeteilt, dass die Fahrerlaubnisakte am 14. Januar 2020 an die Begutachtungsstelle geschickt worden sei und er sich an die Begutachtungsstelle wenden solle. Mit weiterer E-Mail vom 9. Februar 2020 beantragte der Antragsteller eine Fristverlängerung zur Vorlage des Gutachtens unter Verweis auf eine Terminsbestätigung der Begutachtungsstelle, wonach er seinen Begutachtungstermin am 3. März 2020 habe. Dies wurde zunächst abgelehnt. Ausweislich eines Aktenvermerk des Landratsamts wurde nach einem Telefonat mit dem TÜV Hessen vom 28. Februar 2020 die Frist bis 25. März 2020 verlängert. Mit Schreiben vom 17. März 2020 sandte der TÜV Hessen die Fahrerlaubnisakte irrtümlich zunächst an die Stadt A1. zurück, welche die Akte dem Landratsamt am 21. April 2020 vorlegte.
Mit Schreiben vom 22. April 2020 forderte das Landratsamt den Antragsteller auf, das Fahreignungsgutachten spätestens bis zum 7. Mai 2020 vorzulegen. Nachdem dies nicht geschah, hörte das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 12. Mai 2020 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Mit Schreiben vom 23. Mai 2020 seines Bevollmächtigten ließ der Antragsteller mitteilen, dass er zwischenzeitlich seinen Hauptwohnsitz nach A … verlegt habe und ließ zudem eine (weitere) Fristverlängerung beantragen, da eine besondere Eilbedürftigkeit nicht erkennbar sei, nachdem der Antragsteller seit über zwei Jahren beanstandungsfrei gefahren sei. Eine Fristverlängerung lehnte das Landratsamt am 25. Mai 2020 ab und wies darauf hin, dass der Antragsteller melderechtlich in A … nicht registriert sei.
2. Mit kostenpflichtigem Bescheid vom 3. Juni 2020 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis (Nr. 1) und gab ihm auf, den am 6. August 2015 ausgehändigten Führerschein, Führerscheinnummer B74007YYW62, unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids abzugeben (Nr. 2). Ziffern 1 und 2 wurden für sofort vollziehbar erklärt (Nr. 3) und dem Antragsteller für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 2 ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR angedroht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Kläger habe sich aufgrund nicht fristgerechter Vorlage des zu Recht geforderten Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 FeV als nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, sodass ihm die Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV zu entziehen gewesen sei. Das medizinisch-psychologische Gutachten sei in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV angefordert worden, um die Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen aufgrund des Vorfalls vom … … 2018 auszuräumen. Zweck der Anordnung sei gewesen, zu klären, ob der Antragsteller als gelegentlicher Cannabiskonsument zukünftig den Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeuges sicher trennen könne. Die Anordnung sei auch verhältnismäßig gewesen. Tatsachen, die die Annahme rechtfertigten, dass im vorliegenden Fall abweichend von den Vorgaben gemäß der Nr. 1 und Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu entscheiden wäre, lägen nicht vor und seien auch nicht vorgetragen. Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 FeV. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ziffern 1 und 2 des Bescheides liege gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse. Bei Abwägung zwischen Allgemeininteresse und Individualinteresse ginge das Interesse der Allgemeinheit, insbesondere aller Straßenverkehrsteilnehmer, am Bestehen des Sofortvollzugsanordnung über das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs hinaus. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG.
Der Bescheid wurde den Bevollmächtigten des Antragstellers am 15. Juni 2020 zugestellt. Mit E-Mail vom 17. Juni 2020 forderten die Bevollmächtigten erneut eine Prüfung der örtlichen Zuständigkeit, da der Antragsteller zwischenzeitlich nach A … gezogen sei. Daraufhin holte das Landratsamt von der Stadt A … die Zustimmung zur Beendigung des Verfahrens gemäß § 73 Abs. 2 FeV ein, welche am 18. Juni 2020 erteilt wurde.
Der Antragsteller ließ zugleich am 17. Juni 2020 Widerspruch erheben und die Erstattung der im Vorverfahren entstandenen Kosten beantragen. Zur Begründung wurde unter Vorlage einer Anmeldebestätigung der Stadt A … vom 28. Mai 2020 (Einzugsdatum: 1.3.2020; Anmeldedatum: 28.5.2020) vorgetragen, dass das Landratsamt örtlich unzuständig gewesen sei. Der Bescheid sei daher rechtswidrig und aufzuheben. Die Vorlage des Führerscheins erfolge ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.
Das Landratsamt entgegnete mit Schreiben vom 18. Juni 2020, dass die zuständige Stadt A … mit Nachricht vom 18. Juni 2020 dem Landratsamt A1. die Zustimmung zur abschließenden Bearbeitung der Fahrerlaubnisentziehung erteilt habe. Zwar sei der Bescheid unter Verstoß gegen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit erfolgt (Art. 44 Abs. 3 Nr. 11 BayVwVfG). Dieser Fehler sei jedoch nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich, da über die Sache selbst richtig entschieden worden sei. Es wurde Frist zur Rücknahme des Widerspruchs bis zum 25. Juni 2020 eingeräumt. Eine weitere Äußerung erfolgte zunächst nicht. Erst mit Schreiben vom 21. Juli 2020 erinnerte der Bevollmächtigte des Antragstellers an eine Entscheidung im Verfahren, sodann half das Landratsamt dem Widerspruch nicht ab und legte ihn der Regierung von Unterfranken am 4. August 2020 vor. Mit Schreiben vom 20. August 2020 teilte dies das Landratsamt den Bevollmächtigten des Antragstellers mit und verwies darüber hinaus darauf, dass soweit ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO mit Erhebung des Widerspruchs gestellt wurde, dieser durch das Landratsamt mit Schreiben vom 18. Juli 2020 abgelehnt worden sei.
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2020 legte die Regierung von Unterfranken gegenüber dem Landratsamt ihre Rechtsauffassung dar, wonach die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht auf § 11 Abs. 8 FeV gestützt werden könne und gab die Fahrerlaubnisakte zur erneuten Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an das Landratsamt zurück.
3. Am 4. Januar 2021 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes A1. vom 3. Juni 2020 erheben (Az.: W 6 K 21.25), über die noch nicht entschieden ist, und zugleich im vorliegenden Eilverfahren beantragen,
den Bescheid vom 3. Juni 2020 vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache außer Vollzug zu setzen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Bescheid sei rechtswidrig. Die Ausgangsbehörde sei unzuständig zum Erlass des Bescheids gewesen, da der Antragsteller nach A … gezogen sei, was sich auf der vorgelegten Anmeldebescheinigung ergeben habe. Über den eingelegten Widerspruch sei bis heute noch nicht entschieden. Im Übrigen fehlten jegliche Ausführungen zur Angabe des gelegentlichen Konsums und dessen Bedeutung, denn alleine die Tatsache von festgestelltem THC im Blut rechtfertige nicht die Aufforderung zur Erstellung eines Gutachtens. Im Übrigen seien die Angaben offenbar unter Einfluss von THC gemacht worden, sodass kein Erkenntniswert bestehe, ob die Angaben des Antragstellers zutreffend gewesen seien. Der Mandant habe keine Kenntnis im Zeitpunkt des Konsums darüber gehabt, dass er Betäubungsmittel konsumiere, da die Betäubungsmittel in Backwaren eingebracht gewesen seien und zur freien Verfügung auf einer Party gestanden hätten. Überdies soll der Konsum Anfang Januar 2018 erfolgt sein, neuere Tatsachen gebe es nicht. Der Antragsteller sei auf seine Fahrerlaubnis angewiesen, was im Rahmen einer Härtefallprüfung zu berücksichtigen sei. Im Übrigen habe hier die Verwaltungsbehörde den Mandanten um seinen Anspruch auf rechtliches Gehör gebracht, da das Angebot zur Einsicht des Mietvertrages nicht wahrgenommen und stattdessen auf der Vorlage eines Gutachtens bestanden worden sei. Es sei zu berücksichtigen, dass eine medizinisch-psychologische Untersuchung einen besonders großen Eingriffscharakter besitze. Folglich ergebe die Abwägung, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid eine sofortige Aussetzung der Vollziehung bedinge, da die Interessen des Antragstellers bei summarischer Prüfung Interessen des Antragsgegners überwögen.
Der Antragsgegner, vertreten durch das Landratsamt A1., beantragte,
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen des verfahrensgegenständlichen Bescheids verwiesen. Der Antragsteller habe gegenüber den kontrollierenden Polizeibeamten am … … 2018 selbst angegeben, vor ungefähr einer Woche Cannabis konsumiert zu haben. In Zusammenschau mit den sich bei der Blutentnahme ergebenden THC-Werten könne nur von einem gelegentlichen Cannabiskonsum ausgegangen werden. Soweit die örtliche Unzuständigkeit bemängelt werde, habe sich der Antragsteller erst am 28. Mai 2020 rückwirkend zum 1. März 2020 in A … angemeldet. Die Stadt A … habe im Übrigen zugestimmt, die bereits eingeleitete Entziehung der Fahrerlaubnis fortzusetzen.
Auf Nachfrage des Gerichts teilte die Regierung von Unterfranken am 22. Januar 2021 mit, dass sie den Widerspruch an das Landratsamt A1. in das Abhilfeverfahren zurückgegeben hätten, und der Widerspruch bislang nicht wieder zur Entscheidung vorgelegt worden sei.
Mit weiterem Schriftsatz vom 26. Januar 2021 teilte das Landratsamt mit, dass auch unter Einbeziehung des Schreibens der Regierung von Unterfranken vom 20. Oktober 2020 an der Entziehung festgehalten werde, da eine Rechtswidrigkeit der Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens nicht gesehen werde. Auf den Schriftsatz wird verwiesen.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren W 6 K 21.25, sowie die beigezogene Behördenakte wird verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg, denn er ist unbegründet.
Der Antrag ist gemäß § 88 i.V.m. § 122 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 3. Juni 2020 begehrt werden.
1. Der Antrag ist zulässig. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheides) sowie gegen die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (Nr. 2 des Bescheides) entfällt im vorliegenden Fall, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat.
Insbesondere ist der Antrag zulässigerweise auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gerichtet, obwohl der Antragsteller am 20. Juni 2020 einen Widerspruch eingelegt hat, über den die Regierung von Unterfranken als zuständige Widerspruchsbehörde bislang noch nicht entschieden hat. Grundsätzlich ist während eines – wie hier – statthaften und noch offenen Widerspruchsverfahrens die Erhebung einer Klage unstatthaft, vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Widerspruchsbehörde über den Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat, § 75 Satz 1 VwGO. Dann ist die Erhebung einer Anfechtungsklage zulässig, ohne dass es einer Entscheidung über den Anfechtungswiderspruch bedürfte, da das Klagebegehren auf die Aufhebung der behördlichen Entscheidung gerichtet ist. In der Sache handelt es sich bei § 75 VwGO um eine zusätzliche Prozessvoraussetzung (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 75 Rn. 1). Vorliegend hat die Regierung von Unterfranken ausweislich ihres Schreibens vom 22. Oktober 2020 die Sachprüfung abgeschlossen und unter Verweis auf ihre Rechtsauffassung das Verfahren zur Abhilfe an das Landratsamt zurückgegeben. Diese Behördenpraxis ist nicht unüblich, jedoch ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Widerspruchsbehörde den Fortgang des in ihrer Zuständigkeit liegenden Widerspruchsverfahrens nicht nur nicht weiter verfolgt hat, sondern ausweislich der Wiedervorlageverfügung (nächste Sachstandsabfrage erst in über drei Monaten) im Ergebnis ohne zureichenden Grund untätig geblieben ist. Dieses Vorgehen, welches nach außen gegenüber dem Widerspruchsführer nicht erkennbar ist, führt de facto zu einer Aussetzung des Rechtsschutzes und ist mit dem Grundsatz des Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar. Denn aufgrund § 75 VwGO darf der Widerspruchsführer die bloße Untätigkeit der Behörde nicht als stillschweigenden negativen Widerspruchsbescheid auslegen (Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 1a). Damit wurde nicht in angemessener Zeit und ohne sachlichen Grund nicht in der Sache entschieden. Unabhängig davon hat die Regierung von Unterfranken auf Nachfrage des Gerichts am 22. Januar 2021 mitgeteilt, dass der Widerspruch nach Rückgabe an das Landratsamt nicht wieder vorgelegt wurde. Daraus lässt sich folgern, dass von der Widerspruchsbehörde auch keine Entscheidung mehr zu erwarten ist.
2. Der Antrag ist unbegründet, da die angefochtene Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammenhängend die Anordnung der Herausgabe des Führerscheins sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisen.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid genügt den lediglich formell-rechtlichen Anforderungen. Sie zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat.
Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass der Rechtsbehelf des voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Nach summarischer Prüfung war die Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens auf Grundlage der § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV rechtmäßig, sodass der Schluss auf die Nichteignung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV gezogen werden durfte. Das Landratsamt A1. durfte mit Zustimmung der zwischenzeitlich zuständig gewordenen Stadt A … das Verwaltungsverfahren fortsetzen, Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG.
2.1. Das Landratsamt A1. war zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses zwar nicht mehr nach § 73 Abs. 2 Satz 1 FeV, Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) BayVwVfG zuständig, da der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz zum 1. März 2020 nach A. verlegt hatte. Die zuständige Stadt A. hat jedoch ausdrücklich der Fortführung des Verwaltungsverfahrens durch das Landratsamt A1. zugestimmt, sodass die Abweichung von der örtlichen Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG legitimiert war (vgl. zum Ganzen und zum Verhältnis zu § 73 Abs. 2 FeV BayVGH, B.v. 20.2.2007 – 11 CS 06.2029). Es ist unschädlich, dass die Legitimierung erst nach Erlass des Bescheids vom 3. Juni 2020 erfolgte. Da sich die örtliche Zuständigkeit nicht in der Sache ausgewirkt hat (Art. 46 BayVwVfG), konnte die Zustimmung gemäß Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 5, Art. 44 Abs. 3 Nr. 1 BayVwVfG nachgeholt werden.
2.2. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Voraussetzung ist allerdings insoweit, dass die Untersuchungsanordnung rechtmäßig ist und die Weigerung ohne ausreichenden Grund erfolgt (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25/04 – DAR 2005, 581; BayVGH, B.v. 25.6.2008 – 11 ZB 08.1123 – juris). Im Hinblick darauf, dass eine Gutachtensanordnung mit erheblichen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht und/oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit verbunden ist, aber nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann, kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – ZfSch 2013, 177). In materieller Hinsicht setzt die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Untersuchung vor allem voraus, dass sie den Grundsätzen der Anlassbezogenheit und Verhältnismäßigkeit genügt (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2008 – 11 C 08.1030 – juris).
2.2.1. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Fahreignung begründen. Der Antragsteller ist nach eigener Angabe gegenüber der Polizei am … … 2018 gelegentlicher Konsument von Cannabis und hat mit seiner Fahrt unter Cannabiseinfluss gegen das Trennungsgebot der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 verstoßen, was Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründet (vgl. BayVGH, U.v. 21.9.2017 – 11 BV 17.685 – juris Rn. 26; BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 25.17 – juris Rn. 15 f.). Gelegentlicher Konsum von Cannabis i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439 = juris Rn. 20 ff.; BayVGH, U.v. 21.9.2017 – 11 BV 17.685 – juris Rn. 20). Der Antragsteller hat bei der Fahrt am … … 2018 unstreitig THC und dessen Metaboliten im Blut gehabt, was eine Einnahme kurz vor der Fahrt nachweist. Darüber hinaus muss er sich an seinem Aussageverhalten gegenüber den Polizeibeamten festhalten lassen, er habe zuletzt eine Woche zuvor konsumiert und sei gelegentlicher Konsument. Darauf hat sich das Landratsamt gestützt, sodass es nicht zutrifft, es würden jegliche Ausführungen zu einem gelegentlichen Konsum fehlen. Überdies wurde zu keinem Zeitpunkt im Verwaltungs- oder gerichtlichen Verfahren vom Antragsteller bestritten, diese Aussage getätigt zu haben bzw. Ausführungen dahingehend gemacht, die auf Abstinenz hinweisen würden. Der Hinweis des Bevollmächtigten, der Antragsteller habe zum Zeitpunkt seiner Angaben am … … 2018 unter THC-Einfluss gestanden, sodass die Angaben zweifelhaften Erkenntniswert hätten, vermag daran nichts zu ändern, insbesondere da der THC-Wert ausweislich der Blutprobe bei 1,4 ng/ml lag und damit keine außergewöhnlich hohen Werte vorwies. Das spätere Aussageverhalten des Antragstellers im Ordnungswidrigkeitenverfahren, er habe in der Woche vor dem Vorfall unwissentlich in Backwaren eingebrachte Betäubungsmittel konsumiert, und das Untermauern mit einer unauffälligen Urinprobe mehr als ein Jahr (März 2019) später, erachtet das Gericht für eine Schutzbehauptung, insbesondere weil es nicht mit den im Blut des Antragstellers nachgewiesenen Cannabinoiden sowie dessen drogentypischen Auffälligkeiten zum Zeitpunkt der Polizeikontrolle zu vereinbaren ist. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten schafft der bloße Zeitablauf keinen Vertrauenstatbestand. Dies gilt umso mehr, als das Urteil gegen den Antragteller erst im April 2019 rechtskräftig geworden ist. Dass im Urteil des Amtsgerichts Linz am Rhein vom 21. März 2019 kein Fahrverbot verhängt worden ist, spielt für die hier verfahrensgegenständliche Frage der Fahreignung keine Rolle.
Diese Umstände in Zusammenhang mit dem Vorfall vom … … 2018 hat das Landratsamt bei der Gutachtensanordnung vom 2. Dezember 2019 vollumfänglich wiedergegeben, als Anknüpfungspunkt herangezogen und die sich daraus ergebenden Zweifel ausgeführt. Damit ist die Anlassbezogenheit gewahrt, denn es ist für den Antragsteller eindeutig erkennbar, an welche Umstände bzw. Tatsachen die Behörde ihre Fahreignungszweifel anknüpft. Dass die spätere Einlassung des Antragstellers, er habe unwissentlich in Lebensmittel eingebackene Betäubungsmittel zu sich genommen, für eine Schutzbehauptung und damit nicht für relevant gehalten wird, ergibt sich bereits indirekt aus der Anordnung. Es ist nicht erforderlich, dass die Behörde sich bereits im Rahmen der Anordnung eines Gutachtens mit jedem Vorbringen des Betroffenen dezidiert auseinandersetzt.
2.2.2. Die Fragestellung war aus Sicht des Gerichts anlassbezogen, verhältnismäßig und insbesondere zutreffend formuliert. Insoweit teilt das Gericht nicht die Bedenken der Widerspruchsbehörde hinsichtlich des Hinweises in der Gutachtensanordnung, demnach die Wiedererlangung der Fahreignung des Antragstellers vorliegend nicht zu prüfen sei. Zwar hat die Behörde im Entziehungsverfahren grundsätzlich auch immer zu berücksichtigen und ggf. zu prüfen, ob ein Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung möglicherweise wiedererlangt hat. Dies setzt aber denknotwendig voraus, dass es zumindest möglich erscheint, dass er seine Fahreignung verloren haben könnte. Hierfür bestehen vorliegend – im Gegensatz zur der von der Widerspruchsbehörde herangezogenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg (B.v. 21.9.2018 – Au 7 S 18.1338) zugrundeliegenden Konstellation – keine Anhaltspunkte. Es ist lediglich bekannt, dass der Antragsteller als gelegentlicher Konsument einmal gegen das Trenngebot verstoßen hat. Hieraus lässt sich nicht in feststehender Weise ableiten, dass der Antragsteller seine Fahreignung in der Vergangenheit verloren haben könnte, denn weder bestehen Anhaltspunkte für einen regelmäßigen (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV) oder einen Mischkonsum von Cannabis (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV) oder Konsum von sonstigen Drogen (Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV). Der ergänzende Hinweis des Landratsamts in der Anordnung soll offenkundig zur Klarstellung dienen, dass es ausschließlich auf die Frage des Trennvermögens ankommt, und dient damit der Eingrenzung des Untersuchungsumfangs der Begutachtungsstelle. Dies ist nicht zu beanstanden.
2.2.3. Die Begutachtungsanordnung leidet schon deshalb nicht an einem formalen Mangel nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV, da das Landratsamt in der Begutachtungsanordnung vom 2. Dezember 2019 lediglich eine konkrete Begutachtungsstelle in A1. benannt hat. Zu den Anforderungen an die Beibringungsaufforderung gehört unter anderem, dass die Behörde dem Betroffenen nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV die für die Untersuchung in Betracht kommende Stelle oder Stellen angibt. Aus dieser Formulierung folgt nicht, dass die Behörde sämtliche in näherer Umgebung des Betroffenen liegenden und in Betracht kommenden Stellen angeben muss, ebenso wenig lässt sich dem Wortlaut entnehmen, wie viele einzelne Stellen ausreichend sein sollen oder nicht. Das Gericht teilt ausdrücklich nicht die Auffassung des VG Oldenburg (B.v. 10.8.2010 – 7 A 1458/10 – juris), dass alle für den Antragsteller in einer zweistündigen Autofahrt erreichbaren Begutachtungsstellen ausdrücklich genannt werden müssten (so auch BayVGH, B.v. 8.8.2018 – 11 CS 18.1494). In der heutigen Zeit, in der so gut wie ein jeder Bürger über das Internet Zugang zu einer unbegrenzten Anzahl an Informationen hat, erscheint es nicht erforderlich, eine Vielzahl der in Betracht kommenden, ggf. um den Hauptwohnort des Betroffenen liegende Stellen aufzählen zu müssen. So ist es nicht selten, dass der Betroffene aus in seiner Privat- oder beruflichen Sphäre liegenden Gründen eine Begutachtungsstelle fernab seines gemeldeten Hauptwohnsitzes bevorzugt. Darüber hinaus können im Internet, z.B. unter www.bast.de, die aktuellen Listen abgerufen werden, aus denen sich der Betroffene eine Begutachtungsstelle heraussuchen kann. Die Google-Suche mit dem Begriff „amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung“ ergibt knapp 20.000 Treffer und gleich auf der ersten Seite der Suchergebnisse taucht die Webseite der Bundesanstalt für Straßenwesen auf, auf der die Begutachtungsstellen nach PLZ sortiert eingesehen werden können. Sollte ein Kraftfahrer tatsächlich über keinen Internetzugang verfügen, kann er sich an die Behörde wenden, die ihm dann eine aktuelle Liste oder einen Auszug daraus ausdrucken kann. Durch die Nennung zumindest einer konkreten Begutachtungsstelle als Beispiel wird für den Betroffenen erkennbar, welche Art von Stelle verlangt wird. Der Antragsteller hat zu keinem Zeitpunkt im Verfahren vorgetragen, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle zu finden. Vielmehr hat er den TÜV Hessen als amtlich anerkannte Begutachtungsstelle ausfindig gemacht und beauftragt.
Entscheidend ist, dass aus der Begutachtungsanordnung klar hervorgeht, dass der Betroffene gerade nicht an die von der Behörde genannte Stelle gebunden ist. Dies ist hier erfüllt.
2.2.4. Sonstige Mängel der Gutachtensanordnung sind weder dargelegt noch ersichtlich. Nachdem der Antragsteller das zu Recht geforderte Gutachten nicht innerhalb der (verlängerten) Frist vorgelegt hat, durfte die Behörde in rechtmäßiger Weise auf seine Nichteignung gemäß § 11 Abs. 8 FeV schließen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis war daher genauso wie die geforderte Abgabe des Führerscheins rechtmäßig.
2.3. Unabhängig davon wäre die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheides auch im überwiegenden öffentlichen Interesse gerechtfertigt. Es ist nicht verantwortbar, den Antragsteller bis zur eventuellen Bestandskraft der Fahrerlaubnisentziehung am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sind. Die sicherheitsrechtliche Fahrerlaubnisentziehung ist eine präventive Maßnahme zum Schutz der Sicherheit im Straßenverkehr. Sie mag im Einzelfall einschneidende Folgen für die Lebensführung des Betroffenen haben, jedoch können persönliche Härten für den Antragsteller beim Entzug der Fahrerlaubnis, der als sicherheitsrechtliche Maßnahme im Interesse der Allgemeinheit ergeht, nicht berücksichtigt werden. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kommt nur dann in Betracht, wenn hinreichende gewichtige Gründe dafür sprächen, dass der Antragsteller nicht fahrungeeignet ist und sich abschätzen ließe, dass das von ihm ausgehende Gefahrenpotenzial nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt. Dafür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte, da allein Zeitablauf nicht zur Wiedererlangung der Fahreignung führt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 sowie 46.3 und 46.2 des Streitwertkatalogs.


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