Strafrecht

Erfolgreicher Antrag, Zweifel an Fahreignung wegen Cannabiskonsums, Fehlendes Trennungsvermögen zwischen Konsum und Verkehrsteilnahme steht bei einmaliger Fahrt unter Cannabis nicht fest; Klärung durch medizinisch-psychologisches Gutachtens erforderlich, Gutachtensanordnung nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV setzt feststehenden gelegentlichen Konsum voraus, Langer Zeitraum zwischen Erkenntnissen zu früher feststehendem gelegentlichen Konsum und Gutachtensanforderung (hier ca. 3 ½ Jahre) kann dazu führen, dass Frage des gelegentlichen Konsums neu aufzuklären ist., Gesamtumstände des Einzelfalls maßgeblich, hier bejaht., Ob auch Einholung eines ärztlichen Gutachtens zur Frage des Konsumverhaltens aufgrund des Zeitablaufs noch anlassbezogen und verhältnismäßig ist, kann offen bleiben

Aktenzeichen  RN 8 S 20.2515

Datum:
19.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12529
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 3 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV
FeV § 14 Abs. 1 S. 3
FeV § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
FeV Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur
StVG § 2 Abs. 9

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes D. vom 17. September 2020 wird hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 wiederhergestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, dem Antragsteller den Führerschein bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache wieder auszuhändigen oder ihm im Falle der Unbrauchbarmachung des Führerscheins ein vorläufiges Ersatzdokument auszuhändigen.
III. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch das Landratsamt (LRA) D.
Der am … 1996 geborene Antragsteller war zuletzt Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Fahrzeugen der Klassen AM, B und L. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2016 teilte die Polizeiinspektion P. dem LRA D. mit, dass gegen den Antragsteller ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eingeleitet worden sei. Nach dem polizeilichen Ermittlungsbericht vom 23. Oktober 2016 schlenderte der Antragsteller am 19. August 2016 gegen 8.45 Uhr an dem mit zwei Polizeibeamten besetzten Dienstfahrzeug der Polizei vorbei. Er habe ziemlich mitgenommen ausgesehen, seine Schuhe seien komplett verdreckt gewesen. Auf informatorische Befragung hin habe er mitgeteilt, dass er sich mit seinem PKW an der Donau festgefahren habe und jetzt nach Hause gehe, um Hilfe zu holen. Nachdem er sichtbar Marihuana (6,5 Gramm netto und 11,5 Gramm brutto) mit sich geführt habe, sei er deshalb vorläufig festgenommen worden. Auf nochmalige Nachfrage habe der Antragsteller auch geäußert, dass er am Vortag mit seinen Freunden an der Donau gewesen sei und Marihuana und Alkohol konsumiert habe. Er habe in seinem PKW übernachtet und nach dem Aufwachen versucht, sein Fahrzeug aus dem Kies zu fahren, was ihm jedoch nicht gelungen sei. Da gegen den Antragsteller der Verdacht des Fahrens unter Drogeneinfluss bestanden habe, sei eine freiwillige Blutentnahme im Krankenhaus O. durch den diensthabenden Arzt erfolgt.
Die am 19. August 2016 um 9.47 Uhr durch einen Arzt entnommene Venenblutprobe wurde vom Forensisch Toxikologischen Centrum, M., untersucht. Nach der Befundmitteilung vom 5. September 2016 verlief die chemisch-toxikologische Untersuchung im Hinblick auf Cannabinoide positiv. Es wurde ein THC-Wert von 1,3 ng/ml, ein Hydroxy-THC-Wert von 1,1 ng/ml und ein THC-Carbonsäure-Wert von 43,1 ng/ml festgestellt. Durch die vorgenommenen chemisch-toxikologischen Untersuchungen sei nachgewiesen, dass ein akuter Konsum von Cannabisprodukten stattgefunden habe.
Mit Schreiben vom 21. November 2016 teilte das LRA D. dem Antragsteller mit, dass wegen des o.a. Vorfalls sein Konsumverhalten zu ermitteln sei. Es sei anhand einer fachärztlichen Begutachtung zu prüfen, ob der Antragsteller Probierer, gelegentlicher oder regelmäßiger Konsument von Cannabis sei. Es werde daher um die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation bei einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle zu folgender Fragestellung gebeten: „Ist das Konsumverhalten von Herrn D. als einmalige, gelegentliche oder regel- und gewohnheitsmäßige Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG zu bezeichnen? Liegen Hinweise auf die Einnahme weiterer illegaler Drogen oder auch der Missbrauch legaler Drogen (Alkohol, Medikamente) vor?“ In dem vorgelegten ärztlichen Gutachten der BAD Gesundheitsvorsorge und S. GmbH (B. GmbH) vom 8. Februar 2017 (Untersuchung am 12. Januar 2017) wird zur Drogenanamnese u.a. ausgeführt (Gutachten S. 5), dass der Antragsteller nach seinen Angaben Anfang 2016 begonnen habe, Marihuana zu konsumieren. Er habe meist nur am Wochenende konsumiert. Er habe sich die Drogen in der Regel selbst gekauft. Den letzten Konsum von Marihuana habe er am 18. August 2016 gehabt. Seitdem lebe er drogenfrei. Andere Drogen habe er nie konsumiert. Am Vorabend des 19. August 2016 sei er an der Donau in O. gewesen und habe mit Freunden gefeiert. Sie hätten dabei Marihuana geraucht. Sie hätten zu zweit ein Gramm Marihuana konsumiert. Einmal am Donnerstag in der Nacht um 23.00 Uhr und dann am Freitag um 1.30 Uhr habe er konsumiert. Im Rahmen der gutachterlichen Bewertung (Gutachten S. 8) wird u.a. festgehalten, dass keine drogentypischen körperlichen Symptome festgestellt werden konnten und auch die am Untersuchungstag durchgeführte Drogenhaaranalyse negativ verlaufen sei. Aufgrund der bei der Blutentnahme festgestellten Höhe des THC-Wertes von 1,3 ng/ml und des THC-Carbonsäurewerts von 43,1 ng/ml sei von einem gelegentlichen Konsum auszugehen. Die gutachtliche Fragestellung wurde wie folgt beantwortet (Gutachten S. 9): „Der aktenkundigen Cannabisauffälligkeit liegt eine gelegentliche Einnahme zugrunde. Es liegen keine Hinweise auf die Einnahme weiterer illegaler Drogen oder auf den Missbrauch legaler Drogen (Alkohol, Medikamente) vor.“
Nach vorheriger Anhörung wurde dem Antragsteller mit sofort vollziehbarem Bescheid des LRA D. vom 8. März 2017 die Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L entzogen und die Ablieferung des Führerscheins angeordnet.
Am 24. März 2017 ließ der Antragsteller gegen den Bescheid des LRA D. vom 8. März 2017 Klage erheben (Az. RN 8 K 17.508) und außerdem um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen (Az. RN 8 S 17.507). Mit Beschluss vom 6. Juli 2017 stellte das Gericht die aufschiebende Wirkung gegen die genannten Entscheidungen wieder her. Mit Schreiben vom 9. Juli 2019 teilte das Landratsamt D. mit, dass der Entzugsbescheid vom 8. März 2017 im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. April 2019 (Az. 3 C 13.17) zurückgenommen wird. Die Aufhebung erfolgte mit Bescheid vom 30. Juli 2019. Das Klageverfahren wurde daraufhin vom Antragsteller für erledigt erklärt; das Klageverfahren wurde eingestellt.
Mit Schreiben vom 5. August 2019 forderte das Landratsamt D. den Antragsteller auf, bis zum 31. Oktober 2019 ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Fragestellung vorzulegen, ob insbesondere nicht zu erwarten ist, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Betäubungsmitteln oder deren Nachwirkungen führen wird (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme). Die Antragstellerseite teilte dem Landratsamt D. mit Schreiben vom 12. August 2019 mit, dass sich der Antragsteller bis ins Frühjahr 2020 in Asien und Neuseeland aufhalte und deshalb der Aufforderung zur Beibringung des angeforderten Gutachtens nicht nachkommen könne. Daraufhin hob das Landratsamt die Anforderung des Gutachtens mit Schreiben vom 21. August 2019 auf.
Am 13. November 2019 ließ der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erheben mit dem Antrag festzustellen, dass der Antragsteller nicht aufgrund der Aufforderung der Führerscheinstelle des Landratsamts D. vom 5. August 2019 verpflichtet ist, ein medizinisch-psychologisches Gutachten über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorzulegen. Mit Gerichtsbescheid vom 6. März 2020 (Az. RN 8 K 19.2055) wies die Kammer die Klage mit der Begründung ab, die Klage sei unzulässig, weil die Gutachtensanforderung aufgehoben worden sei. Die Klage sei unabhängig davon nicht statthaft, weil die Gutachtensanforderung nach ständiger Rechtsprechung kein Verwaltungsakt sei, sondern eine gemäß § 44a Satz 1 VwGO nicht selbständig anfechtbare behördliche Verfahrenshandlung. Auch für eine Feststellungsklage bestehe nach § 44a Satz 1 VwGO kein Raum. Der Gerichtsbescheid wurde rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 18. März 2020 forderte das Landratsamt den Antragsteller unter Bezugnahme auf die behauptete Fahrt unter Cannabiseinfluss am 19. August 2016 erneut auf, bis 18. Mai 2020 ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle zur Fahreignung des Antragstellers mit folgender Fragestellung beizubringen:
„Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass er/sie auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Betäubungsmitteln oder deren Nachwirkungen führen wird (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme).“
Das vorgelegte fachärztliche Gutachten vom B. D. vom 8. Februar 2017 belege den gelegentlichen Konsum von Cannabis. Aufgrund des gelegentlichen Konsums von Cannabis und des festgestellten THC-Wertes von 1,3 ng/ml bestünden Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers.
Nach Eingang der Einverständniserklärung des Antragstellers wurde er mit Schreiben vom 1. April 2020 bei der von ihm genannten Begutachtungsstelle (B. GmBH) angemeldet.
Mit am 14. April 2020 eingegangenen Schriftsätzen seines Bevollmächtigten ließ der Kläger gegen die Kostenentscheidung für die Gutachtensanforderung Klage erheben sowie Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen. Er bringt vor, es lägen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die eine Gutachtensanforderung rechtfertigten, da der Antragsteller am 19. August 2016 nicht unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln sein Fahrzeug im öffentlichen Verkehr geführt habe. Das Landratsamt sei bereits bei Entzug des Führerscheins fälschlicherweise davon ausgegangen, dass der Antragsteller nicht zwischen Konsum und Fahren trennen könne und tue das fälschlicherweise noch heute. Der Antragsteller sei seit der Wiederaushändigung seines Führerscheins, d.h. ab Juli 2017, wieder Pkw gefahren und sei in keiner Weise im Straßenverkehr aufgefallen, es gebe auch keine Hinweise auf irgendwelchen Drogenkonsum. Die Gutachtensanforderung sei mutwillig und völlig unverhältnismäßig, da es nach einem Zeitablauf von fast vier Jahren keinen Grund für die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gebe. Die Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung und Gebührenfestsetzung hänge direkt davon ab, ob die Gutachtensanordnung als solche rechtmäßig gewesen sei oder nicht. Mit Beschluss vom 4. Juni 2020 lehnte die Kammer den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab (Az. RN 8 S 20.593). Mit Beschluss vom 12. August 2020 wies der BayVGH die hiergegen erhobene Beschwerde zurück (Az. 11 CS 20.1518).
Nachdem der Kläger das angeforderte Gutachten nicht vorlegte, entzog das LRA D. nach vorheriger Anhörung dem Antragsteller mit Bescheid des LRA D. vom 17. September 2020 die Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L (Ziffer 1) und verpflichtete den Antragsteller, seinen Führerschein beim LRA D. abzugeben (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Ziffer 3). Für den Fall, dass der in Ziffer 2 angeordneten Verpflichtung nicht innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids Folge geleistet wird, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500 € angedroht (Ziffer 3). Auf die Gründe des Bescheids wird Bezug genommen.
Der Antragsteller hat daraufhin seinen Führerschein beim LRA D. abgegeben.
Am 15. Oktober 2020 ließ der Antragsteller gegen den Bescheid vom 17. September 2020 Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Az. RN 8 K 20.2516). Gleichzeitig stellte er Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Zur Begründung wird u.a. vorgebracht, beim Antragsteller habe vor vielen Jahren, nämlich am 19. August 2016, lediglich ein gelegentlicher Cannabiskonsum vorgelegen, der bereits in den letzten sechs Monaten vor der Begutachtung durch die BAD GmbH nicht mehr vorgelegen habe. Des Weiteren habe beim Antragsteller auch kein Alkoholmissbrauch vorgelegen und liege auch nicht vor. Dies werde durch das ärztliche Gutachten der BAD GmbH vom 8. Februar 2017 bestätigt. Der Vorwurf des Antragsgegners, der Antragsteller habe gezeigt, dass er den Konsum von Cannabisprodukten nicht von dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen könne, weil es zum Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr am 19. August 2016 unter dem Einfluss von Cannabis gekommen sei, treffe nicht zu. Unter Angabe möglicher Zeugen wird vorgebracht, der Antragsteller habe sich am 18. August 2016 mit Freunden auf einem Kiesgelände am Donauufer zu einer kleinen Feier getroffen. Der Antragsteller sei aus Unachtsamkeit zu weit in den Kies gefahren und steckengeblieben. Zu diesem Zeitpunkt habe er weder Alkohol getrunken noch Cannabis konsumiert gehabt. Er hätte dann mit seinen Freunden vergeblich versucht, das Fahrzeug frei zu bekommen. Sie hätten die Befreiungsversuche abgebrochen und bis 2.00 Uhr gefeiert. Er und ein Freund hätten sich dann in das Auto zum Schlafen gelegt. Am Morgen des 19. August 2016 habe der Antragsteller nicht mehr versucht, sein Fahrzeug zu bewegen bzw. frei zu bekommen, dies wäre auch unsinnig gewesen. Der Antragsteller habe vielmehr seinen Vater angerufen und diesen gebeten, ihm wegen des Autos zu helfen. Dieser sei auch mit dem PKW zum Kiesplatz gekommen, habe aber keine Chance gesehen, das Auto frei zu bekommen. Er habe dem Antragsteller gesagt, er solle jemanden mit einem Traktor bitten, ihm zu helfen. Der Antragsteller sei dann in Richtung nach Hause gegangen, um einen Traktor aufzutreiben. Auf diesem Weg sei er dann auf die Polizeistreife getroffen. Er habe am 19. August 2016 daher kein Kraftfahrzeug geführt. Der Kieslagerplatz werde nicht als öffentlicher Verkehrsraum oder zum Straßenverkehr genutzt. Das Verfahren gegen den Antragsteller wegen eines Verstoßes gegen § 24a StVG sei gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt worden. In dem vorgelegten Beschluss des Amtsgerichts Deggendorf vom 10. Juli 2017 wird ausgeführt, das Gericht halte eine Ahndung vorliegend nicht für erforderlich. Nach Einvernahme des Zeugen F. sei fraglich, ob überhaupt ein Führen des Kraftfahrzeugs vorgelegen habe. Es hätten keine weiteren Feststellungen getroffen werden können, ob der Antragsteller am Tattag das Fahrzeug überhaupt bewegt habe. Der Antragsteller bringt weiter vor, abgesehen davon sei er nach Wiedererlangung des Führerscheins im Juli 2017 wieder PKW gefahren und habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. Er sei in keinster Weise im Straßenverkehr aufgefallen, es gebe auch keinerlei Hinweise auf irgendeinen Drogenkonsum. Dafür, dass nun die Führerscheinstelle noch die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens fordere, gebe es keinen Grund, dies sei mutwillig und völlig unverhältnismäßig.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt der Antragsteller,
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Führerscheinentzug gem. Bescheid des Landratsamtes D. vom 17. September 2020 wiederherzustellen.
II.
Anzuordnen, dass der Führerschein des Antragstellers dem Antragsteller auszuhändigen ist.
Das LRA D. beantragt für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen das zur Begründung des angefochtenen Bescheids, des Bescheids vom 8. März 2017 und das in den bisherigen Verfahren Ausgeführte wiederholt und vertieft. Ergänzend wird dort u.a. ausgeführt: Die Einlassung des Antragstellers, dass er am 19. August 2016 keinen eigenen Versuch mehr unternommen habe, sein Fahrzeug aus dem Kiesplatz herauszufahren, werde als reine Schutzbehauptung gewertet. Aus dem Polizeibericht gehe eindeutig hervor, dass der Antragsteller angegeben habe, dass er im Fahrzeug übernachtet habe und nach dem Aufwachen versucht habe, sein Fahrzeug aus dem Kies zu fahren. Ob der Kieslagerplatz für den Straßenverkehr geeignet sei, sei für die Verwaltungsbehörde weder überprüfbar noch für ihre Entscheidung von Bedeutung. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) verlange auch nicht, dass eine Teilnahme am Straßenverkehr in der Weise stattgefunden haben müsse, dass der Betroffene sein Fahrzeug unter Drogeneinfluss auf einer öffentlichen Straße bewegt haben müsse. Es komme darauf an, ob zwischen Konsum und Fahren getrennt werden könne. Die Kiesfläche sei öffentlich und für jedermann zugänglich. Es reiche, dass der Antragsteller versucht habe, sein Fahrzeug unter Cannabiseinfluss vom Kiesplatz wegzubewegen; es komme nicht darauf an, ob er bereits angefahren sei. Bereits das sich ans Steuer setzen und starten des Fahrzeugs sei ausreichend.
Zur Ergänzung der Sachverhaltswiedergabe wird auf den weiteren Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zum Teil unzulässig. Soweit er zulässig ist, hat er in der Sache Erfolg.
1. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist nur teilweise zulässig.
a) Soweit mit dem Antrag begehrt wird, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziff. 3 des Bescheids anzuordnen, ist für den Antrag kein Rechtschutzbedürfnis ersichtlich. Die Zwangsgeldandrohung betrifft den Fall, dass der Antragsteller die in Ziff. 2 des Bescheids enthaltene Verpflichtung zur Ablieferung seines Führerscheins nicht fristgerecht erfüllen sollte. Der Antragsteller hat seinen Führerschein nach seinem eigenen Vortrag bei der Führerscheinstelle abgegeben, weshalb sich die Zwangsgeldandrohung erledigt hat. Da nicht vorgebracht oder ersichtlich ist, dass noch Vollstreckungsmaßnahmen drohen würden, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz insoweit unzulässig.
b) Im Übrigen ist der Antrag zulässig. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung, soweit die sofortige Vollziehung durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde besonders angeordnet wird. Hinsichtlich der Ziff. 1 und 2 des Bescheids hat die erlassende Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen sowie bei gesetzlich angeordneter sofortiger Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung anordnen. Nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO kann das Gericht bei einem bereits vollzogenen Verwaltungsakt die Aufhebung der Vollziehung anordnen.
2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziff. 1 und 2 des Bescheids vom 17. September 2020 ist begründet.
a) Die Anordnung des Sofortvollzugs ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen, in denen die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den Sofortvollzug anordnet, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die schriftliche Begründung soll den Betroffenen in die Lage versetzen, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels abschätzen zu können. Außerdem soll die Begründungspflicht der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Daraus folgt, dass die Begründung nicht lediglich formelhaft sein darf, sondern die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darlegen muss, die die Annahme eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses tragen.
Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Das LRA D. hat in hinreichendem Umfang dargelegt, warum es aus seiner Sicht erforderlich war, die in Ziffer 1 des Bescheids vom 17. September 2020 verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis und die in Ziffer 2 dieses Bescheids verfügte Verpflichtung zur unverzüglichen Abgabe des Führerscheins für sofort vollziehbar zu erklären. Insbesondere hat das LRA D. im streitgegenständlichen Bescheid ausführlich erläutert, warum es den Antragsteller als nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr ansieht. Das besondere öffentliche Interesse, bereits mit Zustellung des Bescheids die weitere Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr zu unterbinden, wurde mit den nicht ausgeräumten Eignungszweifeln im Hinblick auf den Cannabiskonsum des Antragstellers, einem fehlenden Trennungsvermögen zwischen Cannabiskonsum und Verkehrsteilnahme und der damit einhergehenden Gefährdung des Straßenverkehrs begründet. Dieses öffentliche Interesse wurde mit den persönlichen Interessen des Antragstellers abgewogen. Es wurden die besonderen Umstände des Einzelfalls und die Interessenlage des Antragstellers konkret angesprochen und gewürdigt. Dabei wurde auch in die Abwägung eingestellt, dass die vom LRA D. angenommene Fahrt am 19. August 2016 schon länger zurückliegt und der Antragsteller ohne bekannt gewordene Auffälligkeiten berechtigt war, am Straßenverkehr teilzunehmen. Im Übrigen sind die Umstände, aus denen sich die Fahrungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers ergeben, regelmäßig auch geeignet, gleichzeitig das besondere öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der angeordneten Fahrerlaubnisentziehung zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2005 – 11 CS 05.1967; BayVGH, B.v. 14.12.1994 – 11 AS 94.3847 – BayVBl. 1995, 248). Ist ein Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, liegt es auf der Hand, dass ihm im Hinblick auf die Gefährlichkeit seiner Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr und der zu schützenden Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit der anderen Verkehrsteilnehmer grundsätzlich sofort das Führen von Kraftfahrzeugen untersagt werden muss. Im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem das Fahrerlaubnisrecht gehört, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt; allein der Umstand, dass die im streitgegenständlichen Bescheid angesprochenen Gesichtspunkte auch in einer Vielzahl von anderen Fällen zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verwendet werden können, führt deshalb nicht dazu, dass ein Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139; BayVGH, B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 46, 55).
Im gerichtlichen Verfahren erfolgt im Übrigen keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, vielmehr trifft das Gericht eine eigene, originäre Interessenabwägung.
b) Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt.
Maßgeblich für diese Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Führt eine im vorläufigen Rechtschutz gebotene summarische Prüfung dazu, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich Erfolg haben wird, so wird regelmäßig das private Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegen. Wird der Hauptsacherechtsbehelf umgekehrt nach der gebotenen summarischen Prüfung erfolglos bleiben, weil keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, kann der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt werden, ohne dass es einer zusätzlichen Interessenabwägung bedarf. Denn der Bürger hat grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse daran, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, ohne dass es darauf ankommt, ob der Vollzug dringlich ist oder nicht (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 11 CS 08.3273 – juris Rn. 14). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen offen, so verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
aa) Im vorliegenden Fall ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die Klage gegen Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 17. September 2020 erfolgreich sein wird. Es sind auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass gleichwohl ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit am Sofortvollzug des Bescheids bestehen würde.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis war vorliegend § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde jemandem, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn sich dieser weigert, sich (medizinisch oder psychologisch) untersuchen zu lassen, oder wenn er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Untersuchungsanordnung der Fahrerlaubnisbehörde rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist und die Weigerung ohne hinreichenden Grund erfolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2008 – 11 C 08.1030; BayVGH, B.v. 8.10.2009 – 11 CS 09.1891). Die Gutachtensanordnung muss hinreichend bestimmt und aus sich heraus verständlich sein. An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil die Gutachtensanordnung mangels Verwaltungsaktqualität nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann. Der Antragsteller trägt das Risiko, dass ihm bei einer Weigerung gegebenenfalls die Fahrerlaubnis entzogen wird. Daher kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – juris Rn. 10, BayVGH, B.v. 15.5.2008- 11 CS 08.616 – juris Rn. 50).
Die Gutachtensanordnung erweist sich vorliegend als rechtwidrig. Auszugehen ist von Folgendem:
Das LRA stützt seine Gutachtensanordnung vom 18. März 2020 auf § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 der FeV. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Dem entsprechend genügt nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV gelegentlicher Konsum von Cannabis, anders als regelmäßiger Konsum (Nr. 9.2.1 der Anlage 4), für sich genommen noch nicht, um von fehlender Fahreignung des Betroffenen auszugehen. Hinzutreten müssen zusätzliche tatsächliche Umstände. Eine dieser „Zusatztatsachen“ ist neben dem Mischkonsum von Cannabis und Alkohol, dass der Betroffene nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennt (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – juris).
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 13.17 – juris – unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung) darf die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter einer seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, in der Regel nicht ohne weitere Aufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen und ihm unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen. Ein gelegentlicher Cannabiskonsument hat sich noch nicht automatisch durch einmaligen Verstoß gegen das Trennungsgebot gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Ein einmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot ist vielmehr eine Tatsache, die Bedenken gegen die Fahreignung begründet und nach § 46 Abs. 3 FeV zur Anwendung der §§ 11 bis 14 FeV führt. In solchen Fällen hat die Fahrerlaubnisbehörde vielmehr gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu entscheiden.
Dies zugrunde legend hat das LRA D. seinen Entzugsbescheid 8. März 2017 zu Recht aufgehoben. Es hatte diesen Entzugsbescheid darauf gestützt, dass nach dem Ergebnis der ärztlichen Begutachtung vom 8. Februar 2017 beim Antragsteller von einem gelegentlichen Konsum von Cannabis auszugehen ist und – wegen des vom Landratsamt angenommenen einmaligen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Cannabiseinfluss – das fehlende Trennungsvermögen feststeht. Selbst wenn man mit dem LRA – und entgegen der Einlassung des Antragstellers – davon ausgeht, dass der Antragsteller am 19. August 2016 unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt hat, konnte aber nach der neueren Rechtsprechung nicht mehr automatisch wegen dieser einmaligen Fahrt von einem fehlenden Trennungsvermögen ausgegangen werden.
Insofern war die Frage des fehlenden Trennungsvermögens, auf die die hier streitgegenständliche Gutachtensanordnung vom 18. März 2020 abzielt, klärungsbedürftig.
Nach Auffassung der Kammer ist das LRA D. zum Zeitpunkt der erneuten Gutachtensanforderung mit Schreiben vom 18. März 2020 aber zu Unrecht davon ausgegangen, dass beim Antragsteller die gelegentliche Einnahme von Cannabis im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV feststeht.
Die vom LRA D. herangezogene Rechtsgrundlage für Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV findet nur Anwendung, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis feststeht. Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – juris Rn. 16 ff. m.w.N.). Wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis nicht feststeht, sondern das Konsummuster erst geklärt werden muss, ist § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nicht anwendbar, selbst wenn die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm vorliegen. In diesem Fall ist zunächst ein ärztliches Gutachten nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV einzuholen. Die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der Frage gelegentlichen oder regelmäßigen Cannabiskonsums ist unzulässig (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, Rn. 19 zu § 14 FeV m.w.N.).
Grundsätzlich ist für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Gutachtensanordnung auf die Verhältnisse zu dem Zeitpunkt abzustellen, zu dem sie ergeht (vgl. z.B. Sächsisches OVG, B.v. 18.5.2020 – 6 B 346/19 – juris Rn. 4 m.w.N.). Aus der Formulierung in § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV, wo davon die Rede ist, dass die Beibringung eines medizinisch-psychologisches Gutachten angeordnet werden kann, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis „vorliegt“ (und wo anders als in § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV keine Umstände in der Vergangenheit benannt sind), ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung ein gelegentlicher Konsum (noch) feststehen muss. Wie auch bei § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV (vgl. dazu z.B. Hess. VGH, U.v. 24.11.2010 – 2 B 2190/10 – juris; Dauer, a.a.O., Rn. 13 zu § 14 FeV) ist insoweit erforderlich, dass die Erkenntnisse bzw. Anknüpfungstatsachen hinreichend aktuell sein müssen. Eine feste Zeitgrenze ist insoweit nicht festzulegen, maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch für die Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV klargestellt, dass nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens herangezogen werden kann, insoweit aber schematisch feste Zeiten nicht bestimmt werden können. Von besonderem Gewicht seien insoweit u.a. Art und Ausmaß des früheren Drogenkonsums (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25/04 – juris). Eine Gutachtensanforderung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV setzt bei Cannabiskonsum aber sogar voraus, dass der Betroffene Cannabis in einer Weise konsumiert hat, die zur Nichteignung führte (vgl. Dauer, a.a.O. § 14 FeV Rn. 23), wovon hier mangels Aufklärung eines fehlenden Trennungsvermögens nicht ausgegangen werden kann.
Dies zugrunde legend ergibt sich Folgendes: Das LRA D. ist bei der Gutachtensanforderung vom 18. März 2020 davon ausgegangen, die Annahme des gelegentlichen Konsums von Cannabis stehe aufgrund des Gutachtens der BAD GmbH vom 8. Februar 2017 fest. Diese Annahme begegnet im Hinblick auf die zwischen Gutachten und Gutachtensanforderung vergangene Zeit sowie der weiteren zu berücksichtigenden Umstände allerdings rechtlichen Bedenken. Die Feststellung im Gutachten vom 8. Februar 2017, dass der aktenkundigen Cannabisauffälligkeit eine gelegentliche Einnahme zugrunde liegt, wird gestützt auf den Cannabiskonsum am 18. August 2016, der nach einer Blutentnahme festgestellt und vom Antragsteller auch zugegeben wurde. Im Rahmen einer Drogenanamnese habe der Antragsteller zudem angegeben, den ersten Kontakt mit Drogen Anfang 2016 gehabt und dann begonnen zu haben, meist am Wochenende, Marihuana zu rauchen. Es wird dort aber auch ausgeführt, dass der Antragsteller angegeben hat, der letzte Konsum sei am 18. August 2016 gewesen; seit der Zeit lebe er drogenfrei. Im Rahmen einer Haaranalyse hätten sich auch keine Hinweise auf eine Einnahme der getesteten Suchtstoffe (darunter Cannabinoide) innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten vor Probeentnahme ergeben (einmaliger oder sehr seltener Konsum könne mit der Haaranalyse allerdings nicht sicher ausgeschlossen werden). Ein regelmäßiger Konsum von Cannabis könne durch die Höhe des festgestellten THC-Carbonsäurewertes am Tag der Drogenfahrt ausgeschlossen werden. Die erhobenen Leberwerte und der CDT-Wert haben keinen Hinweis auf derzeitigen Drogenmissbrauch ergeben.
Im Gutachten ist damit zwar plausibel dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung von einem gelegentlichen Cannabiskonsums des Antragsstellers auszugehen war. Angesichts der zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung seit der Begutachtung vergangenen Zeit von über drei Jahren und des Umstandes, dass seit dem letzten feststehenden Konsum bereits ca. dreieinhalb Jahren vergangen waren sowie der Einlassung, dass der Antragsteller seit dem 18. August 2016 keine Drogen mehr zu sich genommen habe, was durch die im Rahmen der Begutachtung durchgeführten Haaranalyse zumindest für einen Zeitraum von 6 Monaten plausibel ist, konnte das LRA D. – ungeachtet einer grundsätzlichen Verwertbarkeit des Gutachtens nach § 2 Abs. 9 StVG – zum Zeitpunkt der Gutachtensanforderung nach Auffassung der Kammer ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen nicht mehr gesichert davon ausgehen, dass der Antragsteller gelegentlicher Konsument von Cannabis im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV war. Hierfür sprachen auch die weiteren Gesamtumstände, nämlich das im Rahmen der Begutachtung geschilderte Konsumverhalten über einen noch nicht sehr langen Zeitraum sowie dass der Antragsteller seit dem 18. August 2016 nicht mehr im Hinblick auf Drogenkonsum auffällig wurde.
Damit ist die Gutachtensaufforderung rechtswidrig, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nicht vorliegen. Die Gutachtensanforderung kann auch nicht auf eine andere einschlägige Rechtsgrundlage gestützt werden. Denn die scharfe Sanktion des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV setzt grundsätzlich eine vollständig rechtmäßige Gutachtensanordnung voraus (vgl. BayVGH, B.v. 4.2.2013 – 11 CS 13.22 – juris; VG Augsburg, B.v. 25.3.2014 – Au 7 S 14.306 – juris; VG Würzburg, B.v. 1.12.2015 – juris; VGH BW, B.v. 30.6.2011 – 10 S 2785/10 – juris). Die Nennung der falschen Rechtsgrundlage führt zur Rechtswidrigkeit der Gutachtensaufforderung (vgl. BayVGH, B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139; B.v. 16.8.2012 – 11 CS 12.1624 – juris Rn. 10; VG Augsburg, B.v. 22.5.2017 – Au 7 K 16.1561 – juris). Unabhängig davon müsste die Klärung der Frage, ob der Antragsteller (noch) gelegentlicher Cannabiskonsument ist, wohl durch eine Gutachtensanordnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV erfolgen (s.o.). Diese Bestimmung sieht aber nicht die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vorsieht, sondern eines ärztlichen Gutachtens (§ 11 Abs. 2 Satz 3 FeV).
Ob eine Gutachtensanforderung zur Klärung der Frage eines noch vorliegenden gelegentlichen Konsums wegen des Zeitablaufs seit der von der Behörde für ihre Annahme herangezogenen Umstände noch auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV gestützt werden kann und anlassbezogen und verhältnismäßig wäre, bedarf vorliegend keiner Entscheidung (vgl. dazu z.B. Hess. VGH, U.v. 24.11.2010 – 2 B 2190/10 – juris; Dauer, a.a.O., Rn. 13 zu § 14 FeV). Dies ist ggf. durch die Behörde zu prüfen.
Weil die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens nach alledem rechtswidrig war, kann der streitgegenständliche Bescheid nicht auf § 11 Abs. 8 FeV gestützt werden. Er erweist sich daher als voraussichtlich rechtswidrig, weshalb insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist.
Infolgedessen spricht nach summarischer Prüfung alles dafür, dass die Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 17. September 2020 erfolgreich sein wird. Dass es gleichwohl überwiegende öffentliche Interessen gibt, die für eine Beibehaltung der sofortigen Vollziehung des Bescheids streiten, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist der Antragsteller vor oder nach dem streitgegenständlichen Vorfall im August 2016 nicht im Straßenverkehr wegen Alkoholmissbrauchs oder Drogenkonsum auffällig geworden und es ergaben sich bei seiner Begutachtung Anfang 2017 aufgrund der durchgeführten Analysen auch keine Hinweise auf Drogenkonsum während der letzten sechs Monate vor der Begutachtung. Er hat zudem nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Entzugsbescheid vom 8. März 2016 seit 2017 unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen.
bb) Nach summarischer Prüfung wird auch die Klage gegen Ziffer 2 des Bescheids vom 17. September 2020 aller Voraussicht nach Erfolg haben, weil die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins rechtwidrig ist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn durch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis ist die rechtliche Grundlage für die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins entfallen.
Durch die Abgabe des Führerscheins ist die Verpflichtung in Ziff. 2 des Bescheids bereits vollzogen. Die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Herausgabe des Führerscheins bzw. zur Ausstellung eines Ersatzdokuments beruht auf § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO.
Nach allem hat der Antrag in dem tenorierten Umfang Erfolg, im Übrigen war er abzulehnen.
Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem hier die Zwangsgeldandrohung für die Festsetzung des Streitwertes außer Betracht bleibt (vgl. Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit) war es sachgerecht, diesbezüglich von einer Kostenbeteiligung des Klägers abzusehen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


Ähnliche Artikel


Nach oben