Strafrecht

Fortsetzungsfeststellungsantrag eines Strafgefangenen auf Arbeitszuweisung

Aktenzeichen  203 StObWs 311/20

Datum:
7.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29198
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVollzG § 109, § 115 Abs. 3
BayStVollzG Art. 39 Abs. 2 S. 1
EGGVG § 23 Abs. 3, § 28 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

1. Ein Strafgefangener hat auch dann ein berechtigtes Feststellungsinteresse im Sinne des § 115 Abs. 3 StVollzG, wenn sich sein ursprünglicher Verpflichtungsantrag nach Einleitung des gerichtlichen Verfahrens nach §§ 109 ff. StVollzG erledigt und er ausschließlich geltend macht, einen Amtshaftungs- oder Schadensersatzanspruch vorbereiten zu wollen. In diesem Fall kann er nicht darauf verwiesen werden, sofort den Zivilrechtsweg zu beschreiten (Aufgabe von OLG N., Beschluss vom 22.11.2012, Az.: 2 Ws 633/12, juris). (Rn. 11 – 24)
2. Die Strafvollstreckungskammer hat aufgrund einer ausreichend tragfähigen Tatsachenplattform zu überprüfen, ob die Justizvollzugsanstalt das ihr nach Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayStVollzG zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Wenn die Sachverhaltsdarstellung der Justizvollzugsanstalt bestritten wird, darf die Strafvollstreckungskammer die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt nicht ungeprüft ihrer Entscheidung zu Grunde legen. (Rn. 30 – 32)

Verfahrensgang

2 StVK 280/20 2020-06-22 Bes LGAMBERG LG Amberg

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen wird Ziffer 2. des Beschlusses der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Amberg vom 22.06.2020 aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Amberg zurückverwiesen.
II. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 350,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Mit Schreiben vom 14.04.2020, eingegangen bei Gericht am 16.04.2020, hat der Strafgefangene eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG beantragt, die Justizvollzugsanstalt A. zu verpflichten, ihm ab dem 20.04.2020 eine Arbeit zuzuweisen. Zugleich hat er „mit sofortiger Wirkung“ einen Antrag auf „Schadensersatz bzw. Amtshaftung“ gestellt und näher begründet.
Die Justizvollzugsanstalt Str. hat hierzu mit Schreiben vom 12.05.2020 Stellung genommen.
Nachdem der Strafgefangene seit dem 27.04.2020 zur Arbeit in der Gärtnerei der Justizvollzugsanstalt A. eingeteilt worden war, hat er den Verpflichtungsantrag mit Schreiben vom 27.05.2020 für erledigt erklärt. Im Hinblick auf seinen Antrag auf „Schadensersatz bzw. Amtshaftung“ hat er auf gerichtlichen Hinweis hin schließlich mit gleichem Schreiben einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 115 Abs. 3 StVollzG gestellt.
Die Strafvollstreckungskammer hat mit Beschluss vom 22.06.2020, dem Strafgefangenen zugestellt am 23.06.2020, den Verpflichtungsantrag für erledigt erklärt (Ziffer 1.) und den Feststellungsantrag kostenpflichtig verworfen (Ziffer 2.). Zur Begründung führt sie an, dass der Strafgefangene kein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse habe, er seinen Amtshaftungsanspruch vielmehr unmittelbar bei den Zivilgerichten geltend machen müsse. Im Übrigen sei der Fortsetzungsfeststellungsantrag auch unbegründet.
Dagegen wendet sich der Strafgefangene mit seiner am 10.07.2020 zur Niederschrift des Amtsgerichts Amberg eingelegten Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Mit Schreiben vom 24.07.2020 hat die Generalstaatsanwaltschaft M. beantragt,
die Rechtsbeschwerde als unzulässig (da Einzelfallentscheidung) zu verwerfen.
Der Strafgefangene hat mit Schreiben vom 08.08.2020 hierauf erwidert.
Der Senat nimmt im übrigen auf die angegriffene Entscheidung und die genannten Schreiben vollumfänglich Bezug.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist auch im übrigen zulässig, da es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1 StVollzG).
III.
Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache (zumindest vorläufigen) Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht auf der unzutreffenden Annahme, dass der Strafgefangene kein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Sinne des § 115 Abs. 3 StVollzG habe (nachfolgend Ziffer 1.), und auf der fehlerhaften Erwägung, dass die Justizvollzugsanstalt A. im übrigen ihr Ermessen gemäß Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayStVollzG fehlerfrei ausgeübt habe (nachfolgend Ziffer 3.).
1. Ein Strafgefangener hat auch dann ein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Sinne des § 115 Abs. 3 StVollzG, wenn es ihm nach Erledigung des ursprünglichen Verpflichtungsantrags während des gerichtlichen Verfahrens nach §§ 109 ff. StVollzG allein darauf ankommt, einen Amtshaftungs- oder Schadensersatzprozess vorzubereiten.
(a) Es entspricht inzwischen der ganz herrschenden Meinung, dass die Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Schadensersatzprozesses ein schutzwürdiges Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art darstellt, sofern der beabsichtigte Prozess nicht von vorneherein offenbar aussichtslos erscheint (OLG Hamm, NStZ 2001, 414 – zumindest wenn bereits Entscheidungsreife eingetreten ist -; OLG Hamm, Beschluss vom 22.12.2016, Az.: 1 Vollz (Ws) 508/16, juris Rn. 10; Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl. § 115 Rn. 8; Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. § 115 Rn. 13; Bachmann in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl. Abschn. P Rn. 81; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl. 12. Kap. Abschn. I Rn. 18; BeckOK Strafvollzug Bund / Euler, 17. Ed., 01.02.2020, StVollzG § 115 Rn. 16). Da die Strafvollstreckungskammer mit der Sache bereits befasst war und Zeit und Arbeit aufgewandt hatte, ist es folgerichtig, dass nach Erledigung des ursprünglichen Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags ihre Zuständigkeit fortbesteht. Zudem ist die Strafvollstreckungskammer hinsichtlich Fragen aus dem Strafvollzugsrecht das sachnähere Gericht, deren Entscheidung dann für das Zivilgericht sogar bindend ist (BGH, NJW 2005, 58 f.; OLG Celle, NJW-RR, 2004, 380; Bachmann in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl. Abschn. P Rn. 81).
Hier hat der Strafgefangene einen Amtshaftungs- oder Schadensersatzanspruch zusammen mit seinem ursprünglichen Verpflichtungsantrag vom 14.04.2020, ergänzt mit Schreiben vom 27.05.2020, bereits geltend gemacht, in einzelnen Schritten berechnet und der Höhe nach beziffert. Seinen Sachvortrag zu Grunde gelegt, ist der Anspruch auch nicht von vorneherein in vollem Umfang (zum Umfang s. unten 2.) offenbar aussichtslos.
(b) Ein berechtigtes Feststellungsinteresse würde allerdings dann nicht bestehen, wenn sich der zunächst gestellte Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag schon vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG erledigt hatte; dann ist ausschließlich der Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben (OLG Stuttgart, NStZ 1986, 431 – zu § 115 Abs. 3 StVollzG -; KG, NStZ 1997, 563 – zu § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG -; Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl. § 115 Rn. 8; Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. § 115 Rn. 13; Bachmann in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl. Abschn. P Rn. 81). In diesen Fällen war die Strafvollstreckungskammer mit der Sache nämlich noch gar nicht befasst, so dass es aus prozessökonomischen Gründen gerechtfertigt ist, dass der Strafgefangene nicht zunächst die Vorfrage der Rechtmäßigkeit der erledigten Maßnahme vor der Strafvollstreckungskammer klären lässt und erst nach diesem Umweg das Zivilgericht anruft, sondern seinen Anspruch sofort beim Zivilgericht geltend macht, das seinen Anspruch gleich umfassend prüfen kann.
Gleiches gilt, wenn der Strafgefangene schon vor seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG das Zivilgericht angerufen hat, auch durch einen PKH-Antrag (OLG Naumburg, Beschluss vom 11.12.2017, Az.: 1 Ws (RB) 58/17, juris Rn. 7; OLG Hamm, Beschluss vom 25.08.2009, Az.: 1 Vollz (Ws) 463/09, juris Rn. 9; Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl. § 115 Rn. 8; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl. 12. Kap. Abschn. I Rn. 18; BeckOK Strafvollzug Bund / Euler, 17. Ed., 01.02.2020, StVollzG § 115 Rn. 16).
Konstellationen wie unter (a) und (b) liegen hier aber nicht vor. Weder war der Verpflichtungsantrag zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG schon erledigt noch hatte der Strafgefangene zu diesem Zeitpunkt bereits das Zivilgericht angerufen.
(c) Das OLG N. hat in seinem Beschluss vom 22.11.2012, Az.: 2 Ws 633/12, juris Rn. 13, die Auffassung vertreten, dass über die unter (b) genannten Fälle hinaus ein berechtigtes Interesse generell auch dann zu verneinen ist, wenn die Erledigung des Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags erst während des gerichtlichen Verfahrens nach §§ 109 ff. StVollzG eintritt (diesem folgend OLG Zweibrücken, Beschluss vom 15.11.2018, Az.: 1 Ws 287/18 Vollz, juris Rn. 11; OLG Naumburg, Beschluss vom 11.12.2017, Az.: 1 Ws (RB) 58/17, juris Rn. 6).
Die beiden nach Wiedererrichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts in ganz Bayern allein für Strafvollzugsverfahren zuständigen Strafsenate (3. und 4. Außensenat mit Sitz in N. werden die vorgenannte Rechtsprechung des OLG N. jedoch nicht fortführen:
(1) Zum einen nimmt dieser Beschluss die unter (a) dargestellte Systematik nicht vollumfänglich in den Blick. Zum anderen bezieht sich das OLG N. zur Begründung der eigenen Ansicht zu Unrecht auf die Beschlüsse des OLG Stuttgart (NStZ 1986, 431) und des KG (NStZ 1997, 563). Diese Entscheidungen betrafen nämlich jeweils Fälle, in denen sich die Maßnahmen bereits vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG erledigt hatten (s. dazu oben (b)); diejenige des KG betraf zudem einen Fall des § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG (dazu später unter (4)).
(2) Aber auch das im Beschluss des OLG N. vom 22.11.2012, Az.: 2 Ws 633/12, juris Rn. 15, hilfsweise angeführte Argument (im Anschluss an das OLG Hamm, NStZ 2001, 414), dass hinsichtlich der Maßnahme ohne weitere Ermittlungen noch keine Entscheidungsreife vorgelegen habe, ist im Blick auf die unter (a) dargestellte Systematik nicht tragfähig. Es ist vorliegend ferner auch sachlich nicht gerechtfertigt. Das Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer war nämlich bereits sehr weit fortgeschritten und erforderte keinen allzu großen Aufwand mehr (zu den nur noch erforderlichen Ermittlungen s. nachfolgend 3.). Der erkennende Richter sah sich sogar schon in der Lage, hilfsweise abschließend die Frage der Begründetheit des Verpflichtungsantrags zu beurteilen. Der Strafgefangene würde hier also um die „Früchte“ des bisherigen Verfahrens gebracht.
(3) Das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 15.11.2018, Az.: 1 Ws 287/18 Vollz, juris Rn. 11) nimmt Bezug auf vorgenannten Beschluss des OLG N. und den Beschluss des OLG Naumburg (dazu nachfolgend (4)).
(4) Soweit sich das OLG Naumburg (Beschluss vom 11.12.2017, Az.: 1 Ws (RB) 58/17, juris Rn. 6) zur Begründung über den Beschluss des OLG N. hinaus auf die Entscheidungen des OLG Karlsruhe (NStZ 1989, 429; NStZ 1986, 567) und des KG (NStZ 1986, 135) beruft, ist folgendes festzustellen:
Das OLG Karlsruhe, NStZ 1989, 429 (zu § 115 Abs. 3 StVollzG), zitiert in seiner Entscheidung den Beschluss des OLG Stuttgart, NStZ 1986, 431, in dem sich die Maßnahme – anders als vorliegend – bereits vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG erledigt hatte (vgl. oben (b)), sowie – wie das OLG Naumburg – die Beschlüsse des OLG Karlsruhe, NStZ 1986, 567, und des KG, NStZ 1986, 135.
Die Entscheidungen OLG Karlsruhe, NStZ 1986, 567, und KG, NStZ 1986, 135, sind aber zu § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG ergangen. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach § 115 Abs. 3 StVollzG und ein solches nach § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG können jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht völlig gleichgesetzt werden. Im Rahmen des § 115 StVollzG ist nämlich nur der allgemeine Grundsatz zu beachten, dass ein Leistungsantrag Vorrang hat vor einem Feststellungsantrag. Im Rahmen des § 28 EGGVG ist dagegen darüber hinaus der weitere Grundsatz zu beachten, dass bereits das ganze Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG subsidiär ist (§ 23 Abs. 3 EGGVG). Gerade letztgenannte Einschränkung lässt es gerechtfertigt erscheinen, bei § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG an das Vorliegen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses strengere Anforderungen zu stellen als bei § 115 Abs. 3 StVollzG und einen Antragsteller, der nur noch einen Amtshaftungs- oder Schadensersatzanspruch gerichtlich durchsetzen will, in der Regel direkt an die Zivilgerichte zu verweisen.
(d) Hier steht dem Strafgefangenen, dessen Verpflichtungsantrag sich erst während des gerichtlichen Verfahrens gemäß §§ 109 ff. StVollzG erledigt hat, nach alledem ein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach § 115 Abs. 3 StVollzG zu. Er hat den Rechtsweg beschritten, den das Gesetz ihm für sein Begehren grundsätzlich zur Verfügung stellt (so auch B. Volckart, NStZ 1986, 432).
2. Das Feststellungsbegehren des Strafgefangenen kann allerdings nur denselben Umfang haben, den auch sein jetzt erledigter Verpflichtungsantrag hatte, also den Zeitraum vom 20.04.2020 bis zum 26.04.2020.
In seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG hatte er beantragt,
die Justizvollzugsanstalt A. zu verpflichten, ihm ab dem 20.04.2020 eine Arbeit zuzuweisen. Ab dem 27.04.2020 wurde ihm eine Arbeit zugewiesen, was zur Erledigung seines Verpflichtungsantrags geführt hat.
Vor und nach diesem Zeitraum liegende Zeiten von Nichtbeschäftigung oder nicht gleichwertig bezahlter Beschäftigung können vorliegend deshalb keine Berücksichtigung finden. Das StVollzG gewährt nämlich nach § 115 Abs. 3 StVollzG nur einen an den ursprünglichen konkreten Verpflichtungsantrag unmittelbar anknüpfenden Fortsetzungsfeststellungsanspruch.
Damit ist hier auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Verlegung des Strafgefangenen von der Justizvollzugsanstalt N. in die Justizvollzugsanstalt A. und etwaig darauf beruhender Einbußen seines Arbeitseinkommens irrelevant; die Frage der Rechtmäßigkeit der Verlegung ist Gegenstand des Verfahrens bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht mit dem Az.: 204 StObWs 321/20.
3. Die Strafvollstreckungskammer geht schließlich aufgrund einer unzureichend tragfähigen Tatsachenplattform davon aus, dass die Justizvollzugsanstalt A. ihr Ermessen gemäß Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayStVollzG fehlerfrei ausgeübt habe.
(a) Nach Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayStVollzG soll die Anstalt den Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuweisen und dabei ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigen. Danach hat die Anstalt den Auftrag, im Rahmen der tatsächlich verfügbaren Möglichkeiten und ggf. nach Ausübung ihres Auswahlermessens den arbeitsfähigen Gefangenen eine wirtschaftlich sinnvolle, produktive und möglichst gewinnbringende Tätigkeit zuzuweisen (Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl. Art. 39 BayStVollzG Rn. 2). Der Gefangene hat insoweit nur ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung (Arloth/Krä, a.a.O., § 37 StVollzG Rn. 10).
(b) Die Strafvollstreckungskammer führt (hilfsweise) hierzu aus, dass der Strafgefangene „nach der Stellungnahme der Antragsgegnerin“ baldmöglichst eine Arbeitsstelle in einem von ihm gewünschten Bereich erhalten habe. Damit legt sie die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt ungeprüft ihrer Entscheidung zugrunde, was verfassungsrechtlich unzulässig ist, wenn die Sachverhaltsdarstellung der Justizvollzugsanstalt vom Strafgefangenen bestritten wird (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 07.04.2020, Az.: 2 BvR 1935/19, juris Rn. 30; KG; Beschluss vom 23.08.2019, Az.: 2 Ws 125/19 Vollz, juris Rn. 59 f.; KG, Beschluss vom 11.01.2016, Az.: 2 Ws 303/15 Vollz, juris Rn. 25).
(c) Die Justizvollzugsanstalt A. hat in ihrer Stellungnahme vom 12.05.2020 vorgetragen, dass dem Strafgefangenen seitens des hiesigen Werkdienstleiters beim Gespräch am 14.04.2020 mitgeteilt worden sei, das derzeit kein Platz im Arbeitsbereich Installation frei sei und dass der Arbeitsbereich Installation auf Grund der Corona Krise auch unterbesetzt sei.
Der Strafgefangene, nach eigenen Angaben gelernter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer, hat demgegenüber in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 14.04.2020 ausgeführt, dass ihm bei der Arbeitseinteilung am 14.04.2020 mitgeteilt worden sei, dass im Arbeitsbereich Installation zwar ein Platz frei sei, der Betrieb ihn aber nicht mehr nehme, was er auf eine Landtagseingabe vom 19.05.2019 gegen die Justizvollzugsanstalt A. zurückführte. In seinem Schreiben vom 27.05.2020 hat er ergänzt, dass ihm am 17.04.2020 der Betriebsleiter … im Haftraum gesagt habe: „Ich musste wegen Ihnen zwei Stellungnahmen abgeben. Deshalb möchte ich Sie nicht mehr haben.“ Ausweislich seiner Rechtsbeschwerde vom 10.07.2020 soll ihm dieser Betriebsleiter bereits anlässlich des Zugangshofganges am 27.03.2020 mitgeteilt haben, dass im Arbeitsbereich Installation ein Platz frei sei.
Damit ist streitig, ob zum damaligen Zeitpunkt überhaupt ein Platz im Arbeitsbereich Installation frei war, der dem Strafgefangenen hätte zugewiesen werden können, und ob die Justizvollzugsanstalt ggf. ihr Auswahlermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat oder ob die Ablehnung des Strafgefangenen allein auf einer – wie von ihm vorgetragen – sachfremden Erwägung (gegen die Justizvollzugsanstalt gerichtete Landtagseingabe) beruhte.
Dieser Umstand bedarf deshalb noch weiterer Aufklärung durch Erholung von Stellungnahmen des Werkdienstleiters und des Betriebsleiters …, um beurteilen zu können, ob die Justizvollzugsanstalt A. das Recht des Strafgefangenen auf fehlerfreie Ermessensausübung verletzt hat.
IV.
1. Damit ist Ziffer 2. des angefochtenen Beschlusses vom 22.06.2020 aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an die Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Amberg zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 4 S. 1 und S. 3 StVollzG).
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf §§ 60, 52 Abs. 1 GKG.


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