Strafrecht

Freiheitsstrafe, Staatsanwaltschaft, Strafvollstreckung, Ermessen, Justizvollzugsanstalt, Feststellung, Hauptverhandlung, Bindungswirkung, Beurteilungsspielraum, Darlegung, Strafe, Angeklagte, Angeklagten, Urteilsfeststellungen, gerichtliche Entscheidung, Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Aktenzeichen  204 VAs 536/20

Datum:
28.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37167
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BtMG § 35 Abs. 1
BZRG § 17 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Der Vollstreckungsbehörde steht hinsichtlich der Feststellung einer Betäubungsmittelabhängigkeit und deren Kausalität für die Tat ein Beurteilungsspielraum zu.
2. Der Beurteilungsspielraum der Vollstreckungsbehörde ist dann stark eingeschränkt oder im Sinne einer Bindung völlig aufgehoben, wenn sich die Kausalität gemäß § 35 Abs. 1 BtMG „aus den Urteilsgründen“ ergibt, wobei die entsprechenden Feststellungen nur die Bedeutung einer widerleglichen Vermutung haben.
3. Den Urteilsfeststellungen kommt dann ein hohes Gewicht und ein erheblicher Beweiswert zu, wenn sie sich eingehend mit der Betäubungsmittelabhängigkeit beschäftigen und die entsprechenden Beweise vom Gericht erhoben und gewürdigt werden, insbesondere wenn sie sich auf ein Sachverständigengutachten stützen und das Urteil zur Begründung der richterlichen Überzeugung eine eingehende Darlegung des Vorlebens eines Angeklagten und seiner Drogenkarriere enthält.
4. Die bloße Nennung von § 17 Abs. 2 BZRG in der Liste der angewendeten Vorschriften ist kein Beleg für die Betäubungsmittelabhängigkeit und deren Kausalität für die abgeurteilte Tat.

Tenor

1. Der Antrag des Verurteilten K… B… auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Nürnberg vom 11. November 2020 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.
2. Der Geschäftswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Das Amtsgericht Regensburg hat den Antragsteller mit Urteil vom 16.9.2020 (21 Ds 107 Js 7736/20) wegen des Erschleichens von Leistungen mit Sachbeschädigung mit Diebstahl mit Beleidigung in sechs tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Der Antragsteller verbüßt diese Freiheitsstrafe seit 18.12.2020 in der Justizvollzugsanstalt N… Zwei Drittel der Strafe sind am 17.4.2021 erreicht. Das Strafende ist auf den 17.6.2021 notiert.
Mit Anwaltsschreiben vom 15.10.2020 beantragte der Verurteilte, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gemäß § 35 BtMG zugunsten einer von ihm beabsichtigten Therapie zurückzustellen, da die Taten aufgrund der bei ihm bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden seien.
Die Staatsanwaltschaft Regensburg lehnte mit Verfügung vom 19.10.2020 diesen Antrag ab, da die Tat des Verurteilten nicht oder jedenfalls nicht überwiegend aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden sei.
Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 21.10.2020 legte der Verurteilte hiergegen unter Hinweis auf die im Urteil aufgenommene Vorschrift des § 17 Abs. 2 BZRG Beschwerde ein.
Den Einwendungen des Verurteilten half die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 22.10.2020 nicht ab.
Mit Bescheid vom 11.11.2020 wies der Generalstaatsanwalt in Nürnberg die Beschwerde des Verurteilten gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 19.10.2020 zurück.
Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 10.12.2020, eingegangen mit Telefax am selben Tag, stellte der Verurteilte Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt mit Schreiben vom 29.12.2020, eingegangen am 12.1.2021, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung kostenfällig als unbegründet zu verwerfen.
Dieses Schreiben wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers per Telefax am 13.1.2021 zur Kenntnisnahme übermittelt.
Der Senat nimmt im Übrigen auf die genannten Entscheidungen, Verfügungen und Schreiben vollumfänglich Bezug.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 23 EGGVG statthaft, wurde gemäß § 26 Abs. 1 EGGVG i.V.m. § 43 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht eingelegt und ist auch nach § 24 Abs. 1 und 2 EGGVG zulässig, da das erforderliche Vorschaltverfahren (§ 21 StVollstrO) durchgeführt worden ist.
In der Sache bleibt der Antrag jedoch ohne Erfolg, da die Vollstreckungsbehörde beurteilungsfehlerfrei die Kausalität der Betäubungsmittelabhängigkeit für die abgeurteilten Taten als eine der Voraussetzungen der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BtMG verneint hat und der Antragsteller deshalb nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG).
1. Gemäß § 35 Abs. 1 BtMG kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszugs die Vollstreckung einer Strafe für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt oder sonst feststeht, dass die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurde und der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist.
Der Vollstreckungsbehörde steht bei ihrer Entscheidung über die Zurückstellung der Strafvollstreckung zur Durchführung einer Drogentherapie gemäß § 35 BtMG ein Ermessen und hinsichtlich der dabei zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich der Feststellung einer Betäubungsmittelabhängigkeit, deren Kausalität für die Tat, der Therapiebereitschaft und der Therapiebedürftigkeit des Antragstellers ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2009, 122, juris Rn. 6; OLG Nürnberg, StV 2017, 307, juris Rn. 19; BeckOK-BtMG/Bohnen, 8. Ed. 15.9.2020, § 35 Rn. 310; Fabricius in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 35 Rn. 320; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 35 Rn. 141). Fehlt es an einer dieser Tatbestandsvoraussetzungen, so lehnt die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung ab; ein Ermessen besteht insoweit nicht (Weber, a.a.O., § 35 Rn. 143).
Der Beurteilungsspielraum der Vollstreckungsbehörde ist hinsichtlich der Kausalität nur dann stark eingeschränkt oder im Sinne einer Bindung völlig aufgehoben, wenn sich die Kausalität „aus den Urteilsgründen“ (§ 35 Abs. 1 BtMG) ergibt (OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 57, juris Rn. 4). Letzteren kann ein hohes Gewicht zukommen, wenn die Feststellungen im Urteil sich auf ein Sachverständigengutachten stützen und das Urteil zur Begründung seiner Überzeugung eine eingehende Darlegung des Vorlebens eines Angeklagten, insbesondere seiner Drogenkarriere enthält. In diesen Fällen wird eine Widerlegung der Urteilsgründe und der Überzeugung des Tatrichters nicht leicht und nur mit eindeutigen und beweiskräftigen gegenteiligen Feststellungen in Frage kommen (OLG Nürnberg, StV 2017, 307, juris Rn. 19; OLG Stuttgart, NStZ 1999, 626, juris Rn. 13).
Soweit die Vollstreckungsbehörde – wie hier – ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist die gerichtliche Nachprüfung auf Rechtsfehler bei der Anwendung gesetzlicher Bestimmungen sowie darauf beschränkt, ob sie ihrer Entscheidung einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt unter Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums zugrunde gelegt hat und ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 28 Abs. 3 EGGVG; vgl. zum Ganzen nur OLG Nürnberg, StV 2017, 307, juris Rn. 20; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18.12.2018 – 1 VAs 8/18, juris Rn. 12; Fabricius, in: Körner/ Patzak/Volkmer, a.a.O., § 35 Rn. 398; Weber, a.a.O., § 35 Rn. 205).
Gegenstand der Überprüfung ist dabei die Entscheidung der Staatsanwaltschaft in der Gestalt, die sie im Vorschaltverfahren (§ 24 Abs. 2 EGGVG, § 21 StVollStrO) durch den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft erhalten hat (OLG Nürnberg, StV 2017, 307, juris Rn. 21; Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 24 EGGVG Rn. 7).
2. Unter Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs ist die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde nicht zu beanstanden.
a) Der Gesetzgeber wollte mit der Möglichkeit der Zurückstellung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe nach §§ 35 ff. BtMG diesen Vorzug nur solchen Verurteilten bieten, die Straftaten begangen haben, die in engem Zusammenhang mit ihrer Betäubungsmittelabhängigkeit bzw. mit der Betäubungsmittelbeschaffung standen oder Straftaten, die unter Entzugserscheinungen oder unter der Angst von Entzugserscheinungen begangen wurden (OLG Hamm, Beschluss vom 18.6.2014 – 1 VAs 21/14, juris Rn. 20; OLG Nürnberg, StV 2017, 307, juris Rn. 23; Fabricius, in: Körner/Patzak/Vollmer, a.a.O., § 35 Rn. 95 f. m.w.N. zur Rspr.; BeckOK-BtMG/Bohnen, a.a.O., § 35 Rn. 103). Die herrschende Meinung verlangt deshalb einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen der Abhängigkeit und der Tat im Sinne der Äquivalenz (BeckOK-BtMG/ Bohnen, a.a.O., § 35 Rn. 103 m.w.N. zur Rspr.). Ein solcher liegt vor, wenn die Ursache – also die Betäubungsmittelabhängigkeit – nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Straftat als Folge entfiele (Fabricius, in: Körner/Patzak/Vollmer, a.a.O., § 35 Rn. 96; Weber, BtMG, a.a.O., § 35 Rn. 33 jeweils m.w.N. zur Rspr.). Die Drogensucht darf somit nicht nur Begleiterscheinung, sondern muss die Bedingung der Straftat gewesen sein. Der erforderliche Kausalzusammenhang liegt einerseits nicht bereits darin, dass zur Tatzeit eine Rauschmittelabhängigkeit bestanden hat, in der – unabhängig vom konkreten Einzelfall – allgemein eine Erklärung für das begangene Delikt gefunden werden kann. Andererseits reicht eine erhebliche Mitursächlichkeit aus. Es ist somit nicht geboten, dass die Straftat allein zu dem Zweck begangen wurde, um mit den Erlösen ausschließlich oder vor allem die Sucht zu finanzieren. Vielmehr reicht es aus, dass die Betäubungsmittelabhängigkeit der „Motor“ für die Straftat war, dass die Straftat ohne die Betäubungsmittelabhängigkeit nicht oder in ganz anderer Weise ausgeführt worden wäre (Fabricius, in: Körner/Patzak/Vollmer, a.a.O., § 35 Rn. 96 m.w.N. zur Rspr.).
b) Hieran gemessen ist die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, die Zurückstellung der Vollstreckung mangels Kausalität zwischen der Betäubungsmittelabhängigkeit und den abgeurteilten Delikten abzulehnen, nicht zu beanstanden. Sie geht von einem vollständig ermittelten Sachverhalt aus und hält sich innerhalb des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums.
aa) Entgegen der Ansicht des Antragstellers ergibt sich aus der Benennung des § 17 Abs. 2 BZRG in der Liste der angewendeten Vorschriften im Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 16.9.2020 keine Bindungswirkung für die Vollstreckungsbehörde hinsichtlich der unmittelbaren Kausalität zwischen der Betäubungsmittelabhängigkeit und der abgeurteilten Straftaten. In den Urteilsgründen unter Ziffer III. am Ende wird hierzu lediglich ausgeführt:
„Die vorliegenden Taten wurden aufgrund der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten begangen, § 17 BZRG. Der Diebstahl des T-Shirts erfolgte durch den Angeklagten, damit er sich seine Betäubungsmittelabhängigkeit finanzieren konnte. Auch die Sachbeschädigung beging der Angeklagte unter Betäubungsmitteleinfluss, ebenso die Taten der Beleidigung am 13.02.2020.“
Allerdings vertritt das Oberlandesgericht Stuttgart die Ansicht, durch die Anbringung des nach § 260 Abs. 5 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Hinweises auf die Registervergünstigung des § 17 Abs. 2 BZRG im Urteil sei dem Urteil nicht nur die Betäubungsmittelabhängigkeit des/der Verurteilten zu entnehmen, es sei vielmehr aufgrund der Urteilsgründe im Sinne des § 35 Abs. 1 BtMG auch nachgewiesen, dass der/die Verurteilte – mindestens – den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat (NStZ-RR 2001, 343, juris Rn. 10; so auch Weber, a.a.O., § 35 Rn. 43; MüKoStGB/ Kornprobst, 3. Aufl., § 35 BtMG Rn. 49). Ausnahmen lässt das Oberlandesgericht Stuttgart (a.a.O.) dann zu, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass der Tatrichter den Hinweis auf § 17 Abs. 2 BZRG versehentlich angebracht hat und dieser deshalb offensichtlich falsch ist.
Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Allein der Hinweis auf § 17 Abs. 2 BZRG kann die Betäubungsmittelabhängigkeit und deren Kausalität für die abgeurteilte Straftat nicht belegen (so auch KG, Beschluss vom 15.2.2016 – 1 VAs 1/16, OLGSt BtMG § 35 Nr. 22, juris Rn. 12; OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2016 – III-RVs 80/16, juris Rn. 7; BeckOK-BtMG/ Bohnen, a.a.O., § 35 Rn. 122). Gegen eine Bindungswirkung allein aufgrund der Liste der angewendeten Vorschriften spricht schon, dass diese weder Bestandteil der Urteilsformel noch der Urteilsgründe ist; auf eventuellen Mängeln der Liste kann ein Urteil nicht beruhen (vgl. BGH, Beschluss vom 18.7.2007 – 2 StR 280/07, in juris; NStZ-RR 1997, 166, juris Rn. 3; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 260 Rn. 52). Die Benennung des § 17 Abs. 2 BZRG hat nach der gesetzlichen Konzeption auch nicht die Funktion, die im Rahmen der Entscheidung nach § 35 BtMG gebotene Kausalitätsprüfung gleichsam zu ersetzen, sondern führt als „Registervergünstigung“ für den Verurteilten dazu, dass die Verurteilung unter bestimmten weiteren Umständen nicht in ein Führungszeugnis aufgenommen wird (§ 32 Abs. 2 Nr. 6 BZRG; KG, Beschluss vom 15.2.2016 – 1 VAs 1/16, OLGSt BtMG § 35 Nr. 22, juris Rn. 13 m.w.N.). Zudem widerspräche die Annahme einer derartigen Bindungswirkung der Liste der Vorschriften der nahezu einhelligen Ansicht, dass selbst die Urteilsfeststellungen zur Kausalität nur eine eingeschränkte Bindungswirkung für die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde nach § 35 BtMG entfalten. Sie haben die Bedeutung einer widerleglichen Vermutung (vgl. KG, Beschluss vom 15.2.2016 – 1 VAs 1/16, OLGSt BtMG § 35 Nr. 22, juris Rn. 14; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.11.2014 – 2 VAs 11-12/14, juris Rn. 30 m.w.N.; OLG Oldenburg, StV 2001, 467, juris Rn. 7; BeckOK-BtMG/Bohnen, a.a.O., § 35 Rn. 125; Fabricius in: Körner/Patzak/Volkmer, a.a.O., § 35 Rn. 92 m.w.N.). Den Urteilsfeststellungen kann aber ein hohes Gewicht und ein erheblicher Beweiswert zukommen, wenn sie sich eingehend mit der Betäubungsmittelabhängigkeit beschäftigen und die entsprechenden Beweise vom Gericht erhoben und gewürdigt werden, insbesondere wenn sie sich auf ein Sachverständigengutachten stützen und das Urteil zur Begründung der richterlichen Überzeugung eine eingehende Darlegung des Vorlebens eines Angeklagten und seiner Drogenkarriere enthält (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.11.2014 – 2 VAs 11-12/14, juris Rn. 30). Will die Vollstreckungsbehörde von derartigen Feststellungen abweichen, müssen eindeutige und beweiskräftige gegenteilige Tatsachen vorliegen (OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 57, juris Rn. 4; StraFo 2009, 470, juris Rn. 7; OLG Stuttgart, NStZ 1999, 626, juris Rn. 13; BeckOK-BtMG/Bohnen, a.a.O., BtMG § 35 Rn. 126-128 m.w.N.; Fabricius in: Körner/Patzak/ Volkmer, a.a.O., BtMG § 35 Rn. 92-93a).
bb) Derartige belastbare Feststellungen zur Kausalität der Betäubungsmittelabhängigkeit, die eine Bindungswirkung entfalten könnten, enthält das Urteil des Amtsgerichts Regensburg nicht.
Objektive Nachweise zu einer drogen- oder alkoholbedingten Intoxikation des Antragstellers bei der Tatbegehung liegen nicht vor. Eine Blut- oder Haarprobe wurde nach der Tat nicht entnommen. Vielmehr beruhen die Urteilsfeststellungen weitgehend ungeprüft und ohne Tatsachenunterfütterung auf den aus der Hauptverhandlung übernommenen Angaben des Verurteilten, er habe früher Heroin konsumiert und befinde sich derzeit in einer Substitution. Darüber hinaus möchte er alsbald eine Entgiftung und anschließend eine Therapie antreten.
Bei der Strafzumessung führt das Amtsgericht Regensburg an, hinsichtlich aller vier Taten sei zu Gunsten des Angeklagten aufzuführen, dass er jeweils unter Betäubungsmitteleinfluss stand.
Eine Überprüfung dieser Angaben durch einen Sachverständigen oder eine eingehende Darlegung des Vorlebens des Angeklagten und seiner Drogenkarriere enthält das Urteil nicht.
Da sich Hinweise zur Betäubungsmittelabhängigkeit und deren Kausalität auch nicht aus dem sonstigen Akteninhalt ergeben, ging das Amtsgericht bei der Strafzumessung allein aufgrund der Angaben des Verurteilten davon aus, dass dieser zum Tatzeitpunkt unter Drogen stand und dass der Diebstahl des T-Shirts (im Wert von 29,90 €) zur Finanzierung der Betäubungsmittelabhängigkeit erfolgte. Mangels näherer Ausführungen des Amtsgerichts, auf welcher nachvollziehbaren Grundlage es diese Urteilsfeststellungen getroffen hat, und mangels einer entsprechenden Beweiswürdigung kommt diesen Feststellungen keine Bindungswirkung für die Vollstreckungsbehörde zu.
Da somit nicht bindend feststeht, dass die Betäubungsmittelabhängigkeit kausal für die begangenen Straftaten war, konnte die Vollstreckungsbehörde rechtsfehlerfrei die Zurückstellung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe nach § 35 BtMG ablehnen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 30 Abs. 1 EGGVG, § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1 GNotKG.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 19, § 79 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 1 und 3 GNotKG.


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