Strafrecht

Mord, Besondere Schwere der Schuld, Heimtücke, niedrige Beweggründe, Hinterbliebenengeld, Höhe des Hinterbliebenengeldes

Aktenzeichen  5 Ks 103 Js 2698/20

Datum:
9.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54607
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 211
StGB § 53
StGB § 57a
BGB § 823
BGB § 844

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Angeklagte I. D. ist schuldig des Mordes in zwei Fällen.
2. Der Angeklagte I. D. wird deswegen zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt.
3. Die besondere Schwere der Schuld wird festgestellt.
4. Der Angeklagte I. D. wird verurteilt, an die Adhäsionsklägerin I. A. 20.000 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.21 zu zahlen.
5. Der Angeklagte I. D. wird verurteilt, an den Adhäsionskläger G. A. 15.000 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.21 zu zahlen.
6. Der Angeklagte I. D. wird verurteilt, an die Adhäsionskläger G. A. und I. A. 11.166 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.21 zu zahlen.
7. Es wird festgestellt, dass die Forderungen in den Ziffern 4, 5 und 6 auf Ansprüchen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruhen.
8. Im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag vom 20.10.2021 abgesehen.
9. Das Urteil ist in Ziffer 6 vorläufig vollstreckbar. In den Ziffern 4. und 5. ist das Urteil vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages.
10. Der Angeklagte I. D. trägt die Kosten des Verfahrens und die durch den Adhäsionsantrag der Adhäsionskläger G. A. und I. A. vom 20.10.2021 angefallenen gerichtlichen Kosten. Er trägt weiter die notwendigen Auslagen, die den Adhäsionsklägern G. A. und I. A. durch ihren Adhäsionsantrag vom 20.10.2021 entstanden sind sowie die notwendigen Auslagen der Nebenkläger.
Angewendete Strafvorschriften: §§ 211, 53, 57a StGB

Gründe

Der Angeklagte vermutete eine tatsächlich nicht bestehende Liebesbeziehung zwischen seiner seit sieben Jahren von ihm getrennten Ehefrau A. D. und dem Taxifahrer K. A. Diese vermeintliche Beziehung seiner Ehefrau empfand er als Verletzung seiner Ehre und der Familienehre der beiden gemeinsamen Söhne. Wütend hierüber beschloss er deswegen seine Ehefrau und K. A. zu töten, um so die Familienehre wiederherzustellen. Dazu bewaffnete er sich mit einer Pistole und ließ sich von K. A. mit dem Taxi zum Haus seiner Ehefrau fahren. Dort rief er seine Ehefrau an, die kurz darauf herauskam und sich zu ihnen ins Taxi setzte. Als sie nach einem kurzen Streit das Taxi verließ und zurück in Richtung ihres Hauses ging, zog der Angeklagte die bis dahin verborgen gehaltene Pistole und schoss ihr in den Kopf, ohne dass sie mit dem Angriff rechnete oder sich ihm entziehen konnte. Anschließend schoss er dem ebenso völlig überraschten, noch im Taxi sitzenden K. A. in den Kopf. Die Kammer hat den Angeklagten, der die Taten als solche einräumt, wegen Mordes in zwei Fällen zu einer lebenslangen Strafe als Gesamtstrafe verurteilt. Sie hat dabei jeweils die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe festgestellt. Soweit der Angeklagte in der Hauptverhandlung angab, aus Sorge um eine finanzielle Übervorteilung seiner Ehefrau durch K. A. gehandelt zu haben, wird er v.a. durch seine aus der Haft versandten Briefe an seine Söhne und seine Äußerungen nach der Tat überführt. Die Kammer hat weiter die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten festgestellt und den als Nebenklägern auftretenden Sohn und der Ehefrau des K. A. auf ihre Adhäsionsanträge hin Hinterbliebenengeld und Schadensersatz zugesprochen.
A. Feststellungen
1) Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten
Der Angeklagte wurde als ältestes von acht Geschwistern am _._.1954 in Siran/Türkei geboren. Er wuchs in einer ländlichen Umgebung zunächst bei beiden Eltern auf, bis der Vater 1963 nach Deutschland verzog. Der Angeklagte besuchte zunächst eine Grund- und dann eine weiterführende Schule. Von März 1977 bis November 1978 absolvierte der Angeklagte den Wehrdienst.
Noch in der Türkei hat der Angeklagte 1973 eine Frau kennengelernt, mit welcher er 1979 eine eheähnliche Beziehung einging. Aus dieser gingen vier, mittlerweile erwachsene Kinder hervor.
Im September 1979 siedelte der Angeklagte nach Deutschland über, wohin mittlerweile auch seine Mutter und ein Teil seiner Geschwister emigriert waren. Der Angeklagte heiratete 1981 die deutsche Staatsangehörige E. A., mit welcher er bis 1988 zusammenblieb. Die Ehe wurde 1989 geschieden. Der Angeklagte unterhielt während der Ehe weiterhin Kontakt zu seinen Kindern in der Türkei und deren Mutter.
1982 begann der Angeklagte als Schlosser in einer Gießerei, der Firma A. GmbH, zu arbeiten. Er absolvierte dort von 1992 bis 1995 eine Ausbildung zum Werkzeugmacher. Der Angeklagte verblieb fast sein ganzes Berufsleben bei der A. GmbH und schied 2010 mit einer Abfindung in Höhe von 46.000 Euro aus der Firma aus. Der Angeklagte war anschließend ohne Beschäftigung und arbeitete auf geringfügiger Basis als Taxifahrer. Seit 2014 bezieht er eine Rente.
Der Angeklagte hielt sich in den letzten Jahren immer wieder für längere Zeiträume in der Türkei auf. Zuletzt wohnte der Angeklagte in der Wohnung seiner Mutter in der S. Straße in Nürnberg.
Der Angeklagte ist nicht vorbestraft und hat bis auf Beschwerden mit den Bandscheiben keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
2) Zu den persönlichen Verhältnissen der A. D.
A. D., geborene U., wurde am _._.1957 in Aydin/Türkei geboren und wuchs bei ihren Großeltern auf. Sie besuchte eine Grund- und eine weiterführende Schule, welche sie mit dem Abitur abschloss.
1978 kam A. D. nach Deutschland zu ihrem Vater, der hier als Gastarbeiter arbeitete. Sie war in der Folge berufstätig als Arbeiterin in einer Spielzeugfabrik und als Reinigungskraft. Ab 2011 betrieb A. D. selbständig ein Taxigewerbe.
Von 1980 bis 1990 war A. D. mit A.R. verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos.
3) Zum Verhältnis des Angeklagten mit A. D.
Der Angeklagte und A. D. heirateten am . .1992. Aus der Ehe gingen zwei gemeinsame Söhne, R. und Y. D., hervor. Die Beziehung der Eheleute war konfliktbelastet. Der Angeklagte hielt weiter Kontakt zu seinen älteren Kindern und deren Mutter in der Türkei und unterstützte diese regelmäßig auch finanziell. A. D. empfand dies als Belastung.
2011 erwarb A. D. mit finanzieller Unterstützung des Angeklagten eine Taxilizenz und ein Taxi. Die Eheleute fuhren in der Folge beide Taxi, wobei das Gewerbe auf A. D. angemeldet war und der Angeklagte bei ihr als geringfügig Beschäftigter arbeitete.
2013 trennten sich die Eheleute. Sie lebten aber zunächst weiter in einer gemeinsamen Wohnung in der Faber straße in Nürnberg. A. D. erwarb 2014 eine Doppelhaushälfte in der B.-Straße in Nürnberg und verzog dorthin im Januar 2016 mit den beiden Söhnen. Ab diesen Zeitpunkt hatten der Angeklagte und seine Ehefrau privat kaum noch Kontakt. Eine Scheidung wurde zwischen ihnen besprochen, jedoch nach der Einreichung des Antrages bei Gericht nicht weiter betrieben. Der Angeklagte befürchtete insbesondere, dass er dabei Rentenansprüche an seine Ehefrau übertragen müsste. Der Angeklagte hielt nach der Trennung regelmäßig Kontakt zu seinen beiden Söhnen. Dabei betrat er zwar gelegentlich das Grundstück in der B.-Straße, jedoch nicht das Haus.
Der Angeklagte und A. D. hatten jedoch weiterhin geschäftlich Kontakt, da der Angeklagte in dem Taxiunternehmen von A. D. als geringfügig Beschäftigter angestellt war. Die Eheleute nutzten das Taxi gemeinsam, wobei A. D. am Tag fuhr und der Angeklagte in der Nacht, so dass sie insbesondere die Übergaben des Taxis absprachen.
4) Zu den persönlichen Verhältnissen des K. A.
K. A. wurde am 25.08.1958 in Ürgüp/Türkei geboren. Er lernte dort bereits als Kind seine spätere Ehefrau I. kennen, deren Familie nach Deutschland auswanderte. Bei einem Heimaturlaub kam es zur Verlobung. 1981 heirateten K. und I. A. und zogen anschließend nach Deutschland. Aus der Ehe ging 1987 ein Sohn, G. A., hervor. K. und I. A. pflegten eine enge, liebevolle und erfüllte Beziehung. Für I. A. war ihr Ehemann ihr Lebensmittelpunkt.
K. A. begann in Deutschland zunächst als Gärtner zu arbeiten. 1987 wechselte er als Arbeiter zur Gießerei A. GmbH. Dort lernte er den Angeklagten kennen und in der Folge über ihn auch A. D. Die Familien waren befreundet. 2010 verließ K. A. die Firma gegen eine Abfindung und erwarb eine Taxikonzession. In der Folge arbeitete er als Taxifahrer in Nürnberg. Er hatte weiterhin Kontakt sowohl zum Angeklagten als auch zu A. D., mit denen er immer wieder durch die Arbeit als Taxifahrer zusammentraf. In den letzten zwei Jahren hatte sich das Verhältnis zum Angeklagten jedoch verschlechtert, nachdem er diesem empfohlen hatte sich von A. D. scheiden zu lassen, wenn er sich mit ihr nicht mehr verstehe. Darauf reagierte der Angeklagte beleidigt und brach den Kontakt zu ihm weitgehend ab.
K. A. pflegte enge Kontakte zur Familie seines ebenfalls in Nürnberg lebenden Sohnes G., insbesondere zu seinen beiden 1,5 und 5 Jahre alten Enkelkindern, die er regelmäßig am Wochenende besuchte.
B. Zu den Taten
1) Zum Geschehen vor der Tat
Der Angeklagte vermutete zu Unrecht, dass seine von ihm getrennt lebende Ehefrau mit K. A. eine Liebesbeziehung führte. Dies war ihm zuwider, da nach seinem Werteverständnis seine Ehefrau vor der Scheidung keine Beziehung zu anderen Männern haben durfte. Seiner Ansicht nach verletzte das vermeintliche Verhältnis seine Ehre und die Familienehre der beiden gemeinsamen Söhne Y. und R. D.
2) Zur Tat
Am Samstag, den 21.11.2020, gegen 10:20 Uhr sah der Angeklagte den K. A. mit seinem Taxi beim Röthenbach Center fahren und am Taxistand anhalten. Wegen der vermuteten Liebesbeziehung mit seiner Ehefrau A. D. fühlte er seine Ehre und die Familienehre verletzt und wurde deswegen wütend.
Der Angeklagte ging in die nahe gelegene Wohnung seiner Mutter in der SStraße 2. Er fasste spätestens dort den Plan, sich von K. A. zu seiner Ehefrau fahren zu lassen, sie beide wegen ihres Verhältnisses zur Rede zu stellen und dann zu töten. Der Angeklagte bewaffnete sich dazu in der Wohnung mit einer Pistole FN Browning (Kaliber: 9 mm) und ging wieder zum Taxistand am Röthenbach Center zurück. Gegen 10:40 Uhr ließ er sich von K. A. mit dem Taxi zum Haus seiner Ehefrau A. D. in die B.-Straße 104 in Nürnberg fahren. Unmittelbar vor der Abfahrt rief der Angeklagte seine Ehefrau an und kündigte ihr seine Ankunft an.
Das Taxi erreichte gegen 10:47 Uhr die B.-Straße 104. K. A. parkte gegenüber dem Anwesen der A. D. auf dem Seitenstreifen. Der Angeklagte rief seine Ehefrau erneut an und forderte sie auf, zu ihnen nach draußen zu kommen.
A. D. verließ darauf ihr Haus und setzte sich zu dem Angeklagten und K. A. auf den Beifahrersitz des Taxis. Es entwickelte sich nun ein allenfalls wenige Minuten dauernder Streit zwischen den Beteiligten, in deren Verlauf der Angeklagte seine Ehefrau beleidigte. Darauf verließ A. D. das Taxi. Der Angeklagte stieg ebenfalls aus dem Taxi aus. A. D. sagte nun zu dem neben dem Taxi stehenden Angeklagten: „Du kannst mich nicht beleidigen.“ Anschließend machte sie mit ihrer rechten Hand eine abwehrende Geste in Richtung des Angeklagten und begann in Richtung ihres Hauses zu gehen. Der Angeklagte zog nun die bis dahin vor seiner Ehefrau und K. A. verborgene Pistole. Dies sah der gemeinsame Sohn Y. D., der sich in diesem Zeitpunkt im Haus befand, und begann schreiend in Richtung seiner Eltern auf die Straße zu laufen. Der Angeklagte schoss unmittelbar darauf seiner Ehefrau aus einer Distanz von wenigen Metern in Tötungsabsicht in den Kopf. Dabei erkannte der Angeklagte, dass A. D. mit keinerlei Angriff rechnete und seinem Angriff nichts entgegensetzen konnte. Dies nutzte er bewusst aus. A. D. erlitt einen Kopfdurchschuss und fiel sofort auf der Straße zu Boden.
Sofort danach drehte sich der Angeklagte zu dem im Taxi auf dem Fahrersitz sitzenden, völlig überraschten K. A. um und schoss ihm durch die geöffnete Beifahrertür ebenfalls in Tötungsabsicht zweimal in den Kopf. Der Angeklagte erkannte auch dabei, dass der im Taxi sitzende K. A. nicht mit einem derartigen Angriff auf ihn rechnete und ihm nichts entgegensetzen konnte. Er nutzte auch dies bewusst aus.
Anschließend drehte sich der Angeklagte um, ging einige Schritte auf seine reglos am Boden liegende Ehefrau zu. Er erkannte, dass sein Sohn Y. D. schreiend auf ihn zulief und schoss vor dessen Augen ein weiteres Mal in Tötungsabsicht auf den Kopf der A. D. Das Projektil streifte dabei ihre linke Schädelseite.
Y. D. hielt nun den Angeklagten von weiteren Schüssen ab und es kam zu einer Rangelei. Der Angeklagte hielt daraufhin die Pistole nach oben und schoss mehrmals in die Luft bis das Magazin der Waffe leer war. Danach warf er die Pistole über den Zaun auf das Grundstück B.-Straße 104.
A. D. und K. A. verstarben jeweils innerhalb weniger Minuten an zentralem Regulationsversagen infolge ihrer Schussverletzungen.
3) Nach der Tat
Der Angeklagte wurde kurz darauf, gegen 11 Uhr von Polizeibeamten am Tatort festgenommen und befindet sich seit dem 22.11.2020 in der Justizvollzugsanstalt Nürnberg in Untersuchungshaft.
4) Zur Schuldfähigkeit
Der Angeklagte war bei der Begehung der Taten weder in seiner Einsichts- noch in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt.
C. Beweiswürdigung
1) Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten
Die Feststellungen beruhen auf den Angaben des psychiatrischen Sachverständigen Dr. W. sowie auf den Angaben des Sohnes des Angeklagten, R. D., der Schwester von A. D., Hülya G., des Zeugen V. D.kan und der Polizeibeamten Jackwirth und KHK E.. Sie beruhen weiter auf dem Auszug aus dem Bundeszentralregister für den Angeklagten vom 27.09.2021.
2) Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen von A. D.
Die Feststellungen beruhen auf den Angaben der Zeugen R. D., Hülya G. und KHK E.
3) Feststellung zum Verhältnis des Angeklagten mit A. D.
Die Feststellungen beruhen auf den Angaben der Zeugen R. D., Hülya G. und KHK E. sowie der Auswertung der Textnachrichten auf den Mobiltelefonen des Angeklagten und der A. D., worüber in der Hauptverhandlung der Sachverständige L.-S. berichtete. Die Zeugin G., die Schwester der A. D., berichtete u.a. darüber, wie die Ehe des Angeklagten mit A. D. durch den Kontakt des Angeklagten mit seinen weiteren Kindern und deren Mutter in der Türkei belastet gewesen sei. Ihre Schwester hätte sich darüber immer wieder beklagt und dem Angeklagten vorgeworfen, dass er dorthin Geld überweise, statt es für die Familie in Deutschland auszugeben. Der Sohn des Angeklagten, R. D., beschrieb in der Hauptverhandlung die Beziehung seiner Eltern, insbesondere nach der Trennung und schilderte dabei u.a., dass der Angeklagte Hemmungen hatte, das Haus in der B.-Straße zu betreten. Er habe vorher angerufen oder am Haus geklingelt, sei dann aber im Garten geblieben.
4) Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen von K. A.
Die Feststellungen beruhen auf den Angaben der Witwe I. A., des V. und des KHK E..
5) Feststellungen zur Sache
a. Einlassung des Angeklagten
(1) In der Hauptverhandlung
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung über seine Verteidiger dahingehend eingelassen, dass er seine Ehefrau und K. A. durch die Abgabe mehrerer Schüsse aus einer Pistole getötet habe.
Er ließ erklären, dass er seit 2013 von seiner Ehefrau getrennt lebe. Eine emotionale Bindung habe nicht mehr bestanden. Das Verhalten seiner Ehefrau sei ihm egal gewesen. Allerdings habe er noch bei ihr als Taxifahrer auf 450 Euro-Basis gearbeitet. Es existiere aufgrund der von ihm mitfinanzierten Taxikonzession noch eine finanzielle Verbindung, da ihm deswegen eine Abfindung zustehe. Er habe befürchtet, dass K. A. seine Frau im Laufe einer möglichen Beziehung finanziell habe ausnutzen, insbesondere sie bei einem Verkauf der Taxikonzession finanziell übertölpeln wollen. Am Tattag habe er den Entschluss gefasst, die beiden zur Rede zu stellen. Er habe sich von K. A. zu ihr fahren lassen und dabei auch eine Pistole eingesteckt, die er bereits seit etwa 20 Jahren besitze. Die Pistole habe er mitgenommen, weil er vor K. A. Angst gehabt habe. Dieser habe ihm einmal erzählt, dass er früher in eine Messerstecherei verwickelt gewesen sei.
Bei dem Gespräch sei es aber ganz anders gekommen. Anstatt ihm zuzuhören, sei es zu wechselseitigen Beleidigungen gekommen. Seine Ehefrau habe zu K. A. gehalten und ihn angeschrien, anstatt sich zu bedanken. Er habe dann rotgesehen, die Waffe gezogen und geschossen.
Anschließend habe er seinen Bruder angerufen, der Arzt sei, um schlimmeres Unheil zu verhindern. Er bitte die Hinterbliebenen der Opfer um Verzeihung, gleichwohl wisse er, dass dies nicht geschehe. Der Angeklagte sei bereit, die Strafe zu akzeptieren. Weitere Fragen werde er nicht beantworten.
Der Angeklagte bestätigte diese Angaben auf Nachfrage der Kammer ausdrücklich als richtig.
(2) Im Ermittlungsverfahren
(a) Bei der Kriminalpolizei am 21.11.2020
Der Angeklagte äußerte sich am 21.11.2020 gegen 17 Uhr in den Räumen der Kriminalpolizei Nürnberg gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. W. zur Tat, worüber dieser und der ebenfalls bei der Untersuchung anwesende Kriminalbeamte KHK K. in der Hauptverhandlung übereinstimmend berichteten. Der Angeklagte habe angegeben, dass er von einer Beziehung zwischen seiner Ehefrau und K. A. erfahren habe. Es habe zwischen ihnen nähere Kontakte gegeben, von denen ihm andere Taxifahrer erzählt hätten. So hätten die beiden täglich miteinander telefoniert und K. A. habe auch anderen Bilder seiner Frau gezeigt. Dieser hätte die Bilder auf seinem Telefon gehabt. Außerdem habe es vor einigen Wochen eine Situation gegeben, in welcher K. A. an ihm vorbei direkt zu seiner Ehefrau gegangen wäre. Die Beziehung habe ihn geärgert. Er habe sie deswegen zur Rede stellen wollen.
Dr. W. beschrieb, dass er den Angeklagten bei der Schilderung der Beziehung zwischen seiner Frau und K. A. als sehr belastet erlebt habe. Der Angeklagte habe in dem Gespräch von seiner Ehefrau als „Hure“ gesprochen und K. A. als „Arschloch“ bezeichnet. Der Angeklagte sei emotional aufgewühlt gewesen. Finanzielle Themen seien vom Angeklagten in dem Gespräch überhaupt nicht angesprochen worden.
(b) In der JVA Nürnberg bei der Exploration durch den Sachverständigen Dr. W.
Der psychiatrische Sachverständige Dr. W. berichtete in der Hauptverhandlung, dass sich der Angeklagte auch bei seinen späteren Explorationen zur Tat geäußert habe. Er habe nach dem Gespräch bei der Kriminalpolizei am Tattag den Angeklagten bei drei weiteren Terminen (17.02.2021, 27.04.2021, 19.05.2021) jeweils in der JVA Nürnberg gesehen. Bei den Explorationen sei auf Wunsch des Angeklagten teilweise ein Dolmetscher hinzugezogen worden. Der Eindruck einer Verständigungsproblematik wegen der deutschen Sprachkenntnisse habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Während der Angeklagte im ersten Termin keine Angaben zur Sache habe machen wollen, habe er dann seine Haltung geändert.
Der Angeklagte habe berichtet, dass K. A. ein früherer Kumpel gewesen sei, mit dem er häufig telefoniert habe. Er habe dann eines Tages mitbekommen, dass K. A. seine Ehefrau anrufe, um sein Ego zu befriedigen und darauf den Kontakt zu ihm abgebrochen. Wenn K. A. am Taxistand angekommen sei, habe er nachgeschaut, ob er oder seine Frau im Taxi säßen. Es habe ihn gekränkt, dass sich K. A., nachdem er ihn gesehen habe, einfach umgedreht habe, ohne ihn zu grüßen.
Am Tattag sei er morgens zum Einkaufen gegangen und habe dann K. A. im Taxi an der Hauptstraße gesehen. Er sei nach Hause gegangen, habe seinen Einkauf abgestellt und sei wieder zum Taxistand gegangen. Er habe K. A. fragen wollen, was los sei. Die Waffe habe er mitgenommen, falls es zum Streit kommen sollte. K. A. habe ihm einmal erzählt, dass er in Haft gekommen sei, weil er einen anderen mit einem Messer attackiert habe. Er habe sich dann überlegt, was er K. A. fragen wolle und sich entschlossen, mit beiden zu reden. Sie seien dann zum Haus seiner Ehefrau gefahren. Er habe seine Frau angerufen und mitgeteilt, dass sie zu ihr unterwegs seien. Als sie angekommen seien, sei seine Frau herausgekommen und habe sich ins Taxi auf den Beifahrersitz gesetzt. Er habe dann den K. A. gefragt, was er von ihm wolle. K. A. habe gefragt, was denn sein solle und habe nach Ausreden gesucht. Er habe K. A. gesagt, dass er es sagen solle, wenn er ein Problem habe. Sie hätten angefangen lautstark zu diskutieren. Er sei wütend gewesen, weil er sich viel Demütigendes habe anhören müssen. Seine Ehefrau habe zu K. A. gehalten. Sie sei dann ausgestiegen und er ebenso. Als er sie gefragt habe, warum sie jetzt ginge, obwohl ihr Gespräch noch nicht beendet sei, habe diese ihn wiederum beleidigt. Was dann passiert sei, wisse er nicht mehr. Er könne sich als nächstes daran erinnern, dass sein Sohn dagewesen sei.
Die konkrete Nachfrage, ob seine Ehefrau mit K. A. ein Verhältnis gehabt habe, habe der Angeklagte verneint. Er habe keine Sorge gehabt, dass die beiden etwas miteinander gehabt hätten. Er habe akzeptiert, dass sich seine Frau von ihm habe trennen wollen. Er habe lediglich mit K. A. darüber reden wollen, was zwischen ihnen gewesen sei. Nur bei der letzten Exploration habe er vage finanzielle Aspekte angesprochen.
b. Zur Tat
(1) Zum Geschehen vor der Tat
Die Feststellungen beruhen auf den Angaben der Zeugen E., des die polizeiliche Sachbearbeitung leitenden Beamten KHK E. und dem älteren Sohn des Angeklagten, R. D., sowie den Briefen des Angeklagten an seine Söhne und der Auswertung der Mobiltelefone von A. D., K. A. und des Angeklagten, über welche ebenfalls KHK E. und der Sachverständige L.-S. berichteten. Die Kammer ist sich sicher, dass der Angeklagte eine Liebesbeziehung des K. A. mit A. D. vermutete und sich deswegen in seiner Ehre und auch die Familienehre seiner Söhne Y. und R. D. verletzt sah.
Diese Überzeugung stützt sich zunächst auf die Briefe des Angeklagten an seinen älteren Sohn, R. D., vom 12. Mai 2021 und vom September 2021. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass die Angaben in den Briefen authentisch sind, weil R. D. in der Hauptverhandlung über ihren Erhalt und Inhalt berichtete, die Briefe übergab und auch angab, die Schrift seines Vaters wiedererkannt zu haben. Seine Angaben erachtet die Kammer für glaubhaft. Sie hat dabei erwogen, dass der Zeuge R. D. als Sohn der getöteten A. D. ein Motiv für falsche Angaben haben könnte, um so den Angeklagten zu belasten. Die Kammer ist jedoch davon überzeugt, dass der Zeuge R. D. wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Der Zeuge R. D. konnte auf Nachfragen der Kammer zu einzelnen Punkten weitere Details benennen, machte ruhige und sachliche Angaben ohne besonderen Verfolgungseifer und zeigte insgesamt ein konstantes Aussageverhalten, das von seinen Angaben gegenüber der Kriminalpolizei am 21.11.2020 und der Ermittlungsrichterin E. am 19.02.2021 nicht wesentlich abwich. Zudem decken sich seine Angaben zur Persönlichkeit des Angeklagten in wesentlichen Punkten, so z.B. zur Sorge des Angeklagten, ob seine Ehefrau sich auch ehrenhaft verhalte, mit den Angaben seines jüngeren Bruders, Y. D., welche dieser gegenüber der Ermittlungsrichterin E. gemacht hat.
Die Annahme eines in seinen Augen unehrenhaften Verhaltens seiner Ehefrau, A. D., wird durch die Briefe an seine Söhne belegt. So schreibt er in dem Brief vom 12.05.2021 u.a., dass A. D. ihn „abgeschrieben“ habe und mit dem „Ehrenlosen“ zusammengekommen sei. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass er mit dem „Ehrenlosen“ K. A. meint, weil sich dies eindeutig aus dem Kontext des Briefes ergibt und K. A. in dem Brief vom September 2021 auch namentlich benannt ist. So ist etwa in beiden Briefen beschrieben, wie der Angeklagte am Tattag den K. A. „bei Röthenbach“ (so der Brief vom September 2021) bzw. bei der „Taxihaltestelle Röthenbach“ (so der Brief vom 12.05.2021) fahren sah. Im Brief vom September 2021 schreibt der Angeklagte wörtlich:
(…) „Außerdem habe ich die Untreue nicht verdient! Habe ich nicht, außerdem findet ihr die Lebensweise der älteren Schwester, des älteren Bruders, der Töchter der Tante väterlicherseits, der Töchter ihrer älteren Schwester eurer Mutter, richtig?? Meine Schätze, denkt gut nach. Noch etwas werde ich schreiben, weiß aber nicht genau, wie richtig es ist. Ihr habt wohl gesagt: „Unsere Mutter kann mit wem sie möchte leben.“ Wie kann eine verheiratete, nicht getrennte/geschiedene Frau mit jemand anderen leben? Ich habe ihr ein Brautkleid angezogen.“ (…)
Die Kammer hat keinen Zweifel, dass die Briefe die Vorstellung des Angeklagten richtig wiedergeben, denn sie korrespondieren mit ähnlichen Äußerungen des Angeklagten gegenüber seinem älteren Sohn, R. D. Dieser berichtete in der Hauptverhandlung auch darüber, wie er von dem Angeklagten nach der Trennung der Eltern mehrmals darauf angesprochen worden sei, dass er darauf aufpassen solle, dass ihre Mutter ihre Ehre nicht beflecke. Sein Vater habe damit gemeint, dass sie keine Beziehung zu anderen Männern eingehen solle. Bei einem Gespräch habe der Vater auch konkret nachgefragt, ob es jemanden gebe und dann gesagt, dass er -der Angeklagtedann handeln müsse und sie dann ohne Mutter und Vater wären. Dies wiederum entspricht auch der Darstellung des jüngeren Sohnes, Y. D., der zwar in der Hauptverhandlung keine Angaben machte, dies aber, so die Richterin am Amtsgericht E., in seiner ermittlungsrichterlichen Vernehmung am 19.02.2021 angegeben hatte. Y. D. habe ausgesagt, dass der Angeklagte ihn in der Vergangenheit aufgefordert habe, auf die Mutter aufzupassen, damit sie die Ehre der Familie nicht beschmutze. Schließlich bestätigt dies auch die Zeugin M., mit welcher der Angeklagte seit einigen Jahren ein Verhältnis hatte. Auch wenn die Kammer ihren Angaben aufgrund ihres Aussageverhaltens nur einen geringen Beweiswert zumisst (vgl. dazu unten S.26), schilderte auch sie, dass der Angeklagte geglaubt habe, seine Frau habe einen anderen Mann kennengelernt. Er meinte deswegen, er sei dadurch entehrt worden.
Die Feststellungen stützen sich weiter auf die Angaben des R. D. zu einem Gespräch mit dem Angeklagten, in dem dieser wegen anderer Beziehungen der Mutter nachfragte und andeutete dann handeln zu müssen (vgl. dazu unten S. 27).
Die Feststellung, dass A. D. und K. A. keine Liebesbeziehung führten, beruht zum einen auf den Angaben von KHK E. Er berichtete, dass sich im Zuge der Ermittlungen dafür keinerlei Anhaltspunkte ergeben hätten, insbesondere auch nicht bei der Auswertung der Telefonverbindungen und der auf den Telefonen gespeicherten Bilder. Auch die auf den Telefonen aufgefundenen Textnachrichten zwischen A. D. und K. A. hätten keine Hinweise auf eine Liebesbeziehung oder ein näheres Verhältnis ergeben. Schließlich machte auch keiner der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen Angaben, die auf eine Liebesbeziehung hingedeutet haben.
(2) Zum Tatgeschehen
(a) Zum objektiven Tatgeschehen
(i) Tatzeit und Tatort
Die Feststellungen zum Tatort beruhen auf den übereinstimmenden Angaben der Zeugen G., M. K., Dr. K. und Wening sowie der Polizeibeamten PHM Maser und PHM Sonat. Sie beruhen weiter auf den am Tatort aufgenommenen Lichtbildern, aus denen sich die Position des Taxis sowie die Lage der Leichen von A. D. und K. A. ergibt (vgl. TEA II, Bl. 42, 47 – 68).
Die Feststellungen zur Tatzeit beruhen ebenfalls auf den Angaben der Zeugen G. und Wenig, die, so der Polizeibeamte KHK E., zu den Zeitpunkten der bei der Polizei eingegangenen Notrufe passen. Dieser berichtete insbesondere den Zeitpunkt des ersten Notrufs, der um 10:50 Uhr von Dr. K. eingegangen sei.
(ii) Täterschaft
Die Kammer ist sich sicher, dass der Angeklagte auf K. A. und A. D. geschossen hat, weil dies der Zeuge G. so angeben hat, die Tatwaffe in unmittelbarer Nähe des Tatorts auf dem Grundstück der A. D. aufgefunden wurde und sich an ihr biologische Spuren des Angeklagten befanden. Der Zeuge G. schilderte in der Hauptverhandlung eindrücklich, wie der ihm bekannte Angeklagte die Waffe gezogen und A. D. in den Kopf geschossen habe, sich dann zum Taxi gebückt und hineingeschossen habe. Anschließend sei er wieder zu A. D. gegangen und habe ihr ein weiteres Mal in den Kopf geschossen habe. Seine Angaben decken sich in weiten Teilen mit den Aussagen des Nachbarn M. K., der in der Hauptverhandlung angab mehrere Schüsse gehört, aber nur den Schuss auf die am Boden liegende A. D. gesehen zu haben. Sie stehen auch in Einklang mit den Angaben des Y. D. bei seiner ermittlungsrichterlichen Vernehmung. Die Zeugin E. berichtete dazu, dass Y. D. bei ihr ausgesagt habe, das Ziehen der Waffe gesehen und anschließend Schüsse gehört zu haben. Die Sicht sei ihm beim Herauslaufen auf die Straße durch ein Gebüsch versperrt gewesen. Er habe nur den letzten Schuss auf seine am Boden liegende Mutter gesehen. All dies wiederum passt zu den an den Leichen bei der Obduktion festgestellten Schusswunden, über welcher der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. B. in der Hauptverhandlung berichtete.
Der Zeuge G. schilderte zudem, dass der Angeklagte später die Waffe in den Garten geworfen habe. Dies wurde bestätigt durch die Polizeibeamten KHM´in M. und KHK Engelhard, die über das Auffinden der Pistole, einer FN Browning (Kaliber: 9 mm), und die Entnahme einer DNA-Probe beim Angeklagten berichteten. Die Polizeibeamtin KHM´in M. beschrieb die Untersuchung der Pistole auf Spuren u.a. mit DNA-Klebestempeln. Bei der Auswertung des Materials von der rechten Griffschale der Pistole (Spur: 1.1.1.2.) sei, so die rechtsmedizinische Sachverständige Seider, DNA aufgefunden wurden. Es handele sich um eine Mischspur von mindestens zwei Personen, welche sämtliche Merkmale des Angeklagten aufweise. Der Angeklagte sei mit außerordentlich hoher statistischer Wahrscheinlichkeit als Mitverursacher festzustellen, denn die Hypothese, dass es sich um eine Mischspur aus DNA von ihm und einer anderen, mit ihm nicht verwandten Person handele, sei 310 Billionenmal wahrscheinlicher, als die Gegenhypothese, dass es sich um eine Mischung von DNA von zwei, mit dem Angeklagten nicht verwandten Personen handele.
Die Feststellung, dass A. D. und K. A. durch die Schüsse verstorben sind, ergibt sich aus den Angaben der Nachbarin und Ärztin Dr. K., welche beide unmittelbar nach der Tat untersuchte und den Angaben des Prof. Dr. B..
Die Kammer hat daher keinerlei Zweifel, dass das Geständnis des Angeklagten insoweit zutreffend ist, als er die tödlichen Schüsse auf K. A. und A. D. einräumt.
(iii) Tathandlungen
– Unmittelbares Vortatgeschehen
Die Feststellungen des unmittelbaren Vortatgeschehens beruhen zunächst auf der Auswertung der Mobiltelefone des Angeklagten, des K. A. und der A. D., den Briefen des Angeklagten an seine Söhne vom 12.05.2021 und vom September 2021 sowie der Fahrtroute des Taxis des K. A.
Zu letzterer berichtete KHK´in F., dass eine Auswertung der Log-Dateien bei der Taxizentrale ergeben habe, dass das Taxi des K. A. ab 10:29 Uhr am Taxiplatz Röthenbach stand, diesen um 10:41 Uhr verließ und um 10:46 Uhr in der B.-Straße eintraf.
Für die Kammer steht fest, dass der Angeklagte zuvor den K. A. gegen 10:20 Uhr in der Nähe des Taxiplatzes sah, sodann seine Einkäufe in die Wohnung seiner Mutter brachte, dann zurück zum Taxistand lief und A. D. anrief, weil er dies so in seinem Brief im September 2020 an seinen Sohn R. D. schrieb:
„Ich komme vom Einkaufen zurück und bin auf dem Weg/auf der Straße. Bevor ich an den Ampeln bei uns ankam, sprachen wir und ich legte auf. Ich schaute/sah, dass der Mann mir gegenüber vorbeifährt und auf diese Wut hin gehe/fahre ich nach Hause, lege die Sachen ab und nehme das Anvertraute mit/hole das Anvertraute und komme, um nach ihm zu sehen, und sage an der Haltestelle „Okay“. Ich rufe eure Mutter an und sie ist zu Hause/sie ist auch zu Hause. Ich sage: „okay“ und steige ins Taxi ein, und sage, dass er zu uns nach Hause kommen soll und er kommt“.
Die Richtigkeit dieser Angaben wurde durch die Ermittlungen weitgehend bestätigt. So wird der Aufenthalt am Röthenbacher Center einmal belegt durch die Auswertung des Mobiltelefons iPhone X des Angeklagten und zum anderen, wie KHK E. berichtete, durch den in der Wohnung seiner Mutter in der S.-Straße 2 auf dem Küchentisch aufgefundenen Kassenbeleg (Marktkauf – datierend auf den 21.11.2020, 10:17 Uhr). KHK E. schilderte in der Hauptverhandlung, dass der Angeklagte in der letzten Zeit in der Wohnung seiner Mutter gelebt habe, die sich in Laufweite des Röthenbach Centers befinde. All dies korrespondiert wiederum mit den auf dem Mobiltelefon iPhone X gespeicherten Ortungs- und Bewegungsdaten, über dessen Auswertung der Sachverständige L.-S. berichtete. Er habe diese Daten ausgelesen. Aus den GPS-Daten ergebe sich insbesondere, dass das Gerät um 10:02 Uhr am Röthenbach Center gewesen sei. Die gespeicherten Bewegungsdaten zeigten dann ein Bewegungsprofil mit Laufwegen, bei denen aufgrund der festgehaltenen Höhenunterschiede darauf geschlossen werden könne, dass das Telefon beim Begehen einer Treppe getragen worden sei. Dies passt wiederum zur Lage der Wohnung der Mutter des Angeklagten, welche, so KHK E., sich im 1. OG befinde. Schließlich erläuterte der Sachverständige L.-S., dass vom Mobiltelefon des Angeklagten um 10:39 Uhr die Telefonnummer der A. D. angerufen worden sei.
Die Feststellung, dass sich der Angeklagte in der Wohnung der Mutter mit der Pistole bewaffnete, ist zum einen ein Rückschluss aus dem Umstand, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt in Besitz der Waffe war und zum anderen aus der Erwähnung im oben zitierten Brief, dass er aus der Wohnung das „Anvertraute“ mitnahm. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass es sich dabei um die Tatwaffe handelte. Zwar konnten die Ermittlungen nicht aufklären, woher die bei der Tat verwendete Pistole FN Browning – High Power (Verschluss Nr.: C39616; Griffstück Nr. C39616) stammte. Jedoch schilderte die Schwester der A. D., die Zeugin G., dass diese ihr von einer Pistole erzählt habe, die in einem Schrank in der damals gemeinsamen Wohnung des Angeklagten und ihrer Schwester verwahrt würde. Die Kammer ist deswegen davon überzeugt, dass auch insoweit die Einlassung des Angeklagten zutreffend ist und sich die Pistole bereits seit längerem in seinem Besitz befand.
Die Feststellung, dass der Angeklagte beim Eintreffen vor dem Haus erneut anrief und A. D. aufforderte auf die Straße herauszukommen, sie daraufhin das Haus verließ, sich ins Taxi setzte, worauf zunächst A. D. und dann auch der Angeklagte wieder ausstieg, beruht auf den Angaben der Zeugin E., welche dies aus ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung des Zeugen Y. D. berichtete. Dieser habe ihr dies so geschildert. Die Kammer ist von der Richtigkeit dieser Angaben des Y. D. überzeugt, wobei sie berücksichtigt hat, dass es sich bei der Aussage der Ermittlungsrichterin E. nur um Angaben einer Zeugin vom Hörensagen handelt und diesen daher nur ein eingeschränkter Beweiswert zukommt. Die von der Ermittlungsrichterin E. berichteten Angaben des Zeugen Y. werden jedoch in Teilen bestätigt. Und zwar zum einen durch die von dem Sachverständigen L.-S. auf dem Mobiltelefon des Angeklagten festgestellte Telefonverbindung zu A. D. um 10:47 Uhr und zum anderen durch die Beschreibung des Zeugen G. (vgl. oben S. 17), denn dessen Schilderung vom Tatablauf stimmt mit den weiteren Angaben des Zeugen Y. D. bei seiner ermittlungsrichterlichen Vernehmung im Wesentlichen überein. Die Kammer ist sich deswegen sicher, dass auch die Angaben des Y. D. zum Geschehen unmittelbar vor der Tat zutreffend sind.
Die Feststellung, dass es im Taxi zu einem allenfalls wenige Minuten dauernden Streit kam, ist ein Rückschluss der Kammer, welchen sie zum einen aus der Gesprächskonstellation als solcher zieht, nämlich der Konfrontation der A. D. und des K. A. mit dem Verdacht des Angeklagten, und zum anderen aus dem Ausruf der A. D. nach Verlassen des Taxis, dass der Angeklagte sie nicht beleidigen könne. Dies wiederum steht fest aufgrund der Angaben der Ermittlungsrichterin E., welche angab, dass dies ihr der Zeuge Y. D. so berichtet habe. Dass es sich nur um einen kurzen Streit handelte, ergibt sich zum einen aus dem Anrufzeitpunkt des Angeklagten bei A. D. vor Ort um 10:47 Uhr und dem ersten Notruf um 10:50 Uhr und zum anderen aus den zeitlich korrespondierenden Bewegungsprofilen der Mobiltelefone der A. D. und des Angeklagten, über welche der Sachverständige L.-S. berichtete.
Feststellungen zum konkreten Inhalt des Gesprächs zwischen dem Angeklagten, A. D. und K. A. im Taxi konnte die Kammer nicht treffen. Die Angaben des Angeklagten dazu konnte die Kammer nicht verifizieren. Auf seine Angaben allein ohne weitere bestätigende Anhaltspunkte konnte die Kammer keine Feststellungen stützen, da er im Laufe der Ermittlungen inkonstante Angaben gemacht hat und seine Einlassung in der Hauptverhandlung, aus finanziellen Motiven gehandelt zu haben, durch die Beweisaufnahme widerlegt wurde (vgl. zu beidem unten S. 29).
– Tatgeschehen
Die Kammer hat die abwehrende Handbewegung der A. D., deren Weggehen in Richtung ihres Hauses, das Ziehen der Waffe durch den Angeklagten und seinen anschließenden Schuss auf ihren Kopf so festgestellt, weil der Zeuge G. dies so geschildert hat. Seine Darstellung ist glaubhaft. Sie deckt sich in Teilen mit den Angaben des Y. D. bei seiner ermittlungsrichterlichen Vernehmung, in welcher er, so die Zeugin E., ebenso beschrieb, wie der Angeklagte die Waffe zog.
Die Kammer ist sich sicher, dass der Angeklagte die A. D. bereits mit seinem ersten Schuss in der linken oberen Schläfenregion traf, da sie sofort zu Boden fiel und der an der Leiche aufgefundene Schusskanal im Schädel (Eintritt in der linken oberen Schädelregion) zu ihrem Bewegungsablauf passt, nämlich einer im Weggehen noch zum Angeklagten hingewandten Schädelhaltung. Wie der die Leiche obduzierende Rechtsmediziner Prof. Dr. B. erläuterte, hatte der Kopfdurchschuss eine sofortige Lähmung zur Folge. Zwar könne grundsätzlich auch ein Streifschuss infolge eines Vagusreflexes zu einer Bewusstlosigkeit führen, dies sei aber bei der vorliegenden Weichteilverletzung im Bereich des linken Ohres eher unwahrscheinlich. Die Kammer schließt jedoch aus, dass der Angeklagte die A. D. mit dem ersten Schuss nur streifte, da dann der Kopfdurchschuss erfolgen hätte müssen, als sie bereits am Boden lag. Wie Prof. Dr. B. anhand von Lichtbildern (vgl. Bild Nr. 25, 26 = TEA II, Bl. 16) erläuterte, hätte dann ausgehend von der Lage der Leiche und des Schusskanals die Schussabgabe nahezu parallel zur Straßenoberfläche erfolgen müssen. Dies widerspricht den Angaben des Zeugen G. zum zweiten Schuss, der schilderte, dass der Angeklagte diesen von oben nach leicht schräg unten abgegeben habe. Die Kammer schließt dabei aus, dass die Lage des Kopfes der Leiche nachträglich verändert wurde. Dies hat keiner der Zeugen berichtet.
Die Feststellung, dass der Angeklagte die Pistole zunächst verborgen hielt, beruht ebenfalls auf den Angaben des Zeugen G. und den Angaben der Ermittlungsrichterin E. zur Vernehmung des Y. D. Der Zeuge G. beschrieb seinen Eindruck, dass sich der Angeklagte und seine Ehefrau zuerst ganz normal unterhielten, nachdem sie aus dem Taxi ausgestiegen waren. Dann habe A. D. eine abwehrende Handbewegung gemacht, sich gleichzeitig umgedreht und sei in Richtung ihres Hauses gegangen. Erst jetzt habe er beim Angeklagten die Waffe in der Hand gesehen. Diese müsse er zwischen Gürtel und Hose an der Seite herausgezogen haben. Dies entspricht den Angaben des Y. D. in seiner ermittlungsrichtlichen Vernehmung, in welcher er nach der Schilderung der Zeugin E. angegeben habe, dass er gesehen habe, wie sein Vater die Waffe herauszog und schoss.
Die Kammer ist sich sicher, dass A. D. nicht mit einem Angriff auf sich rechnete und vollkommen arglos war. Dies folgt zunächst daraus, dass sie sich von dem Angeklagten am Telefon davon überzeugen ließ, allein aus dem Haus herauszugehen und sich zu ihm ins Taxi zu setzen. Y. D. habe in seiner Vernehmung dazu angegeben, so die Ermittlungsrichterin E., dass seine Mutter bei dem Anruf zunächst zu dem Angeklagten gesagt habe, er solle rein ins Haus kommen, sich dann aber am Telefon habe umstimmen lassen. Es ist unwahrscheinlich, dass A. D. sich allein zum Angeklagten begeben hätte, wenn sie mit einer Gefahr für sich gerechnet hätte. Dies folgt weiter aus dem Verhalten der A. D. am Taxi, an welchem sie zunächst noch stehen blieb und sich dann umdrehte und in Richtung Haus zu gehen begann. Dieses Verhalten, insbesondere das Abwenden von dem Angeklagten, enthält weder Anzeichen dafür, dass A. D. vor dem Ziehen der Pistole von einer Bewaffnung des Angeklagten oder irgendeiner Bedrohung Kenntnis hatte, noch dass sie mit einem Angriff rechnete. Infolgedessen konnte sie dem hinter ihr stehenden Angeklagten und dessen Schuss, selbst wenn sie im Weggehen die Pistole noch erkannt hätte, keinerlei Gegenwehr bieten oder sich ihm sonst entziehen.
Die weiteren Feststellungen zum Umdrehen des Angeklagten zum Taxi und der Abgabe von Schüssen auf den Kopf des K. A. beruhen ebenfalls auf den Angaben des Zeugen G. sowie der im Taxi aufgefundenen Leiche des K. A. Der Zeuge G. schilderte, dass sich der Angeklagte gebückt, ins Taxi reingeschaut und geschossen habe. Die Zeugin KHM´in M. beschrieb anhand von Lichtbildern (vgl. Bilder Nr. 44 und 47 = TEA II, Bl. 25 und 27), dass K. A. am Steuer des Taxis mit zwei Schussverletzungen tot aufgefunden wurde. Wie Prof. Dr. B. erläuterte, weise seine Leiche an der rechten Wange und der rechten vorderen Stirn jeweils Einschussöffnungen auf. Bei der Sektion habe er im Leichensack und im Weichteilgewebe des Rückens (Spuren Nr. 1.4.28 und 1.4.29) jeweils ein Projektil aufgefunden. Die Abgabe der tödlichen Schüsse auf K. A. wird weiter bestätigt durch das verlesene Gutachten des Sachverständigen Z. des Bayerischen Landeskriminalamts, der aufgrund der korrespondierenden Riefen und Oberflächenunregelmäßigkeiten im Laufführungsbereich der Pistole und der Projektile feststellte, dass die Projektile mit der am Tatort aufgefundenen Pistole abgegeben wurden.
Die Feststellung, dass K. A. durch den Angriff überrascht wurde, ergibt sich aus dem Tatbild, insbesondere dem nicht vorhersehbaren, schnellen Handeln des Angeklagten. Zwischen dem Ziehen der Pistole, dem Schuss auf A. D. und der Abgabe der Schüsse ins Taxi vergingen nach Angabe des Zeugen G. nur wenige Momente. Bis dahin sah sich K. A. keiner Gefahr ausgesetzt und war arglos. Dies zeigt sich für die Kammer schon daran, dass er keinerlei Fluchtversuch unternommen hat. Es wäre ihm aber ohne weiteres möglich gewesen, nach dem Aussteigen von A. D. und dem Angeklagten einfach wegzufahren oder auszusteigen, wenn er mit einem Angriff auf seine Person gerechnet hätte. In seiner Position auf dem Fahrersitz konnte er sich dem überraschenden Schießen durch die Beifahrertür nicht zur Wehr setzen, insbesondere den Schüssen in den beengten Raumverhältnissen auch nicht ausweichen.
Die Feststellung, dass der Angeklagte anschließend auf seine am Boden liegende Frau zuging und ihr vor den Augen des schreienden Y. D. erneut auf den Kopf schoss, ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben der Zeugen M. K. und G., welche dies so glaubhaft schilderten. Ihre Angaben werden durch die Ermittlungsrichterin E. bestätigt, welche in der Hauptverhandlung über damit korrespondierende Angaben des Y. D. berichtete. Dieser habe angegeben, das Ziehen der Waffe gesehen zu haben und anschließend laut schreiend zu seinen Eltern hingelaufen zu sein, aber den Angeklagten erst nach dem letzten Schuss auf seine am Boden liegende Mutter erreicht zu haben.
Die Feststellung, dass der Angeklagte mit dem zweiten Schuss auf A. D. nur deren Schädel streifte und sowohl A. D. als auch K. A. infolge der Schussverletzungen an zentralem Regulationsversagen verstarben, ergibt sich aus den Verletzungen der Leichen, über welche Prof. Dr. B. berichtete und dem Umstand, dass bei A. D. bereits der erste Schuss den Schädel durchschlug (vgl. oben S. 21).
Die Feststellung, dass der Angeklagte bei der Abgabe des zweiten Schusses auf A. D. erkannte, dass sein Sohn Y. D. schreiend auf ihn zulief, ergibt sich aus der unmittelbaren Nähe seines Sohnes bei der Schussabgabe und dem Umstand das dieser laut schrie, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken (vgl. oben S. 23).
Die Feststellungen zum Verhalten des Angeklagten unmittelbar nach der Schussabgabe beruhen auf den weitgehend übereinstimmenden Angaben der Zeugen M. K., G. und Dr. K. sowie der KHM´in M..
(b) Zum subjektiven Tatgeschehen
(i) Tötungsvorsatz
Dass der Angeklagte spätestens bei der Rückkehr vom Röthenbach Center in die Wohnung seiner Mutter in die S.-Straße den Plan fasste, K. A. und A. D. zu töten, ergibt sich aus seiner Bewaffnung mit der Pistole in der Wohnung und dem zielgerichteten Vorgehen des Angeklagten, insbesondere auch dem Herausrufen seiner Ehefrau aus dem Haus in das Taxi.
Die Einlassung des Angeklagten, die Pistole nur aus Angst vor K. A. mitgenommen zu haben, weil dieser einmal in eine Messerstecherei verwickelt gewesen sei, ist zur Überzeugung der Kammer durch die Beweisaufnahme eindeutig widerlegt worden. Zum einen ereignete sich dieser Vorfall im März 1982 und liegt nunmehr bereits fast 40 Jahre zurück. Seine Ehefrau, I. A., berichtete, dass K. A. vor vielen Jahren angegriffen worden sei und sich mit einem Messer verteidigt habe. Dies wird bestätigt durch das in der Hauptverhandlung verlesene Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 18. Juni 1984 aus welchem hervorgeht, dass K. A. lediglich wegen des vorsätzlichen Vergehens des Besitzes eines Springmessers verurteilt wurde und in den Urteilsgründen die damit zugefügten Verletzungen als Notwehrhandlung gewertet wurden. Zum anderen galt K. A. sowohl privat als auch beruflich als besonders besonnener und freundlicher Mensch, dem Gewalt fremd war. Dies schilderten so nicht nur seine Ehefrau, sondern auch seine Taxikollegen, die Zeugen Gö. und Ha. Diese gaben übereinstimmend an, dass K. A. in der Taxiszene Nürnbergs besonders angesehen war, als hilfsbereiter Mensch galt und einen guten Ruf genoss. So sei er immer wieder als Vermittler bei Streitigkeiten herangezogen worden.
Der Angeklagte schoss jeweils mit Tötungsabsicht auf A. D. und K. A. Dies steht für die Kammer fest aufgrund des objektiven Tatbildes, insbesondere der wiederholten und gezielten Abgabe der Schüsse auf die Köpfe der beiden Opfer.
(ii) Ausnutzungsbewusstsein
Der Angeklagte war sich der Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit von A. D. und K. A. trotz seiner Erregung (vgl. dazu unten S. 31) auch bewusst. Dies zeigt sich schon in dem Verbergen der Pistole vor der Tat und der raschen, den Überraschungseffekt ausnutzenden Schussfolge. Anhaltspunkte, die gegen eine feindliche Willensrichtung des Angeklagten sprechen, liegen nicht vor.
(iii) Zum Motiv
Der Angeklagte beschloss A. D. und K. A. zu töten, weil er davon ausging, dass diese eine Liebesbeziehung führten, er dadurch sowohl seine Ehre als auch die Familienehre seiner Söhne Y. und R. D. verletzt sah und ihn dies wütend machte. Er tötete, um diese Ehre wiederherzustellen.
Die Kammer ist davon aufgrund einer Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten überzeugt:
– Vorstellung einer Liebesbeziehung
Dass für den Angeklagten die angebliche Liebesbeziehung (vgl. oben S.14) zwischen A. D. und K. A. tatauslösend war, ergibt sich zunächst aus dem Tatbild und dessen Konstellation durch den Angeklagten. Er bewaffnete sich mit der Pistole und organisierte dann das Zusammentreffen mit A. D. und K. A. im Taxi. Dabei schuf er bewusst eine Situation, in welcher er mit A. D. und K. A. allein war, stellte sie zur Rede und tötete beide. Die Kammer hat keinerlei Zweifel, dass Ausgangspunkt für die Tat die in der Vorstellung des Angeklagten bestehende Liebesbeziehung war. Dies wird bestätigt durch die Angaben des Zeugen K., der unmittelbar nach der Tat hinzukam und in der Hauptverhandlung berichtete, wie der Angeklagte auf das Taxi des K. A. gezeigt und geschrienen habe, dass dies ein Betrüger sei. Dies wird weiter belegt durch die Äußerungen des Angeklagten gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. W. einige Stunden nach der Tat (ca. 17 Uhr). Dieser schilderte in der Hauptverhandlung, dass der Angeklagte dabei geäußert habe, von einer Beziehung zwischen A. D. und K. A. erfahren zu haben und seine Ehefrau als „Hure“ bezeichnet habe.
– Ehrverletzung infolge der Vorstellung
Die Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte die in seiner Vorstellung bestehende Liebesbeziehung als ehrverletzend ansah, ihn dies wütend machte und er zur Wiederherstellung der Ehre tötete, ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung einer Vielzahl von Indizien:
Dies belegen zunächst die Äußerungen des Angeklagten unmittelbar nach der Tat, insbesondere gegenüber Y. D. Dazu berichtete die Ermittlungsrichterin E. in der Hauptverhandlung über die Aussage des Y. D. Dieser habe angegeben, dass der Angeklagte unmittelbar nach der Tat zu ihm gesagt habe, dass A. D. und K. A. es jetzt für ihre Beziehung bekommen hätten, dass er sie deswegen getötet habe. Sein Vater habe ausdrücklich gesagt, dass er es für sie, seine Söhne, getan habe, um ihre Ehre zu beschützen. Dies entspreche seinem komischen Gesellschafts-Denken, seinem Weltbild. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass diese Angaben des Y. D. – auch wenn ihnen aufgrund der nur mittelbaren Wiedergabe über die Ermittlungsrichterin grundsätzlich geringerer Beweiswert zukommt – zutreffend sind. Zwar wurde Y. D. von ihr erst am 19.02.2021 vernommen. Die Äußerungen des Angeklagten unmittelbar nach der Tat, in welcher er seinem Sohn sein Handeln erklärte, sind jedoch in einer für den Zeugen so extremen Ausnahmesituation gefallen, dass seine Erinnerung daran ohne weiteres naheliegend ist. Zudem habe Y. D., so die Ermittlungsrichterin E., auch noch schildern können, was er seinem Vater darauf erwidert habe, nämlich dass der Angeklagte der einzige sei, der die Ehre beschmutzt habe. Die Äußerung des Angeklagten steht zudem auch im Einklang mit ähnlichen Äußerungen vor der Tat gegenüber R. D. und Zahra M. (vgl. oben S.15), in welchen er seiner Vorstellung, dass seine getrennt von ihm lebende Ehefrau kein Verhältnis zu anderen Männern haben dürfe und dies seine und die Familienehre verletzen würde, Ausdruck verliehen hat.
Die Kammer misst dabei den Angaben der Zeugin M. aufgrund ihres inkonstanten Aussageverhaltens nur einen sehr geringen Beweiswert zu. Wie die Polizeibeamten KHK´in F. und KHK E. berichteten, äußerte sich die Zeugin schon bei ihren polizeilichen Vernehmungen widersprüchlich. So habe sie die Beziehung zum Angeklagten zunächst als einfache Freundschaft beschrieben, dann aber angegeben mit ihm auch schon in die Türkei in den Urlaub geflogen zu sein und dabei mit ihm Zimmer und Bett geteilt zu haben. Auch in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung machte die Zeugin zu ihrem Verhältnis zum Angeklagten zunächst nur zurückhaltende Angaben. Andererseits schilderte sie wiederum Details aus dem Leben des Angeklagten, deren Weitergabe an sie ein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen zeigt und deren Richtigkeit durch andere Zeugen bestätigt wurde. So beschrieb sie beispielsweise einen Übergriff des Angeklagten auf A. D. in der Vergangenheit, bei welcher er sie mit einem Schlüssel am Kopf verletzt und anschließend ins Krankenhaus gebracht habe. Dieser Vorfall wurde auch vom Sohn des Angeklagten, R. D., berichtet.
Dass dem Angeklagten der Gedanke nicht fremd war, seine getrennt lebende Ehefrau im Falle der Beziehung zu einem anderen Mann, zur Wiederherstellung seiner Ehre und der Familienehre zu töten, wird belegt durch Äußerungen in der Vergangenheit, in denen er dies andeutete. So berichtete der ältere Sohn des Angeklagten, R. D., von einem Gespräch, dass er einige Zeit nach der Trennung seiner Eltern mit dem Vater zu zweit im Auto geführt habe. Der Angeklagte habe dabei nachgefragt, ob es einen anderen Mann im Leben der Mutter gebe. Er habe darauf gesagt, dass er dann handeln müsse, wenn es jemanden gebe und er, R. D., und sein Bruder dann ohne Mutter und Vater wären. Die Kammer hält auch diese Angaben des R. D. für glaubhaft (vgl. oben S.14). Auch in seinem Brief vom 12.05.2021 schreibt der Angeklagte an seine beiden Söhne von einem Gespräch mit A. D., in welchem er in Aussicht stellt, diese umzubringen:
(…) An einem Tag gab es ein Gespräch zwischen uns und sie sagte, dass er/sie/es sogar jemand anderen gehören/dass es sogar einen anderen geben würde. Ich sagte, dass ich sie auf die andere Seite [Anmerkung des Übersetzers: i. S. Jenseits] schicken würde. Sie lachte und sagte: „Du wirst nichts machen“ (…).
Die Wertevorstellung des Angeklagten, dass eine Liebesbeziehung seiner getrennt von ihm lebenden Ehefrau ehrverletzend sei, zeigt sich auch in der Bezeichnung des K. A. im Brief vom 12.05.2021 als „Ehrlosem“.
(…) Ich komme erneut aus dem Urlaub. Zuletzt diesen Ehrlosen, ich bin in Röthenbach, bin im Taxi. Er kommt wieder von hinten, schaut und als er mich sieht, kehrt er wieder um. Und das Glas läuft über. Eine Woche lang habe ich es rumgetragen/betrogen/ihn rumfahren lassen, es gab keine Rechnung [Anmerkung des Übersetzers: unklar]. Und als letztes habe ich eingekauft. Auf dem Rückweg sah ich den Ehrlosen auf dem Weg/auf der Straße und er ist zur Taxihaltestelle Röthenbach gefahren und ich habe die Einkäufe daheim abgesetzt und bin gekommen und stieg in sein Auto ein, um zu reden und brachte ihn (zu uns) oder zu euch. Eure Mutter rief ich auch dazu und sie lachen im Auto. Ich beleidige den Ehrlosen, stelle Fragen. Euere Mutter ist auf seiner Seite und demütigt mich. Dass ich [ihn] vorgestellt habe. Ich gerate in die Situation, wo ich scheinbar der Zuhälter bin, der seine Frau verkauft (…).
Dass den Angeklagten das in seinen Augen ehrverletzende Verhalten der A. D. wütend machte und ihn zur Tat schreiten ließ, ergibt sich ebenfalls aus seinen Briefen an die Söhne. So schreibt er im Brief vom 12.05.2021, dass nach einer Woche „das Glas übergelaufen sei“ (vgl. oben S. 27) und im Brief vom September 2021:
„Ich komme mal zum letzten Tag, und alles innerhalb von einer oder anderthalb Stunden, Wut und Depression haben sie und mich vernichtet, weil die mir bekannte iranische Frau und eine weitere iranische Frau kennen den K. Ich brauche mein Problem nicht zu nennen. Geschätzt vor einer Woche sagte die/diese Frau, dass sie das Foto eurer Mutter gesehen habe, dass K. dieses gemacht habe und warum deine Frau das gemacht habe. Ich schimpfte/Wurde sauer und beendete das Thema.“
Bei der in dieser Passage erwähnten iranischen Frau handelt es sich zur Überzeugung der Kammer um die Zeugin M., welche Iranerin ist und in der Hauptverhandlung u.a. darüber berichtete, dass sie von einer Bekannten erfahren habe, dass K. A. auf seinem Telefon ein Bild der A. D. hatte und dies dem Angeklagten, mit dem sie seit einigen Jahren eine Beziehung hatte, mitgeteilt habe. Sie habe das Bild aber nicht selbst gesehen und wisse auch nicht mehr, von wem sie es gehört habe.
Die Kammer hat bei der Bewertung der Briefinhalte jeweils berücksichtigt, dass eine wortgenaue Übersetzung der türkischen Originale in die deutsche Sprache nicht möglich ist und daher den Inhalt im Übrigen nur zurückhaltend bewertet, soweit sich der Inhalt nicht eindeutig aus dem Kontext ergab. Aus dem übrigen Inhalt der Briefe ergab sich weder eine andere Wertung der zitierten Inhalte noch weitere Erkenntnisse. Eine weitere Aufklärung der einzelnen Passagen war nicht möglich, da der Angeklagte in der Haupthandlung keine Fragen beantwortete.
Schließlich hat die Beweisaufnahme die Einlassung des Angeklagten zweifelsfrei widerlegt, dass für seine Tat finanzielle Motive eine Rolle gespielt hätte:
Der Angeklagte hat erstmals in der Hauptverhandlung angegeben, dass er aufgrund finanzieller Motive gehandelt habe, nämlich dass K. A. seine Ehefrau im Laufe einer möglichen Beziehung finanziell ausnutze, insbesondere sie bei einem Verkauf der Taxikonzession finanziell übertölpeln wolle. Er hat dazu in der Hauptverhandlung keine weiteren Nachfragen beantwortet, so dass die Kammer zur Bewertung seiner Angaben auf die Beweisaufnahme im Übrigen angewiesen ist.
Ein finanzielles Motiv ist schon vor dem Hintergrund der bis dahin erfolgten Äußerungen des Angeklagten zur Tat gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. W. nicht glaubhaft. Während er einige Stunden nach der Tat noch angab, von einer Beziehung zwischen A. D. und K. A. erfahren zu haben und deswegen verärgert gewesen zu sein, äußerte er bei den Gesprächen im April und Mai 2020, dass er von einer Beziehung weder etwas gewusst habe noch deswegen besorgt gewesen sei. Vielmehr hätte er die Trennung akzeptiert und lediglich sein Verhältnis mit K. A. klären wollen. Finanzielle Aspekte habe der Angeklagte, so der Sachverständige Dr. W., überhaupt erst bei der letzten Exploration angesprochen, ohne sie in Zusammenhang mit der Tat zu stellen.
Die Ermittlungen haben für ein finanzielles Motiv auch keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Es ist zwar zutreffend, dass der Angeklagte den Erwerb der Taxikonzession durch seine Frau mitfinanzierte. Dies steht fest aufgrund der Finanzermittlungen über welche der Polizeibeamte J. in der Hauptverhandlung berichtete. So habe der Angeklagte 46.000 Euro an den Zeugen V. überwiesen. Dieser bestätigte in der Hauptverhandlung, dass er diesen Betrag sowie weitere 10.000 Euro in bar für den Verkauf seiner Taxikonzession an A. D. erhalten habe. Anhaltspunkte dafür, dass A. D. geplant hätte ihre Konzession wieder zu verkaufen oder dass K. A. sie hätte erwerben wollen, haben die Ermittlungen jedoch nicht erbracht. Zwar schilderte der Zeuge R. D., dass seine Mutter nach Erreichen des Rentenalters das Taxigewerbe verkaufen wollte. Davon sei derzeit aber nicht die Rede gewesen, denn für die Konzession könne man gegenwärtig aufgrund der Corona-Pandemie nur etwa die Hälfte ihres normalen Marktwerts erzielen. Zudem berichtete die Zeugin G., dass ihre Schwester A. D. die Taxilizenz vor Abschluss der Ausbildung ihres Sohnes Y. D. nicht habe veräußern wollen. Auch die Ehefrau des K. A., I. A., gab in der Hauptverhandlung an, dass sie nichts von einem geplanten Erwerb oder Verkauf der Taxikonzession wisse, sondern ihr Mann bereits plante, sich zur Ruhe zu setzen.
Schließlich erschließt sich auch nicht, warum der Angeklagte neben dem K. A. auch seine Ehefrau A. D. tötete, wenn es ihm darum gegangen wäre, diese vor finanzieller Ausnutzung oder einer Übervorteilung bei einem Verkauf der Taxilizenz zu schützen.
(3) Schuldfähigkeit
Die Feststellungen beruhen auf den Angaben des psychiatrischen Sachverständigen Dr. W., Psychologe und Psychiater, Chefarzt der forensischen Abteilung des Bezirksklinikums am Europakanal, Erlangen, der mit dem Angeklagten noch am Tattag gesprochen und diesen später an drei Terminen in der Justizvollzugsanstalt Nürnberg exploriert hat.
Der Sachverständige hat ausgeführt, dass bei dem Angeklagten keine psychiatrische Erkrankung feststellbar sei. Weder die Angaben des Angeklagten noch sonstige Umstände würden auf eine hirnorganische Schädigung hinweisen. Ein vermehrter Konsum von Suchtmitteln oder psychopathologische Auffälligkeiten seien nicht feststellbar gewesen. Dies steht im Einklang mit der Auswertung der beim Angeklagten am Tattag um 14:16 Uhr entnommenen Blutprobe, in welcher, so der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. B., weder Blutalkohol noch Betäubungsmittel aufgefunden worden sei. Der Sachverständige Dr. W. erläuterte, dass sich auch keine Hinweise auf eine schizophrene Psychose ergeben hätten. Beim Angeklagten seien auch keine wahnhaften Überzeugungen feststellbar gewesen. Die Äußerungen des Angeklagten, auch hinsichtlich einer vermeintlichen Untreue seiner Ehefrau, hätten kein derartig unkorrigierbares oder überwertiges, objektiv falsches Denken erkennen lassen, dass das Kriterium eines „Wahns“ erfüllt gewesen sei. Beim Angeklagten liege schließlich auch keine Persönlichkeitsstörung vor. Er sei langjährig in der Lage gewesen, eine Erwerbstätigkeit auszuüben und persönliche Bindungen einzugehen, wie die von ihm geführten Ehen zeigten.
Beim Angeklagten sei zuletzt im Rahmen der Inhaftierungssituation eine depressive Verstimmung zu erkennen gewesen. Zwar habe der Angeklagte auch über eine neun Jahre zurückliegende depressive Verstimmung berichtet, es bestünden jedoch keine Hinweise darauf, dass es in der Zwischenzeit zu ausgeprägten Zeiträumen der Niedergeschlagenheit gekommen sei, die den Angeklagten nachhaltig eingeschränkt oder belastet hätten. Es sei insbesondere nicht feststellbar gewesen, dass der Angeklagte im direkten zeitlichen Vorfeld der Tat unter dem Eindruck schwerwiegender depressiver Veränderungen gestanden hätte. Auch bei dem Gespräch am Nachmittag des Tattages sei nicht der Eindruck entstanden, dass der Angeklagte unter einer schwerwiegenden depressiven Verstimmung leide.
Der Sachverständige Dr. W. erläuterte weiter, dass aus medizinischer Sicht weder das Vorliegen einer vorübergehenden noch einer dauerhaften krankhaften seelischen Störung, noch einer Intelligenzminderung, noch einer anderen schweren seelischen Störung angenommen werden könne. Auch eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Sinne eines Affekts habe beim Angeklagten während der Tat nicht vorgelegen. Selbst wenn die Tat auf dem Boden einer Ehrverletzung durch die vermeintliche Untreue der Ehefrau und dadurch bedingte Wut zustande gekommen sei, sei ein charakteristischer Affektaufbau, wie z.B. eine Auslösung durch scheinbar belanglose Kränkungen, nicht zu erkennen. Auch könne, so der Sachverständige, beim Angeklagten kein Folgeverhalten mit schwerer Erschütterung erkannt werden. Das Verhalten bei dem Gespräch bei der Kriminalpolizei am Nachmittag der Tat spreche zwar für eine starke emotionale Beteiligung, jedoch nicht für eine so weitgehende Veränderung, wie es regelmäßig bei Personen beschrieben werde, bei denen es zu schwerwiegenden Erschütterungen im Sinne einer Affekttat gekommen sei. Auch wenn ein grobes Missverhältnis zwischen Tatanstoß und der Reaktion des Angeklagten vorliege und der Angeklagte noch nicht mit erheblichen Gewalttaten aufgefallen sei, spreche insbesondere das Mitführen der Waffe als Vorbereitungshandlung entscheidend gegen eine Affekttat.
Die Kammer tritt dieser Einschätzung des Sachverständigen bei. Auch unter Berücksichtigung der Tatmotivation des Angeklagten und der durch die Ehrverletzung ausgelösten Wut ist die Kammer davon überzeugt, dass keine Affekttat im Sinne einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung vorliegt. Dagegen spricht entscheidend, die vom Angeklagten vorausschauende und zielgerichtete Gestaltung des Tatablaufs, der zeitlich noch die Beschaffung der Waffe aus der Wohnung der Mutter vorausging. Auch das Verhalten des Angeklagten unmittelbar nach der Tat zeigt, dass er nicht so hochgradig affektiv beeinträchtigt war, dass die Schwere einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung erreicht wurde. So beschrieb der Nachbar We., der kurz nach der Tat mit dem Pkw vorbeifahren wollte, wie der Angeklagte ihn mit dem Vornamen angesprochen und ihm gesagt habe, er könne hier jetzt nicht vorbeifahren und solle umdrehen. Auch die anderen unmittelbar nach der Tat herbeigekommenen Zeugen Ku., Dr. K., M. K. sowie die ersten am Tatort eintreffenden Polizeibeamten PHM So., PHM Bo. und PM Bü. schilderten kein besonders auffälliges Verhalten nach der Tat, dass Anhaltspunkte für Rückschlüsse auf ein außergewöhnliches Wahrnehmen oder Erleben des Angeklagten ergeben hätte. Der Polizeibeamte Bü., der den Angeklagten vom Tatort zur Kriminalpolizei verbrachte, beschrieb, dass der Angeklagte weinerlich gewirkt, aber die ihm erteilten Anweisungen verstanden habe und ihnen nachgekommen sei.
(4) Nach der Tat
Die Feststellungen beruhen auf den Angaben des KHK E..
D. Rechtliche Würdigung
Der Angeklagte hat sich des Mordes in zwei Fällen schuldig gemacht (§ 211 StGB).
1) Heimtücke
Der Angeklagte tötete A. D. und K. A. heimtückisch (§ 211 Abs. 2 Var. 5. Alt. StGB). Heimtückisch handelt, wer die erkannte Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit seiner Opfer in feindlicher Willensrichtung zur Tatbegehung ausnutzt. Arglos und dadurch bedingt wehrlos ist, wer im Zeitraum des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einer Feindseligkeit des Täters rechnet und deshalb über keine hinreichende Abwehrmöglichkeit verfügt oder aus den gleichen Gründen die ihm drohende Gefahr erst so spät erkennt, dass ihm keine effektive Abwehrmöglichkeit mehr verbleibt.
Diese Voraussetzungen liegen sowohl bei A. D. als auch bei K. A. vor. A. D. hat vor dem Ziehen der Pistole nicht mit einem tödlichen Angriff auf sich gerechnet. Sie hatte durch den überraschenden Schuss keine Möglichkeit sich gegen den Angriff zur Wehr zu setzen oder zu entziehen. Gleiches gilt für K. A., den der Angeklagte nur wenige Momente später erschoss. Auch er wurde von dem Ziehen der Pistole und dem Angriff auf A. D. und ihn völlig überrascht und konnte sich diesem, nachdem der Angeklagte nur Momente später, durch die geöffnete Beifahrertür schoss, eingeengt durch das Taxi, nicht entziehen.
2) Niedrige Beweggründe
Der Angeklagte tötete A. D. und K. A. darüber hinaus auch aus niedrigen Beweggründen (§ 211 Abs. 2 Var. 4 StGB).
Die Beweggründe einer Tat sind „niedrig“, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und in einem deutlich weiterreichenden Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen. Diese Bewertung hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen. In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann. Dies ist nicht der Fall, wenn der Täter außer Stande ist, sich von seinen gefühlsmäßigen und triebhaften Regungen freizumachen (vgl. BGH, Urteil v. 25.09.2019, Az. 5 StR 222/19, Rn. 11).
Nach diesen Maßstäben liegen hier niedrige Beweggründe vor.
a. Bewertung als niedriger Beweggrund
Die Kammer bewertet den Beweggrund des Angeklagten als besonders verwerflich, da er nach Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere des Tatbildes, der Lebensverhältnisse des Angeklagten und seiner Persönlichkeit auf sittlich tiefster Stufe steht und von einer hemmungslosen Eigensucht bestimmt ist. Der Angeklagte war seit mehr als sieben Jahren von seiner Ehefrau getrennt. Auch wenn sie durch das Taxiunternehmen noch regelmäßig geschäftlich Kontakt hatten, war die Trennung privat so vollzogen, dass der Angeklagte zu seiner Ehefrau praktisch keinen privaten Kontakt mehr hatte und das von ihr gekaufte Haus in der B.-Straße nicht mehr betrat. Bereits die Vorstellung des Angeklagten, als Ehemann über die Ausgestaltung der privaten Lebensführung seiner Ehefrau zu bestimmen, insbesondere über die Frage mit wem und welche Beziehungen sie eingeht, zeigt ein eigensüchtiges und anmaßendes Verhalten, das mit grundlegenden Werten der deutschen Rechtsgemeinschaft, insbesondere der Gleichberechtigung der Geschlechter, der allgemeinen Handlungsfreiheit und der Autonomie eines jeden Menschen unvereinbar ist. Dies gilt umso mehr, als der Angeklagte nach der mehrjährigen Trennung der Eheleute allein aufgrund seines formalen Status als Ehemann meinte, den Kontakt seiner Ehefrau zu anderen Männern überwachen, z.B. indem er deswegen Erkundigungen bei seinen Söhnen einzog, und sanktionieren zu können. Der Entschluss, A. D. und K. A. zur Wiederherstellung seiner Ehre und der Familienehre zu töten, die er durch die vermeintlichen Liebesbeziehung verletzt sah, ist besonders verächtlich, denn damit spielte sich der Angeklagte zum Richter und Vollstrecker über das Leben seiner Ehefrau A. D. und des K. A. auf, wobei er diese seinen, mit denen der deutschen Rechtsgemeinschaft völlig unvereinbaren Wertvorstellungen unterwarf. Der Angeklagte hat sich damit in besonders gravierender Weise über die deutsche Rechtsordnung hinweggesetzt, die der Würde des Menschen durch die Freiheit ein selbstbestimmtes Leben zu führen und der Unverletzlichkeit des Lebens besondere Geltung verliehen hat.
b. Kenntnis der Bedeutung dieser Umstände bei der Tat
Die Kammer ist sich sicher, dass dem Angeklagten diese Bewertung seines Handelns bei der Tatbegehung klar war. Zwar hat der Angeklagte den ersten Abschnitt seines Lebens in der Türkei verbracht und sein ganzes Leben dorthin über seine dortige Familie Kontakt gehalten. Der Angeklagte lebt jedoch seit über 40 Jahren in Deutschland und war dabei auch in die deutsche Gesellschaft weit integriert. Er war u.a. über mehrere Jahre mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und hat praktisch sein gesamtes Berufsleben zunächst als Schlosser und Werkzeugmacher, einschließlich einer erfolgreichen Ausbildung, und später als Taxifahrer in Deutschland verbracht. Er war damit beruflich stets in Kontakt mit der deutschen Gesellschaft und kannte die in Deutschland herrschenden Wertvorstellungen, insbesondere die Gleichberechtigung der Geschlechter, das Gewaltmonopol des Staates, die Unverletzlichkeit und Handlungsfreiheit der Person. Die Kammer hat daher keinerlei Zweifel, dass dem Angeklagten bei der Ausführung der Tat auch bewusst war, dass die Tötung von A. D. und K. A. zur Wiederherstellung seiner Ehre und der Familienehre damit völlig unvereinbar war. Dies bestätigt schließlich auch der Brief des Angeklagten an seine Söhne im September 2021, in dem er u.a. über die Erwartung der Strafe schreibt:
„Wenn es nach mir gehen soll, so ist dies eine Familienangelegenheit und sagt gar nichts. Oben ist der Gott. Ich bin derjenige, dem Ungerechtigkeit widerfährt. Ich bin derjenige, der das Geschehen ausführt/der die Sache gemacht hat, ich bin aber nicht der Schuldige [Verantwortliche – Anmerkung des Übersetzers] davon. Der Staat wird mir sowieso meine Schuld oder Strafe geben, auch wenn ihr es nicht wollen würdet.“
Die Kammer ist sich schließlich auch sicher, dass der Angeklagte sein Handeln trotz der durch die Ehrverletzung empfundenen Wut gedanklich beherrschen und willentlich steuern konnte und insbesondere bei der Tat keinem höhergradigen Affekt unterlag (vgl. oben S. 31).
E. Strafzumessung
Die Strafe war § 211 StGB zu entnehmen, der für Mord lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht.
Der Angeklagte war daher wegen des Mordes an A. D. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und wegen des Mordes an K. A. ebenfalls zu einer lebens-langen Freiheitstrafe zu verurteilen.
Aus den Einzelfreiheitsstrafen war gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 StGB auf eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe zu erkennen.
Die Kammer hat die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten festgestellt (§ 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB). Sie hat dabei ohne Bindung an begriffliche Vorgaben eine zusammenfassende Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit getroffen und berücksichtigt, dass eine Bejahung der besonderen Schwere der Schuld nur möglich ist, wenn Umstände von Gewicht vorliegen (BGH Beschluss v. 22.11.94, Az. GGSt 2/94; BGH St 42, 226 f.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Kammer nach einer Gesamtwürdigung der Tat und der Täterpersönlichkeit davon überzeugt, dass die persönliche Schuld des Angeklagten so schwer wiegt, dass eine Vollstreckung der Strafe noch über die Mindestverbüßungszeit hinaus notwendig ist.
Dabei hat die Kammer schuldsteigernd berücksichtigt, dass der Angeklagte zwei Mordtaten begangen hat und dabei jeweils ein tat- und ein täterbezogenes Mordmerkmal verwirklicht hat. Weiter hat es die Kammer als schuldsteigernd gewertet, dass der Angeklagte den zweiten Schuss auf A. D. vor den Augen des gemeinsamen Sohnes abgab.
Die Kammer hat zu Gunsten des Angeklagten gewürdigt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, die Taten weitgehend eingeräumt hat und er aufgrund seines Lebensalters besonders haftempfindlich ist. Darüber hinaus wurde zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er die Adhäsionsanträge der Nebenkläger weitgehend anerkannt hat.
Die Kammer ist nach einer Gesamtwürdigung der Taten des Angeklagten und seiner Persönlichkeit, insbesondere auch unter nochmaliger Würdigung des bereits deutlich fortgeschrittenen Lebensalters des Angeklagten und der damit verbundenen Entlassungsperspektive der Überzeugung, dass die Schuld des Angeklagten als besonders schwer im Sinn von § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB zu bewerten ist.
F. Adhäsionsantrag
Die Adhäsionskläger I. und G. A. haben für die Tötung des K. A. Anspruch auf Hinterbliebenengeld aus § 844 Abs. 1, 3 BGB sowie als Erben auf Schadensersatz für die Beschädigungen am Taxi des K. A. in Höhe von 11.166 Euro aus §§ 823 Abs. 1, 1922 Abs. 1 BGB. Der Angeklagte war auf ihre Adhäsionsanträge vom 20.10.2021 zu Ziffer 1., 2., 4. und 5. ohne sachliche Prüfung der Rechtslage im Umfang seines Anerkenntnisses zu verurteilen (§ 406 Abs. 2 StPO). Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird insoweit gemäß § 313b Abs. 1 ZPO analog abgesehen.
Die Kammer hat die Höhe des Hinterbliebenengelds für die Adhäsionsklägerin I. A. auf 20.000 Euro und für den Adhäsionskläger G. A. auf 15.000 Euro festgesetzt (§ 844 Abs. 3 S. 1 BGB). Bei der Festlegung der Höhe hat die Kammer zunächst den vom historischen Gesetzgeber erklärten Normzweck berücksichtigt, nämlich die in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zum Getöteten stehenden Personen durch das Hinterbliebenengeld in die Lage zu versetzen, ihre durch den Verlust dieses besonders nahestehenden Menschen verursachte Trauer sowie ihr seelisches Leid zu lindern (vgl. Gesetzentwurf vom 07.03.2017, BT-Drucksache 18/11397, S.8). Der Wortlaut des § 844 Abs. 3 BGB stellt die Festsetzung der Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts, das eine angemessene Entschädigung aussprechen soll (§ 287 ZPO). Aus den Gesetzgebungsmaterialien ist insoweit zur Vorstellung des Gesetzgebers von der erforderlichen Höhe der Entschädigung, mit welcher Trauer und seelisches Leid für die Tötung eines Menschen gelindert werden können, nur ein mittelbarer Ansatzpunkt zu entnehmen. Der Gesetzgeber ist 2017 bei der Abschätzung der Folgekosten des Gesetzentwurfs in Anlehnung an die Schockschadenrechtsprechung des Bundesgerichtshofes davon ausgegangen, dass die Gerichte bei der Tötung von Angehörigen durchschnittlich 10.000 Euro festsetzen werden (vgl. aaO, S. 11). Die Kammer hat sich bei ihrer Entscheidung auf dem Boden dieser gesetzgeberischen Intention weiter an den gelebten Beziehungen der Adhäsionskläger mit dem getöteten K. A. orientiert. Dabei hat sie berücksichtigt, dass der Getötete für seine Witwe, die Adhäsionsklägerin I. A., der zentrale Lebensmittelpunkt war, und auch der Adhäsionskläger G. A. eine enge Beziehung zu seinem Vater pflegte, welche sich mit der Geburt seiner Kinder und der Rolle des K. A. als Großvater noch weiter intensiviert hatte. Die Kammer hat schließlich berücksichtigt, dass der Angeklagte K. A. absichtlich getötet hat und ihn daher anders als bei fahrlässigen Tötungen, beispielsweise im Straßenverkehr, ein höherer Verschuldensgrad trifft. Bei Tötungen im Straßenverkehr hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit den angehörigen Eltern bzw. Ehepartnern Beträge zwischen 3.000 Euro und 15.000 Euro zugesprochen (vgl. LG Leipzig, Urteil v. 08.11.2019, Az. 5 O 758/19; LG Tübingen, Urteil v. 17.05.2019, Az. 3 O 108/18; LG München II, Urteil v. 17.05.2019, Az. 12 O 4540/18). Die Kammer hält es für angemessen über diese Beträge hinauszugehen, da ihr bekannt ist, dass das empfundene seelische Leid und die Trauer bei Menschen, die nahestehende Personen aufgrund einer vorsätzlich begangenen Straftat verloren haben, einen zusätzlichen Umstand darstellt, der den empfundenen Verlust und die damit einhergehenden seelischen Leiden noch weiter verschlimmert.
Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag im Übrigen hat die Kammer abgesehen, da mit der Festsetzung von Rentenansprüchen weitere Ermittlungen verbunden wären, so dass sich die Entscheidung darüber nicht für das Adhäsionsverfahren eignet (§ 406 Abs. 1 S. 4 StPO).
G. Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 465, 472 Abs. 1 StPO, 91 Abs. 1 ZPO.

Verwandte Themen: , , , , ,

Ähnliche Artikel


Nach oben